Читать книгу Ein Boot, ein Kuss und du - Isabella Lovegood - Страница 13
8. Kapitel
ОглавлениеLorenzo
Ich lag lang ausgestreckt auf meinem Sofa und zappte mich durch das Fernsehprogramm. In den Sommermonaten würde es mir wochenlang nicht einmal auffallen, wenn der Fernseher kaputt wäre. Dafür genoss ich es umso mehr, nach sieben Monaten ohne einen freien Tag, einfach mal herumzugammeln. Es war herrlich, mich nach einem lauten, hektischen Sommer in meine Wohnung zurückzuziehen und mich um nichts kümmern zu müssen. Der Vorspann eines Action-Thrillers, den ich nur dem Titel nach kannte, erregte mein Interesse und erwartungsvoll rückte ich das Kissen in meinem Rücken noch etwas bequemer zurecht.
Während des Werbeblocks drosselte ich die Lautstärke und holte mir noch ein Bier aus dem Kühlschrank. Dabei stellte ich fest, dass ich langsam hungrig wurde. Die Gedankenkette zum Supermarkt und zu Angelina knüpfte sich ganz von selbst. Bei der Erinnerung an ihre spontane Einladung zu dem leckeren Mittagessen lief mir das Wasser im Mund zusammen. Danach waren wir schwimmen. Verwandte von ihr besaßen in der Nähe des Leuchtturms von Portocolom ein schönes, altes Haus direkt am Ufer, schon mehr eine Villa, die sie in deren Abwesenheit betreute. Dort gab es einen privaten, versteckten Zugang zum Meer. Auch wenn es sich dabei nur um eine Metallleiter handelte, die von einer betonierten Plattform ins Wasser führte, war es ein ganz anderes Vergnügen, als auf dem überfüllten Strand zu liegen. Ich schmunzelte bei dem Gedanken daran, was mir bei der abgeschiedenen Lage so alles eingefallen wäre, aber auch nur dort zu baden, war ein schönes Erlebnis. Normalerweise war ich keine ausgeprägte Wasserratte. Ich mochte das Meer, aber ich war lieber auf dem Wasser als darin. Außer mit Angelina. Mit ihr zu schwimmen, ihren geschmeidigen Körper in dem knappen Bikini in Aktion zu erleben und zu sehen, wie elegant und mühelos sie sich bewegte, war ein unerwartetes Vergnügen.
Unwillkürlich drängte sich die Überlegung auf, wie sie sich wohl beim Sex bewegen würde. Eine Vision von ihr auf mir und dem langen, dunklen Haar, das nach vorne fiel und meinen Brustkorb streifte, ließ mich hart werden. Sie war definitiv heiß, das stand außer Frage. Ebenso wie die Tatsache, dass sie sich auf der Suche nach einer festen Partnerschaft befand. Seufzend griff ich nach der Fernsteuerung und schaltete den Ton lauter, um mich wieder der Handlung des Filmes zu widmen.
Ich stöhnte genervt, als nun auch noch die Darsteller sich näher kamen, statt die Bösewichte ordentlich aufzumischen. Der leidenschaftliche Sex auf dem Bildschirm ließ meine permanent auf standby schlummernde Libido aufflammen. Ungeniert schob ich die Hand in meine Jogginghose. Ich schloss die Augen und ohne meine Fantasien bewusst zu lenken, glitten sie sofort wieder zu der hinreißenden Frau, mit der ich den Nachmittag verbracht hatte. Nun bewegte sich ihr geschmeidiger Körper unter mir und ihre langen Beine umklammerten meine Hüften. Ihr berückender Duft umgab mich, gierige Lippen streiften meinen Hals, als sie die Arme um mich schlang und ihre weichen Brüste verführerisch an meinen Brustkorb drückten. Ich schloss meine Faust noch fester um meinen pulsierenden Schwanz und pumpte schnell. Die Vorstellung, wie sie unter mir zum Orgasmus kam, sich wand und stöhnte, ließ mich kommen. Kraftlos ließ ich den Kopf in den Nacken sinken und genoss die Lust, die durch meinen Körper flutete und mich für ein paar grandiose Sekunden komplett außer Gefecht setzte.
Ich liebte dieses Gefühl der Entspannung, das einsetzte, sobald sich mein Herzschlag langsam beruhigte, und normalerweise einige Stunden anhielt. Deshalb irritierte es mich, dass ich, kaum hatten die Bösewichte ein unrühmliches Filmende gefunden, erneut von sexuellen Fantasien heimgesucht wurde. Und natürlich auch diesmal von meinem schwarzhaarigen Engel. War es tatsächlich erst einen Tag her, dass ihre Hände scheinbar unschuldig über meinen Körper geglitten waren? Unvermittelt hatte ich wieder den Duft der Sonnencreme in der Nase und meinen Penis in der Faust. Ich erinnerte mich an jede ihrer sanften Berührungen, doch dann gab es eine Programmänderung: Die Vorstellung, wie sie ihre vollen, weichen Lippen um meine Eichel schloss und mit der Zungenspitze jedes Detail erkundete, löste den zweiten explosiven Höhepunkt aus.
Der nächste Film hatte angefangen, ohne dass ich von der Handlung auch nur irgendetwas mitbekommen hatte. Mittlerweile knurrte mein Magen heftig und ich beschloss, den Kühlschrank zu plündern. Viel war da allerdings nicht mehr zu holen. Ich bedeckte den Boden einer Pfanne mit ein paar Scheiben Sobrasada und briet darauf zwei Spiegeleier. Die würzige, streichfähige Wurst lieferte genug Fett, dass die Kruste schön knusprig wurde. Ein paar Scheiben Brot vervollständigten die Mahlzeit. Während ich aß, versuchte ich, mich zu erinnern, ob mir Angelina ihre Dienstzeiten für diese Woche verraten hatte, und fragte mich gleichzeitig, warum mich das überhaupt interessierte. Als Nächstes fiel mir auf, dass ich sie, sobald sie in Rafaels Einrichtungshaus in Manacor arbeitete, noch weniger zu Gesicht bekommen würde. Jedenfalls nicht zufällig und das ging mir ziemlich gegen den Strich. Das wiederum ärgerte mich erst recht. Was war es nur, das mich so zu ihr hinzog, obwohl sie nichts von mir wollte? Das war ja beinahe so, als wäre ich süchtig nach dieser Frau!
Erbost beschoss ich, dass es höchste Zeit war, mein Sex-Leben wieder anzukurbeln. Ich nahm mein Smartphone zur Hand und rief die Kontakte auf.
Es gab da eine Reihe von Frauen, die mir zu verstehen gegeben hatten, dass sie sich weitere Treffen durchaus vorstellen konnten. Zumindest war das zu dem Zeitpunkt der Fall gewesen, als wir nach einem befriedigenden Zusammensein wieder getrennte Wege gegangen waren. Nun würde ich mich daran machen, abzuchecken, wie weit das Angebot noch aktuell war.
Ich scrollte mich von A bis Z durch meine Kontakte und kehrte unentschlossen zum Anfang zurück. Als mein Blick bei A wie Angelina hängen blieb, warf ich das Handy ärgerlich auf das Sofa und verzog mich in die Küche, um das Geschirr abzuwaschen.
Vielleicht brauchte ich einfach erst einmal etwas Erholung von der anstrengenden Saison, bevor ich mich für heiße Dates bereit fühlte? Ja, das musste es sein!
Ein greller Blitz und der darauffolgende Donner rissen mich aus meinen Gedanken. Ich hatte überhaupt nicht bemerkt, dass uns die für den nächsten Morgen angekündigte Schlechtwetterfront bereits erreicht hatte. Rasch lief ich durch die Wohnung, um die Fensterbalken zu schließen und zu überprüfen, ob alles dicht war. Es dauerte keine fünf Minuten, bis der Regen hart gegen die Balken prasselte und nach einem weiteren Blitz war der Strom weg. Es war so stockdunkel, dass mir sofort klar war, dass auch die Straßenbeleuchtung ausgefallen sein musste. Vorsichtig tastete ich mich in den Vorraum, um die Taschenlampe zu holen, die ich dort in einer Kommode aufbewahrte. Ich stolperte über meine Schuhe, die mitten auf dem Flur lagen und fluchte laut. Prompt hatte ich die Stimme meiner Mutter im Ohr, die mich ermahnte, nicht so schlampig zu sein. Na, vielen Dank, das war genau das, was ich zu dem pochenden Schmerz in meinem großen Zeh noch brauchte!
Die Taschenlampe brachte nur einen schwachen Lichtkegel zustande. Vermutlich waren die Batterien beinahe leer und würden nicht mehr lange halten. Ich beschloss, ihre letzten Reserven zu nutzen, um mir die Zähne zu putzen und mich ins Bett zu verziehen. Ein heftiger Donnerschlag ließ die Fensterscheiben vibrieren. Kaum lag ich, fing auch noch der Wind an, ums Haus zu pfeifen. An Schlaf war wohl noch länger nicht zu denken.
Ich starrte im Dunkeln an die Decke, als mir einfiel, dass sich Angelina mit ihrer Freundin getroffen hatte. Ob sie es noch vor Ausbruch des Unwetters nach Hause geschafft hatte? War es aufdringlich, mich nach ihrem Befinden zu erkundigen? Schließlich waren wir Freunde, da durfte man sich doch Gedanken machen, oder? Dass mir das noch vor ein paar Tagen im Traum nicht eingefallen wäre, schob ich geflissentlich weit in die hinteren Regionen meines Gehirns, als ich nach dem Mobiltelefon tastete, um ihr eine Nachricht zu schicken. Ihre Antwort kam schnell.
›Ich bin gerade noch rechtzeitig nach Hause gekommen. Hast du auch keinen Strom?‹
›Nein, der ganze Ort ist dunkel. Sonst alles in Ordnung bei dir? Was machst du gerade?‹
›Ich liege auf der Couch und ziehe mir die Decke über den Kopf.‹
Ich runzelte die Stirn. Wozu das denn? Hatte sie am Ende Angst? ›Ist vielleicht eine dumme Frage, aber fürchtest du dich bei Gewitter?‹
›Keine dumme Frage. Ja, auch wenn ich weiß, dass mir in meiner Wohnung nichts passieren kann.‹
Ein ungewohnter Anfall von Beschützerinstinkt wallte in mir auf, als ich mir vorstellte, wie sie da so alleine in ihre Decke gehüllt auf dem Sofa kauerte. Da kam auch schon die nächste Nachricht:
›Mit dir zu schreiben, lenkt mich ab. Das tut gut.‹
Angelina wohnte nur zweimal um die Ecke von mir entfernt. Ein Katzensprung. Allerdings würde keine Katze freiwillig bei diesem Wetter draußen herumspringen. Ich lauschte. Der Regen schien nachgelassen zu haben, doch der Wind rüttelte an den Balken. Spontan drückte ich auf die Anruf-Taste. Sie hob sofort ab.
»Hola, Lorenzo. Lieb, dass du anrufst.«
Deutlich konnte ich das angstvolle Zittern in Angelinas sonst so fröhlicher, fester Stimme hören. Donner krachte und ihr entschlüpfte ein Schreckenslaut.
»Soll ich vorbeikommen?« Im selben Moment, als ich es aussprach, fragte ich mich, ob ich verrückt geworden war, doch da war es schon zu spät.
»Das würdest du wirklich tun? Danke! Das ist so lieb von dir!«
Oh, Mist. Das hatte ich nun davon. Allerdings hatte ich das Gefühl, gar keine andere Wahl zu haben. Sie klang so erleichtert, dass ich keinen Rückzieher mehr machen konnte. »Ich bin in ein paar Minuten bei dir.«
Ich tastete nach meinen Klamotten, die ich neben das Bett geworfen hatte, und zog sie wieder an. Im Schein der Taschenlampe stopfte ich ein T-Shirt und eine Jogginghose in einen Plastikbeutel und verknotete ihn, damit darin alles trocken blieb. Ein Regenschirm würde mir nichts nützen, also wählte ich eine wasserdichte Jacke und schlüpfte barfuß in Flip-Flops. Je weniger ich anhatte, umso weniger konnte nass werden. Als ich die Treppe hinunter tappte, hoffte ich, dass meine Taschenlampe durchhielt.
Kaum trat ich aus dem Haus, wollte mir der Sturm auch schon die Kapuze vom Kopf reißen. Schnell griff ich danach und zog sie mit der Kordel fest. Der Regen fiel dichter, als ich erwartet hatte, und es hatte seit dem Nachmittag empfindlich abgekühlt. Ich fröstelte.
»Was für ein Scheißwetter! Ich muss echt verrückt sein«, murmelte ich vor mich hin. Die wenigen hundert Meter legte ich im Laufschritt zurück, während ich den Blick auf den Boden gesenkt hielt, wo der schwache Strahl meiner Lampe eine glitzernde Spur in der Nässe zog. Ich wollte gerade nach dem richtigen Klingelknopf suchen, als die Haustür aufgerissen wurde. Angelina musste mich durch die kleine vergitterte Glasscheibe gesehen haben, die im Türblatt eingelassen war.
Schnell trat ich ein und schloss die Tür. Sie beugte sich mit langem Hals zu mir, um nicht anzustreifen, während sie mir einen Kuss auf die Wange gab. »Danke!« Ihr Lippen waren warm und bildeten einen aufregenden Gegensatz zu meiner regennassen, kühlen Haut. »Lass uns raufgehen.«
Sie ging voraus und das Licht ihrer LED-Lampe erhellte das Treppenhaus wesentlich wirkungsvoller als meine Taschenlampe. Aber immerhin funktionierte sie noch und das war schon mehr, als ich befürchtet hatte.
Wieder krachte der Donner und Angelina zuckte so heftig zusammen, dass sie beinahe die Lampe fallen ließ. Sie stieß einen wimmernden Laut aus, der so gar nicht zu der toughen Frau passen wollte, die ich zu kennen glaubte.
In ihrer Wohnung angekommen, leuchtete sie mir, während ich die Jacke auszog. Sie streckte die Hand danach aus und zog sie über einen Kleiderbügel. »Ich hänge sie in die Dusche.«
»Okay, warte einen Moment.« Meine Jogginghose war bis über die Knie nass und ich schob sie mir über die Hüften nach unten. Wortlos nahm sie sie mir ab und verschwand damit in der nächstgelegenen Tür, wo ich das Badezimmer vermutete. Rasch schlüpfte ich in die trockene Hose, die ich mitgebracht hatte. Angelina tauchte wieder neben mir auf und ich folgte ihr und dem Lichtstrahl ins Wohnzimmer, wo einige Kerzen ein heimeliges Licht verbreiteten. Ein greller Blitz erhellte den Raum für eine Sekunde, gefolgt von einem beeindruckenden Donnerschlag, der den Boden unter meinen nackten Füßen vibrieren ließ. Angelina stieß einen kleinen Schrei aus und schmiegte sich Schutz suchend an mich. Es war eine vollkommen natürliche Reaktion, meine Arme um sie zu legen. Ihr Zittern wäre der wirkungsvollste Beweis gewesen, dass sie tatsächlich Angst hatte, falls ich einen gebraucht hätte.
Sanft dirigierte ich sie zum Sofa, setzte mich und zog sie auf meinen Schoß. Angelina kuschelte sich an mich und verbarg ihr Gesicht an meinem Hals wie ein kleines Mädchen. Der erleichterte Seufzer schickte einen federleichten, warmen Hauch über meine Haut. Wieder donnerte es so heftig, dass alles vibrierte. Nach dem harten Trommelwirbel an den Fensterscheiben zu schließen, wurde auch der Regen wieder schlimmer. Zusammen mit dem Pfeifen des Windes und dem in unregelmäßigen Abständen krachenden Donner ergab das eine beeindruckende Geräuschkulisse. Während ich das eher nüchtern analysierte, zitterte die Frau in meinen Armen unkontrolliert.
»Ist ja gut. Dir kann nichts passieren«, murmelte ich an ihrem Ohr.
»Mein Verstand weiß das auch, aber ich komme einfach nicht dagegen an«, gestand sie kleinlaut. Ich spürte deutlich, wie peinlich es ihr war.
»Alles gut.« Beruhigend strich ich ihr über den Rücken und registrierte gleichzeitig den feinen Duft ihres seidigen Haares, das ihr offen über die Schultern fiel.
»Ich habe nicht damit gerechnet, dass das Unwetter schon heute Abend kommt«, meinte sie und hob den Kopf, um mich anzusehen. »Am Nachmittag war doch noch keine Rede davon.«
»Stimmt, mich hat es auch überrascht, aber du weißt ja, wie das hier ist. Wenn der Wind sich dreht oder stärker wird als vorausgesagt, kann sich das Wetter schnell ändern. Ist es für dich in der Nacht schlimmer als am Tag?«
Sie nickte. »Ja, tagsüber kann ich besser damit umgehen, aber im Dunkeln ist es, als wäre ich wieder sieben Jahre alt.« Ein Donnerschlag ließ die Fensterscheiben klirren und sie zuckte erneut zusammen. Ich drückte sie noch fester an mich und stellte zu meiner Schande fest, dass ich ihre Nähe sehr anregend fand. Hoffentlich bemerkte sie die Stelle unter ihrem Po nicht, die spürbar härter wurde.
Um uns beide abzulenken, fragte ich weiter: »Gab es da einen Auslöser?«
»Ich war mit meiner Familie bei einem Onkel zu Besuch, der eine weitläufige Finca in der Nähe von Artá bewohnt. Zusammen mit meinen Cousins und Cousinen spielte ich in einem Pinienwäldchen, als uns gegen Abend ein Gewitter überraschte. Wahrscheinlich haben wir im Eifer die Anzeichen einfach übersehen. Wir liefen zurück zum Haus, aber ich stolperte. Außerdem waren sie viel schneller, weil sie alle älter sind als ich. Ich rief ihnen zu, sie sollten auf mich warten, aber der Wind pfiff so laut durch die Baumkronen, dass sie mich nicht hörten. Ich kannte mich auf dem Gelände nicht aus und verlor die Orientierung, also kauerte ich mich an einen Stamm und wartete, bis mich jemand fand. Meine Eltern behaupten, ich war höchstens eine Stunde alleine da draußen, aber mir kam es wie eine Ewigkeit vor. Es wurde dunkel, das Gewitter tobte um mich herum und es schüttete. Neben mir schlug krachend ein großer Ast auf den Boden, den der Sturm von dem Baum gerissen hatte, unter dem ich saß.« Ich fühlte den Schauer, der durch Angelina lief, als sie sich an die Szene erinnerte. Sie hatte den Kopf auf meine Schulter gebettet und obwohl ich mich auf ihre leisen Worte konzentrieren musste, um sie zu verstehen, registrierte ich den warmen Hauch ihres Atems an meinem Hals.
»Das muss furchtbar gewesen sein.« Ich strich sanft mit dem Daumen über ihre Wange.
»Ich hatte noch Jahre später immer wieder Albträume. Sieht so aus, als ob ich diese blöde Angst nie wieder loswerde.« Sie klang genervt, trotzdem hatte ich das Gefühl, dass sie sich im Moment da recht wohlfühlte, wo sie sich gerade befand.
»Was denkst du?«, fragte sie.
»Dass ich froh bin, hier bei dir zu sein, damit ich dir ein bisschen Sicherheit geben kann.« Ich drückte sie sanft an mich. Wie sehr ich es insgeheim genoss, sie so nahe bei mir zu haben, musste sie ja nicht wissen.
»Darüber bin ich auch froh«, gestand sie und hauchte mir ein Küsschen auf den Hals. »Sehr froh sogar. Wenn ich damit gerechnet hätte, dass es schon in der Nacht losgeht, wäre ich bei Inés geblieben oder zu meinen Eltern gefahren.« Erneut donnerte es und die Fensterscheiben klirrten.
»Sieht so aus, als ob wir gestern und heute die letzten schönen Tage erwischt hätten. Es hat empfindlich abgekühlt. Jetzt kommt unwiderruflich die ungemütliche Jahreszeit«, stellte ich fest. Das war auch die Zeit, in der ich mich besonders gerne an einen weichen, warmen Frauenkörper kuschelte, aber das behielt ich lieber für mich.
»Ja, wenigstens haben wir es noch richtig genossen.« Sie hob den Kopf und lächelte mich an. Der Kerzenschein zauberte Glanzlicher in ihre Augen und ihr Haar. Es gab mir ein gutes Gefühl, dass sich Angelina langsam entspannte. Ich mochte es, wenn sich Frauen mit mir wohlfühlten. Eine Weile saßen wir einfach so aneinandergekuschelt, bis ich merkte, dass sie ein Gähnen unterdrückte. Auch bei mir machte sich langsam Müdigkeit breit. Noch immer tobte das Unwetter unvermindert.
»Klingt nicht so, als ob es bald vorbei wäre«, stellte ich fest. Das war nicht ungewöhnlich. Im Sommer regnete es auf Mallorca fast nie, dafür fiel in den kühleren Monaten der Niederschlag, der für den Rest des Jahres reichen musste. Außerdem war die Insel den heftigen Stürmen schutzlos ausgeliefert. Die Aussicht, Angelina mit ihren Ängsten alleine zu lassen, behagte mir genauso wenig, wie mich durch Sturm und Regen zurück zu meiner Wohnung zu kämpfen.
Angelina räusperte sich und klappte den Mund auf, schloss ihn dann aber wieder. Fragend sah ich sie an. »Wolltest du etwas sagen?«
»Ich habe gerade überlegt ... Ich meine ... Wäre es sehr seltsam, wenn ich dir vorschlage, heute Nacht bei mir zu bleiben?«
Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. »Du wärst nicht die erste Frau, die mich das fragt.«
Sie schlug mir mit der flachen Hand strafend an die Schulter. »Nicht so! Als Freund natürlich.«
Ich lachte. »Das hab ich schon verstanden. Hier auf der Couch?« Ich besah das Möbelstück demonstrativ kritisch. »Zu zweit hier zu liegen, stelle ich mir sehr unbequem vor. Um genau zu sein, wäre es nicht einmal für eine Person bequem, fürchte ich.«
Nun wurde Angelina noch verlegener, was mich ziemlich amüsierte. »Wir könnten uns auch ins Bett legen.«
»Hast du keine Bedenken, dass ich mich in der Nacht an dich ranmache?« Das konnte ich mir einfach nicht verkneifen und sogar in dieser schummrigen Beleuchtung konnte ich erkennen, dass ihr die Röte in die Wangen stieg. Sie war echt süß.
»Nein. Man hört so einiges über dich, aber dass du dich einer Frau aufgedrängt hättest, war nicht dabei.«
Die Antwort überraschte mich. »Sag bloß, über mich wird getratscht.«
Nun schmunzelte sie und ein schelmisches Blitzen trat in ihre Augen, das mir wesentlich besser gefiel, als der ängstliche Ausdruck von vorhin. »Aber sicher doch. Sag bloß, Männer reden nicht über ihre Eroberungen.«
Abwehrend schüttelte ich den Kopf. »Ich nicht. Bei mir gilt: Der Gentlemen genießt und schweigt. Ich hab es nicht nötig, mich damit zu brüsten.« Die Neugier trieb mich zu einer Frage, die ich vielleicht besser nicht stellen sollte. »Und was erzählt man sich über mich?«
»Das willst du wirklich wissen?«
Ich nickte und sie schien zu überlegen, was davon für meine Ohren bestimmt sein könnte.
»Ich hab gehört, dass du gerne verwöhnst und dir wichtig ist, dass deine Partnerin es genießt.«
»Na klar ist es das. Und sonst?« Ich war natürlich neugierig, wie mein bestes Stück bewertet wurde, aber so offen wollte ich nicht danach fragen.
»Du hast den Ruf, ein einfühlsamer und ausdauernder Liebhaber zu sein«, gab sie nun mit einem anerkennenden Lächeln zu. »Und das ist das Wichtigste überhaupt.«
War es das? Ich beschloss, mich mit dieser Auskunft zufriedenzugeben. Wer zu viel fragte, lief Gefahr, etwas zu hören, was besser ungesagt geblieben wäre. Und es war auch nicht so, dass ich Komplexe bezüglich meines Schwanzes hatte oder nach Komplimenten fischen musste. »Also soll ich bleiben?«, fragte ich stattdessen. Sie nickte und rutschte von meinem Schoß. Erst jetzt fiel mir auf, dass sie auf die Dauer doch etwas schwer geworden war und meine Beine taub waren. Ich biss die Zähne zusammen, als sich das Blut wieder kribbelnd durch die Adern verteilte, während Angelina aus dem Zimmer eilte, um meine Betthälfte zu überziehen.
Mir ging noch einmal durch den Kopf, was sie gesagt hatte. Dass ich Gegenstand des örtlichen Tratsches sein könnte, war mir nie in den Sinn gekommen, doch eigentlich hätte es mir klar sein müssen. Wenn es das Gerede nicht gäbe, hätte unser Freund Enrique sich nicht so lange damit gequält, seine Homosexualität geheim zu halten. Aber wie sah man mich? War ich der Dorfcasanova oder eine männliche Schlampe? Wurde ich vielleicht sogar mit meinem Vater verglichen? Der Gedanke verursachte mir Unbehagen, dabei war ich bisher einfach Stolz darauf gewesen, einen guten Ruf bei den Frauen zu haben. Angelina kam wieder ins Wohnzimmer und erst jetzt fiel mir auf, dass da eine weitere Tür war.
»Ich war so durch den Wind, dass ich dir nicht einmal etwas zu trinken angeboten habe«, stellte sie schuldbewusst fest. »Noch ein Glas Wein vor dem Schlafengehen?«
»Lieber nicht.« Mir war es wichtig, dass ich einen klaren Kopf bewahrte, um meine Hände bei mir zu behalten, auch wenn eine verführerische Frau neben mir lag. Hatte ich schon jemals mit einer das Bett geteilt, ohne erotische Absichten zu haben? Ich konnte mich nicht daran erinnern.