Читать книгу Dunst - Иван Тургенев - Страница 3
Drittes Capitel
Оглавление»Ba, ba, ba, ist’s möglich?« gellte plötzlich eine kreischende Stimme in Litwinows Ohr, und eine plumpe Hand klopfte auf seine Schulter.
Er erhob den Kopf und erkannte einen seiner zahlreichen Moskauer Bekannten, einen gewissen Bambaew, einen gutmüthigen, hohlköpfigen, nicht mehr jungen, schwammig aufgedunsenen Menschen mit plumper Nase und rothem Gesicht. Beständig ohne Geld und beständig für irgend etwas enthusiasmirt, trieb sich Bambaew ohne Ziel, aber immer schreiend, auf Gottes weiter Welt umher.
»Das nenne ich ein angenehmes Zusammentreffen!« rief er, seine verschwollenen Glotzaugen aufreißend und seinen gefärbten Schnurrbart liebkosend streichelnd. »Da lob’ ich mir Baden! Wie zu einem Ameisenhaufen kriecht hier Alles zusammen! Wie bist Du denn hierher gekommen?«
Bambaew hatte die edle Gewohnheit, Jeden zu duzen.
»Ich bin vorgestern angekommen.«
»Woher?«
»Das kann Dir gleichgültig sein.«
»Wie? Gleichgültig? Ei gewiß nicht! . . . Richtig, ich kann mir’s denken. Du hast gewiß gehört, daß Gubarow in höchsteigener Person hier sein wird. Nun, er ist gestern aus Heidelberg herübergekommen. Natürlich kennst Du ihn?«
»Ich habe von ihm gehört.«
»Sonst nichts? Wart’, wart’, ich werde Dich gleich zu ihm führen. Einen solchen Menschen nicht zu kennen, ist ja fast ein Verbrechen! . . . Ah, sieh da! da kommt auch Woroschilow. Den kennst Du vielleicht auch nicht? . . . Meine Herren, ich habe die Ehre, Sie einander vorzustellen. Ein paar Gelehrte, dieser da sogar ein Phönix!«
Fünf Minuten später stiegen alle Drei die Treppe des Hotels hinauf, wo Stephan Nikolaewitsch Gubarow abgestiegen war.
Eine schlanke Dame von hohem Wuchse, in einem Hute mit kurzem dunklen Schleier, eilte rasch die Treppe hinab. Als sie Litwinow bemerkte, blieb sie plötzlich, wie im höchsten Grade überrascht, einen Augenblick stehen und schien sich an ihn wenden zu wollen; unter dem Schleier war ein heftiges Erröthen, dann ein eben so plötzliches Erbleichen zu bemerken; Litwinow, der sich gerade zu Bambaew gewendet hatte, bemerkte sie jedoch nicht; die Dame ihrerseits eilte darauf noch rascher die Stufen hinab.
Bei Gubarow fand Litwinow eine bunte Gesellschaft Russen: Officiere, die eine kurze Urlaubszeit in Europa zubrachten, neugierig und halb furchtsam, daß ihr Regimentschef ihren Abstecher zu einem zwar als klug, aber etwas gefährlich verschrieenen Literator erfahren werde; Studenten, die zeitweise in Heidelberg studirten, in nachlässiger, genial sein sollender Toilette, mit langen Haaren und Bärten, verächtlich und hochmüthig auf Alles herabsehend, was irgend einen Anstrich von feinerer Bildung und aristokratischen Manieren zeigte; ein paar Gutsbesitzer, denen die Emancipation der Bauern nicht nach ihrem Sinne war, weil es sie in Zukunft hinderte, die von denselben bisher fast willkürlich erpreßten Abgaben zu verprassen; weiter eine Art Blaustrumpf, eine gewisse Mattena Semeonownowna Suchantschikow, die, als Wittwe ohne Kinder und mit geringen Mitteln, seit ein paar Jahren im Auslande von Ort zu Ort wanderte, sich mit besonderer Erbitterung über Russland und seine Zustände ausließ und eine große Verehrerin Gubarows war. Noch saß in einer Ecke des Zimmers eine ziemlich plump und linkisch aussehende Figur, die Keinem vorgestellt und von Niemandem in‘s Gespräch gezogen wurde, aber doch eine aufmerksam zuhörende, scharf beobachtende Persönlichkeit zu sein schien. Was nun endlich den Herrn der Wohnung, den genialen Löwen des Tages, den gefürchteten, hochverehrten Gubarow anbetraf, so war Litwinow nicht wenig erstaunt, als er demselben vorgestellt wurde und in ihm eine sehr gewöhnliche Persönlichkeit fand, mit breitem Stierkopfe, breiter, etwas viereckiger Stirn, breitem langem Barte, breitem Nacken und breiten schielenden, meist zu Boden gerichteten Augen, so daß er eher das Aussehen eines Gutsbesitzers aus der Provinz als eines Gelehrten hatte.
Nachlässig in einen breiten Paletot, graue weite Beinkleider und Morgenschuhe gekleidet, hatte er die Gewohnheit, immer im Zimmer auf und ab zu wandern, nur hin und wieder irgend ein abgebrochenes Wort hinzuwerfen – gewissermaßen wie man bei der Tafel dem Hunde von Zeit zu Zeit einen Bissen oder einen Knochen zuwirft – und die Gesellschaft durch sein viel sagen sollendes Schweigen in Erstaunen zu sehen.
»Er sammelt Material,« sagten seine Verehrer.
Höchlich erstaunt schien er, als auf die Frage, die Jemand an Litwinow richtete: welcher Art seine politischen Ueberzeugungen seien? dieser lächelnd antwortete: »Was mich betrifft, so habe ich keine dergleichen.«
Die linkische, plumpe Figur im Winkel erhob bei diesen Worten unwillkürlich den Kopf und blickte ihn lange aufmerksam an.
»Aha, ein Unreifer!« bemerkte Gubarow kurz und setzte seinen unterbrochenen Spaziergang im Zimmer fort.
Gegen zehn Uhr des Abends entfernte sich Litwinow heimlich, denn der Kopf fing an, ihn heftig zu schmerzen in diesem Chaos und bei dem erbitterten Streit über alle möglichen Gegenstände, hauptsächlich aber über Rußland. Die milde frische Nachtluft that ihm wohl und erfrischte seinen ermüdeten Geist.
»Das nennen die Deutschen einen Streit um des Kaisers Bart,« dachte er, »wozu soll das führen?«
Er trat bei Weber ein, bestellte eine Portion Eis und nahm eine Zeitung.
Das Eis war schlecht und die Zeitung faselte langweilig von der römischen Frage.
Schon wollte er nach Hause gehen, als ein Unbekannter in einem Hute mit breitem Rande auf ihn zutrat, ihn russisch fragte: »Störe ich Sie vielleicht?« und sich zu ihm setzte.
Jetzt erst erkannte Litwinow in ihm jene linkische, plumpe Figur, die er in einem Winkel bei Gubarow hatte sitzen sehen. Während des ganzen Abends hatte dieser Herr den Mund kaum aufgethan, und jetzt blickte er, nachdem er den Hut abgenommen hatte, Litwinow herzlich und wohlwollend, wenn gleich auch verlegen an.