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Kapitel 3Ein Abendmahl

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Dann hatten sie sich getrennt, denn Wanda bestand darauf, dass er sich nicht weiter um sie kümmern sollte und war mit Thomas zurück zum Hotel gefahren. Thomas war auch der Führer in der Dunkelheit und sie gingen durch ein Wäldchen mit immergrünen Büschen und Bäumen. Die Musik war lauter geworden. Und er sah ein Haus, das hinter Bäumen und Sträuchern verborgen lag und ihm am Nachmittag nicht aufgefallen war. Im Erdgeschoß brannte Licht und Thomas öffnete eine klobige Holztür. Dann schob er einen dunklen, schweren Stoffvorhang zur Seite, der hinter der Tür angebracht war. Tillman ließ sich Zeit mit dem Schließen der sperrigen Tür, erst dann blickte er ins Innere des Raumes, den er hinter Thomas betrat: Er umfasste das ganze Untergeschoß. Links vom Eingang gab es die Küche mit einem großen Herd, an dem zwei junge Frauen arbeiteten. „Das sind Traude und Laura! Ohne sie gäbe es nichts zu Essen! Also sind sie die wichtigsten Personen hier im Haus!“ „Hallo!“, Tillman grüßte mit einem Kopfnicken, doch beide Frauen blieben weiterhin mit den Vorbereitungen zum Abendessen beschäftigt. Trotzdem warfen sie ihm verstohlen neugierige Blicke zu. Rechts befand sich der Speisesaal mit einem riesigen Tisch. Links und rechts daran saßen junge Männer, doch in der Mitte war Platz gelassen für die Hauptperson. Die Anordnung der jungen Leute, die um den Tisch saßen erinnerte ihn an das Abendmahl von Leonardo da Vinci. „Was für eine abgedrehte Vorstellung!“, dachte er. Alle hatten zu Sprechen aufgehört und wandten sich ihm und Thomas zu. Thomas war hinüber zum Tisch gegangen. Er zeigte auf Tillman: „Das ist Tillman Graat, er ist gekommen, weil er über Bruno … und vielleicht auch über euch, einen Artikel schreiben wird! Es ist ja nicht das erste Mal, dass jemand von der Presse da ist; ich werde euch also nicht einzeln vorstellen, das könnt ihr selber machen, wenn ihr wollt!“ „Für welches Käseblatt schreibt er denn?“, fragte einer gelangweilt. Die Anwesenden lachten. „Schlicht und einfach für die „Stadtzeitung“!“ Tillman antwortete, da Thomas ihn mit einer Handbewegung dazu aufgefordert hatte. „Sicherlich kennt ihr sie! Ein Magazin für junge Leute mit Veranstaltungstipps und Szeneberichten!“ „Wir kennen nur das „Rühmersdorfer Gute- Nacht- Blatt“!“ „Muhhh!“, röhrte einer und die anderen lachten erneut. „Vielleicht setzt du dich hier hin!“ Thomas wies Tillman den Platz neben einem schüchtern lachenden Jungen

zu. „Hallo!“, sagte Tillman. „Hallo, ich bin Jonathan!“, und der Junge reichte ihm die Hand. „Die Suppe ist fertig!“ Laura rief es mit geröteten Wangen vom Herd. Sie fasste mit einem Tuch die Henkel eines schwarzen Topfes und brachte ihn zum Tisch, wo die ersten sofort begannen, ihre Teller zu füllen. „Was gibt es denn heute?“ „Lauras Gulaschsuppe!“, und ein anerkennendes „Ohhh!“ ließ sich hören. „Magst du auch?“ Jonathan hatte von der Mitte des Tisches einen Laib Brot genommen und sich ein Stück abgeschnitten. „Gerne!“ Jonathan reichte ihm Brot und Messer und Tillman säbelte sich ebenfalls ein Stück ab, wobei er bemerkte, dass jede seiner Bewegungen auch von den anderen beobachtet wurde. „Magst du ein Bier?“ Ein ziemlich wild aussehender Typ kam vorbei. Er hielt mit dem Unterarm drei Flaschen Bier an seinen Brustkorb gedrückt. „Ja, gerne!“. Tillman griff zu der Flasche, die ihm der Typ hinhielt. Dabei sah er, dass an der Hand, die ihm das Bier reichte, zwei Finger fehlten. „Hast du auch einen Öffner?“, meldete sich Jonathan. „Du darfst doch kein Bier!“, war die Antwort des wilden Jungen. Tillman öffnete seine Flasche und trank. „Wer war das?“, fragte er Jonathan. „Das ist Karel!“ Und Jonathan stieß mit ihm an. Er hatte auch eine Flasche bekommen. Das gemeinsame Essen war entspannt verlaufen, tippte er später in sein Notebook, auch wenn er darauf gewartet hatte, von den anderen über seine Absichten befragt zu werden, und deshalb zunächst nicht gerade locker war. Nach dem Essen blieb er einfach sitzen, denn einige hatten begonnen mit Bongos, Trommeln und einer Gitarre Musik zu machen. Doch je länger sie spielten, desto intensiver wurde das gegenseitige Zusammenspiel, bis es sich zu einer ausgelassenen Session steigerte, von den anderen mit „Heeee“ und „Hooo“ tatkräftig unterstützt. Moritz, ein Typ mit wallenden Locken gab den Rhythmus vor und die anderen folgten, bis auch die nicht Spielenden rhythmisch mitklatschten und das Ganze in großer Ausgelassenheit endete. Zu seiner Verwunderung hatte sich Thomas frühzeitig mit einem Kopfnicken von ihm verabschiedet und war trotz der guten Stimmung gegangen. Er selbst hatte während der Musikpausen mit Jonathan gesprochen, der auf alle seine Fragen bereitwillig und ausführlich geantwortet hatte. Besonders eifrig war er geworden, als es um das Zusammenleben auf dem Gutshof ging, das er „die Gemeinschaft der Künstler“ nannte, wobei er ihren Verbund hier mit früheren Werkstätten der Malerei verglich. Auf seine Frage, wieso er denn hier auf dem Land arbeitete, hatte er schlicht geantwortet: „Um Bruno Karzingers Genie zu ergründen!“ Als Tillman ging, verabschiedete er sich von den Köchinnen, die bereits wieder bei der Arbeit waren, um Vorbereitungen für den kommenden Tag zu treffen. Auf dem Weg zurück stolperte er durch die Dunkelheit, weil der Mond hinter einer dichten Wolkendecke verborgen blieb, und er mit dem Weg nicht vertraut war, vielleicht hatte er auch zuviel getrunken. Erst als er den Hof vor dem Gutshaus erreicht hatte, fühlte er sich sicherer. Er blieb stehen und lauschte in die Nacht. Er dachte an Wanda, die nicht weit von ihm allein in ihrem Hotelbett lag. Seine Einsamkeit erschien ihm lächerlich und überflüssig, denn hätte er darauf bestanden, diese erste Nacht auch in dem Hotel zu übernachten, wäre er jetzt in ihrer Nähe. Er fühlte sich stark genug, ihre fröhliche Unnahbarkeit zu überwinden… Er beschloss, Wanda am nächsten Morgen früh aufzusuchen. Dann betrat er den Seitenflügel des Gutshauses, der den handverlesenen Gästen vorbehalten war, die Bruno Karzinger in seiner Nähe duldete, ohne sich selbst sehen zu lassen. Sein Zimmer war nicht schwer zu finden, denn es war das einzige, dessen Tür nicht abgeschlossen war. Danach ging er hinüber ins Badezimmer, das er nur über den Flur erreichen konnte. Als er zurück war, stellte er von innen einen Stuhl unter die Türklinke, denn er erinnerte sich an einen Klassenausflug, bei dem er sich ebenso einsam gefühlt hatte, und bei dem ihm die Klassenkameraden, während er schlief, eine tote Ratte auf das Bett gelegt hatten. Als er erwachte und das Tier entdeckte, war er in Panik aus dem Bett gesprungen. Die anderen hatten noch geschlafen und so seinen Schrecken nicht auskosten können. Das wollte er nie wieder erleben. Nachdem er das Licht gelöscht hatte und zum Bett ging, riss draußen die Wolkendecke auf und das Mondlicht erhellte das kleine Zimmer. Er sah darin einen Gruß von Wanda. Er legte sich ins Bett und wenig später schlief er ein. Er schlief tief und fest bis zum Morgen. Auf dem Weg ins Badezimmer überlegte er, welches die beste Strategie sein würde, um an Bruno Karzinger heran zu kommen. Er wusste, dass man jeden Künstler für sich gewinnen konnte, wenn man seine Arbeit entsprechend lobte. „Nur keine Vergleiche mit anderen Künstlern! Das vertragen sie nicht!“ Mit der Zahnbürste im Mund nuschelte er: „Ihre Arbeiten erinnern mich an…!“ Etwas, das man nie sagen durfte! Er lachte und verschluckte sich dabei an seiner Zahnpasta… Es war ein sonniger Morgen. Und er war sofort losgezogen, weil er Wanda beim Frühstück überraschen wollte. Auf der Landstraße begegnete er einem Bauern, der mit seinem Trecker einen Anhänger voll Rüben transportierte. Er grüßte und der Mann hob in seiner Kabine zwei Finger an seinen durch Staub und Schweiß speckig gewordenen Filzhut. Ihm gefiel der Gruß. „Das Leben auf dem Land ist doch leicht und unkompliziert!“, und wieder begann er übermütig zu lachen. Schon von weitem sah er sie. Überrascht blieb er stehen: An der Eingangstür des Hotels standen Wanda und Thomas in inniger Umarmung. Wanda küsste Thomas und der lachte, nachdem er ihr etwas ins Ohr geflüstert hatte. Er wollte umkehren, doch er war sich sicher, dass die beiden ihn längst gesehen hatten. Auch musste er sich von Wanda verabschieden, denn schließlich hatte sieihn hergefahren und er war ihr zu Dank verpflichtet. Als er heran war, setzte er ein wissendes Lächeln auf und grüßte beide. „Guten Morgen!“, antworteten sie und Wanda lachte spitzbübisch, als wäre ihr einbesonderer Coup gelungen. „Ist es nicht ein wunderbarer Tag? Ich hatte sogar schon Kontakt mit der Landbevölkerung!“ Trotz seiner Bemühungen, ein Gespräch in Gang zu bringen, entstand eine Pause, in der sich die drei ansahen, als müssten sie herausfinden, wie sie nun zueinander standen.„Ich muss zurück!“, sagte Thomas und lächelte. Er gab Wanda einen eher freundschaftlich wirkenden Kuss auf die Wange. Zu Tillman sagte er im Weggehen: „Wir sehen uns!“ Nach ein paar Schritten drehte er sich nochmals um: „Ach, das Treffen mit Bruno findet nach dem Frühstück in seinem Haus am See statt! Sei pünktlich!“ „Und wann soll das sein?“ „So gegen halb elf bist du richtig! Also, bis dann!“ Und Thomas nahm ein Fahrrad, das am Zaun des Parkplatzes lehnte und radelte davon. Nun war er mit Wanda allein und es gab zwischen ihnen nicht mehr viel zu sagen. „Wirst du hier bleiben?“ Wanda blickte ihn an. „Alles hängt von dem Gespräch mit Bruno – Superman – ab.“ „Soll ich bis heute Nachmittag bleiben?“ „Nein, nein!“, wehrte er ab. „Ich will es wissen!“ Und nach einer Pause: „Leider konntest du gestern Abend nicht dabei sein. Es gibt interessante Leute hier und ich bin sicher, es wird eine spannende Story!“, fügte er bestimmt hinzu. „Hast du schon gefrühstückt?“, wollte Wanda von ihm wissen. „Sie will mir eine Brücke bauen!“, dachte er. Nein, aber ich werde besser auch zurückgehen, um mir vor dem Gespräch noch ein paar Meisterwerke anzuschauen, damit ich später weiß, was ich alles fragen muss!“ „Wirst du noch bleiben, oder fährst du gleich zurück?“, fragte er sie. „Ich fahre, meine Sachen sind schon im Wagen. Ich habe heute viel zu erledigen. Soll ich dich bringen?“ Es klang fürsorglich. „Nein, danke! Ich werde eine Abkürzung über die Wiesen nehmen und mir dabei überlegen, wie ich Mr. Superman Karzinger, den malenden Naturburschen, den arroganten Lesern unseres Magazins näher bringen kann!“ „Also, viel Erfolg!“ Diesmal war es Wanda, die sich vorbeugte und ihm einen Kuss auf die Wange gab. „Danke, dass du mich hier raus gefahren hast! Und grüße Patrick von mir, falls du ihn siehst!“ Er drehte sich um, überquerte die Straße und schlug einen Weg ein, der durch eingezäunte Weiden führte, ohne dass er wusste, wo dieser Weg endete. Zu Wanda blickte er nicht zurück. „Hallo!“Er hatte Jonathan entdeckt, nachdem er wie ziellos durch das Atelier gelaufen war, wo an mehreren Großleinwänden die Mitarbeiter von Bruno Karzinger arbeiteten. Jonathan stand auf einer Leiter vor einem großen Bild. Er hatte aber gerade erst angefangen, Farbe aufzutragen. „Hallo!“ Jonathan beendete sofort seine Arbeit und kam zu ihm herunter. „Geht es voran?“, fragte Tillman aufmunternd. „Nicht so, wie es müsste!“ Jonathan blickte die Leinwand an, und obwohl er erst eine obere Ecke mit Farben ausgemalt hatte, schien er das fertige Bild bereits vor sich zu sehen. „Es ist manchmal nur anstrengend, wenn man kein Genie ist!“ „Aber das wird bestimmt gut!“, lobte er Jonathan. „Dazu gehört ja auch nicht viel!“ Jonathan deutete mit dem Pinsel auf den Entwurf des Bildes, der auf einer Holzplatte befestigt, auf einem Stuhl neben der Leiter stand. „Nicht sehr kreativ, was?“ „Ich wünschte, ich könnte das!“ Jonathan sah ihn zweifelnd an, dann fragte er: „Willst du einen Kaffee?“ „Ja, gerne, aber ich habe gleich meinen ersten Termin mit Bruno K. , deshalb kann ich nicht lange bleiben!“ „Kommt er etwa her?“ Jonathan schien die Vorstellung, dass Bruno Karzinger gleich im Atelier erscheinen würde, nicht zu gefallen. „Nein, nein! Ich werde ihn in seinem Haus am See treffen!“ Jonathan hatte Palette und Pinsel weggelegt und führte Tillman zu einem Wandschirm, auf den eine tropische Landschaft mit Meer und Palmen gesprayt war. Dahinter standen ein paar Stühle und ein abgeschabtes Sofa. „Machst du nur das eine Interview, oder bleibst du länger?“ „Es hängt von diesem ersten Gespräch ab!“ Tillman zog die Augenbrauen hoch und breitete ergeben die Arme aus. Jonathan wollte ihm sofort antworten, doch blickte er sich erst einmal um, ob auch niemand von den anderen in der Nähe war. „Du darfst ihm nicht widersprechen!“ Jonathan reichte ihm einen Becher Kaffee. „Und wenn alles nicht klappt, frag ihn nach seinen Autos! Er ist verrückt nach Au…!“ Jonathan brach ab, denn hinter ihm öffnete sich eine Tür und Moritz kam herein, während er sich umständlich seinen Hosenschlitz zuknöpfte. „Alles gut überstanden?“, fragte er Tillman grinsend, während er sich auch einen Becher Kaffee nahm. „Die Musik hat mir gefallen!“ „Das freut mich, war auch das richtige feeling! Also, bis dann!“ Und Moritz ging hinüber zu seiner Arbeit. „Autos?“ Tillman wandte sich wieder Jonathan zu. „Ja, er liebt Autos! Und am meisten seinen gelben Flitzer!“ „Aber ich habe nichts gesehen!“ „Sie stehen in der Garage!“ „Und Autorennen, Formel Eins und so…?“ „Wenn du dich damit auskennst, kann gar nichts schief gehen!“ Jonathan grinste, als hätte er Tillman die geheimen Zahlen für einen Hauptgewinn im Lotto verraten.

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