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Eine hungrige Menschenmenge auf einem Hügel
ОглавлениеJesus sagt, dass wir wie Kinder werden müssen, wenn wir in sein Reich kommen wollen (siehe Matthäus 18,3). Immer wieder hören wir von Kindern wie Jaden, die durch ihren Mut und ihre reine Güte dem Reich Gottes näher zu sein scheinen als die meisten desillusionierten Erwachsenen heute.
Jadens Geschichte erinnert mich an einen anderen Jungen. Sein Name ist uns nicht bekannt, aber was er schenkte, wird in der Bibel nicht nur einmal, sondern viermal berichtet. Auch er fand den Weg heraus aus seinem eigenen Mangel in die Fülle Gottes.
Um jedoch zu verstehen, wie wichtig das war, was der Junge tat, müssen wir uns ein wenig in den Zusammenhang hineinversetzen, in dem diese Geschichte steht. Das Leben, das Wirken und die Auferstehung von Jesus werden im Neuen Testament viermal berichtet, in vier unterschiedlichen Evangelien, die von vier verschiedenen Autoren verfasst wurden. Jedes dieser Bücher enthält zahlreiche Beispiele dafür, wie Jesus die physischen Bedürfnisse der Menschen in seiner Umgebung erfüllte. In jedem der vier Evangelien finden sich Berichte darüber, wie Jesus Blinde geheilt und Ausgestoßene angenommen hat. Doch nur eines dieser Wunder, die vor der Auferstehung geschahen, wird in allen vier Büchern erzählt, was seine besondere Bedeutung hervorhebt.
Nachdem Jesus vom Tod Johannes des Täufers gehört hat, zieht er sich an einen einsamen Ort zurück. Wir wissen nicht, wie lange er dort allein war, aber schließlich gehen die Jünger ihn suchen. Jesus ist zu einer bekannten Persönlichkeit geworden und so strömen die Menschen aus der Gegend herbei und folgen ihm und seinen Jüngern weit hinaus in die Wildnis. Die Bibel berichtet, dass Jesus Mitleid mit den Leuten hat, als er ihre Not erkennt. Er stellt seine eigene Trauer zurück und hilft ihnen. Er lehrt, heilt und inspiriert sie.
Fünftausend Männer hören ihm an jenem Tag zu und die meisten Ausleger schätzen, dass die gesamte Zuhörerschaft einschließlich Frauen und Kindern an die fünfzehntausend Menschen umfasste. Angesichts dieser Menschenmenge fordert Jesus seine Jünger auf: „Gebt ihnen zu essen“ (Matthäus 14,16; Markus 6,37; Lukas 9,13).
Im Johannesevangelium heißt es weiter, dass Jesus Philippus beiseitenimmt und ihn fragt: „Wo können wir so viel Brot kaufen, dass alle diese Leute zu essen bekommen?“ (6,5). Obwohl Philippus in diesem Moment den Sohn Gottes vor sich hat, ist er immer noch in den Regeln der menschlichen Ökonomie gefangen und antwortet: „Selbst für zweihundert Denare würde man nicht genug Brot bekommen, um jedem auch nur ein kleines Stück zu geben“ (Vers 7).
Ein nicht mit Namen genannter Jünger schlägt daraufhin vor, die Leute wegzuschicken, damit sie sich in den umliegenden Orten etwas zu essen kaufen und eine Unterkunft finden können. Seine Botschaft ist klar: Soll sich doch jemand anderes um die Not dieser Leute kümmern; wir haben schon genug getan.
Oberflächlich betrachtet ergibt seine Reaktion Sinn. Die Jünger suchen nach Lösungen, um für diese unerwartete Menschenmenge zu sorgen. Aber aus ihren Vorschlägen lassen sich auch Vorsicht, Furcht und ein Mangeldenken herauslesen. Ja, sie hatten Jesus dabei beobachtet, wie er hier und da einzelne Menschen heilte. Ein Gelähmter konnte wieder gehen. Die Haut eines Aussätzigen wurde heil. Aber das hier? Tausende von Menschen drängen sich um sie. Fünfzehntausend leere Mägen knurren. Natürlich hat nicht einmal Jesus die Mittel, mit dieser Situation klarzukommen.
Ein anderer Jünger, Andreas, führt dann die Wende herbei: Er hat einen Jungen gefunden, dessen Name nicht überliefert wird und der fünf Brote und zwei Fische dabeihat. Für einen Einzelnen ist das eine üppige Mahlzeit; vielleicht hatte das Kind auch Essen für die ganze Familie dabei. Aber was war diese geringe Menge schon für Tausende von Menschen? Wie kann so wenig für so viele reichen?
Doch der Sohn Gottes nimmt das, was man ihm gibt, ohne es zu kommentieren. Er weist die Menschen an, Platz zu nehmen. Dann nimmt er das Essen, segnet es, bricht es in Stücke und reicht es weiter.
Und alle bekommen etwas davon ab.
Genau wie die Menschen heute lebten auch die Juden des 1. Jahrhunderts mit dem Gefühl des Mangels und der Furcht. Jahrhundertelang kämpfte das auserwählte Volk Gottes gegen Feinde, die sie unterdrückten und oft sogar töteten. Als Jesus zur Welt kam, wurden die Juden gerade von einer brutalen römischen Regierung beherrscht, die sowohl Gott als auch die jüdischen Traditionen leugnete. Die Juden wurden hart besteuert und streng verwaltet. Hungersnöte waren ein häufiges Problem. Und so ist es umso erstaunlicher, wenn die Evangelien uns berichten, dass die Leute an jenem Tag aßen, bis sie satt waren. Und nicht nur das – es blieben auch noch zwölf Körbe mit Resten übrig.
Alles von einer einzigen Mahlzeit.
Kein Wunder, dass diese Geschichte in allen Evangelien überliefert ist. Jesus sorgte sich um die neugierige Menschenmenge so sehr, dass er ihre Not in überreichem Maß stillte. Das verdeutlicht den wahren Kern seiner Botschaft – denn diese verheißt nicht nur die ewige Fürsorge im Himmel, sondern sie zeigt auch, dass Jesus sich ganz praktisch um die Versorgung der Menschen hier auf der Erde kümmert.
Das gilt auch für uns heute. Wenn wir in einer Gesellschaft leben, die uns Gegenwind bietet, wenn wir unter einem Mangel an Ressourcen leiden und ein tiefes Gefühl der Unsicherheit und Ungewissheit empfinden, dann schenkt uns das Wunder, das Jesus auf dem Hügel vollbracht hat, Einsicht in Gottes reiche Fürsorge.
Was Jesus an jenem Tag getan hat, wird uns das ganze Buch hindurch begleiten. Wir werden es uns genauer ansehen, das Wunder in vier verschiedene Handlungen aufteilen – was Brueggemann die „vier entscheidenden Verben unserer sakramentalen Existenz“7 nennt – und uns dann überlegen, wie diese den Rhythmus der Beziehung zwischen Gott und seiner Schöpfung widerspiegeln. In dieser Beziehung schenkt Gott uns seine Fürsorge, die uns selbst in den furchterregendsten Zeiten des Mangels schützt und auch vor den verführerischen Lügen des Teufels.
Jesus nahm das Brot, segnete es, zerbrach es und gab es den Menschen. Dieses Muster bindet uns in einen Beziehungsrhythmus mit unserem Schöpfer ein, der auch unseren Glauben und Gottes Reaktion darauf umfasst. In diesem Buch wollen wir diesen Rhythmus gemeinsam betrachten. Sehen wir uns also an, wie Gott wirkt und für uns sorgt!