Читать книгу Gefunden! Ein Traumprinz für Jessica - Isabella Defano - Страница 5

2. Kapitel

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Es war noch sehr früh am Morgen, als Christian de Luca mit seinem Vater und den beiden Vorarbeitern Finn Katzer und Konrad Riedl die weiteren Arbeitsabläufe auf der Farm besprach. Jetzt im Winter wurde es Zeit, die letzten abschließenden Arbeiten durchzuführen. Der Wirsing musste eingeholt werden und dies ganz ohne maschinelle Hilfe. Denn da dieses Gemüse sehr empfindlich war, konnten sie es nicht riskieren, eine Erntemaschine einzusetzen. Das bedeutete aber auch, dass gerade ein halbes Dutzend Erntehelfer mit nichts anderem beschäftigt war und beispielsweise Reparaturarbeiten an Christian hängen blieben.

Doch nicht nur die Wirsingernte gehörte zu den aktuellen Arbeiten, die gerade auf der Farm anfielen. Denn auch wenn die Landwirtschaft immer noch einen großen Teil der Arbeit einnahm, stand inzwischen die Zucht der Angorakaninchen an erster Stelle und diese Tiere sorgten das ganze Jahr über für viel Arbeit. Jeden Tag kümmerten sich 20 Mitarbeiter um die fünf Ställe, in denen je etwa 100 Tiere untergebracht waren. Oder besser gesagt 19 Mitarbeiter, ging es Christian plötzlich durch den Kopf. Erst gestern waren sie nämlich gezwungen gewesen, einen ihrer Mitarbeiter aus dem Tierbereich zu entlassen, der bewusst die Gesundheit der Tiere gefährdete. Jetzt mussten sie schnell Ersatz finden.

„Christian? Was meinst du dazu?“

Als Christian die Stimme seines Vaters hörte, sah er ihn leicht verwirrt an. Er hatte gar nicht mitbekommen, dass ihm sein Vater eine Frage gestellt hatte.

„Entschuldige!“, sagte er ruhig und schaute seinen Vater an. „Ich war gerade in Gedanken. Worum geht‘s?“

Verwundert sah Carlos seinen Sohn an. Es war nicht seine Art, unaufmerksam oder abgelenkt zu sein. Im Gegenteil! Oft musste er ermahnt werden, auch einmal abzuschalten und nicht nur für die Farm zu leben.

„Ist alles in Ordnung?“, fragte Carlos de Luca besorgt. „Oder was beschäftigt dich?“

Wieder musste Christian an die aktuelle Personalsituation denken, während er seinem Vater antwortete.

„Ich frage mich nur, wo wir auf die Schnelle einen neuen Mitarbeiter für unseren Tierbereich herbekommen können. Diesmal sollte es aber jemand sein, der wenigstens etwas Ahnung von Tieren besitzt. Wir können es uns nicht noch einmal erlauben, jemanden ohne Vorbildung und Erfahrung einzustellen. Beim letzten Mal hätten wir fast drei ganze Würfe verloren.“

Plötzlich fluchte Christian laut auf.

„Verdammt! Man sollte doch wissen, dass man die Nester der Kaninchen in Ruhe lässt und die Jungen nicht ständig herausnimmt. Besonders, wenn die Mutter noch so jung ist. Wenn sich dieser Justus an die Vorschriften gehalten hätte, müssten wir nicht einen ganzen Haufen Jungtiere mit der Hand aufziehen und hätten auch nicht einige Tiere verloren. Jetzt reicht die Anzahl der Kleinen nicht mal aus, um unsere verstorbenen Tiere zu ersetzen. Wir werden also im Frühjahr deutlich mehr Häsinnen decken lassen müssen. Und dies bedeutet noch mehr Arbeit.“

Carlos war frustriert. Natürlich war er der gleichen Meinung wie sein Sohn, ihr ehemaliger Mitarbeiter hatte wirklich fahrlässig gehandelt. Aber in einem Punkt irrte sich Christian. Dieses Verhalten hatte nichts mit seiner fehlenden Erfahrung zu tun. Auch andere Mitarbeiter hatten erst auf der Farm gelernt, mit den besonderen Angorakaninchen umzugehen. Doch für den ehemaligen Mitarbeiter war die Arbeit mit den Tieren einfach nicht wichtig genug. Er wollte nur sein Gehalt und das möglichst ohne große Anstrengungen. Immer wieder hatten sich die anderen Kollegen über seine Faulheit und Unpünktlichkeit beklagt. Nicht nur einmal hatte Carlos ein ernstes Wort mit diesem Mann gesprochen, leider ohne Erfolg. Justus Friesen war sowieso nicht sehr gut auf Carlos und seinen Sohn zu sprechen, nachdem man ihm die 26-jährige Luisa Focke als Hallenleiterin vor die Nase gesetzt hatte. Nach seiner Meinung hätte ihm als Ältesten diese Verantwortung zugestanden und so weigerte er sich, den Anweisungen der fast 14 Jahre jüngeren Frau Folge zu leisten. Aber erst sein absolutes Fehlverhalten im Umgang mit den Zuchtkaninchen und ihren Jungen machten ihn für die de-Luca-Farm untragbar.

Trotzdem! Carlos wünschte sich, Christian würde sich nicht immer nur um die Arbeit sorgen, obwohl es leider nichts Neues war. Für einen kurzen Moment lang dachte er wirklich, seinen Sohn würde etwas anderes beschäftigen. Vielleicht Probleme mit einer Frau? Kopfschüttelnd musste Carlos still über sich selbst lachen. Wie komme ich nur auf einen solchen Gedanken? Seit der Trennung von seiner Exfreundin vor fast drei Jahren war Christian schon keine Beziehung zu Frauen mehr eingegangen. Stattdessen vergrub er sich ganz in seiner Arbeit und machte nicht einmal Urlaub. Leider konnte er seinem Sohn aber auch nicht böse sein. Carlos wusste, wie problematisch die Personalsituation im Moment war und wie viel Arbeit Christian auf sich nahm, um ihn zu unterstützen. Auf diese Weise konnte sich Carlos in Ruhe um den Versand der Angorawolle an seinen Bruder Valenzo kümmern, der dieses besondere Material für seine beliebten Modekollektionen nutzte. Der Name de Luca stand für Qualität. Aus diesem Grund konnten sie es sich nicht leisten, beim Personal zu sparen. Nur so konnten sie sichergehen, dass alle Tiere gesund waren. Aber wenn nicht bald etwas geschah, würde Christian vor Überlastung irgendwann umfallen.

Als Carlos sah, wie ihn die beiden Vorarbeiter abwartend anschauten, beschloss dieser erst einmal, auf den eigentlichen Grund ihrer Versammlung zurückzukommen.

„Genau die gleiche Thematik habe ich gerade ebenfalls angesprochen“, meinte er und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. „Doch ich finde, es reicht nicht aus, nur die eine fehlende Person zu ersetzen. Wir müssen allgemein darüber nachdenken, weitere Hilfskräfte einzustellen. Ich habe bereits mit Claas darüber gesprochen. So etwas wie in diesem Jahr darf nicht noch einmal passieren. Besonders jetzt nicht, da im Februar die Hochzeit von Raphael stattfindet.“

Christian schüttelte mit dem Kopf. Genau die gleiche Problematik hatten sie vor einigen Monaten schon einmal diskutiert. Damals, kurz nach dem 50. Geburtstag seines Onkels Victor, sollten ebenfalls mehr Mitarbeiter eingestellt werden. Da viele Angestellte durch einen Virus krank geworden waren, konnte niemand aus der Familie an der Geburtstagsfeier teilnehmen. Lediglich seine Schwester Christin, die zu der Zeit sowieso in Deutschland war, hatte für einige Stunden das Geburtstagskind besucht. Trotzdem sah Christian nicht wirklich eine Notwendigkeit darin, zusätzliches Personal einzustellen. Natürlich musste der fehlende Mitarbeiter ersetzt werden, aber ansonsten standen eigentlich genügend Leute zur Verfügung. Sobald die Wirsingernte erledigt war, gab es bis Februar auf dem Feld nicht wirklich viel zu tun, sodass die landwirtschaftlichen Mitarbeiter im Notfall im Tierbereich aushelfen konnten.

„Ich verstehe deine Sorge, Vater“, versuchte Christian zu argumentieren. „Aber ich glaube immer noch nicht, dass zusätzliche Hilfskräfte notwendig sind. Wir haben an die 50 fest angestellte Mitarbeiter, die im Ernstfall aushelfen könnten. Es ist eher unwahrscheinlich, dass alle Mitarbeiter gleichzeitig krank werden. Das damals war einfach nur Pech.“

Ernst sah Carlos seinen Sohn an. Ja, sie hatten gut 50 Mitarbeiter, doch wenn Christian trotzdem jeden Tag neben seiner Büroarbeit noch aufs Feld fahren musste, waren es eindeutig zu wenig.

„Du hast recht, es war Pech. Doch was passiert, wenn wir noch einmal so viel Pech haben? Beim letzten Mal haben wir den Geburtstag meines Bruders verpasst, diesmal könnten wir Raphaels Hochzeit verpassen. Dieses Risiko möchte ich nicht eingehen. Es müssen ja nicht so viele Hilfskräfte sein. Drei oder vier sind völlig ausreichend. Ich möchte nur, dass jemand da ist, wenn wir im Februar nach Deutschland fahren. Außerdem, mein Sohn, es ist mir nicht entgangen, dass du in den letzten Monaten täglich fast 14 oder 15 Stunden gearbeitet hast. Du brauchst dringend eine Pause. Wenn wir noch mehr Leute beschäftigen, könntest du dich nur noch um deine Bürotätigkeit kümmern. Glaub mir, auf Dauer wirst du diese Doppelbelastung nicht durchstehen.“

Christian war genervt. Geht das schon wieder los? Er wusste, dass er seinen Vater nicht umstimmen konnte. Dieser war fest davon überzeugt, dass es notwendig war, neue Leute einzustellen. Aber er mochte es gar nicht, wenn sich seine Eltern ständig in sein Leben einmischten. Gut, er arbeitete gerade wirklich sehr viel. Doch was soll ich auch sonst tun? Es gab keine Frau in seinem Leben, denn dafür hatte er einfach keine Zeit. Außerdem würde es nicht immer so bleiben. Irgendwann würde sein Bruder Matthias sein Studium beenden und einen Teil der Arbeiten übernehmen.

Um das Thema zu beenden, nickte Christian seinem Vater kurz zu. Es gab noch genügend andere Dinge, die besprochen werden mussten, und er würde sich jetzt nicht mit seinem Vater über drei oder vier neue Mitarbeiter streiten.

„Gut, dann soll sich Claas darum kümmern“, sagte Christian und wandte sich gleich darauf den beiden Vorarbeitern zu.

„Was gibt es sonst noch für Probleme?“

Es dauerte fast zwei Stunden, bis die Gruppe alle ihre Anliegen besprochen hatte. Immer wieder tauchten neue Anregungen und Vorschläge auf, wie die Abläufe optimiert werden konnten. Schließlich verabschiedeten sich die Männer voneinander und die beiden Vorarbeiter machten sich auf den Weg zu ihren Arbeitsplätzen. Beide arbeiteten bereits seit vielen Jahren auf der Farm. Sie hatten hier als einfache Arbeitskräfte angefangen und verfügten inzwischen über ein sehr umfassendes Wissen über die Abläufe in ihren Abteilungen. Für Christian waren sie daher am Anfang eine sehr große Hilfe gewesen, als er vor gut drei Jahren die aktive Leitung der Farm übernommen hatte. Denn obwohl die Farm immer noch offiziell seinem Vater gehörte, hatte dieser sich inzwischen immer mehr aus dem normalen Alltagsgeschäft zurückgezogen. Und bis auf ein paar kleine Einschränkungen konnte Christian alle Entscheidungen selbstständig treffen. Lediglich einmal im Monat bestand sein Vater auf diese Sitzung, woran normalerweise auch der Farmverwalter Claas Philipps teilnahm.

Nachdem die beiden Männer nicht mehr in Sichtweite waren, wandte sich Carlos wieder seinem Sohn zu.

„Und? Was hast du heute noch vor? Schließlich musst du ja schon morgen zu deinem Seminar. Vielleicht solltest du den heutigen Tag nutzen, um etwas zu entspannen. Du könntest zum Beispiel in die Stadt fahren und Freunde besuchen.“

Kopfschüttelnd sah Christian seinen Vater an. Natürlich! Er hätte wissen müssen, dass dieser das Thema nicht so schnell fallen lassen würde.

„Vater, wie stellst du dir das vor? Es gibt gerade so viel zu tun. Die Kohlköpfe ernten sich nicht von alleine. Außerdem muss ich mich noch um die Reparatur der Zäune und den Bürokram kümmern. Ich habe bereits ein paar sehr gute Angebote, damit können wir das Saatgut fürs nächste Jahr deutlich günstiger einkaufen.“

Carlos de Luca stöhnte frustriert auf und ließ sich wieder in den Stuhl zurückfallen. Ernst sah er seinen Sohn an.

„Christian, so kann es nicht weitergehen, du machst dich irgendwann noch kaputt. Dein ganzes Leben besteht nur noch aus der Farm.“

Christian winkte ab und setzte sich ebenfalls wieder hin.

„Das stimmt gar nicht.“

Doch so einfach ließ Carlos seinen Sohn nicht in Ruhe.

„Ach wirklich, und wann hattest du das letzte Mal Urlaub oder hast dich mit Freunden getroffen? Wann warst du zuletzt mit einer Frau zusammen? Christian, ich mache mir Sorgen um dich. Du arbeitest zu viel.“

Etwas wütend und genervt sah Christian seinen Vater an. Wieso musste er immer wieder auf diesem Thema herumreiten?

„Glaubst du nicht, dass du etwas übertreibst. Gut, dann war ich halt schon eine Weile nicht mehr mit einer Frau zusammen. Na und! Es gibt immerhin noch wichtigere Dinge. Für mich ist die Farm nun einmal gerade das Wichtigste, immerhin werde ich sie eines Tages ganz übernehmen. Ich muss mich also in allen Bereichen der Farm sehr gut auskennen. Dies geht aber nur, wenn ich Zeit investiere.“

Carlos verschränkte die Arme vor seiner Brust.

„Stimmt, du sollst eines Tages die Farm komplett übernehmen. Das kannst du aber nur, wenn du zu diesem Zeitpunkt noch dazu in der Lage bist. Wenn du so weitermachst wie bisher, fällst du irgendwann um. Mach etwas langsamer, mein Sohn, es gibt noch mehr als Arbeit. Du wirst bald 28. Langsam solltest du über eine Ehefrau und Kinder nachdenken. Außerdem, auch ich kenne mich nicht in allen Bereichen der Farm aus. Dafür haben wir schließlich fähige Mitarbeiter. Zum Beispiel Finn, er arbeitet nun schon seit fast 20 Jahren im Tierbereich. Es gibt kaum etwas, was er noch nie gesehen hat. Oder Konrad. Ich bin mir sicher, er würde die anfallenden Arbeiten auf dem Feld gut alleine koordinieren. Sicher, es war gut, dass du am Anfang alle Bereiche kennengelernt hast, doch jetzt solltest du damit beginnen, deinen Mitarbeitern zu vertrauen. Finn, Konrad und selbst Claas leisten hervorragende Arbeit, du musst es nur zulassen.“

Mit diesen Worten verließ Carlos de Luca das Büro seines Sohnes und ließ Christian allein zurück. Kaum fiel die Tür hinter seinem Vater zu, stand Christian frustriert auf und ging im Zimmer hin und her. Er hatte die Nase voll davon, dass sich seine Eltern ständig in sein Leben einmischen wollten. Bereits seit Wochen lagen ihm seine Mutter und sein Vater in den Ohren, er solle mal wieder ausgehen und sich mit einer Frau treffen. Dies war jedoch für Christian keine Option. Schon einmal war seine Beziehung aufgrund der Arbeit auf der Farm zerbrochen. Holly war einfach nicht damit klargekommen, dass Christian die Farm wichtiger war als sein Vergnügen. Dabei fing alles so gut an. Sie hatten sich auf der Uni kennengelernt und gemeinsam Agrarwirtschaft studiert. Jahrelang waren sie das Traumpaar der Uni gewesen, mit vielen Träumen für die Zukunft. Als Christian jedoch nach seinem Studium auf der Farm seines Vaters zu arbeiten begann, wurde das Verhältnis immer schlechter. Christian wollte seinen Vater entlasten und nahm ihm daher viele Arbeiten ab. Da er aber selbst noch neu in diesem Bereich war, musste er oft sehr lange arbeiten. Die meiste Zeit verbrachte er mit Finn Katzer und Konrad Riedl, die ihn in die Tätigkeiten der einzelnen Abteilungen einwiesen. Oder bei Claas, der ihn in die Geheimnisse des Personalwesens und der firmeninternen Preiskalkulation einführte. Währenddessen fühlte sich Holly immer mehr vernachlässigt. Sie begann damit, alleine zu Veranstaltungen und Feiern zu gehen. Doch als Christian dann auch noch ihren Geburtstag vergaß, hatte sie die Nase voll. Sie trennte sich von ihm und suchte sich stattdessen einen Freund mit geregelten Arbeitszeiten. Vor einem Jahr hatte Christian dann erfahren, dass Holly inzwischen verheiratet und Mutter einer Tochter war. An diesem Tag hatte er sich sinnlos betrunken und sich seitdem noch tiefer in die Arbeit vergraben. Denn obwohl die Trennung schon einige Zeit her war, hoffte er bis zum Schluss, sie würde zu ihm zurückkommen.

Um sich abzulenken und nicht länger über Holly nachdenken zu müssen, verließ Christian sein Büro und machte sich auf den Weg zu den Feldarbeitern. Doch er kam nicht weit. Kaum hatte er sein Büro verlassen, lief ihm seine Mutter entgegen. Christian stöhnte auf, als er sah, wie sie zielgerichtet auf ihn zukam. Das hatte ihm gerade noch gefehlt. Erst sein Vater und nun seine Mutter. Können die beiden mich nicht einfach mal für eine Weile in Ruhe lassen? Aber seine Mutter war hartnäckig, das wusste er genau. Sie ließ nicht zu, dass er sich schnell verdrückte, sondern stellte sich ihm in den Weg.

„Christian, schön, dass ich dich noch treffe. Ich brauche dringend deine Hilfe im Garten. Ich würde ja deinen Vater bitten, aber ich möchte nicht, dass er sich überanstrengt.“

Frustriert sah Christian seine Mutter an und schüttelte leicht mit dem Kopf. Natürlich wusste er, dass dies nur eine Ausrede war, denn eigentlich ließ seine Mutter niemanden in ihren Garten. Oft genug hatte sie gemeint, dass ihr Vater genügend Platz habe, um sich landwirtschaftlich zu betätigen. Der Garten hingegen sei ihre Wirkungsstätte.

„Mutter, muss das gerade jetzt sein? Ich muss arbeiten.“

Seine Mutter winkte jedoch nur ab.

„Ich denke, die anderen Mitarbeiter werden es überleben, wenn du mal für einige Stunden nicht bei ihnen bist. Immerhin gibt es noch fähige Vorarbeiter und im Ernstfall sogar einen Verwalter, die sich um anfallende Probleme kümmern können. Doch mein Problem muss sofort erledigt werden. Ich plane ein paar Neuerungen in meinem Garten, kann aber die Materialien dafür nicht selbst herbeischaffen. Daher dachte ich mir, mein Sohn würde mir bestimmt helfen. Aber wenn dir alles andere wichtiger ist, dann verstehe ich das natürlich.“

Leicht genervt stöhnte Christian auf, als seine Mutter wieder mit dieser Mitleidsmasche kam. Leider war sie damit immer ziemlich erfolgreich, denn es fiel ihm schwer, seine Mutter im Stich zu lassen. Schließlich gab er sich geschlagen und ging mit ihr zur Gartenanlage vor seinem Elternhaus. Jedoch nicht, ohne einen kurzen Blick auf das Feld zu werfen, auf dem die Erntearbeiter gerade mit ihrer Arbeit begannen.

Als Christian mit seiner Mutter kurze Zeit später im Gartenbereich ankam, traute er seinen Augen kaum. Der kleine gemütliche Garten hatte sich komplett verändert. In der Mitte befand sich jetzt ein großes Loch und überall standen Kartons herum.

„Was ist denn hier passiert?“

Fragend sah Christian seine Mutter an, die ihn nur fröhlich anlächelte. Er konnte nicht begreifen, was hier geschehen war. Erst vor einer Woche war er das letzte Mal im Haus seiner Eltern gewesen und damals hatte der Garten noch nicht so ausgesehen.

„Unser Garten wird ein richtiger Kindertraum“, sagte seine Mutter. „Naja, wenigstens ein Teil davon. Weißt du, ich wollte schon immer einen ähnlichen Garten besitzen wie deine Tante Nancy in Stuttgart. Eine überdachte Sitzecke, einen Steinofen, einen gesicherten Teich und natürlich viele Spielmöglichkeiten für die Kinder. Ja, und natürlich ein Spielhaus mit Fenstern. Jetzt endlich konnte ich deinen Vater überreden, einen fähigen Gartenarchitekten zu engagieren. Das Einzige, was noch fehlt, ist jemand, der die Spielgeräte aufstellt und das Holzhaus baut. Eigentlich wollte der Architekt dafür eine entsprechende Firma beauftragen, doch ich habe ihm gesagt, dass dies nicht notwendig sei. Immerhin habe ich einen Sohn, der sehr gut mit Holz umgehen kann. Und die einzelnen Teile für die Spielgeräte müssen ja nur zusammengeschraubt werden.“

Fassungslos sah Christian seine Mutter an.

„Ist das dein Ernst? Ein Spielplatz mit Spielhaus? Jetzt? Dafür brauche ich bestimmt mehr als einen Tag.“

Seine Mutter lachte nur und legte ihren Arm auf seine Schulter.

„Du hast ja Zeit. Es sei denn, du hast noch irgendetwas in der Stadt zu erledigen. Das könnte ich natürlich verstehen.“

Plötzlich wurde Christian klar, worum es bei diesem Projekt wirklich ging. Es war nur ein neuer Versuch, ihn zu einer Auszeit zu zwingen. Denn wozu sollte ein Spielplatz im Moment sonst gut sein? Er und seine Geschwister waren dafür längst zu alt. Sein Bruder Matthias studierte in Wien Landwirtschaft und Umwelt, während sich Christin in München ihrem Betriebswirtschaftsstudium widmete. Tja, und seine jüngere Schwester Manuela ging mit ihren fast 18 Jahren zwar noch zur Schule, doch sie würde wohl kaum einen Kinderspielplatz benutzen. Die Einzigen aus der Familie de Luca, die bereits selbst Kinder hatten, waren seine Cousine Emilia und sein Cousin Raphael. Jedoch lebten beide in Deutschland und würden daher kaum einen solchen Spielplatz benötigen.

„Wieso gerade jetzt? Ich meine, wer soll damit spielen?“

Wieder lachte seine Mutter auf und sah ihren Sohn direkt an.

„Sobald Raphael und Larissa ihre Flitterwochen beenden, haben sie geplant, uns zu besuchen. Tja, und Emilia möchte mit ihrer Tochter den Sommer hier bei uns verbringen.“

Christian schüttelte den Kopf und wirkte leicht verwirrt.

„Aber warum soll ich schon jetzt diesen Spielplatz aufbauen? Es hat dann doch noch etwas Zeit. Immerhin können Raphaels Töchter noch nicht auf dem Spielplatz spielen, dafür sind sie noch zu klein. Und bis Emilia kommt, vergehen noch einige Monate.“

Melanie de Luca winkte ab und überreichte ihrem Sohn die Bauanleitungen.

„Genauso gut kannst du es auch gleich heute machen. Im Moment ist es bei uns etwas ruhiger. Du musst nicht jeden Tag von früh bis spät auf dem Feld arbeiten. Somit ist der Zeitpunkt geradezu ideal, um diese kleinen Kunstwerke zu bauen. Hier hast du genaue Grafiken, wie alles später aussehen soll. Der Architekt hat sogar die Maßangaben für das Haus dazugeschrieben, damit du das Holz in die richtige Größe bringen kannst.“

Kaum hatte seine Mutter dies gesagt, ließ sie ihren Sohn einfach stehen und ging ins Haus zurück. Frustriert sah sich Christian die Baupläne an und stöhnte auf. Er hatte recht behalten, bei der Größe würde er locker den ganzen Tag benötigen. Vielleicht sogar mehr als nur einen Tag.

„Vielleicht sollte ich einfach in die Stadt fahren, dann könnte ich bis nach meinem Seminar warten und Matthias um Hilfe bitten.“

Doch kaum hatte Christian diese Worte ausgesprochen, verwarf er sie gleich wieder. Er hatte keine Lust, den ganzen Tag in der Stadt zu verbringen und ziellos herumzulaufen. Selbst wenn er sich mit Freunden treffen wollte, würden diese ebenfalls arbeiten. Außerdem, wenn er die Arbeit heute nicht erledigte, müsste er einen anderen Tag dafür opfern. Und dies wäre ein weiterer Tag, an dem er sich nicht um seine eigentliche Arbeit kümmern konnte. Schließlich gab er sich geschlagen und machte sich auf den Weg zum Holzlager. Dort bewahrten sie Holzstücke in verschiedenen Größen und Breiten auf. Diese dienten zum Bau von Zäunen oder neuen Kaninchengehegen und standen stets in größeren Mengen zur Verfügung. Immerhin konnte man nie wissen, wann ein Gehege oder ein Zaun ausgebessert oder neu gebaut werden musste. Es sollte also genügend Material für dieses Spielhaus zur Verfügung stehen.

Gefunden! Ein Traumprinz für Jessica

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