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Kapitel 4
ОглавлениеDie Last der anstrengenden Woche wird jetzt jedes Wochenende hier auf dem Land abgeschüttelt und manchmal ist es sogar André und Corinna möglich, das Wochenende durch einen freien Freitag oder Montag zu verlängern.
Als sie heute ihr Land-Grundstück betreten, hören sie Hundegebell. Ach, scheinbar hat der Nachbar einen kleinen Hund. Wie das wohl zusammen mit ihren Hunden funktioniert, und als Corinna an die Grenze zum Nachbargrundstück geht, kommt ihr auch schon die Nachbarin entgegen. Sie kommt gerade aus ihrem Himbeergärtchen, das sie wegen der Rehe eingezäunt hat. „Ich hoffe, dieses Jahr endlich ein paar Himbeeren ernten zu können. Bisher haben die Rehe immer alles abgefressen“, sagt sie lächelnd. Corinna sagt dazu lieber nichts, denn dass Rehe Himbeeren und stachelige Blätter fressen, bezweifelt sie, aber wissen tut sie es natürlich auch nicht. Also einfach nur nett sein und beipflichten. Und dann kommt die Nachbarin auch schon auf die Hunde zu sprechen. „Wir haben einen kleinen, alten Zwergschnauzer, eigentlich der Hund unserer Tochter, der jetzt bei uns leben wird, seit das Enkelkind da ist. Er ist sehr ängstlich, und ich möchte wirklich nicht, dass eure Hunde hier zu uns herüberkommen.“ „Ja, dann müssen wir wohl einen Zaun ziehen, aber das ist überhaupt kein Problem. Wir lösen das.“ Corinna ist es auch lieber, dass sie die Hunde Tinka und Oskar unter kontrollierter Aufsicht hat. Aber jetzt muss alles schnell gehen, denn Ärger mit den neuen Nachbarn kann sie nun wirklich nicht gebrauchen. Corinna geht ins Haus „André, wir müssen sofort zum Baumarkt.“ „Was, wieso das denn?“ „Wir müssen das Grundstück einzäunen, damit die Hunde nicht lose herumspringen“ „Was? 3000 qm?“ „Ja,es muss sein, damit wir Ruhe haben. Ist auch nicht so schlimm, denn Zaunpfähle und ein Stahlseil hat der Vorbesitzer ja schon angebracht. Wir müssen also nur den Zaun am Seil befestigen. Das geht schnell.“ André stöhnt, denn aus dem entspannten Wochenende wird scheinbar ein Arbeitswochenende, so gar nicht nach seinem Geschmack. Aber Corinna lässt nicht locker. Und so sitzen sie eine halbe Stunde später im Auto auf dem Weg zum Baumarkt. Natürlich passen die vielen Rollen Zaun nicht ins Auto, also müssen sie auch noch einen Anhänger mieten, aber eine Stunde später sind sie schon wieder auf dem Weg zum Landhaus. Und am Abend des nächsten Tages ist das gesamte Grundstück bereits sauber eingezäunt und gespannt, dank der löblichen Vorbereitung des Vorbesitzers. Die Nachbarn machen sich im Garten zu schaffen und stehen plötzlich sehr verwundert hinter dem neu gesetzten Zaun. „Wie ging das denn jetzt so schnell?“ Sie sind doch wohl sehr imponiert. „Ja, wichtige Dinge muss man sofort erledigen. Und die Zaunpfähle standen ja auch schon da. Deshalb war das keine allzu große Sache.“ Später würden Corinna und André noch lernen, dass es bei den Nachbarn keine seriös geplanten Projekte für das Landhaus gibt und wenn Dinge zu erledigen sind, dauern sie furchtbar lange und werden auch nicht ordentlich ausgeführt. Aber, das ist ihnen nur recht. Die Nachbarn sind sehr ruhige, beschauliche und liebe Menschen. Und wenn sie mit ihrem Haus und Grundstück so zufrieden sind, dann ist das ja auch in Ordnung. Leben und leben lassen ist sowieso eine wichtige Devise in Schweden. Irgendwann mal hat die Nachbarin
Margeriten gesät, die jetzt die halbe Rasenfläche bewohnen. Wunderschön anzusehen, - Corinna hätte gerne welche -, und jedesmal wenn der Nachbar seinen Rasenmäher herausholt, mäht er nur um die Blumen herum. Da ist nicht mehr viel Rasenfläche übrig, auf der man sich bewegen kann. Aber seitdem Corinna, André und die Nachbarn sich näher kennen, mäht er jedes Jahr einen 'Kommunikationspfad' zu ihnen an den Zaun und André und Corinna tun auf ihrer Seite dasselbe. Da stehen sie dann immer und wechseln ein paar Worte, wann immer sie sich begegnen.
Tinka und Oskar finden sich jedenfalls schnell zurecht mit dem Zaun und akzeptieren, dass die Welt dort erst einmal zu Ende ist. Aber so schlau, zu verstehen, dass sie über den Wasserweg aufs Nachbargrundstück gelangen könnten, sind sie dann doch nicht. Heute ist ein besonders warmer Tag, da gehen die Hunde ohne Aufforderung einfach allein die Holztreppe zum kleinen Strand hinunter und waten oder springen ins kühle Nass, um sich zu erfrischen. Und als Corinna oder André auf den Bootssteg gehen, einen Dummy oder einen Stock in der Hand tragen, da gibt es kein Halten mehr, jeder der Beiden will der Erste sein und das Spielzeug aus dem See apportieren. Ja, Golden Retriever haben ihren Namen nicht umsonst. Sie holen einfach alles, was man wirft, auch das, was man eigentlich wegwerfen will. Alles wird wieder angeschleppt, so 'tüchtig' sind sie. Plötzlich fliegt ein kleines Sportflugzeug mit Pontons mehrmals über ihre Köpfe hinweg. „Mensch, bleib bloß oben“, sagt André noch, da kommt es schon wieder über ihre Köpfe geflogen, und diesmal ist es fast zum Greifen nahe. Sie verfolgen das Flugzeug mit den Augen, da senkt es sich noch mehr, setzt schließlich auf dem Wasser auf und gleitet zu einem Bootssteg an der gegenüberliegenden Seite des Sees. „Was ist das denn, das habe ich bisher nur im Film gesehen.“ Corinna staunt nicht schlecht. Da hört man auch schon lautes Gelächter und Gesang und eine Menschengruppe hat sich auf dem Bootssteg versammelt, anscheinend zur Begrüßung der Ankommenden. Von weitem sehen sie, wie mehrere Personen aus dem Flugzeug aussteigen. Und irgendwann hören sie dann die Gruppe das schöne schwedische Geburtstagsständchen 'Ja, må han leva' anstimmen. Das Wasser trägt den Gesang hinüber zu ihnen. „Was für eine herrliche Idee und super Überraschung. So wird auch nicht jeder gefeiert.“ Die Gruppe geht vom Bootssteg aus zu einem der Landhäuser, wo jetzt wohl gefeiert wird. Am nächsten Morgen, als André und Corinna aufstehen, ist das Flugzeug bereits verschwunden. Es soll ja wirklich Leute geben, die früher aufstehen als André. Als Corinna oben auf der Terrasse steht, so herrlich bequem immer noch im Schlafanzug und barfuß, mit einem Kaffeepott in der Hand und den See betrachtet, zieht im Wasser ein Prachthaubentaucher langsam vorbei, den Corinna nur aus Naturfilmen oder Büchern kennt. „Wie schön es hier ist, und dass ich immer wieder neue Dinge erleben darf“. André stellt sich neben sie und gemeinsam beobachten sie das grau silbrig schillernde Tier, das sie sehr wohl bereits entdeckt hat und nicht aus den Augen lässt. Sie ziehen sich die Stühle ans Geländer und genießen den Morgen, ohne Stress, ohne Programm und völlig ohne Einwirkungen von außen.