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Kapitel 5Ein Wunder

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„Ich öffnete die Zimmertür und sah, dass die Tür zum Hof offen stand. Erst war nur ein Rücken sichtbar, dann das Gesicht von ihr…, schrieb er in Gedanken weiter, als er im Flur stand und eine junge Frau beobachtete, die rückwärts den Flur betrat… „Hallo, ich bin Clarissa!“ Er stand sprachlos vor ihr, starrte sie an… „Ich war in Gedanken noch bei der Arbeit, jedenfalls stand ich da wie ein Idiot! Was für ein Zombie!“, wird sie gedacht haben. „Ja, Hallo!“, sagte er, doch da war die junge Frau längst mit ihrem Trolley an ihm vorbei. Sie verschwand in dem Zimmer hinter dem seinen, so selbstverständlich, als wäre sie hier seit langem zu Hause. Auf dem Platz vor den Ateliers spielten sie Fußball. Alle schienen sich zu beteiligen und die Türen zu den Arbeitsräumen waren weit geöffnet, wie, um den Frühling hereinzulassen… Er beschränkte sich auf das Zuschauen, obwohl er ab und zu aufgefordert wurde, doch mitzuspielen. Er machte Fotos, auch wenn er sich nicht sicher war, dass er sie später verwenden konnte. Beim Mittagessen saß er wieder neben Jonathan, den er zu seinem Informanten erkoren hatte. Doch jetzt war es Jonathan, der ihn nach seinem Treffen mit Karzinger befragte. „Es war ein erstes Kennen lernen, mehr nicht!“, erklärte er Jonathan, der ihn ungläubig ansah, als hielte er Tillmans Aussage für besonders cool. „Aber wie findest du ihn?“, ließ er nicht locker. „Er hat mir nichts von seinem Genie verraten, wenn es das ist, was du meinst!“ Jonathan verstummte. Dann wurde die Tür zum Speisesaal geöffnet und die junge Frau, die sich Tillman mit „Clarissa“ vorgestellt hatte, erschien. „Ich glaub es nicht, ich glaub es nicht! Sie ist wieder da!“, stammelte Jonathan begeistert. Er wandte sich an ihn: „Mit ihr musst du sprechen!“, flüsterte er. „Und wieso muss ich das?“, fragte er. „Sie weiß alles, sie war Karzingers Geliebte, bevor die neue kam! Aber was will sie?“ Er beantwortete sich seine selbst gestellte Frage nicht, jedenfalls nicht so, dass Tillman daraus hätte klug werden können, denn Jonathan starrte weiter auf Clarissa und brabbelte dabei Unverständliches. Doch dann verstummte er, denn Thomas kam mit seinem Teller und setzte sich zu ihnen. „Kommst du voran?“, fragte er Tillman. „Viele Fragen, wenig Antworten.“, erwiderte er lakonisch, als gehörte diese Tatsache unabänderlich zu seinem Beruf. „Bruno war vorhin nicht in bester Verfassung...“, dabei blickte auch er interessiert zu Clarissa, die sich am anderen Ende des Tisches mit zwei der jungen Männer unterhielt. Tillman hatte erst vorhin beim Fußballspiel entdeckt, dass es sich bei einem von ihnen um eine junge Frau handelte, denn mit ihren kurzen Haaren, dem Schmuddellook und ihrer jungenhaften Gestalt schien sie ihr Geschlecht absichtlich verbergen zu wollen. „Ich fahre morgen in die Stadt, willst du vielleicht mit?“ Thomas blickte Tillman einladend an. Erst zögerte er, doch die Aussicht, längere Zeit mit Thomas sprechen zu können, ließ ihn doch zustimmen. „Ja, das wäre toll! Ich könnte mir noch ein paar Sachen holen, denn es scheint ja Frühling zu werden!“ Dass er so auch in die Redaktion konnte, um mit Karl Friedberg zu sprechen, behielt er für sich. Thomas schien zufrieden, wie jemand, dessen Absichten ungeteilte Zustimmung gefunden hatten. Schweigend aßen sie ihre Teller leer. „Also, bis morgen!“ Thomas erhob sich als erster und ging hinüber zu Clarissa. Auch ihr schien er ein Angebot zu machen, doch sie schüttelte ihre Locken und lachte dabei ausgelassen. wandte sich dann wieder Jost und Bella, ihren Tischnachbarn, zu. Thomas verließ den Speisesaal. „Mich würde er nie fragen!“, Jonathan klang enttäuscht. Auch er hatte jede Bewegung von Thomas verfolgt. Mit einem „Ich muss noch was schaffen!“, stand auch er auf und brachte seinen leeren Teller weg. Dann sah Tillman ihn mit Karel sprechen. Zusammen gingen die beiden zurück an ihre Arbeit. Ich kann die Fahrt morgen auch zur Flucht benutzen! Genau so, wie es die anderen vor mir getan haben! Was will ich noch hier? Es gibt nichts Sensationelles zu berichten. Ein Maler, ein Guru, der andere für sich arbeiten lässt, der sich in seinem Erfolg und seinem Häuschen am See sonnt. Der sich seine Assistenten hält, die wie in einer mittelalterlichen Werkstatt für das Genie tätig sind. War Karzinger nicht in erster Linie ein Verkaufsgenie? Und die Beziehung zu Miriam, dem verwöhnten Kind? Er starrte auf die Wand des Zimmers und lauschte, ob nicht von nebenan etwas von Clarissa, seiner neuen Nachbarin, zu hören war. Ob sie ihm weiterhelfen konnte wie Jonathan behauptete? War er zu naiv gewesen, diesen Auftrag anzunehmen? Wenn er Karl Friedberg überzeugen wollte, musste er etwas Besonderes abliefern! Was konnte das sein? Sollte er etwas erfinden? Aber das würde Karzinger nicht durchgehen lassen! Karzinger, der Freund der Nachwuchskünstler, die für ihn arbeiten durften! Aber waren sie nicht sogar besser dran als er selbst? Sie bekamen von ihrem Meister die Aufgaben zugeteilt, mussten sich nicht mit der Verkäuflichkeit ihrer Arbeiten auseinandersetzen, waren Teil seines Erfolges. Sein Name war für sie der erste Schritt zu ihrem eigenen Erfolg! Ob Karzinger darüber hinaus etwas für sie tat? Wer sagt denn, dass ich ihm den druckreifen Text vorlegen muss? Ich kann schreiben, was ich will und ihm eine andere Fassung vorlegen. Die Kunst ist frei! Bester Laune verließ er das Zimmer. Er betrat die ehemalige Scheune, in der Karel und Jonathan arbeiteten. Zuerst sah er Jonathan. Er ging zu ihm, doch der bemerkte ihn nicht. Er stand auf der Leiter vor der Leinwand und trug bei der Arbeit riesige Kopfhörer. In der Linken hielt er eine Palette und mit der Rechten setzte er farbige Begrenzungen. Er wollte ihn nicht stören und ging weiter. Bevor er ihn sehen konnte, hörte er Karzingers Stimme. „Nein, nein, so geht das nicht!“ Er ging weiter und wollte sehen, was der Anlass für Karzingers lautstarken Protest war.Dann sah er ihn. Er stand vor Karel, war ungehalten und mischte gleichzeitig auf einem Stück weißen Karton einen Farbton. Dann gab er die Probe Karel: „Deine Mischung stimmt nicht!“, behauptete er. „Ich finde es gut so!“, widersprach Karel. „Das Bild leuchtet nicht, und es liegt am Blau! Ich will, dass das Bild leuchtet!“ „Heute Vormittag hat es geleuchtet!“, blieb Karel bei seinem Widerspruch. Er schien sich nur mühsam zu beherrschen und Tillman spürte die unterdrückte Wut in Karels Antwort. Das Bild schien so gut wie fertig. Da es ein großes Format war, wunderte sich Tillman, dass Karzinger erst jetzt etwas an dem Bild bemängelte, denn Karel musste schon längere Zeit daran gearbeitet haben. „Bella, komm mal her!“, wandte sich Karzinger an die jungenhaft wirkende Frau, die einige Meter abseits vom Geschehen arbeitete und sich bisher nicht in die Auseinandersetzung eingemischt hatte. „Bella, kannst du die Blautöne überarbeiten? Karel glaubt mir nicht und ich finde unsere Diskussion überflüssig! Machst du’s?“„Wenn Karel nichts dagegen hat?!“ „Nein, was soll ich dagegen haben, anscheinend habe ich ja keinen Durchblick mehr und kann nicht sehen, was ich mache!“ Er warf das Blatt mit den Farbproben auf den Tisch und verschwand. Karzinger blickte ihm verständnislos nach, dann zuckte er mit den Schultern. Er wandte er sich wieder Bella: „Du weißt, welches Blau ich meine?“ „Ja, das Wüstenhimmelblau!“ Er lachte. „O. K., du machst das schon!“ Und er wandte sich plötzlich Tillman zu, der noch immer die Szene beobachtete. „Das gehört manchmal dazu!“ Karzinger schien unbeeindruckt und kam auf ihn zu. „Ja, natürlich!“, bestätigte Tillman. „Es ist sicher nicht leicht, die eigenen Vorstellungen von anderen verwirklichen zu lassen!?“„Es funktioniert meist sehr gut. Doch manchmal, wie gerade eben, gibt es falsche Auffassungen! Wollen Sie mich begleiten, wir können ja mal schauen, wo der Betonkopf geblieben ist!“ Tillman willigte ein, obwohl er nicht das Gefühl hatte, dass Karzinger sich tatsächlich um Karel Gedanken machte. Aber ihm konnte es egal sein, wenn sich dadurch die Möglichkeit ergab mit Bruno Karzinger zu sprechen. „Karel ist ein sehr guter Maler, ich weiß nicht, was in ihn gefahren ist!“ „Er scheint seine Arbeit sehr ernst zu nehmen!“, wandte Tillman vermittelnd ein. „Ja, ja, das ist sicher so, nur muss er auch mit Kritik vernünftig umgehen können!“ Sie traten auf den Hof hinaus. Karel war nirgends zu sehen. „Vielleicht ist er in der Küche. Ich könnte einen Kaffee vertragen. Wie ist es mit Ihnen?“ “Ja, gerne!“, willigte Tillman ein. Sie überquerten den Hof. „Wie gelingt es ihnen überhaupt, die richtigen Mitarbeiter für ihre Malerei zu finden? Leute, die auch bereit sind, hier draußen auf dem Land zu arbeiten? „Das ist nicht immer so einfach, doch ich habe gute Kontakte zu den Malklassen der Kunstakademie! Manche der Professoren sind auch meine Freunde. So ergibt sich das eine oder andere! Außerdem hat es sich herumgesprochen, dass hier gut und ernsthaft gearbeitet wird!“ Sie gingen hinter dem Gutshaus entlang und Karzinger machte eine ausladende Geste: „Es war nicht einfach, das alles aufzubauen…!“ Bevor Tillman antworten konnte, hörten sie das Aufheulen eines Motors. Das Geräusch wiederholte sich und schallte vom Vorplatz des Gutshauses herüber. „Ach, das habe ich ja vergessen! Würden Sie mir einen Kaffee mitbringen? Ohne Zucker, aber mit Milch. Ich werde vorn gebraucht!“

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