Читать книгу (K)ein Rockstar für eine Nacht - Isabella May - Страница 6

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Nach einer langen von Albträumen gequälten Nacht, war es wie ein Segen als die Morgensonne durch das gekippte Bogenfenster in unserer Altbauwohnung schien und die sanfte Wärme der Sonnenstrahlen, gepaart mit der frühsommerlichen Luft, welche eine seichte Note von weißem Flieder mit sich trug, mich aus dem Schlaf holte. Es fühlte sich an wie ein willkommener Segen, als würde ein Geliebter seine Arme sanft um mich legen und mir zu verstehen geben, dass jede Nacht, egal wie schrecklich und grausam sie ist, einen wunderschönen Morgen hat. Noch müde und halb schlafend, schlenderte ich ins Bad, schaltete die kleine Heizung an und fing an mir die Zähne zu putzen, während meine Gedanken bereits wieder abschweiften. Wieder musste ich an ihn denken, an Ville Lenjo, an dessen charismatisches und süchtig machendes Lächeln. Ich war wie besessen von diesem Mann, doch wie viele waren es noch? Es waren viel zu viele, da war ich nur ein Tropfen auf dem heißen Stein in der Liste der Frauen, die ihm hinterher schmachteten, ein Nichts, ein Niemand. Wehmütig schnaufend zog ich die Zahnbürste aus meinem Mundwinkel und spuckte den nach Minze schmeckenden Schaum heraus, ehe dass ich meinen anderweitigen allmorgendlichen Bedürfnissen nachging, angefangen beim Gang zur Toilette und endend bei einem frisch aufgebrühten Kaffee mit einem Schuss Milch und drei Würfeln Zucker. Während ich an meinem Kaffee nippte, stand ich am Fenster und blickte auf die Straße hinaus, auf der einige Passanten rasch hin und her eilten um ihren Zug oder Bus noch rechtzeitig zu erwischen. Eine junge Frau trug ihr kleines Baby auf dem Arm, während dieses vergnügt mit ihrem Schlüssel spielte. Dieser Anblick war es, der mir nur wieder vor Augen tat, dass ich dieses Glück mit Peter wohl nie erfahren würde, jedenfalls nicht gemeinsam, das stand so fest wie das Amen in der Kirche.

Mir blieben noch circa zwanzig Minuten Zeit, bevor ich mich auf den Weg zur Arbeit machen musste, welche ich auch nutzte um nachzusehen ob mir mein neuer mysteriöser Freund geantwortet hatte. Ein breites Grinsen zierte mein Gesicht, als auf meiner Seite der Button erschien „Du hast eine Direktmessage von Helsinki1976 erhalten“ und wieder schien alles um mich herum wie vergessen zu sein. Mein Herz machte einen gewaltigen Satz, als ich auf den Button drückte und ich die Nachricht einsehen konnte, die viel länger war, als ich mir je erhofft hatte „Hey, mir geht’s gut, ich hoffe dir auch! Was machst du denn so?“ Okay, es waren nur zwei Sätze, aber für das Internetzeitalter war das sehr viel. Schnell tippte ich, noch immer vor Freude strahlend, wie eine Schneekönigin eine Antwort bevor ich meinen Laptop wieder herunterfuhr, um mich in die Arbeit zu stürzen „Mir geht’s gut, danke der Nachfrage und tja, ich arbeite und arbeite, doch ist meine Arbeit für mich und meine Seele gut, falls zu verstehst, was ich meine?“ Während des gesamten Wegs von 25 Kilometern zu meiner Arbeit als Gesellin im Sattlerhandwerk dachte ich darüber nach, wie es wäre mit einem Star wie Ville Lenjo befreundet zu sein. Mir allerdings vorzustellen wie es wäre mit ihm zusammen zu sein, das war selbst für mich eine Etage zu hoch gegriffen. Ich, eine einfache Arbeiterin zusammen mit einem angesehenen finnischen Musiker und Poeten in einem Bett. Gott bewahre, das war genau so, als würde man einen preisgekrönten französischen Pudel mit einem Straßenköter kreuzen. Ich hatte nie wirklich daran geglaubt, dass Märchen wahr werden würden, bei so viel Hass und Grauen, was auf der Welt herrschte. Ich selbst sollte wohl glücklich damit sein, dass ich einen Mann hatte, der sich um mich kümmerte, wenn es mir mal schlecht ging, auch wenn er selbst daran oft zu zerbrechen schien, was ich ihm mehr anrechnete als alles andere auf der Welt. „Guten Morgen!“ stürmte Tatjana, eine junge Schülerin und Praktikantin auf mich zu, kaum dass ich durch die Glastür im hinteren Bereich der Firma trat, um meine Tasche und Jacke in meinen Spind zu hängen. „Em, guten Morgen!?“ kam ich mir wirklich mehr als überrumpelt vor, da mir sonst immer nur eine Begrüßung entgegen kam, als würde die Welt jeden Moment untergehen. Und jetzt stand ich da, vor einem 15 jährigen Teenager, der mich anstrahlte wie die Sonne selbst. Gott, wie beneidete ich sie in diesem Moment für ihre Unbeschwertheit. „Weißt du was?“ strahlte sie wirklich über alle vier Backen, tänzelte vor mir herum wie ein Gummibärchen, dass ihre honigbraunen Augen wie die Knopfaugen eines Teddybären funkelten. „Was denn?“ tat ich es ihr gleich, eher um ihr zu zeigen, wie dämlich es doch ausgesehen hatte. Doch sie strahlte noch immer und hielt mir ein weißes Blatt Papier direkt vor die Nase, dass ich nicht erkennen konnte, was mit schwarzer Tinte darauf gedruckt war, doch nach dem Geruch zu urteilen war die Tinte noch recht frisch. „Ich bekomme die Ausbildung!“ Im ersten Moment war ich wie benommen. „Sag das noch mal!“, forderte ich sie heraus, worauf sie sich nur wiederholen konnte. Da war es selbst um mich geschehen und ich fing an so doof herumzuhüpfen und zu jubeln wie sie, dabei fiel mir erst zu spät auf, dass wir die gesamte Aufmerksamkeit der halben Belegschaft auf uns gelenkt hatten. So schnell, wie ich mich gefreut hatte, ebenso schnell konzentrierte ich mich wieder und reichte Tatjana gratulierend die Hand „Schön dich in unserem Team ab September willkommen zu heißen!“ kehrte ihr darauf den Rücken zu und machte mich auf in die Anfertigung. Kaum dass ich an meinem Tisch stand und anfing die Kanten einer Restaurantmappe einzuschlagen, kam Fernando, ein für Italiener doch groß gewachsener und langjähriger Mitarbeiter zu mir, stellte sich so neben mich, als würde er mir helfen wollen, doch nach seinem verschwörerischen Blicken zu urteilen, führte er wie so oft etwas in Schilde. Wie erwartet rückte er ein Stück näher, sah sich um und grinste mich scheinheilig an. „Sag mal, was ist denn los, dass du dich so für Tatjana gefreut hast? Ich dachte, du magst Praktikanten nicht!“, fragte er mich von der Seite, schlug dabei ebenfalls die Kanten einer Mappe ein, um die Aufmerksamkeit des Abteilungsleiters nicht auf sich zu lenken. „Nichts!“, gab ich schmunzelnd zurück, doch er hatte mich schon längst durchschaut. „Für nichts grinst du mir doch etwas zu verdächtig viel! Komm, erzähl, wie heißt er?“ Erschrocken ließ ich das Einschlagmesser, ein flaches Eisen, welches an der Spitze geformt war wie ein Messer, bei welchem die Kanten jedoch abgerundet waren, um das Leder der Mappe nicht zu beschädigen, auf den Tisch fallen und starrte Fernando wie gelähmt an. „Wie kommst du darauf?“ „Keine Angst Süße, ich erzähle deinem Mann nichts!“, lachte er laut auf und schüttelte seinen Kopf, wobei sein nach hinten gekämmtes und mit Spray fest betoniertes Haar nicht um einen Millimeter verrutschte. Doch für mich war an der Sache überhaupt nichts Witziges dran, weshalb ich ihm nur einen scharfen Blick zuwarf. „Es ist niemand, okay!“, beharrte ich vehement „Okay, okay, ist ja schon gut! Deswegen musst du nicht gleich an die Decke gehen!“ ,hob er ergeben die Hände schmunzelte allerdings noch und ging eine Abteilung weiter, um dem nächsten Kollegen auf den Geist zu gehen. „Mistkerl! Deine Frisur sieht auch nur lächerlich aus!“, murmelte ich sauer, wünschte mir, ich könnte ihm das ohne Weiteres ins Gesicht sagen, doch leider Gottes, war er der Neffe meines Chefs und im Moment war ich mehr denn je auf meinen Job angewiesen. Wenigstens konnte ich mich anschließend, wieder meiner Arbeit widmete. Im Laufe des Tages gab es weiter keine Zwischenfälle dieser Art, doch plagte mich der Gedanke dass jemand wie Fernando, oder eher gesagt, ausgerechnet Fernando, ein Mann, der nichts Besseres zu tun hatte, als Klatsch und Tratsch zu verbreiten, auf die Idee gekommen war, ich sei neu verliebt, oder schlimmer noch, dass ich meinen Mann betrügen würde, mit dem ich seit über zehn Jahren liiert und davon vier verheiratet war. Ich war damals 15 Jahre alt, als ich Peter in dem Blumenladen meiner Mutter kennengelernt hatte. Er war auf der Suche nach einem Strauß Rosen für seine Mutter zum Muttertag, dabei schenkte er mir auch eine mit der Begründung, dass nur die schönsten Frauen rote Rosen verdient hätten. Heute hätte ich einen Jungen von 18 Jahren dafür ausgelacht und nach Hause geschickt, doch damals war ich so jung, naiv, verliebt. Doch was war ich jetzt? Zweifelte ich etwa an der Aufrichtigkeit meiner Liebe zu meinem Mann? Meine Gedanken waren so verwirrend, dass mir nicht einmal auffiel, wie ich nach Hause gekommen war, geschweige denn, wie ich mich dazu bewegte meinen Laptop hochzufahren. Nun saß ich da, starrte den Bildschirm an und wusste nicht, was ich tun sollte, bis mir meine innere Stimme zurief „Vergiss die Welt um dich herum! Sieh lieber nach, ob Ville dir geschrieben hat!“ „Ja das sollte ich wohl tun!“ ,sprach ich zu mir selbst, als sei es tatsächlich entschlossene Sache, dass dieser fremde Mann aus dem Internet, den ich erst seit gut zwei Tagen kannte, tatsächlich Ville Lenjo war. Hätte ich mich in diesem Moment selbst gesehen, hätte ich mich sicher ausgelacht oder mich für mein kindisches Verhalten geschämt. So aufgewühlt, wie ich war, das war nicht ich! Ich die beherrschte und hart für ihr Geld arbeitende Frau! Ich die verantwortungsbewusste Ehefrau! Was war nur los mit mir? Neugierig war ich dennoch, so startete ich den Provider, gab Twitter.com in der Suchmaschine ein und wartete ungeduldig wie ein verliebter Teen darauf, dass sich die Seite endlich aufbaute. „Eine neue Nachricht!“, quietschte ich ungläubig auf, hielt mir dann vor mir selbst erschrocken die Hand vor den Mund und sah nach der Nachricht. „Natürlich verstehe ich das und da bin ich derselben Meinung!“, stand da geschrieben mit drei zwinkernden Smileys hintereinander. Für manch einen schienen diese Worte nicht viel zu bedeuten, doch für mich waren sie mehr. „Kommst du wirklich aus Helsinki, oder hat es einen anderen Grund, weil du dich Helsinki1976 nennst?“, schrieb ich zurück, stand auf und machte erst einmal was für mich und meinen Mann zum Essen, ehe dass ich mich wieder ran setzte und zu meinem Verblüffen zwei neue Nachrichten von ihm bekommen hatte. Eben wollte ich nachsehen, da klingelte mein Handy, welches neben meinem Laptop auf dem Tisch lag und mit großen Buchstaben „Kat ruft an“ draufstand. „Hey Kat, was rufst du mich so schnell an? Ich dachte du arbeitest!“, flunkerte ich, da sie mich sicher schon wieder online gesehen hatte und sie, was Helsinki anging, unbedingt auf dem Laufenden gehalten werden wollte. „Und, was hat er geschrieben?“, sprudelte es vorfreudig aus ihr heraus. Als ich jedoch mit meiner Antwort zögerte, klang ihre erneute Frage weniger euphorisch „Er hat doch geschrieben, oder?“ Mit an die Decke verdrehten Augen schnaubte ich gespielt entrüstet auf. „Warum bist du immer so ungeduldig?“ „Weil ich mich so freue!“ gab sie zu, wobei ich mir bildlich vorstellen konnte wie sie breit grinste und mir beide Daumen festdrückte. „Ja, er hat geantwortet!“, gab ich schmunzelnd zu, drückte auf die Freisprechtaste und öffnete mitten in unserem Gespräch die neuen Nachrichten. „Und, was schreibt er?“, fragte sie wieder ungeduldig, doch ihre Stimme klang für mich wie aus weiter Ferne, da ich selbst damit kämpfen musste, nicht vor Schock von meinem Stuhl zu fallen. „Was hast du gefragt?“, stammelte ich perplex, worauf sie ihre Frage wiederholte, nur dieses Mal energischer. „Dass er aus einem Vorort von Helsinki kommt und dann fragt er, von wo ich komme!“ versuchte ich Fassung zu wahren, da Ville Lenjo ebenfalls aus einem Vorort von Helsinki stammt. Schweigen kam mir von Katharina entgegen, was mich nicht wunderte, doch dann sagte sie etwas, was mich wieder auf den Boden der Tatsachen herunter holte. „Naja, es wohnen aber nicht wenige Leute in Vororten bei Helsinki! Vielleicht ist er ja auch nur ein Fan, wie wir es sind!“ „Ja, da hast du recht! Ich werde mal schauen, vielleicht erfahre ich ja mehr von ihm!“ „Wie willst du das machen?“, fragte sie mich besorgt, doch ich wusste es selbst nicht. „Du Süße, ich rufe dich später noch einmal an, oder wir schreiben uns, okay!“, schlug ich ihr in Gedanken versunken vor, worauf sie darauf einging und wir unser Gespräch beendeten. „So, jetzt wollen wir mal sehen, wer du wirklich bist, mein neuer mysteriöser Freund aus Helsinki!“ war ich bereit zu riskieren, in die Falle eines verrückten zu geraten, der ahnungslose Fans über den Tisch ziehen wollte, was ich jedoch nicht hoffte. „Ich komme aus Deutschland, eher gesagt aus einer Kleinstadt in Bayern. Aus Kulmbach“ schrieb ich schließlich zurück. Nach weniger als fünf Minuten blinkte es erneut auf meinem Bildschirm, allerdings sobald ich die Nachricht geöffnet hatte, wurde mir urplötzlich übel, die Luft in meinen Lungen begann zu brennen und meine Hände zitterten vor Aufregung, dass es mir nur umso schwererfiel, nach dem Hörer zu greifen und Katharina zurück zu rufen, weshalb ich es vorzog, kurz aufzustehen und an die frische Luft hinaus zu gehen. Kaum dass ich nur einen Fuß hinaus auf die Straße tat, spürte ich wie meine Beine unter mir nachzulassen schienen. Panisch griff ich nach dem Türgriff der Haustür, keuchte auf, schaffte es gerade so mich wieder in eine halbwegs aufrechte Position zu bringen, um dann tief Atem zu holen und mir die Worte durch den Kopf gehen zu lassen, die ich eben gelesen hatte. "Hey, ich habe ein Bild von einer unbekannten Künstlerin aus Bayern, welches ich in München gekauft hatte!“ Jeder Fan von Ville Lenjo und jeder Fan seiner Band, mit welcher er in Finnland und Europa große Erfolge feierte, wusste, dass er von einer deutschen Künstlerin, die zufälligerweise aus München stammt, eben ein solches Bild besaß und dieses als Thema seines letzten Musikvideos zu seinem Song „Sound of Silence“ verwendet hatte. Mir wurde nur umso mehr bewusst, dass er es wirklich sein musste und umso mehr übermannte mich die Angst, ihm irgendwann wirklich gegenübertreten zu können. Verdammt noch mal, ich war sein vielleicht größter Fan und doch hatte ich Angst ihm zu begegnen, ihn zu treffen und jetzt hatte es tatsächlich geklappt, auch wenn es nur virtuell war. „Kat!“, schnappte ich nach Luft, machte kehrt, eilte die Treppe zu unserer Wohnung hinauf, stürmte ins Wohnzimmer und griff nach dem Telefon, um sie anzurufen, doch in dem Moment, als sie abhob, legte ich wieder auf. „Sorry Süße!“, waren meine Worte wie ein sanfter Hauch, während mein Blick vom Telefon in meiner Hand zu dem Bildschirm meines Laptops wanderte. Hätte ich ihr in diesem Moment gesagt, dass er es sein musste und das zu mindestens 99 Prozent, wäre ich mir nicht sicher gewesen, ob sie es mir glauben, geschweige denn für sich behalten hätte, dass Ville nicht, wie groß auf der Fanpage angepriesen, niemals bei Social-Communitys wie Twitter angemeldet war, oder es je sein würde, sondern unerkannt unter einem einfachen Nick online ging, um wenigstens etwas von der Außenwelt mitzubekommen. Schnell setzte ich mich wieder an den Laptop, doch da klingelte mein Telefon wieder. Katharina, sie versuchte mich, zurückzurufen. „Nein, oh nein!“, verfluchte ich mich selbst, dass ich sie überhaupt angerufen hatte, und hob ab, um sie nicht unnötig zu beunruhigen, nicht dass sie noch geglaubt hätte, dass mir etwas Schlimmes passiert sein könnte. „Hey!“, sagte ich knapp, starrte den Bildschirm an und überlegte mir schon eine passende Ausrede. „Hey Süße, du hast plötzlich aufgelegt, ist was passiert?“ klang ihre Stimme besorgt wie die einer Mutter. Sie war für mich wie eine Schwester in den Jahren geworden, in denen ich sie schon kannte, doch fing ich an daran zu zweifeln, dass ich vorhatte, sie anzulügen. „Ich, es ist …“ fing ich stammelnd an, brachte den Satz kaum über die Lippen, hielt mir den Kopf und spürte schon, wie die bitteren Tränen des Verrates in meinen Augenwinkeln brannten und sich, wie kleine heiße Lavaströme über meine blassen Wangen zu meinen Lippen liefen. „Kann ich dich später noch einmal anrufen?“, war meine Bitte eher wie ein Flehen, was bei ihr die Alarmsirenen anschlagen ließ. „Sanna, was ist passiert?“, atmete sie hektisch. „Noch gar nichts Kat!“, wischte ich mir mit dem Handrücken die Tränen von den Wangen, während ein gekünsteltes freudiges Lachen meine Lippen zierte. „Hat dieser Finne was damit zu tun?“, fragte sie und wie immer traf sie mit ihrer Vermutung direkt ins Schwarze, doch dieses eine Mal musste ich standhaft sein, um wenigstens eine halbwegs glaubwürdige Lüge über die Lippen zu bringen, welche vor Aufregung bebten. „Nein, es ist was anderes, aber wie gesagt ich würde dich gerne später noch einmal anrufen!“ „Hm, ich bin später mit Daniel und Beata verabredet, aber Morgen können wir reden!“, schien sie meine Lüge geschluckt zu haben, auch wenn sie nicht wirklich überzeigt schien, dachte sie sicher, dass ich meine Gründe haben musste ihr nicht zu sagen warum ich so aufgeregt war. „Danke, du bist die Beste!“, fielen mir auf einmal Tausende von Steinen vom Herzen. Kaum dass ich nur noch das unaufhörliche Tuten hörte, nachdem sie aufgelegt hatte, legte ich ebenfalls auf, schaltete das Telefon aus und legte dieses zurück auf den Tisch, nur um wieder auf den Bildschirm zu starren. „Was soll ich dir nur schreiben?“, grübelte ich nach, betrachtete weiterhin das Foto des Mannes, welcher Hunderte von Kilometern von mir weg war und wahrscheinlich auf eine Antwort wartete. Sollte ich nun ehrlich sein, mich als Fan outen, oder sollte ich so rum tun, als wüsste ich nicht, wer er war? Ich entschied mich, ehrlich zu sein. „Jetzt machst du mich neugierig und nervös mit dem Bild!“, schrieb ich zurück, in der Hoffnung er würde anbeißen und darauf zurückkommen. Tatsächlich, nach wenigen Minuten antwortete er mit einer Frage, die mich vermuten ließ, dass er sich ertappt fühlte „Warum mache ich dich mit dem Bild neugierig und nervös? Jetzt machst du mich neugierig und etwas nervös!“ „Sanna, jetzt zieh es durch!“ mahnte ich mich, jetzt keinen Rückzieher zu machen, überlegte kurz was ich antworten sollte und schrieb schließlich mit zitternden Händen: „Weil mein Idol Ville Lenjo ebenfalls ein Bild aus Bayern hat, welches eine unbekannte Künstlerin gemalt hatte! Es ist ein weinendes Mädchen!“ Ich konnte nur raten, wie lange und oft ich das, was ich geschrieben hatte, noch einmal durchlas, ehe dass ich den Cursor meiner Maus auf den Button „ Senden“ führte und die linke Maustaste klickte. „Oh mein Gott, ich habe es getan!“, schlug ich von mir selbst geschockt die Hände vors Gesicht und bettelte den Bildschirm an, dass es mir Ville nicht übel nehmen würde, dass ich ihn enttarnt hatte. „Was hast du getan?“, ertönte plötzlich die sanfte und tiefe Stimme meines Mannes neben meinem Ohr, dass ich einen erschrockenen Schrei nicht unterdrücken konnte und aufsprang. „Hey, ich bin es doch nur Hase!“ lachte er verspielt, umarmte mich und küsste meine Wange. „Bitte erschrecke mich nicht noch mal so!“, konnte ich einen empörten Ton nicht unterdrücken, holte tief Luft und hoffte, dass er es mir nicht so übel nehmen würde. „Ich dachte, du hast mich hereinkommen gehört, aber du scheinst sehr abgelenkt gewesen zu sein!“ sah er mich forschend an, dass mir nichts anderes übrig blieb, als verlegen zu Boden zu blicken. „Ich habe jemandem geschrieben!“ gab ich zu, worauf er über mich hinweg sah, um einen Blick in den Bildschirm meines Laptops zu erhaschen. „Wem denn?“, fragte er, noch über mich hinweg sehend, worauf ich mich herumdrehte und selbst auf den Bildschirm blickte. „Einem finnischen Fan von Ville Lenjo!“, flunkerte ich, worauf er mich wieder ansah und seine Augenbrauen hob, was bei ihm immer bedeutete, dass er mir nicht ganz glauben wollte. „Und dann solch eine Aufregung?“ schien er mich genau zu mustern, als sei ich das Lamm und er der Wolf. „So wie es aussieht, kennt er Ville Lenjo!“ versuchte ich mich herauszureden, worauf Peter nur nickte, dann wiederum lachte. „Komm lass uns essen gehen!“ „Du willst nicht Zuhause essen?“ war ich mehr als verblüfft, worauf Peter mit einem breiten Grinsen nickte „Ja, ich will mit meiner wunderschönen Frau essen gehen!“ „Okay, ich fahre nur schnell meinen Laptop herunter, dann können wir los!“, ging ich darauf ein, auch wenn mir lieber gewesen wäre, weiterhin mit Ville zu schreiben. Ein Schmunzeln zierte meine Lippen, als ich noch kurz, bevor ich den Provider schloss, sah, wie der Button blinkte, dass eine neue Nachricht von Helsinki1976 gekommen war.


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