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9.
ОглавлениеTom Meyerbrinck betrat mit Ben Lorenz den Besprechungsraum. Koslowski stand dort an der Pinnwand und heftete ausgedruckte Fotos an. Als er damit fertig war, drehte er sich zu den beiden um. Lorenz, mit Halbglatze und schulterlangem Haarkranz, nickte Koslowski freundlich grüßend zu.
Koslowski erwiderte das Nicken und sagte: »Hallo Ben.« Dabei schüttelte er mit leichtem Entsetzen den Kopf über Lorenz’ Hemd. Lorenz ignorierte es und stellte sich vor die Pinnwand, um die Fotos zu betrachten.
»Und Tom, habt ihr was?«, fragte Koslowski.
»Nein, nichts Konkretes. Er hat immer wieder Akten mit nach Hause genommen. Bisher wird keine vermisst.«
»An welchen Fällen war er dran?«
»An gar keinen. Er hätte eigentlich ab dem nächsten Tag für drei Wochen Urlaub gehabt.« Koslowski sah Meyerbrinck erstaunt an. »Komisch, dass die Blaschek das nicht wusste.«
»Vielleicht hatte er vergessen, es ihr zu sagen.«
Koslowski sah Meyerbrinck zweifelnd an.
»Okay, belassen wir es erstmal dabei. Kümmern wir uns um Rechtsanwalt Dr. Bommer.«
»Haben wir einen Fall?«
»Sieht so aus. Zumindest gibt es ein paar Ungereimtheiten. Ich war mit dem Material bei Van Bergen und hab mir seinen Segen geholt.«
»Da werden die Eberswalder Kollegen aber nicht sehr erfreut sein, dass wir in ihrem Gebiet wildern.«
Koslowski zuckte gleichgültig mit der Schulter. »Wen interessiert das. Um 17:00 Uhr hier im Besprechungsraum. Bis auf Ibrahim Bulut, der gerade seine alte Heimat besucht, dürften wir vollzählig sein.«
Lorenz sah auf die Uhr. »Noch eine Stunde hin. Dann hol ich mir erstmal noch was zum Beißen und checke mein Postfach.« Er drehte sich um und verließ den Raum.
»Ich glaub, ich hol mir auch was vom Italiener. Und du Sal?« Meyerbrinck sah Koslowski fragend an.
Der schüttelte den Kopf. »Ich hab noch ne Tüte Winegums und vielleicht hol ich mir noch einen Becher Milchreis aus der Kantine.«
Meyerbrinck schauerte es bei dem Gedanken an Milchreis. Er konnte Milchreis nicht ab. Wie auch den holländischen Pudding, den Koslowski literweise in sich hineinschaufeln konnte. »Du und dein Schlapperkram.«, sagte er und verließ den Raum.
Koslowski ging zu den Fenstern und schaute raus. Es sah aus, als ob es bald wieder regnen würde.
Pünktlich um 17.00 Uhr hatten sich alle Kollegen eingefunden. Sie saßen auf den Stühlen um den Besprechungstisch und unterhielten sich. Es fing leicht an zu regnen. Es dauerte keine zwei Minuten, dann wurde der Regen stärker und klatschte heftig gegen die Fensterscheiben. Koslowski stand vor der Pinnwand und räusperte sich. Es kehrte augenblicklich Ruhe ein.
»Fangen wir an.« Er sah in die Runde. »Vorab eine kleine Info. Unser Team wir ab morgen verstärkt.«
Es erhob sich neugieriges Gemurmel. Nur Di Stefano blieb stumm. »Unsere alte Kollegin, Frederieke Bloom wird uns ab morgen wieder tatkräftig unterstützen.«
Meyerbrinck sah überrascht auf. Die anderen Kollegen klatschten.
»Das ist doch mal eine gute Nachricht«, rief Marcus Kempa.
Frank Grabowski sah zu Koslowski. »Was ist mit ihrem Kind? Kümmert sich da der Vater drum?«
»Nein. Der kann es wohl wegen seines Jobs nicht«, erwiderte Koslowski, ohne eine Miene zu verziehen.
Meyerbrinck, der als einziger neben Koslowski wusste, dass Di Stefano der Vater war, sah neugierig zu ihm hin. Di Stefano versuchte krampfhaft, unbeteiligt zu schauen. Meyerbrinck musste lächeln.
»Und wie soll das dann gehen?«
»Halbtags und nur Innendienst. Das Kind geht in den Kindergarten und für Notfälle haben wir ja das Eltern-Kind Büro. Sie wird uns organisatorische Arbeiten abnehmen und viel lästigen Schreibkram, hoffe ich jedenfalls.«
»Hört sich gut an«, sagte Lorenz und ging dann zur Tagesordnung über. »Unser neuer Fall?« Er zeigte auf die Pinnwand.
Koslowski nickte. Di Stefano sah sich erleichtert um. Seine Verlegenheit schien keiner bemerkt zu haben. Außer Meyerbrinck und Koslowski, aber da war es egal, wussten die doch sowieso Bescheid.
Koslowski trat zur Pinnwand. »Rechtsanwalt Dr. Bommer. Einige von euch kennen ihn ja. Er hatte am Freitag nichts Besseres zu tun, als sich mit seinem BMW um einen Baum zu wickeln. Die Fotos seht ihr hier.«
»Was haben wir mit einem Verkehrsunfall zu tun? War es keiner? Hat da jemand nachgeholfen?« Marcus Kempa sah Koslowski fragend an.
»Das wissen wir nicht. Bis jetzt sind nur ein paar Unstimmigkeiten festgestellt worden.«
»Von wem?«
»Von mir«, antwortete Koslowski.
Alle in der Runde, außer Meyerbrinck sahen Koslowski fragend an. »Ich habe heute Morgen einen Tipp bekommen.«
»Von wem willst du uns natürlich nicht verraten?« Frank Grabowski blickte Koslowski herausfordernd an.
»Nein.«, erwiderte der gleichmütig. Es entstand eine kurze Pause. Der Regen platterte unvermindert gegen die Fensterscheiben.
Koslowski räusperte sich: »Die Unstimmigkeiten sind: eine von außen eingeschlagene Seitenscheibe auf der Beifahrerseite und Wasserflecken im Innenraum der Fahrerseite.« Er zeigte auf die entsprechenden Fotos. »Was nur den Schluss zulässt: Es war jemand am Unfallort und hat die Fahrertür geöffnet, als es noch regnete. Vielleicht wollte derjenige helfen. Sah aber, dass Bommer nicht mehr zu helfen war. Die eingeschlagene Seitenscheibe lässt vermuten, dass derjenige etwas mitgenommen hat, was auf dem Beifahrersitz gelegen hat. Bommers Aktentasche wird vermisst.«
Meyerbrinck sah überrascht auf. Das war eine neue Information.
»Bommer war doch der Anwalt von Nasser Al-Sharif.«
»Von diesem dicken Araber?«, unterbrach Di Stefano Meyerbrinck.
»Ja, genau von dem«, antwortete Meyerbrinck und wandte sich wieder an Koslowski. »Hat diese Tatsache und dass die Aktentasche fehlt dazu geführt, dass wir uns der Sache annehmen sollen?«
»Ja«, beantwortete Koslowski knapp Meyerbrincks Frage. Wieder trat ein kurzes Schweigen ein. Der Regen hatte nachgelassen. Am Himmel zeigten sich erste helle Streifen.
»Ich möchte gern folgende Aufgaben für morgen verteilen«, hub Koslowski an. »Marcus, du und Matteo, ihr fahrt morgen früh nach Eberswalde. Versucht eine Ausschnittvergrößerung von diesem Foto zu bekommen.« Er zeigte auf das Foto mit einem Alleebaum, wo ein kleiner schwarzer Fleck zu erkennen war. »Danach«, fuhr er fort. »Fahrt ihr zur Unfallstelle und seht euch da um. Wenn nötig, zieht die Spurensicherung hinzu. Van Bergen hat sein OK gegeben.«
Die beiden Angesprochenen nickten.
»Ben, du und Grabowski, ihr fahrt morgen zu der Geliebten von Bommer. Eine Mandy Krüger. Sie wohnt in der Nähe von Wandlitz. Hier habt ihr die Adresse.« Er reichte Lorenz den Zettel hinüber. »Fühlt ihr auf den Zahn. Vielleicht war Bommer nicht ihr einziger Liebhaber.«
Dann wandte er sich an Meyerbrinck. »Tom, du nimmst morgen früh Frederieke in Empfang und weist sie ein. Ich werde morgen früh zu Bommers Witwe in die Kanzlei fahren. Noch Fragen?« Er schaute in die Runde.
»Mir ist immer noch nicht klar, wozu dieser ganze Aufwand.« Kempa sah Koslowski an.
»Ganz einfach. Um einen Bandenkrieg zu verhindern.«