Читать книгу Ein Boot, ein Kuss und du - Isabella Lovegood - Страница 5
ОглавлениеProlog
Lorenzo
»Also hat sich dein Vater doch durchgesetzt«, stellte ich trocken fest. »Ich hätte wissen müssen, dass du dich seiner Geldtasche beugst.«
Juliana biss sich auf die Lippe. »Es tut mir wirklich leid, aber ich habe keine andere Wahl.« Obwohl ich sauer war, glaubte ich ihr das sogar – von ihrer Warte aus betrachtet. Wenn man als Tochter stinkreicher Eltern aufgewachsen war, konnte man sich eben nicht vorstellen, dass man auch ohne das viele Geld ganz gut lebte.
»Ich bin froh, dass ich mir nicht diktieren lassen muss, wie ich mein Leben zu führen habe«, gab ich zurück.
»Ich dachte zuerst, er blufft nur, aber das war ein Irrtum. Wenn ich jetzt nicht nachgebe, kann ich mein Studium vergessen.«
»Wenn du nicht so getrödelt hättest, wärst du längst damit fertig.« Eigentlich ging es mich ja nichts an, aber jetzt war es ohnehin schon egal. Sie hatte gerade mit mir Schluss gemacht. Wozu sollte ich mich also weiter mit meiner Meinung zurückhalten?
»Du hast recht, aber das hilft mir jetzt auch nicht weiter«, antwortete Juliana zu meiner Überraschung. »Ein paar Partys weniger und einige bestandene Prüfungen mehr und wir hätten das Problem nicht, vor dem wir stehen.« Plötzlich wurde mir klar, dass sie es tatsächlich bedauerte und das stimmte mich milder. »Ich hab dich wirklich gern, Lorenzo, das musst du mir glauben!« Ihre sommerhimmelblauen Augen, die sonst so fröhlich blitzten, wurden verdächtig nass. Ich musste wegsehen und griff nach meinem halb vollen Bierglas, um mich abzulenken. Verdammt, ich wollte sie nicht gehen lassen. Wir hatten bisher einen tollen Sommer zusammen verbracht. Okay, ich hatte ziemlich wenig Schlaf bekommen, denn zu Mittag und bis spät abends arbeitete ich und in der Pause dazwischen und in der Nacht waren wir zusammen gewesen. Bis zum Beginn des Studienjahres, zu dem sie ohnehin wieder nach Deutschland musste, hätten wir noch einige Wochen gehabt, doch nun hatte ihr Vater dazwischengefunkt und ihr einen Flug für den nächsten Tag zurück nach Frankfurt gebucht. Und auch von ihren Besuchen, die sie mir in Aussicht gestellt hatte, war wohl keine Rede mehr. Ihr Vater, ein schwerreicher Industrieller, der sich hier auf Mallorca eine protzige Villa hatte bauen lassen, vertrat die feste Überzeugung, ein ganz normaler Kellner sei nicht gut genug für seine Tochter und ich wäre nur auf ihr Geld aus. Mit Zweiterem hatte er definitiv unrecht. Ihr Geld wollte ich nicht, aber von Juliana hätte ich gerne noch mehr gehabt. Leider steckte sie mit ihren siebenundzwanzig Jahren noch immer mitten im Studium und wohnte in einer schicken, kleinen Wohnung, für die ihre Eltern aufkamen, genauso wie für ihren Lebensunterhalt, der vermutlich auch nicht gerade sparsam war. Das war mir alles gleichgültig. Tatsache war jedoch, dass ich die Zeit mit ihr unglaublich genossen hatte und ich war sicher, so bald würde auch sie diesen Sommer auf Mallorca nicht vergessen.
»Hast du einen Euro?«, riss sie mich aus meinen Gedanken.
»Wofür?«, fragte ich verwirrt. »Die Rechnung übernehme ich.«
Sie wischte meinen Einwand beiseite. »Das brauchst du nicht, aber darum geht es nicht. Hast du einen?«
Ich verstand zwar noch immer nicht, worauf sie hinaus wollte, zog aber meine Geldbörse aus der Gesäßtasche meiner Shorts. »Bestimmt.« Immerhin bekam ich jeden Tag Trinkgeld, also mangelte es mir nie an Münzen. Ich fischte eine Eineuromünze heraus und legte sie vor Juliana auf den Tisch.
»Ich habe etwas für dich. Ein Abschiedsgeschenk. Aber damit es ein rechtsgültiger Vertrag ist, musst du dafür bezahlen.« In ihren Augen blitzte der Schalk auf, den ich so an ihr mochte. Dann schob sie mir ein Blatt Papier hin und stellte über eine Ecke den schweren, gläsernen Aschenbecher, damit die Meeresbrise es nicht wegblasen konnte.
»Kaufvertrag«, las ich vor und sah sie erstaunt an, doch sie tippte nur mit ihrem hellrosa lackierten Fingernagel auf das Papier.
»Lies es«, befahl sie.
Je mehr ich davon erfasste, umso schneller klopfte mein Herz. Dann sah ich sie fassungslos an. »Bist du verrückt geworden?«
Juliana verzog ihren rosa Kussmund zu einem breiten, frechen Grinsen. »Ganz im Gegenteil. Du liebst das Boot doch, oder?«
Ich nickte. »Ja schon, aber ...«
Langsam verblasste ihr Lächeln. »Willst du es denn nicht? Ist dir die Erhaltung zu teuer? Die Liegegebühren und alles? Daran habe ich gar nicht gedacht.«
Rasch griff ich nach ihrer Hand. »Das bekomme ich hin. Aber du kannst mir doch nicht dieses tolle Schiff einfach schenken!«
»Du bezahlst ja dafür. Einen Euro und eine Unterschrift und es gehört dir. Ich finde es so mies von Papa, dass er mir das Messer ansetzt. Es wird ihn maßlos ärgern und du hast ein Andenken an mich, das dir hoffentlich viel Freude machen wird.« Wieder stiegen ihr die Tränen hoch und diesmal sah ich nicht weg. Mit dem Daumen strich ich vorsichtig unter ihren Augen entlang.
»Ich hätte lieber dich als das Boot, Juliana, aber es wäre dumm, es nicht anzunehmen. Im Traum hätte ich nicht damit gerechnet.« Ich ließ meine Fingerspitzen über ihre Schulter und den nackten Arm nach unten gleiten und griff nach ihrer Hand. »Wir hatten viel Spaß auf dem Boot und immer, wenn ich damit unterwegs bin, werde ich an dich denken.«
»Das ist der Sinn des Ganzen.« Sie lächelte unter Tränen, dann suchte sie in ihrer Handtasche nach einem Taschentuch. Ich sah ihr dabei zu, wie sie sich leise und dezent die Nase putzte. Meine Prinzessin. Erst langsam realisierte ich, dass dies unser letzter Abend sein würde, meine letzten Stunden mit Juliana.
Obwohl ich es hatte kommen sehen, befürchtet hatte, oder was auch immer, überraschte mich das heftige Bedauern, das mich überfiel. Etwas ballte sich schmerzhaft in meiner Brust zusammen. Tat mir tatsächlich das Herz weh? Gab es das wirklich?