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III
ОглавлениеMeine Mutter empfing, wie ich bereits gesagt habe, Martin Petrowitsch mit Freundlichkeit; sie wußte, welche tiefe Achtung er für sie hegte. »Herrin, gnädige Frau, unserer Felder Frucht« nannte er sie. Pries er sie als seine Wohlthäterin, so sah meine Mutter ihrerseits in ihm einen ihr ergebenen Rieseln der nöthigenfalls sich keinen Augenblick bedenken würde, allein gegen einen ganzen Haufen empörter Bauern für sie einzutreten, und obgleich die Möglichkeit eines solchen Conflicts gar nicht nahe lag, so wäre es doch nach den Ansichten meiner Mutter nicht richtig gewesen, in Ermangelung des Gatten, den sie früh verloren, einen solchen Beschützer, wie Martin Petrowitsch zu unterschätzen. Er war außerdem ein grader Mensch, der sich bei Niemandem einzuschmeicheln suchte, keine Schulden machte und keinen Wein trank. Auch war er nicht ohne alle Bildung, obgleich er gar keine Erziehung bekommen hatte. Martin Petrowitsch genoß das volle Vertrauen meiner Mutter; als sie daran dachte, ihr Testament zu machen, wählte sie ihn zum Zeugen, und er mußte nach Hause fahren, blos um seine eiserne Brille mit den runden Gläsern, ohne die er nicht schreiben konnte, zu holen; aber auch mit der Brille auf der Nase gelang es ihm kaum im Zeitraume einer Viertelstunde, seinen Rang, Tauf, Vaters und Familiennamen, in ungeheuern viereckigen Buchstaben mit Abkürzungen und Verzierungen unter Stöhnen und Schwitzen auf’s Papier zu bringen. Als seine Arbeit vollendet war, erklärte er, er sei müde und: »Schreiben oder Flöhe fangen sei dasselbe für ihn.«
Ja, meine Mutter achtete ihn . . . aber weiter als bis in’s Speisezimmer ließ man ihn nicht kommen. Ein allzu starker Duft zog ihm nämlich voran: ein Duft nach Erde, nach Waldwildniß, nach Morast. »Ein wahrhaftiger Waldteufel!« sagte von ihm meine alte Bonne. Beim Mittagsessen wurde für Martin Petrowitsch ein besonderer Tisch in die Ecke gestellt; er fühlte sich dadurch nicht beleidigt – er wußte, wie es Anderen neben ihm zu sitzen unbequem war – und er selbst konnte da freier schalten, auch aß er so, wie wohl Niemand seit Polyphem. Man beobachtete die Vorsicht, ihm allein gleich beim Anfang des Mittagessens einen Topf mit wohl sechs Pfund Grütze zu serviren.
»Du wirst mich sonst durch Essen ruiniren!« scherzte meine Mutter.
»Ich bringe es auch zu Staude!« antwortete er lächelnd.
Meine Mutter liebte, seinen Mittheilungen über Wirthschaftsfragen zuzuhören, konnte jedoch nicht lange seine Stimme aushalten.
»Was ist mit Dir, mein Lieber!« rief sie, »Du mußt Dich davon curiren! Du hast mich ganz betäubt. Du Trompete, Du!«
»Natalia Nikolaewna, meine Wohlthäterin!« pflegte Martin Petrowitsch zu antworten, »über meine Kehle habe ich keine Macht! Und welche Arznei könnte bei mir wirken – urtheilen Sie selber? Ich werde lieber für ein Weilchen schweigen.«
Ich meine auch, daß keine Arznei auf Martin Petrowitsch gewirkt hätte; er war übrigens nie krank.
Zu erzählen verstand er nicht und liebte es nicht. »Von langen Reden kriegt man kurzen Athem!« bemerkte er tadelnd. Nur wenn man ihn auf das Jahr 1812 brachte (er hatte in den Freischaaren gedient und eine bronzene Medaille bekommen, die er an Festtagen an dem Bande des Wladimir-Ordens trug), wenn man ihn über die Franzosen ausfragte, dann erzählte er einige Anekdoten, obgleich er stets versicherte, daß wirkliche Franzosen nie nach Rußland gekommen wären, blos Marodeure wären vom Hunger getrieben, hereingelaufen, und von diesem Pack hätte er viele in den Wäldern todtgeschlagen.