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Zweites Capitel

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In geringer Entfernung vom »russischen Baum« saß an einem kleinen Tische vor dem Café Weber ein stattlicher, wohlaussehender Mann von dreißig Jahren, mittlerer kräftiger Figur und mit dunklen, männlichen und sehr angenehmen Zügen. Sich mit beiden Händen auf seinen Stock stützend, blickte er, vorgebeugt, auf die Vorübergehenden, wie Jemand, dem es durchaus nicht in den Sinn kommt, daß man auch ihn bemerke oder sich mit ihm beschäftige. Seine dunklen, großen, ausdrucksvollen Augen begleiteten zuweilen irgend eine excentrische Figur, wobei ein kaum bemerkliches gutmüthiges Lächeln um seine Lippen spielte. Seine Kleidung war einfach, aber anständig, ein bequemer Paletot deutschen Schnitts, während ein grauer weicher Hut seine hohe Stirn fast zur Hälfte bedeckte.

Gleich beim ersten Anblick erkannte man in ihm eine redliche, tüchtige, großes Selbstvertrauen verrathende Natur. Er schien von anstrengenden, anhaltenden Arbeiten hier auszuruhen und sich gutmüthig an dem vor ihm entfaltenden Bilde zu ergötzen, während seine Gedanken oft abwesend waren und sich in einer Welt bewegten, die der vor ihm ganz unähnlich war. Er war ein Russe und nannte sich Gregor Michailitsch Litwinow.

Wir müssen mit ihm Bekanntschaft machen und demzufolge in kurzen Worten seine sehr einfache Vergangenheit erzählen.

Als Sohn eines unbedeutenden Beamten von bürgerlicher Herkunft, wurde er nicht, wie man hätte glauben sollen, in der Stadt erzogen, sondern auf dem Lande. Seine Mutter, von altadligem Geschlecht und in einem Fräuleinstift erzogen, besaß einen guten, zwar leicht erregbaren, doch aber festen Charakter. Etwa zwanzig Jahre jünger als ihr Mann, fing sie an, diesen zu erziehen, so viel eben noch möglich war, machte ans dem Beamten einen Gutsbesitzer, besänftigte seinen starren Sinn und brachte ihm, so weit es noch ging, Sitte und Lebensart bei. Ihren Bemühungen gelang es, ihn dahin zu bringen, daß er sich sauber kleidete, anständig hielt und zu fluchen und schimpfen aufhörte, Gelehrte und Gelehrsamkeit zu achten anfing, wenn gleich er selbst nie ein Buch in die Hand nahm, überhaupt sich zusammennahm, sich vor den anderen Gutbesitzern, seinen Nachbarn, keine Blöße zu geben. So fing er an, langsam und bedächtig zu gehen und zu reden, und sich über Sachen zu belehren, die ihn eigentlich innerlich höchst langweilten. »Ach, wie wollt’ ich Euch durchwichsen, diverse aufzählen!« dachte er oft bei irgend einer Verhandlung bei sich, während er laut sagte: »Ja freilich – natürlich – die Frage will bedacht sein!« Ihr Haus brachte Litwinows Mutter gleichfalls auf einen europäischen Fuß, sie sagte zu den Dienern »Sie«, und erlaubte Niemandem, bei Tische sich zu überessen, oder etwa einzuschlafen und zu schnarchen. Was übrigens das Gut selbst betraf, so verstanden weder sie noch er es ordentlich zu verwalten, noch vernünftig zu wirthschaften – es war in ziemlich vernachlässigtem Zustande, aber reich an Land und Wäldern, nebst einem See, an welchem vormals eine große Fabrik gestanden hatte, die vom früheren Besitzer eingerichtet, von einem spitzbübischen Kaufmanne ausgebeutet und unter der Verwaltung eines ehrlichen Deutschen gänzlich zu Grunde gegangen war. Madame Litwinow war zufrieden, daß die Sachen, wenn gleich nicht gut, doch auch nicht schlechter gingen, und daß sie nicht genöthigt waren, Schulden zu machen. Unglücklicher Weise war sie von schwächlicher Constitution, eine Unvorsichtigkeit brachte ihr die Schwindsucht, und sie starb in demselben Jahre, als ihr Sohn in die Moskauer Universität eintrat. Er beendigte seine Erziehung dort nicht, aus Gründen, die der Leser später erfahren wird, lebte dann eine Zeit lang auf dem Lande, wo er ohne Beschäftigung, ohne Umgang einige Zeit seinen Grübeleien nachhing. Dank der Unbeliebtheit, in der er bei seinen Gutsnachbarn war, die zwar die Theorie der Unschädlichkeit des westeuropäischen »Absynthe« noch nicht kannten, dafür aber sich desto fester an den einheimischen Kornbranntwein hielten, und dem Litwinow nicht, gleich ihnen, seine Huldigung darzubringen verstand, gerieth er im Jahre 1855 unter die Landwehr, und wäre in der Krim fast am Typhus gestorben, ohne einen einzigen der gegen Rußland Alliirten gesehen zu haben, stand dann während sechs Monate am Ufer des Azowschen Meeres in einer Erdhütte, lebte darauf wieder auf seinem Gute und fand endlich Behagen an der Landwirthschaft. Er begriff, daß das mütterliche Gut schlecht von seinem alt werdenden Vater verwaltet wurde und nicht den zehnten Theil der Einnahmen brachte, die es hätte bringen müssen, und daß es in kundigen Händen zu einer Goldgrube werden könne; da er aber selbst zu geringe Kenntniß in der Landwirthschaft besaß, so reiste er in‘s Ausland, um Agronomie und Technologie tüchtig zu studiren. Länger als vier Jahre brachte er in Mecklenburg, Schlesien und Karlsruhe zu, bereiste Belgien und England, arbeitete fleißig, erwarb sich Kenntnisse und befand sich jetzt auf dem Wege in die Heimath, wohin ihn lange schon sein Vater zurückrief, dem die Wirthschaft immer mehr und mehr über den Kopf gewachsen war, und der bei der Emancipation der Bauern und den dadurch entstandenen neuen Verhältnissen zuletzt nicht mehr wußte, wo aus noch ein . . . Wenn nun dem so, warum befand er sich denn aber jetzt in Baden-Baden?

Nun, der Grund seiner Anwesenheit war, – daß er hier von Tag zu Tag die Ankunft seiner weitläufigen Verwandten und Braut, Tatiana Petrowna Schestow, erwartete. Seit seiner frühesten Kindheit schon mit ihr bekannt, hatte er den Frühling wie den Sommer mit ihr in Dresden verlebt, wo sie sich mit ihrer Tante diese Zeit über niedergelassen hatte-.

Aufrichtig liebte und tief verehrte er seine junge Anverwandte und beendigte die Vorbereitungen zu seiner neuen Laufbahn damit, daß er ihr als seiner Auserwählten, seiner treuen Freundin und Gefährtin Herz und Hand anbot, Glück und Leid, Arbeit und Ruhe mit ihm zu theilen, »for better, for worse,« wie der Engländer sagt.

Sie willigte ein, und er begab sich nach Karlsruhe, wo seine Bücher, Sachen, Papiere zurückgeblieben waren.

»Nun, was thut er aber denn in Baden-Baden?« höre ich wieder fragen.

In Baden befand er sich aus dem Grunde, weil die Tante seiner Braut, die sie erzogen hatte, Kapitolina Markowna Schestow, eine alte Jungfer von fünfundfünfzig Jahren, die gutmüthigste und ehrlichste Seele zwar, aber Sonderling und Freigeist, die eingefleischteste Feindin der großen Welt und der Aristokratie, doch der Versuchung nicht widerstehen konnte, wenn auch nur einmal, ein Stückchen dieser großen Welt an einem so modischen Badeorte, wie Baden, näher kennen zu lernen.

Kapitolina Markowna ging ohne Crinoline und trug ihr graues Haar kurz geschnitten, à l‘enfant. Luxus und Glanz zu verachten und zu verhöhnen, machte ihr herzliche Freude . . . Warum nicht der lieben Alten diese Freude in vollem Maße gewähren?

Und darum nun saß Litwinow so ruhig und unbekümmert da, blickte so selbstvertrauend um sich, weil das Leben eben so ungetrübt vor ihm lag, weil sein Schicksal entschieden und er stolz auf dasselbe war und sich desselben, als der Errungenschaft seines Fleißes, freute.

Dunst

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