Читать книгу Ein Boot, ein Kuss und du - Isabella Lovegood - Страница 7
2. Kapitel
ОглавлениеLorenzo
Als Angelina verschwunden war, drückte ich die Haustür auf und ging die Treppe in den zweiten Stock hinauf. Die Stille meiner Wohnung empfing mich wohltuend. Nach einem langen Tag, an dem ich zwischen Küche, Bar-Tresen und Gästen pendelte, genoss ich es ganz besonders, meine Tür hinter mir schließen zu können und meine Ruhe zu haben. Ich holte mir ein Bier aus dem Kühlschrank, öffnete es routiniert und setzte es an die Lippen. Das war ein kleines Ritual für mich. Im Dienst trank ich nur Wasser und hin und wieder einen Kaffee, aber diesen ersten Schluck Bier nach dem Heimkommen genoss ich ganz bewusst. Ich stellte die halb volle Flasche auf den kleinen Küchentisch, dann schlüpfte ich aus meiner Hose und hängte sie ordentlich über die Stuhllehne, wo sie bis zum nächsten Tag auf mich warten würde. Das Hemd zog ich über den Kopf und warf es auf den Flur, die Socken flogen hinterher. Nur noch mit Boxershorts bekleidet ließ ich mich der Länge nach auf mein Sofa fallen und trank in Ruhe den Rest.
Die unverhoffte Begegnung mit Angelina ging mir durch den Kopf. Es war mir immer wieder unheimlich, woran sich Frauen erinnerten. Ich schmunzelte. Es gefiel mir, der Erste gewesen zu sein, der sie geküsst hatte, auch wenn mir damals ganz sicher noch die Raffinesse gefehlt hatte. Ich mochte Frauen und alles, was man so mit ihnen anstellen konnte. Ihnen wohliges Seufzen, lustvolles Stöhnen und schlussendlich ein befriedigtes Lächeln zu entlocken, war meine erklärte Lieblingsbeschäftigung. Alleine der Gedanke daran, geheime weibliche Stellen zu kosten und zu erforschen, ließ mich hart werden. Genüsslich strich ich über meinen besten Freund. Ich hatte nichts dagegen, mich selbst zu verwöhnen, aber an lustvollen Sex mit einer Partnerin kam das beim besten Willen nicht heran. Gut, dass ich in den nächsten Monaten wieder jede Menge Zeit und Energie hatte, mich um mein Liebesleben zu kümmern.
***
Die letzten Tage, die das ›Can Matís‹ noch geöffnet hatte, gingen rasch vorüber. Nun machten wir für fünf Monate dicht, bis Anfang April die Tische wieder ins Freie gestellt wurden.
Während der Saison hatte ich wenig Gelegenheit, meine Freunde zu treffen. Umso mehr freute ich mich auf die Party, als ich am Samstag bei Alejandro ankam. Ich hatte mich bereit erklärt, eine Sangria mitzubringen, und war stolz darauf, dass ich sie beinahe genausogut hinbekommen hatte wie Matís, mein Chef, dessen Name auch das Restaurant trug.
Das Gartentor war nicht versperrt und um die Hausecke drangen Musik und Gelächter. Ich begrüßte den Gastgeber, dann Enrique und Florian, Alvaro und seine Freundin Valentina, Antonia, Marco und die anderen.
»Wo ist Eva? Ist das Geburtstagskind schon da?«, erkundigte ich mich.
»Sind beide oben. Sollen wir die Sangria kühlen? Wir haben neuerdings auch hier unten einen Kühlschrank«, teilte mir der Hausherr mit einem breiten Grinsen mit. »Nachdem wir so oft feiern, lohnte sich die Anschaffung.«
»Kann ich mir vorstellen.« Ich folgte ihm ins Haus, wo in einem Lagerraum gleich neben der Treppe ein großer, zweitüriger Kühlschrank im amerikanischen Stil stand. Ich pfiff anerkennend durch die Zähne, als ich den Vorrat an unterschiedlichsten Getränken begutachtete. In einem separaten Teil war der Wein untergebracht, aber es gab auch Bier in verschiedenen Sorten, Softdrinks und Wasser. Trotzdem fanden wir auch für die große Schüssel mit der Sangria noch ein freies Plätzchen. Im rechten Teil des Kühlschranks warteten die Lebensmittel auf ihren Auftritt. Es gab mehrere Salate und Schüsseln mit Gemüse und Fleisch, die nachher auf den Grill wandern würden. Es war bei Alejandros Feten üblich, dass jeder etwas mitbrachte. Die würzigen Gerüche stiegen mir verführerisch in die Nase und ließen meinen Magen knurren.
»Es geht gleich los«, beruhigte mich mein Freund lachend. »Wir sind beinahe vollzählig und die Holzkohle glüht bereits. Nimm dir mal ein Bier, oder was immer du willst.«
Ich griff nach einem Estrella und benutzte den Flaschenöffner, der in der Tür des Kühlschranks eingelassen war. »Praktisch«, stellte ich anerkennend fest. »Es imponiert mir, wie du dich eingerichtet hast.«
Alejandro strahlte. »Danke. Ich wollte, du könntest es öfters mit uns genießen!« Er schlug mir leicht auf die Schulter und gemeinsam gingen wir in den Garten zurück. Ich lehnte mich an die sonnenwarme Hauswand und ließ meinen Blick über die fröhliche Gesellschaft schweifen, während ich das kalte, würzige Prickeln in meinem Mund genoss. Florian beugte sich gerade zu Enrique und sagte etwas zu ihm, was diesen laut auflachen ließ. Er legte den Arm um die Schulter seines Freundes und zog ihn kurz an sich, bevor er ihm einen schnellen Kuss gab. Die beiden so zusammen zu sehen, war für mich noch immer ungewohnt, doch beim Anblick von Enriques strahlendem Gesicht musste ich unwillkürlich lächeln.
»Unglaublich, oder?«, riss mich Antonias rauchige Stimme aus meiner Betrachtung. »Ich kann mich nicht erinnern, unseren einsamen Wolf jemals so glücklich und gelöst gesehen zu haben.«
»Du hast recht«, stimmte ich zu, ohne den Blick abzuwenden. »Die Verwandlung ist unübersehbar, jetzt wo Enriques Geheimnis gelüftet ist. Ich hätte das nicht für möglich gehalten, aber ich freue mich für die beiden, besonders für ihn. Er war verdammt lange alleine.«
»Sie sind gut füreinander und nur darauf kommt es an.« Sie klang rundum zufrieden. Ich wandte mich ihr zu und betrachtete sie belustigt. Antonia, die wochentags für ihren Job als Pfarrsekretärin seriös auftreten musste, liebte es, in ihrer Freizeit einen ausgefallenen Look zu zelebrieren. Sie war stark geschminkt und ihre Frisur erinnerte mich an ein Vogelnest nach einem heftigen Sturm. Ihr schwarzes Top mit den dünnen Trägern betonte nicht nur ihre appetitliche Oberweite, sondern setzte auch ihre zahlreichen Tattoos in Szene. Ich mochte Antonia sehr, sie war loyal, selbstbewusst und fröhlich, aber als Typ Frau sprach sie mich definitiv nicht an.
»Sag nichts!« Sie lachte mich vergnügt an. Irgendwie fand ich es sehr angenehm, dass unser Freundeskreis so gefestigt war. Wir kannten uns seit Ewigkeiten und wussten genau, wo wir standen, was das Zusammensein sehr entspannt gestaltete. Frauenstimmen näherten sich und gemeinsam wandten wir uns dem Hauseingang zu, aus dem nun Eva und Angelina traten. Eva stellte zwei Körbchen mit Brot auf dem langen Tisch ab, der bereits für das Essen aufgedeckt war, während Angelina es sichtlich genoss, den kleinen David auf dem Arm zu halten. Ich trat heran und begrüßte zuerst Eva, dann wandte ich mich an Angelina.
»Er steht dir gut«, stellte ich fest. Das wehmütige Lächeln, das sie nun zeigte, überraschte mich. David fing an zu strampeln und wollte hinunter. Sie drückte ihm ein Küsschen auf die Wange und stellte ihn auf seine Füße.
»Es ist ein gutes Gefühl, ein Kind auf dem Arm zu haben, auch wenn es nur geborgt ist.« Sie rieb sich mit den Händen über die Oberarme, als ob ihr kalt wäre, dann schüttelte sie gedankenverloren den Kopf, um gleich darauf das Thema zu wechseln. »Wir haben Glück mit dem Wetter! Das wird ein wunderbarer Abend.« Ihr Lächeln wirkte beinahe echt, doch ich bemerkte den verborgenen Kummer dahinter trotzdem. Gefühle von Frauen zu erspüren, hatte ich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten perfektioniert. Viele hatten nie gelernt, ihre Bedürfnisse zu artikulieren und wenn man als Mann erahnte, was sie brauchten, war man klar im Vorteil. Sie trat an den Tisch und füllte ihr Glas zur Hälfte mit Rotwein, bevor sie einen kleinen Schluck davon nahm.
Mit Evas Freundin Jessica, die kurz danach zu unserer Runde stieß, waren wir vollzählig. Sie hatte eine Torte mitgebracht, die zwischenzeitlich in den Kühlschrank wanderte, bevor sie als Dessert enden würde.
»Das wird ein kalorienreicher Abend«, stellte Eva fest und strich sich über ihr Babybäuchlein, das dem ihrer Freundin glich. »Schade, dass wir von der Sangria nichts trinken dürfen.«
»Sangria?«, fragte Angelina hellhörig geworden und sah sich suchend um.
»Ich hol dir ein Glas voll«, bot ich ihr an. »Wer will noch?«
Es wurde ein fröhlicher, ausgelassener Abend, an dem wir viel aßen, tranken und lachten.
***
Am Dienstag holte ich Angelina um halb zehn bei ihr zuhause ab. Gemeinsam gingen wir zum Hafen. Sie war mit einem T-Shirt, knielangen Jeans und Sneakers bekleidet und ich bewunderte ihre langen, schlanken Beine. Ihre gebräunte Haut verriet, dass sie sich gerne im Freien aufhielt. Die seidig glänzenden, beinahe schwarzen Haare hatte sie zu einem hohen Pferdeschwanz hochgebunden, der bei jedem Schritt wippte. Oberhalb ihrer Stirn steckte eine Sonnenbrille.
»Ich freue mich auf diesen Tag auf dem Meer! Danke, dass du mich eingeladen hast.« Pure Unternehmungslust funkelte in ihren Augen.
»Danke für deine Begleitung«, erwiderte ich lächelnd. »Ich bin zwar nach Saisonende immer etwas ruhebedürftig, trotzdem ist mir deine Gesellschaft sehr willkommen.«
»Dann trifft es sich gut, dass ich ganz gerne auch mal schweige.« Sie zwinkerte mir zu, bevor sie den Kopf wandte, um einen Blick über das Meer zu werfen.
»Was hast du in deinem Rucksack?«
»Badesachen und eine kleine Kühltasche mit etwas zu trinken und zu essen. Ich werde ungenießbar, wenn ich hungrig bin, deshalb sorge ich lieber vor.« Sie grinste entschuldigend.
»Also verhungern werden wir nicht«, stellte ich fest. »Auf dem Boot gibt es einen kleinen Kühlschrank. Den habe ich befüllt, damit uns der Hunger nicht so schnell wieder an Land treibt. Oder hast du heute noch andere Pläne?«
Sie schüttelte den Kopf, dass ihr der Pferdeschwanz um die Ohren schwang. »Nein, der Tag gehört uns.«
»Klingt gut.« Sie sah richtig süß aus und einen Moment durchzuckten mich Verlangen und gleichzeitig Bedauern. Mit einer kräftigen Prise Erotik wären die nächsten Stunden noch einmal so schön gewesen, aber ich gab mich keiner Illusionen hin, bei Angelina landen zu können.
»Es macht sich schon bemerkbar, dass die meisten Sommergäste bereits abgereist sind«, stellte sie zufrieden fest. »Jetzt wird es wieder ruhiger.«
»Ich freue mich jedes Jahr darauf.« Wir betraten den Schwimmsteg, der unter unseren Schritten und dem leichten Wellengang schwankte. Ich holte das Schiff am Tau heran und reichte Angelina die Hand, um ihr an Bord zu helfen. Leitfüßig sprang sie hinüber. Für einen Moment verfing sich mein Blick an ihren Brüsten, die dabei verführerisch wippten. Ich schüttelte innerlich über mich den Kopf und rief mich zur Ordnung. Offenbar hatte ich schon zu lange keinen Sex mehr gehabt.
Ich löste die Leinen und startete den Motor. Eine Mischung aus Abenteuerlust und Freiheit erfasste mich, doch wie immer erfüllten mich auch Freude und Dankbarkeit, Eigentümer dieses schnittigen Bootes zu sein. Langsam steuerte ich es aus dem Hafenbecken. Angelina saß stumm neben mir und ein vergnügtes Lächeln lag auf ihren Lippen. Für einen Moment betrachtete ich ihr Profil und plötzlich reizte es mich, einen Kuss auf ihre süße Stupsnase oder den schön geschwungenen Mund zu drücken. Überrascht von diesem völlig unangebrachten Impuls sah ich wieder übers Wasser. Wir waren Freunde, sonst nichts.
In mäßigem Tempo passierten wir die natürliche Engstelle, die das Hafenbecken vom offenen Meer trennte, und ich wandte ihr neuerlich das Gesicht zu. »Süden oder Norden?«
Ihre Augenbrauen zuckten überrascht hoch, dann kam spontan: »Süden.«
Ich lenkte das Boot nach steuerbord, also rechts, und wir folgten der Küstenlinie. Angelina seufzte zufrieden.
»Wir haben einen traumhaften Tag erwischt. Für Anfang November ist es noch richtig warm. Ich freue mich schon darauf, ins Meer zu springen.«
»Schwimmst du noch immer so viel?«, fragte ich sie. »Du warst ja eine richtige Wassernixe.«
Sie lachte. »Stimmt, du hast mich früher immer so genannt. Das hatte ich ganz vergessen.« Sie schüttelte lächelnd den Kopf, dann beantwortete sie meine Frage. »Ja, für mich ist es Entspannung pur, mich nach einem langen Arbeitstag in die Fluten zu stürzen.« Sie kreiste mit den Schultern und verzog dabei ein wenig den Mund.
»Hast du Schmerzen?«
»Ach, nur Verspannungen.«
»Ich könnte dich massieren. Darin bin ich gut.«
Die Skepsis in ihrem Blick konnte ich durch die Sonnenbrille hindurch nur erahnen. »Nur die Schultern und den Rücken. Mehr gibt es nur auf ausdrücklichen Wunsch«, setzte ich frech hinzu und entlockte ihr damit ein helles Lachen, das sich als Kribbeln in dem Bereich um meinen Magen festsetzte.
»Mal sehen, vielleicht komme ich heute noch auf dein freundliches Angebot zurück«, meinte sie mit einem verschmitzten Lächeln, das ihr ausnehmend gut stand. Sie wandte das Gesicht wieder in den Fahrtwind und genoss es sichtlich.
»Soll ich ein bisschen mehr Gas geben?«
»Nichts dagegen. Es ist einfach herrlich!«
Ich lenkte das Boot ein Stück weiter von der Küste weg, dann ließ ich es durch das Wasser schießen. Das Vibrieren des Motors, das Klatschen der Wellen, die gegen den Rumpf schlugen, die warme Luft, die über meine Haut strich ... Ach, ich liebte das einfach!
Nach einer Weile sah ich zu Angelina hinüber. Sie hatte den Kopf in den Nacken gelegt und lächelte selig. Eine Haarsträhne hatte sich gelöst und kitzelte sie im Gesicht, obwohl sie sie immer wieder zurückstrich. Etwas in mir löste sich bei ihrem Anblick. Ein Teil der Anspannung der arbeitsreichen Monate fiel von mir ab, aber es war mehr als das, auch wenn ich nicht hätte sagen können, was genau es war. Jedenfalls fühlte es sich gut an und ich beglückwünschte mich zu dem spontan gefassten Entschluss, Angelina mitzunehmen.