Читать книгу Lenchens Baby - Isolde Kakoschky - Страница 9
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Man konnte nicht behaupten, dass Franziska Trübsal blies, wenn Michael unterwegs war. Sie hatte sich im Laufe der Jahre daran gewöhnt, in der Woche Strohwitwe zu sein. Ihr Beruf und ein großer Freundeskreis boten genügend Beschäftigung, Abwechslung und Unterhaltung. An den Abenden las sie leidenschaftlich gerne und vertrieb sich damit oft die Zeit, viel lieber als mit Fernsehen. Zudem versuchte sie, alle Hausarbeiten während der Woche zu erledigen, um an den Wochenenden Zeit für Unternehmungen zu haben. Sie liebten es, in die Sauna zu gehen oder zu schwimmen, im Sommer in einem der Seen der Umgebung, im Winter in einer Therme. Und ab und zu blieb daheim die Küche kalt, dann führte Michael seine Frau zum Essen aus.
Am nächsten Wochenende war kein Restaurantbesuch geplant, denn die Einschulungsfeiern standen an und die Gaststätten waren ohnehin gut gefüllt. Einschulung war jetzt mein Stichwort, dachte Franziska, als sie überlegte, was sie am Wochenende auf den Tisch bringen konnte und die mit allerlei Schulutensilien gefüllten Regale im Supermarkt musterte. Annika hatte doch von Lukas´ Einschulung erzählt, erinnerte sie sich. Sie kaufte eine hübsche Karte, ein Malheft, eine Packung Stifte und eine Schokoladentafel. Das alles verstaute sie in einem stabilen, großen Umschlag, legte zuletzt noch einen Geldschein hinzu und adressierte den Brief an Lukas Borkhof. Da der Umzug erst nach der Einschulung geplant war, konnte sie die Glückwünsche getrost noch zur alten Adresse schicken. Irgendwie fühlte sie sich ein wenig in der Pflicht, weil sie bei der Vertragsunterzeichnung nichts für den Jungen dabei gehabt hatte, was ihr immer noch leid tat. Und ein bisschen vermittelte ihr selbst diese kleine Geste eine Art Zusammengehörigkeitsgefühl der beiden Familien. Das Haus loslassen war das Eine, sich wirklich davon trennen, das Andere.
»Was meinst du«, fragte Franziska später am Telefon ihren Mann, »wollen wir am Sonnabend in die Therme fahren? Wenn überall Einschulung ist, wird es bestimmt nicht so voll.«
»Na klar«, stimmte Michael ihr sofort zu. Das würde auch seinem Bewegungsapparat gut tun, mal wieder im warmen Solewasser zu schwimmen. »Ist gebongt!«
In freudiger Erwartung verging die Zeit bis zur Abfahrt am Sonnabend, als sie sich gleich nach dem Frühstück auf den Weg machten. Über die Autobahn erreichten sie den Thüringischen Kurort mit der »Kristall-Therme« in einer reichlichen Stunde. Und schon bald konnten sie den Alltag hinter sich lassen und abschalten. Mit geschlossenen Augen gab sich Franzi den duftenden Essenzen beim Saunaaufguss hin. Später saßen sie im Saunagarten und stießen mit einem Prosecco auf diesen wunderbaren Tag an.
Der Aufenthalt in der Therme tat ihnen wirklich gut. Michael spürte Linderung in seinem berufsbedingt strapazierten Rücken und Franziska versuchte, sich von den Gedanken abzulenken, die sich seit dem Notartermin nicht verdrängen ließen. Immer war da die Frage: Haben wir es richtig gemacht? Ständig überkam sie ein Gefühl, als hätten sie etwas vergessen, und konnte es sich nicht erklären. Michael wollte sie damit nicht behelligen, er hatte genug um die Ohren. Und Alexander anrufen? Das hatte sie sich gefragt, es aber auch wieder verworfen. Franziska schalt sich selbst als dumm und überdreht. Schließlich hatte sie gemeinsam mit Annika ein paar Tage vor dem Notartermin noch die Zählerstände von Wasser, Strom und Gas abgelesen. Das Haus war besenrein gewesen.
So genossen beide die Entspannung beim Schwimmen und Saunieren, fast wie in einem Kurzurlaub. Und doch war es nur ein Wochenende und wieder schneller vorüber als es ihnen lieb war.
Der Sonntag verging mit den üblichen Hausarbeiten und am Montagmorgen verließen Franziska und Michael ausnahmsweise zeitgleich die Wohnung. Während es für Michael in dieser Woche in Richtung Österreich gehen sollte, richtete sich Franziskas Augenmerk wie jedes Jahr auf die Vorbereitung der Rübenernte. Schließlich brach bereits der September an. Wenn sie nächste Woche gemeinsam mit ihrem Mann noch ein paar Tage Urlaub machen wollte, musste sie die Dinge vorher geordnet haben. Im Laufe der Jahre hatte sich eine gewisse Routine ergeben. Die PC-Programme waren eingerichtet. Noch vor der Wende hatte sie bereits das Privileg besessen, am damals einzigen Computer der LPG zu arbeiten. Das Monstrum hatte einen ganzen Raum für sich beansprucht und würde jetzt wohl nur noch belächelt werden. Heute half ihr die modernste Technik bei der Abrechnung. Und so, wie es aussah, konnte die Kampagne beginnen. Also entschloss sie sich am Abend, ihren Bruder anzurufen.
»Hallo Schwesterchen!«, begrüßte Alexander sie erfreut.
»Ich wollte dich auch anrufen.«
»Tja, Alex, da war ich wohl schneller!«, lachte Franziska.
»Hast du inzwischen mit Heidrun gesprochen?«
»Ja, deshalb wollte ich dich ja anrufen. Wann hat Michael genau frei?«, wollte Alexander wissen.
»Die ganze nächste Woche«, antwortete Franzi. »Und bei mir klappt es auch. Wir könnten von Freitag zum Sonnabend zu euch kommen, oder schon am Donnerstag, ganz wie es bei euch passt.«
»Uns ist beides recht. Wir können ja mal noch den Wetterbericht im Auge behalten, damit wir nicht den ganzen Tag drin sitzen müssen, falls es an einem Tag regnet.«
»Prima!«, freute sich Franziska. »Dann stimmen wir uns in einer Woche noch einmal miteinander ab.«
»Genau so machen wir das«, bekräftigte auch Alexander. Wieder überlegte Franziska, ob sie Alexander mit ihren seltsamen Gedanken behelligen sollte. Doch ohne ein Wort dazu verabschiedete sie sich von ihrem Bruder.
»Mach´s gut und grüße Heidrun ganz lieb. Ich freue mich schon, sie mal wieder zu sehen!«
»Und du sag meinem Schwager liebe Grüße, wenn du mit ihm sprichst. Mach´s gut, Schwesterchen!« Franziska legte das Handy zurück auf den Tisch. Unbewusst schüttelte sie den Kopf. Schon in ihrer Kindheit und Jugend hatte sie immer wieder solche unterschwelligen Gedanken gehabt, die sie nicht erklären konnte. Mit keinem hatte sie darüber gesprochen. Und doch hatte sie ihre Ahnung nicht getrogen, es gab ein Geheimnis in ihrer Familie. Aber das war inzwischen aufgeklärt.
Schluss jetzt, riss sie sich von den Grübeleien los und begann, das Bad zu putzen.
Der Rest der Woche zog sich wie klebriger Kaugummi in die Länge. Zwar ging ihr die Arbeit flott von der Hand, doch die Tage wollten einfach nicht vergehen. Sie freute sich schon, am nächsten Wochenende würde alles etwas relaxter verlaufen, wenn Michael nicht losfahren musste. Und auch Franziska wollte dann in der Woche zwei Tage Urlaub nehmen, das hatte sie bereits mit ihrem Chef abgesprochen. Allerdings musste sie am Freitag zur Kenntnis nehmen, dass Michael erst am Sonnabend früh heimkam.
Am Nachmittag schaltete sie im Arbeitszimmer den Rechner an. Vor kurzem hatte sie sich bei Facebook angemeldet. Der Grund waren eigentlich die Kinder gewesen. Martin und Anja schrieben dort immer mal was rein, und so wusste Franzi über die beiden Bescheid. Und auch das eine oder andere Bild von Fränzchen flatterte auf diesem Weg auf ihren Bildschirm. Sie hatte sonst nicht viele Freunde in dem Portal, aber zuletzt fand sie eine Gruppe, die sich über gelesene Bücher austauschte. Das gefiel ihr. So klinkte sie sich auch heute in die Diskussion ein und merkte kaum, wie nun doch die Zeit verflog. Manchmal überlegte sie dann, ob sie es wagen sollte, auch einmal ein Buch zu schreiben. Erlebt hatte sie schon einiges, aber ob es jemand lesen wollte?
Verschlafen rieb sich Franziska über die Augen, als sie das Geräusch des Schlüssels im Schloss der Wohnungstür vernahm.
»Guten Morgen, mein Schatz!« Michael beugte sich über sie und gab ihr einen Kuss. »Aufstehen, die Sonne scheint und ich war schon beim Bäcker.« Er hielt ihr die Tüte mit den frischen Brötchen direkt vor die Nase.
Schwungvoll sprang Franziska aus dem Bett. »Na dann will ich mal die Kaffeemaschine anwerfen.«
Michael trug bereits das Geschirr ins Wohnzimmer, während Franziska in der Küche das Frühstück richtete, und wenig später saßen sie gemütlich am Tisch und ließen es sich schmecken.
Später räumte Michael seine Sachen aus dem LKW in den Keller und Franziska stopfte das Bettzeug direkt in die Waschmaschine. Unterdessen kochte auf dem Herd die Suppe für das Mittagessen. Erst nach dem Essen kamen sie wieder ein bisschen zur Ruhe.
»Ich habe mit Alexander vereinbart, dass wir ein Auge auf den Wetterbricht haben werden und uns danach konkret abstimmen, ob wir am Donnerstag oder am Freitag nach Hessen fahren«, erläuterte Franzi ihrem Mann das Gespräch mit ihrem Bruder noch einmal. Sie hatten zwar bereits am Telefon darüber geredet, doch erfahrungsgemäß hatte Michael meistens den Kopf so voll, dass ihm die Hälfte wieder entfiel.
»Das klingt wie ein guter Plan«, antwortete er. »Aber wie es scheint, bleibt das Wetter ja ganz passabel. Da stellt sich doch direkt die Frage, was wir morgen unternehmen. Immerhin muss ich nicht losfahren, du musst kein Essen vorbereiten, es bietet sich an.«
Franziska überlegte nur kurz. »Ich weiß es, wir fahren nach Wernigerode.«
Mit einem fragenden Gesichtsausdruck schaute Michael sie an. Obwohl die bunte Stadt am Harz ein beliebtes Ausflugsziel war, hatte sie bei ihm nur den zweifelhaften Ruf, in der dortigen Brauerei Bier laden zu müssen.
»Ich würde mir gerne den ›Kleinen Harz‹ ansehen«, erklärte sie ihm, ehe eine ablehnende Bemerkung über seine Lippen kommen konnte. Den Miniaturenpark gab es seit einigen Jahren in unmittelbarer Nachbarschaft zum Bürgerpark, der 2006 anlässlich der Landesgartenschau angelegt wurde. Erst kürzlich hatte wieder ein Artikel darüber in der Zeitung gestanden und Franziska nahm sich danach vor, einmal dorthin zu fahren.
»Hm, warum eigentlich nicht«, überlegte Michael. »Wir suchen uns irgendwo was zum Essen und gucken uns
diese kleinen Bauwerke mal an.« Oft genug hatte er die Hinweisschilder ja schon gesehen.
Franzi schmunzelte innerlich. Wie oft musste sie Michael zu einem Ausflug überzeugen, obwohl er genau wusste, wo das Ziel lag. Er kurvte in halb Europa herum, sah aber eigentlich immer nur die Autobahnen.
Nach einem gemütlichen Nachmittag bei Kaffee und Kuchen praktizierten sie ein bisschen Wellness im heimischen Badezimmer. Es war vor kurzem von Grund auf saniert worden und nun »der schönste Raum der Wohnung«, wie Michael meinte. Einiges hatte sich seit ihrem Einzug vor dreißig Jahren im Haus und in der Wohnung schon verändert. Neue Fenster waren eingebaut worden und eine Heizung. Längst brauchte keiner mehr Kohlen schleppen und den Badeofen anheizen, wenn er sich ins warme Wasser legen wollte. Auch die Fassade hätte eine Renovierung nötig gehabt, doch wer wusste schon, wie lange sie darauf noch warten mussten. Aber kam es nicht so manches Mal auf die inneren Werte an?
Franziska zog es vor, in duftendem Schaumbad zu relaxen, während Michael sich und seinem Rücken mit Rheumabad etwas Gutes tat. In der Zeit brutzelte Franzi ein leckeres Abendessen für zwei. Sie prosteten sich zu, genossen den lauen Sommerabend auf dem Balkon und freuten sich auf den nächsten Tag.
»Guten Morgen, mein Schatz. Kaffee ist fertig!« Franziska drückte Michael einen Kuss auf seine, noch vom Schlafen, warme Wange.
»Was, schon halb neun!«, schaute er ungläubig zur Uhr und rekelte sich, ehe er die Decke von sich schob und die Beine aus dem Bett schwang. »Dann muss ich wohl aufstehen.« Er stapfte ins Bad, unterdessen schenkte Franzi den Kaffee ein. Sie ließen sich die im Herd frisch aufgebackenen Brötchen, Wurst, Käse, Marmelade und weichgekochte Eier schmecken. Wann immer es ging, genossen sie an den Wochenenden dieses gemeinsame Frühstück. Und da heute keine Hausarbeiten drängten, nicht gekocht werden musste und sie alle Zeit der Welt hatten, dehnten sie es entsprechend lange aus. Es war bereits nach elf, als sie sich nacheinander erhoben und das Geschirr in die Küche trugen.
Ach wenn der meteorologische Herbst bereits begonnen hatte, wirkte das Wetter eher spätsommerlich. In kurzer Zeit erreichten sie die vor ein paar Jahren neu erbaute vierspurige Bundesstraße, die schon bald den Namen
»Nordharzautobahn« bekommen hatte. Hinter Aschersleben wurde deutlich, warum das so war. Linker Hand rückten die Hügel des Mittelgebirges in ihr Sichtfeld und nach vorne gab die Straße den Blick auf den Brocken frei. Wo früher die alte Fernverkehrsstraße 6 entlang führte, ließ sich bald nicht mehr erkennen. Neue Zubringerstraßen und Kreisverkehre entstanden überall. Im Volksmund wurde die F6 einst »Zigarettenstraße« genannt. Franziska wusste nicht einmal, ob es diese Sorte heute noch gab. Selbst rauchte sie nicht und Michael war auch irgendwann bei den Westsorten gelandet. Oh ja, es hatte sich viel verändert in den Jahren nach dem Mauerfall.
Und sie waren wirklich lange nicht mehr hier gewesen, das letzte Mal musste noch gemeinsam mit den Kindern gewesen sein.
Inzwischen erreichten sie die Abfahrt WernigerodeZentrum und verließen die Fernstraße. Nun kamen Franziska die Gegebenheiten wieder bekannt vor. Über der Stadt thronte das weithin sichtbare Schloss. Am Rande des alten Ortskerns stellte Michael den Audi ab. Gemächlich schlenderten sie die Fußgängerzone entlang und bald lockte sie der Duft nach südländischen Gewürzen in einen kleinen Innenhof. Trotz der Mittagszeit fanden sie in dem griechischen Restaurant noch Plätze. Obwohl sie erst vor zwei Stunden vom Frühstückstisch aufgestanden waren, bestellten sie Knoblauchbrot als Vorspeise und zwei Mal überbackene Medaillons mit Metaxasoße und ließen es sich schmecken. Sie stießen mit dem unvermeidlichen Ouzo an und fühlten sich wie im Schlaraffenland, satt und zufrieden.
»Jetzt müssen wir aber erst mal ein Stück laufen«, stöhnte Michael. Er strich sich über den deutlich gewölbten Bauch unter dem sommerlichen Hemd. Auch Franziska war froh, dass sie sich für ein lockeres Kleid entschieden hatte, das Platz bot für das üppige Mahl. Gemächlich schlenderten sie bis zum Markt mit dem berühmten Rathaus. Und zumindest das hatte sich nicht verändert seit ihrem letzten Besuch. Schließlich machten sie kehrt und liefen zurück zum Parkplatz, denn immerhin stand noch mehr auf ihrem Besichtigungsplan für heute und an ihrem eigentlichen Ziel waren sie noch gar nicht angekommen. Sie fuhren am Bahnhof vorbei und folgten den Schildern, die ihnen sicher den Weg zum Bürgerpark und zum Miniaturenpark wiesen. Trotz der Nachmittagszeit ergatterten sie einen gerade frei werdenden Parkplatz direkt am Eingang. Wenig später standen sie staunend wie Kinder vor den kleinen maßstabsgenau nachgebildeten Gebäuden, die es allesamt im Harz im Original zu sehen gab. Der Halberstädter Dom und das Schloss Wernigerode standen hier ebenso im Kleinformat wie die Kaiserpfalz in Goslar. Aber auch das Bodetal mit der Seilbahn und der Brocken mit der Schmalspurbahn waren naturgetreu nachgebildet worden. Wieviel Mühe steckte in diesen kleinen Bauwerken!
»Doch«, sagte Michael anerkennend zu Franziska, »das muss man gesehen haben!«
»Dann war meine Idee nicht so schlecht?« Franziska war noch immer fasziniert, auch wenn sie inzwischen zum zweiten Mal dem Rundgang folgten.
»Nein, war sie nicht«, erwiderte Michael. »Aber jetzt hätte ich eine Idee. Oder was machen wir mit dem angefangenen Nachmittag?«
»Nachmittag ist gut«, lachte Franziska. »Inzwischen geht es auf den Abend zu.«
»Umso besser«, konterte Michael. »Dann finden wir dort bestimmt ein Abendessen.«
Franzi sah ihn verständnislos an, doch Michael dachte nicht daran, ihr etwas zu sagen. Erst als sie wieder im Auto saßen und er gezielt losfuhr, verriet er ihr seine Idee.
»Wir fahren zum Baumkuchenhaus.«
»Aha«, Franzi klang nicht überzeugt. »Willst du jetzt noch Kuchen essen?« Michael konnte gerne auf Kaffee und Kuchen verzichten. Er mochte eher herzhafte Sachen. Bei ihr war es umgekehrt.
»Warte es ab«, antwortete Michael nur lapidar. Die Straße, die er nahm, führte in ein Industriegebiet am Rand der Stadt. Michael kannte es nur zu gut, musste er doch gelegentlich hier in der Brauerei Bier laden. Und dabei hatte er es entdeckt.
»Huch, was ist denn das?«, rief Franziska auch schon aus, als sie das seltsam geformte Haus sah.
»Na, sag ich doch, das Baumkuchenhaus.«
Er stellte den Audi ab und wies Franzi den Weg zur Tür. Hier war das Hauptgeschäft des Tages anscheinend bereits vorüber, sie fanden einen schönen freien Tisch am Fenster und studierten die Speisekarte.
»Ach so, jetzt verstehe ich«, nickte Franziska. »Es gibt nicht nur süßen Baumkuchen.«
»So ist es«, bestätigte Michael. »Ich nehme den mit Würzfleisch.«
»Also, auch wenn du das hier Abendbrot nennst, ich nehme den mit Schokolade und Eis.« Sie gaben ihre Bestellungen auf.
»Woher wusstest du das?«, fragte Franziska und ließ dabei offen, was sie meinte.
»Das Haus habe ich vor ein paar Jahren stehen sehen und mich drüber amüsiert«, erklärte Michael und wies quer über Parkplatz und Grünanlage zu einer Straße. »Dort
habe ich Schichtpause gemacht und bin hergelaufen. Da habe ich natürlich was probiert.«
»Und mir nichts davon erzählt«, schmollte Franzi.
»Doch. Jetzt!«, grinste Michael, während der Kellner die beiden reichlich gefüllten Teller brachte. »Lass es dir schmecken!«
»Oh Mann!«, stöhnte Franzi, als sie auch den letzten Krümel vertilgt hatte. »Ich wusste gar nicht, dass Baumkuchen so satt macht. Das war nun wirklich mein Abendessen. Mehr geht heute nicht mehr rein.«
»Ich bin auch gut satt«, erwiderte Michael. Er winkte den Kellner heran, um zu bezahlen und ließ sich noch einen traditionellen Baumkuchen zum Mitnehmen einpacken. Dann traten sie die Heimfahrt an.
»Es war wirklich schön heute«, meinte Franziska, während ihr Blick noch einmal in Richtung der Stadt ging.
»Und das nächste Mal besuchen wir das Schloss.«
»Das machen wir«, antwortete Michael. »Da haben wir solch eine schöne Natur vor der Haustür und so viele Sehenswürdigkeiten, aber wir kommen viel zu selten hin. Selbst im Urlaub hat man nichts als Termine. Morgen steht der Checkup bei der Frau Doktor an, übermorgen der Augenarzt und dann wollen wir ja bald zu Alexander fahren.«
Gedankenverloren nickte Franzi zu Michaels Worten. Wie hieß doch so eine Redewendung? Der Prophet gilt nichts im eigenen Land. Das schien nicht nur bei Propheten so zu sein. Aber insgeheim gelobte sie Besserung.