Читать книгу (K)ein Rockstar für eine Nacht - Isabella May - Страница 4
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ОглавлениеNun stand ich hier, in dieser großen Domkirche, in einem eleganten Hosenanzug, der zwar von der Stange war, dennoch gut saß und teurer aussah, als es den Anschein machte. Ich zog es vor, lieber in der letzten Reihe einen Platz zu suchen, da mir mein Ruf eh schon vorauszueilen schien und ich mich um ein paar Minuten verspätet hatte. Ich musste mich nicht großartig umsehen, um zu wissen, dass die wenigen Menschen, die mich sahen und erkannten, anfingen über mich zu tuscheln und mir argwöhnische Blicke zuzuwerfen. Mir war das alles relativ egal, schließlich war ich nicht gekommen, um ihnen Gesprächsstoff zu liefern, sondern nur, um einer Einladung nachzukommen.
„Schön, dass du auch gekommen bist!“ Es war nicht notwendig, dass ich mich zu dieser vertrauten Stimme herumdrehen musste, um in ein willkommenes Gespräch verwickelt zu werden. „Das ist ja wohl das Mindeste, was ich euch schulde Mika!“, antwortete ich mit stoischem Blick nach vorne, bewunderte, wie wunderschön die Braut doch war. „Sieht sie nicht hinreißend aus?“, huschte es mir wehmütig und doch liebevoll über die Lippen, was Mika auch mit einem zustimmenden Nicken notierte. „Sie wird ihm eine gute Frau sein!“, seufzte er als würde ihm eine schwere Last von den Schultern fallen, was mich dazu veranlasste, ihm mein Gesicht zuzuwenden und ihn forschend anzusehen. „Und eine gute Schwiegertochter!“ ergänzte ich schließlich, dabei unterdrückte ich das Gefühl von einem stechenden Schmerz in der Brust und wandte meinen Blick wieder auf die Hochzeitszeremonie. Mika legte mir bekräftigend seine Hand auf die Schulter, als wollte er mich in diesem Moment nicht alleine mit meinen Gefühlen und Gedanken lassen. „Ich habe gehört, was zwischen dir und deinem Mann geschehen ist!“, sagte er mitfühlend, ohne einen einzigen Unterton von Vorurteilen, was ich in diesen Zeiten jedem hoch anrechnete und in Zukunft anrechnen würde.
„Es ist okay!“, brachte ich eben so über meine Lippen und versuchte mich auf was anderes zu konzentrieren als dieses gottverdammte schreckliche Gefühl, welches mehr und mehr Hand über mich nahm. Entschlossen kniff ich meine Augen zusammen, welche sich mit bitteren Tränen zu füllen begannen und verbat mir auch nur das kleinste Schluchzen. „Komm!“ deutete er mir mit einer vorsichtig ausladenden Geste an mit ihm hinauszugehen, um unser Gespräch, welches länger werden sollte, vor der Tür fortzuführen.
Kaum dass die schwere, mit verspielten Ornamenten verzierte dunkle Eichentür hinter uns in das Schloss fiel, holte ich tief Luft und spürte, wie ich mich langsam zu beruhigen begann. „Dir scheint eure Trennung sehr nahe zu gehen!“ reichte er mir ein Taschentuch, welches er aus einem Päckchen in seinem Blazer herauszog. Ich nahm es dankend an und tupfte mir die feuchten Stellen unter meinen Augen ab. „Es ist weniger die Trennung, als das Gefühl etwas getan zu haben, was einfach unverzeihlich ist!“, wusste ich nicht, wie ich es erklären sollte. Doch Mika sah mich mit seinen klugen Augen gütig an, fuhr mir mit der Hand fürsorglich wie ein Vater über die Wange und lächelte mich aufmunternd an. Obwohl mir nicht danach zumute war, zuckten ebenso meine Mundwinkel und bildeten etwas wie ein Lächeln auf meine Lippen. „Ist es unverzeihlich für dich, oder für deinen Mann?“, fragte er mich mit einer Ruhe, welche unfassbar war. Ich wollte ihm antworten, doch fehlten mir die richtigen Worte. Denn egal wie ich es drehen oder wenden würde, würde es nichts besser machen, das wusste ich, ebenso wie alle anderen die dort in der Kirche saßen und eine wunderschöne Hochzeit verfolgten, die sie genießen wollten und das am besten ohne meine ungebetene Anwesenheit. Diesen Wunsch wollte ich ihnen, je länger ich vor dieser verschlossenen Tür stand, mit Freuden erfüllen. Auch wenn etwas in mir aufschrie und von mir verlangte da hineinzulaufen und die Hochzeit platzen zu lassen. „Würde es dir etwas ausmachen, wenn ich alleine hier draußen warte, bis sie sich das Jawort gegeben haben?“ sah ich Mika nun flehend an, worauf dieser leicht nickte und sich daran machte die Tür zu öffnen. Doch ehe dass er hineintrat, seufzte er leise auf und sah ein letztes Mal zu mir. „Ich weiß, dass du gehen wirst, sobald ich hineingehe, aber gibt es etwas, was ich Ville ausrichten kann?“ schien er zu merken, dass es das letzte Mal war, dass meine Wege mich in diese wunderschöne Stadt führten. Ich sagte etwas, was ich seinem ältesten Sohn schon immer sagen wollte. „Sag ihm einfach, dass ich ihm nichts mehr wünsche, als dass er mit der Frau glücklich wird, die ihn mindestens genau so liebt, wie er sie und sie zusammen eine glückliche Familie gründen können! Ich hoffe, dass er all das in dieser Beziehung gefunden hat!“ Mika schwieg eine Weile, dann jedoch nickte er mir zuversichtlich und dankbar zu, ehe dass er zurück in die Kirche ging, von welcher ich mich schnellst möglich weg bewegen wollte.
Ich wusste nicht wie lange, oder wie schnell ich gelaufen war, doch mir schnürte sich die Kehle zu, als läge ein Strick darum, welcher mir die Luft mehr und mehr abschnürte, je mehr mir bewusst wurde, dass ich alles was ich liebte und schätzte verloren hatte. Zu welchem Preis nur? Das fragte ich mich hinter einem Vorhang von Tränen auf die Straße blickend, über welche ich nun lief, um in das Hotel zu gehen, welches ich damals gebucht hatte, als ich das erste Mal in Helsinki war. Erinnerungen holten mich ein. Erinnerungen, die ich nichts lieber, als verdrängen wollte, was mir mehr oder weniger gelang.
Meine Füße waren schwer wie Blei, als sie mich an meine Zimmertür führten, welche nur drei Türen weiter von der war, hinter der damals etwas geschah, was mich zu dem machte, was die Menschen in der fast überfüllten Kirche so sehr hassten. „Ich darf nicht erneut einen Fehler machen!“ mahnte ich mich selbst, meine Stirn gegen die Eichentür gestützt, welche ich eben öffnen wollte, wich einen Schritt zurück, wischte mit dem Handrücken meiner linken Hand über die von Tränen verquollenen Augen. Dabei verwischte ich den schwarzen Kajal und den saphirblauen Lidschatten nur umso mehr, ehe dass ich die Tür aufschloss und wie benommen in das Zimmer taumelte, wo mich mein erster Weg in das Bad führte, in welchem angekommen die Übelkeit mich übermannte und ich mich noch rechtzeitig über der Toilettenschüssel abstützte, nur um darin meinen gesamten Mageninhalt zu erbrechen. Der bitter saure Geschmack von Magensäure verätzte meine Kehle und der unsichtbare Strick um meinen Hals schlang sich nur umso enger darum, dass ich nach Luft keuchend und unter Tränen gänzlich zu Boden sackte.
Wie konnte ich nur in diese schrecklich, aussichtslose Lage geraten? Ich wusste es nicht, nur dass mich meine Erinnerungen einholten und alles sich wie im Zeitraffer vor meinen inneren Augen wiederholte, bis zu dem Zeitpunkt, an dem ich nun angelangt war.
In meinem Kopf drehte sich alles, dass ich am liebsten liegen geblieben wäre und darauf gewartet hätte, dass ich endlich einschlief. Doch war es mein verfluchter Ordnungssinn, der mich dazu zwang mich aufzurappeln und mich daran zu machen mir den verschmutzten Blazer und die weiße Bluse auszuziehen, welche ebenfalls leicht verschmutzt war und in einen Wäschekorb zu werfen, welcher in einer Ecke des kleinen Bades gestanden hatte.
Langsam kam ich wieder zur Ruhe, zumindest soweit zur Ruhe, dass ich das Gefühl der Schmach nicht annähernd so stark verspürte, wie noch vor weniger als einer Stunde vor der Kirche. Das Einzige, was ich jetzt wollte, war eine heiße Dusche und anschließend einen halb erholsamen Schlaf, ehe dass ich am nächsten Morgen schon um neun Uhr früh zurück nach Deutschland fliegen würde, um mein Leben halbwegs in den Griff zu bekommen.