Читать книгу Gefunden! Ein Traumprinz für Jessica - Isabella Defano - Страница 3
Prolog
ОглавлениеWie erstarrt stand Jessica am Grab ihrer Eltern. Noch bis vor zwei Wochen war ihr Leben in Ordnung gewesen. Sie hatte hart für die Schule gelernt und ein sehr gutes Abitur hingelegt. Doch nun war alles anders. Innerhalb weniger Augenblicke hatte ein Geisterfahrer ihr ganzes Leben verändert, dabei wollten Gottfried und Marlies Neumann nur schnell zur Abschlussfeier ihrer Tochter fahren. Aber dort sollten sie nie ankommen.
Tränen liefen über Jessicas Gesicht. Mit einer Hand wischte sie diese fort.
„Was soll ich jetzt nur tun?“, flüsterte Jessica leise, während sie weiter auf das Grab ihrer Eltern starrte.
Eigentlich sollte ihre Abschlussfeier ein freudiges Ereignis werden. Ihre Eltern hatten sich extra freigenommen, um diesen Ehrentag mit ihrer Tochter zu feiern. Dies war nicht selbstverständlich, denn beruflich waren ihre Eltern schon immer sehr eingespannt. Gemeinsam führten sie eine gut gehende Anwaltskanzlei in Nürnberg und für Jessica blieb da nur wenig Zeit. Seit ihrem 6. Lebensjahr verbrachte sie daher den größten Teil des Jahres in Marienhöhe, einem Internat in Darmstadt. Dort hatte sie schnell Freunde gefunden und jahrelang eine wunderschöne Zeit verbracht. Bis zu dem Tag ihrer Abschlussfeier, an dem sie plötzlich von der Polizei einen Anruf erhielt. Ein Autofahrer war falsch auf die Autobahn gefahren und hatte das Fahrzeug ihrer Eltern frontal erwischt. Beide waren sofort tot gewesen.
„Jess?“
Nur langsam drang der Ruf ihrer Freundin zu Jessica durch. Als die junge, schwarzhaarige Frau Jessicas Arm berührte, drehte diese sich um.
„Cara? Was machst du denn hier?“
Fragend sah Jessica ihre beste Freundin Carina Arens an. Eigentlich sollte diese bereits auf dem Weg nach Amerika sein, wo sie für ein Jahr als Au Pair arbeiten wollte.
„Ich konnte meine Eltern und meine Gastfamilie davon überzeugen, dass es besser ist, wenn ich erst vier Wochen später fliege. Du brauchst mich jetzt. Zum Glück hat alles geklappt. Oh Jess, das mit deinen Eltern tut mir so leid. Ich konnte es gar nicht glauben, als meine Eltern mir davon erzählten. Warum hast du nichts gesagt? Du bist einfach von der Feier verschwunden. Ich wäre doch für dich da gewesen.“
Traurig und mit Tränen in den Augen drehte sich Jessica wieder zum Grab ihrer Eltern um.
„Ich konnte einfach nicht darüber reden. Es war wie ein Schock. Ich kann immer noch nicht glauben, dass sie wirklich tot sind. Wieso musste ich auch so einen guten Abschluss machen.“
Tröstend nahm Carina ihre Freundin in den Arm und schaute sie fragend an.
„Was meinst du damit? Du hast schließlich hart dafür gearbeitet.“
Langsam drehte sich Jessica wieder zu ihrer Freundin um. Nur zu deutlich konnte man den Schmerz in ihren Augen sehen.
„Für meine Eltern war Erfolg immer sehr wichtig. Sie wollten, dass ich später selbst Jura studiere und in ihrer Kanzlei arbeite. Wäre mein Zeugnis weniger gut ausgefallen, hätten sie sich vielleicht nicht die Mühe gemacht, extra nach Darmstadt zu fahren und sie würden jetzt noch leben.“
Mitfühlend sah Carina ihre Freundin an, noch nie hatte Jessica so verzweifelt ausgesehen. Sanft sprach sie auf die junge Frau ein.
„Es war ein Unfall. Es hätte auch zu einem anderen Zeitpunkt passieren können.“
Jessica jedoch konnte mit diesen Worten nichts anfangen. Natürlich war es ein Unfall gewesen. Trotzdem war es ihr Wunsch, der ihren Eltern das Leben gekostet hatte. Als sie ihren Vater von dem guten Abschluss berichtete, hatte sie sich als Belohnung etwas wünschen dürfen. Tja, und Jessica wollte unbedingt ihre Eltern, bei der Abschlussfeier dabei haben.
„Mag sein, doch meine Eltern wollten eigentlich gar nicht kommen. Ich musste sie dazu überreden. Jetzt bin ich ganz allein.“
Plötzlich sah Jessica ihrer Freundin direkt in die Augen.
„Cara! Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll. Ich habe nichts mehr.“
Verwirrt sah Carina Jessica an.
„Wieso? Du hast mich. Ich werde immer für dich da sein.“
„Ich weiß, und dafür bin ich dir sehr dankbar, aber das habe ich nicht gemeint. Ich hatte heute Vormittag einen Termin bei unserem Notar wegen des Testamentes. Das Haus ist mit einer hohen Hypothek belastet und es gibt keine finanziellen Rücklagen. So wie es aussieht, haben meine Eltern jahrelang über ihre Verhältnisse gelebt. Dr. Köhn hat mir geraten, das Erbe nicht anzutreten. Ich würde nur Schulden erben. Tja, und meine letzten finanziellen Reserven sind für die Beerdigung draufgegangen.“
Fassungslos sah Carina ihre Freundin an.
„Das kann ich gar nicht glauben, sie waren doch sehr gefragte Anwälte. Hatten deine Eltern denn keine Absicherung?“
Jessica zuckte mit den Schultern.
„Das hat mich Dr. Köhn auch gefragt. Vielleicht! Ich weiß es nicht. Über solche Dinge haben meine Eltern nie mit mir gesprochen.“
„Hast du zu Hause schon alle Unterlagen deiner Eltern durchgesehen? Vielleicht findest du dort die entsprechenden Papiere.“
Nur kurz schüttelte Jessica mit dem Kopf.
„Ich konnte mich noch nicht dazu durchringen, etwas von den Sachen meiner Eltern anzufassen. Soweit bin ich noch nicht.“
„Ich verstehe dich, doch leider kommst du da nicht drum herum. Jess, du kannst den Kopf nicht in den Sand stecken, sondern musst weitermachen. Ich kann dir auch helfen.“
Kurz dachte Jessica über das Angebot ihrer Freundin nach. Eigentlich hatte sie keine Lust, sich die Papiere ihrer Eltern anzuschauen. Als Kind war es ihr immer verboten gewesen, im Arbeitszimmer ihrer Eltern etwas anzufassen. Und nun sollte sie dieses Verbot bewusst ignorieren? Jessica wusste, dass es dann kein Zurück mehr gab. Schließlich musste sie sich jedoch eingestehen, dass es jetzt keine Rolle mehr spielte. Ihre Eltern waren fort und würden nie wieder zurückkommen. Sollte es also wirklich noch irgendwo Versicherungsunterlagen geben, musste sie diese finden. Sonst würde sie nicht nur ihre Eltern, sondern ebenso ihr Zuhause verlieren. Schließlich nickte Jessica ihrer Freundin zu und gemeinsam verließen sie den Friedhof.
Es dauerte nicht lange, bis sie an ihrem Elternhaus ankamen. Ihr Heim war ein wunderschönes und freistehendes Einfamilienhaus mit Garage, Terrasse und einem großzügigen Garten. Alle Zimmer waren mit Parkett und Fußbodenheizung ausgestattet und zusätzlich gab es sowohl ein Bad mit Wanne wie ein Gäste-WC. Früher als Kind kam Jessica das Haus immer wie ein Palast vor. Fröhlich war sie hier herumgelaufen und hatte ihre Kindermädchen in den Wahnsinn getrieben. Als sie dann mit sechs Jahren ins Internat sollte, weinte sie bitterlich. Sie wollte ihr eigenes kleines Königreich nicht verlassen. Erst, als sie in Marienhöhe Freunde gefunden hatte, fiel ihr der Abschied nicht mehr ganz so schwer. Trotzdem war sie jedes Mal überglücklich, wenn sie wieder nach Hause fahren konnte. Umso schrecklicher war die Vorstellung, dass sie dieses Heim möglicherweise schon bald an die Bank verlieren würde.
Schweigend gingen die beiden Frauen ins Haus, während Jessica Carina sofort zum Arbeitszimmer ihrer Eltern führte. Als die Frauen den Raum betraten, musste Jessica gegen Tränen ankämpfen. Dieser Raum sah genauso aus, wie ihn ihre Eltern verlassen hatten. So, als würden sie bald wiederkommen. Lediglich die Fallakten waren verschwunden, denn kurz nach dem Tod ihrer Eltern hatten Kollegen die laufenden Fälle übernommen.
Tief atmete Jessica durch, bevor sie sich zu ihrer Freundin umdrehte.
„Also wenn es Unterlagen gibt, müssten sie hier sein. Meine Eltern haben immer alle wichtigen Papiere hier aufbewahrt. Du kannst dir ja den Schreibtisch meines Vaters anschauen und ich nehme den meiner Mutter.“
Nach einem kurzen Nicken machte sich Carina schnell an die Arbeit. Jessica hingegen brauchte einige Minuten, bis sie damit begann, die ersten Schubladen zu öffnen. Fast eine Stunde lang suchten sie schweigend nach eventuellen Versicherungsunterlagen, bis Carina schließlich frustriert aufgab.
„Hast du etwas gefunden, Jess? Also hier ist nichts.“
Fragend sah Carina Jessica an, die sich gerade ein Blatt Papier anschaute. Als sie ihren fassungslosen Gesichtsausdruck sah, ging sie schnell auf ihre Freundin zu.
„Alles in Ordnung mit dir?“
Unbewusst begann Jessica, mit dem Kopf zu schütteln, während sie weiter fassungslos das Dokument in ihrer Hand anschaute. Schließlich hob sie den Kopf und sah Carina direkt an.
„Ich wurde adoptiert!“