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Kapitel 2

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Ein Landhaus – ihr Landhaus. Corinna hat sich vor Jahren schon in die romantischen,

ländlichen Bilder des schwedischen Malers Carl Larsson verliebt. Am liebsten würde sie das Haus in diesem Stil einrichten. Naja, vielleicht wäre das dann doch ein wenig zu romantisch oder altmodisch, aber sie strahlen eine solche Ruhe und Harmonie aus. Und genau dieses Gefühl möchte sie auch gern empfinden, sobald sie die Haustür öffnet. Corinna kennt das Landleben in Schweden ja noch nicht, aber genau so stellt sie es sich vor, harmonisch und gemütlich. Jetzt heißt es erst einmal Möbel anschaffen. Bald werden Tische, Stühle, Sofas, Betten und Gardinen ausgesucht und all die tausend kleinen Dinge, die für einen kompletten Haushalt wichtig sind. Zwar steht im Wohnzimmer schließlich auch ein blauweißgestreiftes IKEA Sofa, ansonsten hat die Einrichtung aber dann doch keinerlei Ähnlichkeit mit Carl Larssons Bildern. „Ich freue mich wahnsinnig auf unser erstes richtiges Wochenende auf dem Land. Da werde ich erst einmal alles richtig gemütlich machen.“ „Ja, und ich möchte vor allem auf der Terrasse sitzen und die vielen Vögel beobachten, die jetzt ihre Nester bauen. Hast du gesehen? Wir haben mindestens zehn Nistkästen hier rund ums Haus.“ Und mit diesen Worten war die Rollenverteilung zwischen Corinna und André auf dem Lande eigentlich schon festgelegt. Und sie sollte sich auch die nächsten Jahre nicht entscheidend ändern.

Jeden Freitag Nachmittag fahren André und Corinna nun zum Landhaus. Die Kinder gehen mittlerweile ihre eigenen Wege, wohnen nicht mehr daheim und finden es auch nicht so wahnsinnig spannend, mit den Eltern an einem See zu sitzen, an dem nichts los ist und Vögel zu bestimmen, die unweit entfernt ihr Gepiepe und Geträller von sich geben. Treu begleitet werden Corinna und André von ihren zwei Golden Retrievern, die seit einigen Jahren zur Familie gehören. Sie finden das große Grundstück, den nahen Wald und den See einfach herrlich. Freiheit pur, und für sie ist es hier auf dem Land wirklich bequemer als die langen Fahrten mit dem Boot, mit dem man nicht mal eben anhalten und das

Bein heben kann, wenn es nötig wird. Ein herrlich sonniges Frühjahr beginnt und Corinna und André bekommen die erste schriftliche Einladung zum Meeting mit den anderen Hausbesitzern der Gegend. Man teilt sich schließlich gemeinsam die Verantwortung für den schmalen Feldweg, über den die Häuser zu erreichen sind, für den kleinen gemeinsamen Sandstrand, die Badeplattform draußen auf dem See und die Sauna nahe dem Wasser, die von allen benutzt und gebucht werden kann. Die Meetings finden im Freien statt, unten am gemeinsamen Sandstrand, an den alten Sitzgruppen. Freundlich, fast herzlich, werden Corinna und André von den anderen Hausbesitzern mit Handschlag begrüßt und bevor das Meeting beginnen kann, werden Corinna und André noch einmal offiziell willkommen geheißen und gebeten, etwas über sich und ihre Familie zu erzählen. Corinna lernt, dass so eine gemeinschaftliche Verantwortung nicht ohne einen wichtigen Verein zu organisieren ist, und es gibt auch einen Vorsitzenden, der mit kerniger Stimme und Papieren in der Hand das Meeting schließlich eröffnet. André hört einfach nur zu, während Corinna von Gesicht zu Gesicht schaut und sich fast beherrschen muss, um nicht loszulachen. Warum nehmen denn das alle so furchtbar ernst? Hier hat doch jeder sein eigenes Haus und nur der banale Feldweg kann ja wohl nicht so eine furchtbar seriöse Angelegenheit sein. Aber sie beherrscht sich und lächelt nett. Der Vorsitzende hält seine Ausführungen im Stehen – wegen der Wichtigkeit und des Respekts, und als erster richtiger Meetingpunkt wird das Protokoll des vorherigen Meetings rezitiert. Es werden weitere, sehr wichtige Dinge zur Sprache gebracht, alles in getragenem Ton. „Ist die Versammlung mit Punkt 5 einverstanden?“, fragt der Vorsitzende und alle sagen laut „Ja“ und der Vorsitzende wiederholt noch einmal zum Mitschreiben, denn eine Sekretärin mit Block und Stift gibt es auch. Die sitzt neben ihm und hört aufmerksam zu, dann schreibt sie. „Die Versammlung bestätigt also einstimmig, dass...“ und so weiter und so weiter. Corinna könnte laut losprusten, aber wenn das hier so üblich ist, dann ist es eben so, und wenn sie es noch so lächerlich findet. Sie muss unbedingt später mit André darüber sprechen. Nach einer Stunde und weiteren überaus wichtigen Besprechungspunkten ist das Meeting endlich beendet und die Gemeinschaft geht zum lockeren Unterhaltungston über, einige kommen auf André und Corinna zu, fragen dies und das, na eben etwas Smalltalk. „Nett, alle sind wirklich sehr nett“, denkt Corinna. Dann beginnt der zweite Teil des offiziellen Meetings, die gemeinsamen Aufräumarbeiten. Der Vorsitzende verteilt die Arbeiten, die vorher gemeinsam beschlossen wurden. Es bilden sich kleine Grüppchen. Eine Frau kommt mit einem Farbeimer und mehreren Pinseln. „Hast du Lust mitzuhelfen?“ sie schaut Corinna direkt an. „Ja klar, was muss gemacht werden?“ „Der Bootssteg muss mit Holzöl gestrichen werden“. Während Corinna auf Knien in gleichmäßigen Pinselstrichen die Bretter einölt, denkt sie lächelnd „Diese Redewendung ist wieder so typisch schwedisch nett. „Hast du Lust...“. Was hätte sie wohl gesagt, wenn ich mit NEIN geantwortet hätte.“. Einige Männer tragen gemeinsam die Badeplattform ins Wasser und zwei andere ziehen sie mit einem Ruderboot an ihren Platz und schrauben sie am Anker fest.

Mehrere Frauen harken den Strand, der vom Herbst und Winter noch voll ist von Laub und heruntergewehten Ästen. Mit einer Schubkarre schaffen sie alles an eine freie Stelle, an der zwei Männer schon ein Feuer entfacht haben. Kinder tanzen ums Feuer herum und suchen immer wieder neue Äste, die sie ins Feuer werfen können. Kokeln ist eben etwas Herrliches und macht allen Kindern Spaß. Ein anderes Grüppchen beschneidet Büsche und wieder andere gehen zusammen mit André mit einer Schubkarre voller Kies den Zufahrtsweg entlang und füllen die im Winter entstandenen Schlaglöcher auf. Es ist schon erstaunlich, wie harmonisch und glatt das hier alles so funktioniert. Da ist niemand, der sich hervortun will und auch niemand, der sich vor der Arbeit drücken will. Alle arbeiten prima zusammen. Nach einer guten Stunde ist die gemeinsame Arbeit beendet und zwei Frauen schleppen einen Topf mit heißem Wasser und Kochwürstchen an den Tisch. Brot, Kaffee und Kuchen werden auch hingestellt. Eine Frau steht neben Corinna und meint „Das geht immer reihum. Immer ist jemand anderes für den Imbiss zuständig.“ „Prima, dann können ja André und ich das nächste Mal dran sein.“ Corinna grinst rüber zu André, der gerade in ein Brötchen mit Wurst beißt. „Mmmmh, das geht okey,“ nickt er kauend. Und weil sich das einfach so gehört, steht dann auch später im Protokoll des Meetings geschrieben „Kaffeetrinken wird beim nächsten Meeting von Corinna und André organisiert.“ Ordnung muss eben sein. Am Abend machen André und Corinna noch einmal einen Spaziergang über den kleinen Weg hinunter zu dem gemeinsamen Sandstrand, nur zweihundert Meter von ihrem Haus entfernt. Da hören sie lautes Kinderlachen in der Dämmerung und als sie um die Wegbiegung kommen, sehen sie ein Nachbarehepaar, deren Haus liegt ein wenig weiter entfernt, mit ihren Kindern, wie sie gerade alle von der Sauna über die Klippen rennen und mit einem Satz alle zusammen, sich an den Händen haltend, in den See springen, nackt natürlich, so wie es sich gehört. Jetzt platschen und juchzen sie miteinander im Wasser, beeilen sich dann aber doch, schnell wieder an Land zu kommen, denn die Wassertemperaturen sind noch empfindlich kühl zu dieser Jahreszeit.

André und Corinna winken kurz hinüber und drehen dann aber sofort wieder um, treten den kurzen Heimweg an, um nicht weiter zu stören.

„Ist das nicht herrlich? So muss sich Familienleben anhören“. Sie gehen langsam mit den Hunden wieder den Weg entlang und werden schließlich von den drei lachenden Kindern, eingewickelt in ihre Bademäntel, aber barfuß springend, eingeholt, mit einem „hej, hej“ überholt und bald darauf sind sie auch schon auf ihrem Grundstück und im Haus verschwunden. Corinna sieht sofort Bilder aus Bullerbü vor sich, mit Lasse und Bosse und den anderen Kindern im Dorf. Astrid Lindgren hat das Leben im kleinen Dorf Bullerbü so schön beschrieben, dass man dort am liebsten für immer wohnen möchte. „Das gefällt mir schon alles richtig, richtig gut hier“, meint Corinna und nimmt Andrés Hand. „Ja, ich bin auch zufrieden.“

Später sitzen sie in ihren dicken Fleecejacken auf der Terrasse, neben ihren Stühlen liegen die Hunde und dösen. André hat eine Petroleumlampe angezündet. Ein leichter Wind ist aufgekommen, aber Wetter kann Corinna und André so schnell nichts anhaben. Das sind sie gewohnt von ihren vielen Jahren auf dem Boot. „Meinst Du, ob unser Anker dem Wind standhält?“ fragt André aus Spaß und Corinna lacht „Wir können uns beruhigt zurücklehnen. Diese Zeiten sind jetzt ein für allemal vorbei, mein Lieber.“

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