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Kapitel 3

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Seit gut sechs Jahren lebte ich nun bereits unter dem Dach der van Dycks. In einem Flügel des gewaltigen Hauses, in dem ich mittlerweile zwei Räume mein Eigen nennen durfte. Eine Schlafkammer und ein wohlig eingerichtetes Zimmer, in welchem ich mich an den Abenden den weiteren Studien der Mathematik, der Kartographie und der Alchemie widmete, sofern mich Herr van Dyck nicht zu einem Gespräch bat. Es war, als würde mich das kinderlose Ehepaar als ihren eigenen Sohn betrachten.


An einem Abend, ein angenehmer Sommertag des Jahres 1641 neigte sich dem Ende entgegen und es war einer jener Abende, an denen Herr van Dyck das Gespräch mit mir suchte, saßen wir gemeinsam im Herrenzimmer. Nachdem er unsere Gläser mit einem guten Portwein füllte, eröffnete Herr van Dyck das Gespräch.

„Hendrik“, begann er bedeutungsvoll, um gleich darauf wieder in Schweigen zu verfallen.

Er griff in eine schmuckvolle Holzkiste und fischte daraus eine gewickelte Blätterstange, die er sich in den Mund steckte. Während er an dem einen Ende ein brennendes Holzstück hielt, zog er am anderen Ende die Luft tief ein. Rauchwolken stiegen auf und umhüllten Herrn van Dycks Kopf. Aus diesem Nebel hinaus begann er erneut zu sprechen.

„Hendrik, mein Junge, morgen werden wir Besuch bekommen und ich würde mich freuen, wenn Du die Studien dann beiseite legen könntest und Dich an dem Gespräch beteiligst.“

Hinter dem dichten Rauch der Blätterstange, Cigarre, nannte Herr van Dyck diese neumodischen Dinger, die immer häufiger bei den gutbetuchten Herrschaften zu entdecken waren, blieb sein Gesicht fast verborgen.

„Sehr gerne, Herr van Dyck; wer wird denn zu Gast sein?“

„Es sind unsere Freunde Gottfried Weber und dessen Gemahlin. Sie werden mit ihren Kindern anreisen und einige Tage bei uns verbringen. Die Gästezimmer sind schon hergerichtet. Dann wird sich noch Kapitän Snijder dazugesellen; Du hast sicher schon von ihm gehört.“

„Ja, Herr van Dyck, auch wenn ich ihn noch nicht persönlich kennen-lernte. Und Eure Freunde, sind dass die Webers aus Xanten, die schon zu Gast bei Euch waren und deren Namen ich häufig auf den Frachtpapieren entdecke?“

„Genau so ist es und ich hoffe, sie werden die gefahrvolle Anreise gut überstehen.“


Fasziniert schaute ich zu, wie abermals eine dicke Rauchwolke den Mund Herrn van Dycks verließ. Meinen Blick schien dieser jedoch falsch zu deuten.

„Möchtest Du auch eine Cigarre probieren, Hendrik?“

„Oh, nein, vielen Dank, Herr van Dyck. Es riecht keineswegs unangenehm, aber ich weiß nicht, welchen Gefallen ich sonst daran finden sollte.“

„Nun, es ist ein würziger Geschmack im Mund. Doch ich stimme Dir zu, mehr ist es nicht und von der versprochenen Entspannung, kann ich bislang nicht viel bemerken. Herr van Leuthusen schenkte mir diese Kiste, die er von den westindischen Inseln mitbrachte. Sehr teuer sollen diese Cigarren sein und große Gewinne verspricht der Handel mit ihnen. Aber ich denke, wir sollten bei den uns vertrauten Waren bleiben. Schlecht geht es uns dabei auch nicht“, schmunzelte er ver-schmitzt. „Die van Leuthusens sollten dir doch bekannt sein, Hendrik. Wir trafen sie im Hafen, als die Esperanza anlegte. Ihre überaus ansprechende Tochter hatten sie dabei. Wie hieß sie doch gleich, Franziska?“

„Frederike ist der Name des Fräuleins, Herr van Dyck“, korrigierte ich.


Kaum waren die Worte übereifrig aus meinem Munde, schallt´ ich mich einen Narren, auf die vermeintlich so beiläufig gestellte Frage her-eingefallen zu sein. Ich spürte, wie die Verlegenheit in mir aufzog. Natürlich war mir das anmutige Fräulein bei dem zufälligen Treffen sofort aufgefallen. Vier Monate etwa, lag dieses zurück und seitdem verging kaum ein Tag, an dem ihr Name nicht durch meinen Kopf geisterte. Sehr gerne erinnerte ich mich an ihren wohlgefälligen Blick, den sie mir trotz des leicht gesenkten Hauptes zuwarf. Dass ich mich seitdem häufiger aufmachte dem Fräulein, rein zufällig natürlich, zu begegnen, verstand sich von selbst. Des Öfteren traf ich sie so in Begleitung ihrer Mutter an, wenn sie miteinander flanierten. Wir wechselten stets einige freundliche Worte miteinander. Mein Eindruck schien mich nicht zu täuschen, dass Fräulein Frederike van Leuthusen sehr wohl Gefallen an diesen zufälligen Treffen fand. Da diese Zusammenkünfte beinahe stets am gleichen Ort und zu etwa der gleichen Zeit stattfanden konnte ich mir durchaus vorstellen, dass das Fräulein die Mutter zum Flanieren geradezu animierte.


Herrn van Dyck, diesem listigen Fuchs, schien dies nicht verborgen geblieben zu sein. Über dieses Thema zu sprechen behagte mir jedoch überhaupt nicht, weshalb ich rasch versuchte, dass Gespräch wieder auf die Cigarren zu lenken.

„Vielleicht sind es die schönen Bilder, die der Rauch hinterlässt, wenn er durch die Kerzenflammen zieht, die für Entspannung sorgen sollen, Herr van Dyck.“

„Schon möglich, Hendrik, schon möglich, doch dafür sollten wir das teure Licht der Kerzen nicht weiter verschwenden. Es wird Zeit, dass wir uns der Nachtruhe zuwenden. Morgen wartet ein anstrengender Tag auf uns.“

Wie es mir Herr van Dyck zuvor aufgetragen hatte, verließ ich bereits gegen Mittag meinen Arbeitsplatz und machte mich auf den Rückweg zum nahegelegenen Wohnhaus, um bei der Ankunft der erwarteten Gäste zugegen zu sein. Aber erst zum späten Nachmittag hin kündigte das Geräusch von Pferdehufen und ein aufgeregtes Wiehern der Rösser die herankommende Kutsche an.


Während sich Mägde und Burschen des Gepäcks annahmen, fand zwischen den Freunden eine überaus herzliche Begrüßung statt, welche ich wenige Schritte abseits stehend verfolgte. Auch wenn es etwa drei Jahre zurücklag, dass ich Selma und Gottfried Weber zum erstenmal eher beiläufig hier antraf, erkannte ich sie sofort wieder. Ebenfalls den jungen Burschen Friedrich, der einen gehörigen Schuss in die Höhe getan hatte. Sein blondes Haar schien noch heller, seine blauen Augen, noch blauer geworden zu sein. Unbekannt hingegen war mir bis dahin das kleine Mädchen, welches noch auf wackligen Beinen dabeistand.

Wilhelmine, so konnte ich ihren Namen vernehmen, fand großes Interesse bei Frau van Dyck.

Selma Weber, Frau van Dyck und die Kinder begaben sich ins Haus und suchten einen der Räume auf, derweil sich Herr van Dyck noch mit Gottfried Weber unterhielt.


„Hendrik, komm heran zu uns; Gottfried, Du erinnerst Dich doch an Hendrik, meiner rechten Hand“, vernahm ich Herrn van Dycks Stimme. „Natürlich erinnere ich mich an Herrn van Houten“, erwiderte Gottfried Weber, „zumal ich seinen Namen immer wieder auf den Frachtpapieren entdecke, wenn wir Waren von euch beziehen.“

„Sehr gut, dann lasst uns ins Haus gehen und bei einem Glas Wein kannst Du erzählen, wie die Anreise verlief, Gottfried. Ich denke, dass Kapitän Snijder ebenfalls bald eintreffen wird und wir uns dann gemeinsam einem köstlichen Mahl widmen können.“

Im Herrenzimmer angelangt, ließen sich die Beiden in die schweren Sessel fallen und ich nahm auf einem Stuhl an einem kleinen Tisch Platz, um mich einem Buch zu widmen. Schließlich war es kaum anzunehmen, dass Herr van Dyck meine Anwesenheit benötigte, um sich nach dem Wohlergehen Herrn Webers zu erkundigen.


„Erzähle, Gottfried, wie war die Anreise? Ich wunderte mich schon, weshalb ihr nicht über den Rhein angereist seid.“

„Ach, Johan, was soll ich erzählen, was Du nicht längst wüsstest. Sobald wir die dicken Stadtmauern von Xanten verlassen, dann wird es ungemütlich, gleich ob du auf dem Wasser bist oder dich mit der Kutsche bewegst. Natürlich, die zahlreichen Galgenbäume, an denen die Gemeuchelten baumeln, die findest du auf dem Rhein nicht vor, doch auch dort bist du nicht sicher. Zudem lässt es nicht nach, dass Scheiterhaufen aufflammen, auf denen Hexen, im Namen des Herrn ihr Leben aushauchen. Du glaubst nicht, in welchem Paradies ihr hier lebt.“

„Gottfried, von einem Paradies sind auch wir noch weit entfernt und Du wirst wissen, dass es uns unendliche Mühe kostet, uns soweit wie möglich vom Joch der Spanier und der katholischen Kirche zu befreien. Gänzlich ist es noch nicht gelungen, doch wir sind auf einem guten Wege. Es spielt uns in die Hände, dass die Spanier sich mit den Franzosen und Engländern aufreiben.“


Ich selbst hatte mich nie viel um die politischen Ansichten gekümmert und konnte nur schwer nachvollziehen, was in den Köpfen derer vorging, die das Sagen in der übermächtigen katholischen Kirche oder bei den Protestanten hatten. Aber bekannt war mir schon, dass um uns herum die Einen wie die Anderen einen erbitterten Krieg gegeneinander führten, mordeten und marodierende Banden das Ihrige hinzufügten. So hob ich gelegentlich doch den Kopf vom Buch, um eventuell Neues zu erfahren.


„Genug der schlimmen Dinge“, befand Herr van Dyck jedoch nach gerau-mer Zeit. „Schau her, Gottfried, was Du mal probieren solltest“, lenkte er von den unheilvollen Schilderungen ab und hielt seinem Freund das Kistchen entgegen, in welchem sich die Cigarren befanden. „Ein Geschäftsfreund, der mit den westindischen Inseln Handel treibt, brachte sie kürzlich mit. Sie sollen für Entspannung sorgen, wobei ich gestehen muss, dass mich diese Erkenntnis bislang nicht erreichte. Herr van Leuthusen, so der Name meines Bekannten, ist ganz erbaut von diesem Kraut; Hendrik jedoch weniger.“


Als ich meinen Namen hörte, blickte ich kurz auf und so entging mir nicht das Augenzwinkern, mit welchem Herr van Dyck Herrn Weber bedachte als er fortfuhr: „Diesen Waren aus dem Hause der Leuthusens, misst Hendrik wohl keine große Bedeutung bei; er scheint mehr an der Tochter des Hauses Interesse zu finden.“


„Ihr seid auf Freiersfüßen?“, wandte sich Herr Weber nun mir zu. „Nein, nein, um Gottes Willen“, stammelte ich unbeholfen und merkte, wie sich meine Wangen zu röten begannen. Rasch beugte ich meinen Kopf über das Buch und empfand es als ausgesprochen erlösend, dass in diesem Moment die Magd das Eintreffen von Kapitän Snijder ankündigte.


„Ah, Kapitän“, begrüßte Herr van Dyck mit kräftigem Handschlag den Neuankömmling. „Vom Namen her wird Euch Herr Weber sicherlich bekannt sein; er ist nicht nur ein guter Kunde unseres Kontors, sondern gleichfalls ein sehr guter Freund des Hauses. Bereits unsere Eltern pflegten eine innige Freundschaft“, stellte Herr van Dyck die Herren einander vor. „Und von meinem besten Mitarbeiter, Herrn van Houten, erzählte ich Euch bereits“, hob er mich hervor.


Es verstand sich von selbst, dass mir der Name des Kapitäns von Gesprächen her geläufig war. Doch nun bekam ich ihn zum erstenmal zu Gesicht. In seiner Kapitänsuniform, mit den goldglänzenden Knöpfen am Rock, welche den wuchtigen Körper umspannte und den blankgewichsten Stiefeln an den stämmigen Beinen, wirkte er recht eindrucksvoll, wenngleich er kaum sechs Ellen maß. Das lange braune Haar umrahmte das runde Gesicht und fiel bis auf die Schultern. Der kräftige Bart gab ihm zudem ein verwegenes Aussehen; und dennoch strahlte er eine Gutmütigkeit aus, die wohl aus dem warmen Blick seiner Augen stammte.

Doch, so hatte ich mir den Kapitän wohl vorgestellt, wenn sein Name in Erzählungen fiel.


Nun, wo alle erwarteten Gäste zugegen waren, machten wir uns daran, den Speisesaal aufzusuchen, in welchem uns bereits Frau van Dyck und Frau Weber erwarteten. Mehr, als dass ich der doch eher belanglosen Konversation Aufmerksamkeit entgegenbrachte, widmete ich mich den dargebotenen Köstlichkeiten. Erst zum Ende des Mahls, die Damen verweilten weiterhin an der Tafel, begab sich unsere illustre Runde zu-rück in das bekannte Herrenzimmer.


Die Männer strebten auf die wuchtigen Sessel zu und ich hatte bereits wieder meinen Platz an dem kleinen runden Tisch eingenommen, als Herr van Dyck wiederum zu dem besagten Kistchen griff, um die Cigarren anzubieten. Ich war sehr dankbar, dass Herr van Dyck gegenüber dem Kapitän, bei dieser Gelegenheit nicht auf die van Leuthusens zu sprechen kam. Vielmehr lobten die drei Herren das vorangegangene Mahl und redeten über eher Alltägliches, wobei sie sich in die schweren Sessel fallen ließen. Dichte Rauchschwaden trübten mittlerweile das von zahlreichen Leuchtern gespendete Licht.

Die Portweingläser gut gefüllt vor sich stehend, erhob sich nach geraumer Zeit Herr van Dyck, machte einige Schritte hin und her, bei denen er kraftvoll an dem Rauchutensil zog und eröffnete das Gespräch.

„Meine Herren, wir haben uns heute in kleiner Runde hier eingefunden, weil mein Freund Gottfried Weber, mit einem ganz besonderen Wunsch an mich herantrat.“

Bei seinen Worten schritt Herr van Dyck langsam zum Sessel Herrn Webers und legte diesem freundschaftlich seine Hand auf die Schulter. „Es ist ein Wunsch, den ich sehr gut nachvollziehen kann, auch wenn ich, und dies möchte ich nicht verhehlen, eine gewisse Skepsis nicht verleugnen kann. Ich habe, lieber Gottfried, Kapitän Snijder natürlich bereits daraufhin angesprochen, dass Du den Wunsch hegst, Deinen Sohn Friedrich während einer Seereise, sozusagen in dessen Obhut zu geben. Nun möchte ich Euch bitten, Kapitän Snijder, hierzu einige Worte zu sprechen.“


Nachdem Herr van Dyck nochmals einen kräftigen Schluck des Portweins zu sich nahm, glitt er zurück in den Sessel. Im gleichen Augenblick erhob sich Kapitän Snijder und begann seinerseits mit sonorer Stimme zu sprechen. Hin und wieder nur schaute ich von meinem Buch auf, denn mir war immer noch nicht bewusst, weshalb Herr van Dyck bei diesem Gespräch Wert auf meine Anwesenheit legte.


„Verehrte Herren, Herr Weber, wie mich Herr van Dyck unterrichtete, ist Euch daran gelegen, dass Euer Sohn Friedrich zu uns an Bord kommt, wenn wir voraussichtlich im April des kommenden Jahres unsere Fahrt nach Ostindien aufnehmen. Sozusagen als Schutz vor den ständigen Unruhen, die den gesamten Kontinent betreffen und doch gerade in Eurer Gegend verstärkt auftreten, als auch zur Vorbereitung auf das spätere Leben soll Eurem Sohn diese Reise dienen. Doch bedenkt, Herr Weber, dass eine solche Seefahrt schon selbst eine Gefahr darstellt. Nicht nur, dass wir stets mit Überfällen von Freibeutern oder Piraten rechnen müssen, auch den nicht zu unterschätzenden Unbillen der Natur werden wir ausgeliefert sein. Natürlich haben wir Burschen an Bord, die nur wenig älter sind, als Euer Sohn, Herr Weber. Aber selbst diese jungen Burschen sind schon raue Gesellen, die vielerlei Erfahrungen hinter sich brachten.“


Beinahe zaghaft versuchte Herr Weber, die Wortgewalt des Kapitäns zu unterbrechen.

„Verzeiht, verzeiht, Kapitän Snijder, sehr wohl verstehe ich Euren Einwand, doch ich meine, es wäre allemal besser, Friedrich durch diese Schule gehen zu lassen, als abzuwarten, dass er daheim marodierenden Banden in die Hände fällt. Gestattet mir zudem eine Frage, da ich als Landratte in diesen Dingen nicht sehr bewandert bin. Zwar weiß ich, dass mein Freund Johan ein Schiff sein Eigen nennt, doch habe ich mich bislang nie um derartige Dinge gekümmert….“


„Höre ich Sorge in Eurer Stimme?“, übernahm der Kapitän wieder eifrig das Gespräch, „dann zu Recht, denn selbst in ruhigen Zeiten ist eine Seefahrt kein Vergnügen. Jedoch, mit der Mirte haben wir ein besonderes Schiff unter den Füßen.“

Deutlich war dem Kapitän anzumerken, welche Freude es ihm bereiten würde, gerade mit diesem Schiff wieder baldigst in See zu stechen. Nur so ist es zu verstehen, dass er begann, dem nicht wirklich an der Seefahrt interessierten Herrn Weber, das ganze Schiff zu erklären.


„Nun, eine Sorge kann ich Euch bereits vorweg nehmen, denn bei dieser Reise werden wir nicht mit einer Fleute unterwegs sein, die Ihr hier im Hafen von Amsterdam sehr häufig antreffen könnt und die Euch sicher einmal aufgefallen sein wird. Die Fleute weist zwar eine große Ladekapazität auf, ist aber eher für die Nord- oder Ostsee geeignet. Wir fahren und es ist schade, dass Ihr sie nicht in Augenschein nehmen könnt, da sie gerade vor Texel liegt, mit eben dieser wehrhaften Mirte. Ich selbst habe im Laufe der Jahre meine Füße auf viele Planken gesetzt, so kann ich sehr gut nachvollziehen, wie stolz Herr van Dyck auf dieses Schiff ist. Die Mirte ist eine Galeone, aus Pinien- und Eichenholz hier in Amsterdam gefertigt. Ein Schiff, ähnlich den anderen Ostindienfahrern und mit prächtigen Ausmaßen ausgestattet. Allerdings hat Herr van Dyck es sich nicht nehmen lassen, beim Bau einige Änderung anzuweisen, so dass die Unterbringung an Deck für die Herrschaften nicht ganz so spartanisch ausfällt.

Ein Handelsschiff zwar, jedoch mit einer dem Kriegsschiff ähnelnden Bewaffnung, um die wertvollen Waren sicher transportieren zu können und geeignet, Piraten und Freibeutern die Angriffslust zu vergällen. Wir werden sie mit einer guten Besatzung ausstatten, die ich mir recht sorgfältig aussuchen werde. Ebenso greife ich auf mir vertraute Offiziere zu.“


Nach einem Schluck aus dem Glas und einem weiteren Zug an der Cigarre setzte er seine Ausführungen fort und vereitelte so den Versuch Herrn Webers, an dessen vorangegangenen Worte anzuknüpfen.


„Neben Herrn van Dyck als Oberkaufmann und mir werden sich weitere Offiziere an Bord befinden. Dazu Unteroffiziere, Steuerleute, Zimmerleute, der Smutje mit seinen Helfern, Kanoniere, gemeine Seeleute, ach du meine Güte, ich hoffe ich habe niemanden vergessen. Desweiteren kommen gut ausgerüstete und geschulte Wachleute mit an Bord, welche Angriffe von außen abwehren und übermütige Seeleute in die Schranken zu verweisen, in der Lage sind. Darüber hinaus werden zahlende Passagiere an Bord kommen. Darunter ein Botaniker und natürlich Kaufleute, welche ihre eigenen Kontakte in Ostindien knüpfen möchten. Für die Passage haben sie ein ordentliches Entgelt zu entrichten“, widmete sich der Kapitän nun sogar den kaufmännischen Belangen. Doch rasch fand er zurück zu seinem Lieblingsthema.


„Die Mirte ist ein Rahsegler und in der Takelung ein Vollschiff mit drei Masten, an Bord befinden sich vierundzwanzig gusseiserne Kanonen! 24-Pfünder“, ergänzte er genussvoll die vorangegangenen Worte. „Die nicht ganz volle Bewaffnung, die einem derartigen Schiff ansonsten zusteht und das nicht Zuviel an Besatzung und Passagieren, entspricht dem ausdrücklichen Wunsch Herr van Dycks, um größere Ladekapazitäten zur Verfügung zu stellen. Somit werden sich wohl weniger als zweihundertfünfzig Männer an Bord befinden, so dass wir gut und gerne weit mehr als sechshundert Lasten an Waren und Vorräte aufnehmen können. Wir werden so vollbeladen Richtung Batavia aufbrechen, dass sämtliche Kosten bereits durch den Verkauf der an Bord befindlichen Waren gedeckt sind. Aber, um noch einmal auf die Mirte zu sprechen zu kommen, mit ihren drei Masten..“


„Danke, danke Kapitän Snijder“, fiel Herr van Dyck ihm endlich ins Wort, denn es entstand der Eindruck, dass der Kapitän, angetan von seinen eigenen Ausführungen, nun über jede einzelne Planke des Schiffs einen Vortrag halten wollte.

Mit einem an Herrn Weber gerichteten Blick fügte er hinzu: „Ich denke Kapitän, dass Ihr fürs Erste meinem Freund einen mehr als guten Überblick verschafft habt. Da meine Ehe kinderlos blieb, gab ich diesem schönen Schiff, von dem Ihr so ausführlich erzähltet, Kapitän, den Namen meines nicht minder hübschen Weibes“, richtete er weiterhin ein Kompliment an seine nicht anwesende Gattin.

„Gottfried, Du siehst, wir haben ein gutes Schiff und mit Herrn Snijder einen Kapitän, den ich seit vielen Jahren schätze“ wandte sich Herr van Dyck nun direkt seinem Freund zu. „Gerne bin ich be-reit, Deinem Wunsche zu entsprechen und Friedrich mit auf diese Reise nehmen. Doch bedenke, ob dies wirklich eine gute Idee ist. Friedrich ist gerade zehn Jahre alt und ob so eine Fahrt hilfreich ist, um zu lernen oder eher eine gefährliche Angelegenheit wird, wer möchte das beurteilen. Er ist eben nicht einer dieser wüsten Knaben, die bereits, ob zu Lande oder an Bord, viel Erfahrung sammelten.

Legt die Mirte ab, dann sind wir nahe den Küsten Englands, fahren weiter entlang den Küsten Frankreichs, Spaniens und Portugals, nicht unbedingt Länder, die uns nur wohlgesonnen sind. Wir passieren die Fieberküsten Westafrikas und umfahren das Kap der Guten Hoffnung; nicht auszudenken für mich, wenn unter meiner Obhut Deinem Friedrich etwas zustoßen sollte.“


Sich ebenfalls aus dem schweren Sessel drückend, erhob nun Herr Weber seine Stimme.

„Verehrter Kapitän Snijder, lieber Johan, meine Herren, für die bisherigen Ausführungen danke ich sehr. Doch bitte ich um Verständnis dafür, dass meine Sorgen um Friedrich weitaus größer sind, würde er daheim bleiben und plündernden und mordenden Banden in die Hände fallen, die seit Jahren unser Land heimsuchen. Es ist kaum noch auszumachen, wer eigentlich für das Recht steht. Seit Jahren nun zieht dieser Schrecken durch die Lande und ich habe die innige Hoffnung, dass nach der Rückkehr der Mirte diese Zeiten doch endgültig vorbei, wenn auch nicht vergessen sein werden. Gerade darum sehe ich in dieser doch lange währenden Reise nicht nur einen Schutz für Friedrich, sondern durchaus eine Lehrzeit, die ihm womöglich später zugutekommen wird. Sollte dennoch während der Reise etwas passieren, so verspreche ich schon heute hoch und heilig, die Schuld nicht bei jenen zu suchen, um deren Hilfe ich bat. Zunächst erscheint es mir jedoch angebracht zu fragen, ob meine Ersparnisse für Friedrichs Reise überhaupt ausreichend sind.“


„Über die Jahre hinweg, habe ich Dich, Gottfried, als treuen und redlichen Kunden kennen gelernt, woraus sich unsere dermaßen gute Freundschaft entwickelte, die wir mit Gulden keineswegs belasten wollen. Ich verspreche Dir, für Friedrich Sorge zu tragen, als wäre er mein eigener Sohn und Du und Selma, ihr versprecht mir, während meiner Abwesenheit für mein Weib Mirte da zu sein, wann immer sie Eurer Hilfe bedarf“, sprach Johan von Dyck und schenkte weiter von dem edlen Wein ein, der sich wohlig in den Körpern der Männer bemerkbar machte.

„Ich habe durchaus bemerkt, dass ich Dich von Deinem Vorhaben nicht werde abbringen können, Gottfried“, fuhr Herr van Dyck fort. „So manche Stunde habe ich im Vorfeld des heutigen Abends über Deinen Wunsch gegrübelt und dabei den Gedanken gefasst, dass mich Hendrik auf dieser Reise begleiten soll. Wie Ihr, meine Herren, wisst, arbeitet Hendrik van Houten bereits seit langer Zeit in unserem Kontor. Und ich mache keinen Hehl daraus, dass er mir in all den Jahren mehr zum Sohn geworden ist, als dass ich in ihm nur den stets gewissenhaften Mitarbeiter sehe. Neben all dem Wissen, welches sich Hendrik in unserem Kontor fleißig angeeignet hat, besitzt er zudem außergewöhnlich gute Kenntnisse in der Mathematik und auf vielen anderen Gebieten der Bildung und der Wissenschaft. Ihn möchte ich als meinen Stellvertreter mitnehmen. Aber seine hauptsächliche Aufgabe während der Überfahrt werde ich dafür vorsehen, sich um die Ausbildung Friedrichs zu kümmern.“


Dies war also der Grund, weshalb ich unbedingt an dem Gespräch teil-nehmen sollte. Da sich nunmehr alle Blicke auf mich richteten, nahm ich das Wort auf.


„Herr van Dyck, ich weiß gar nicht, was ich sagen soll, jedenfalls danke ich Euch sehr für das Vertrauen, das Ihr in mich setzt. Natürlich werde ich Eurem Wunsche entsprechen und mein Bestes geben, damit auch Friedrich Vorteile von dieser Reise hat. Doch, so gerne ich mich auch mit den Tabellen und Listen des Einkaufs befasse, so wenig habe ich mich bisher um die Seefahrt bemüht. Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass mich eines Eurer Bücher dermaßen faszinierte, dass ich nicht allen bisherigen Schilderungen die größte Aufmerksamkeit schenkte. Darf ich fragen, wohin die Reise eigentlich führen soll?“


Das einsetzende Gelächter der Männer beschämte mich schon ein wenig, ebenso wie der leichte Tadel, der in den folgenden Worten Herrn van Dycks mitschwang.


„Nun Hendrik, eben noch lobte ich Dich wegen Deiner erworbenen Kenntnisse und dabei liegt jetzt in Deiner Frage die Suche nach der Herkunft unserer Waren. Wie doch in all den Jahren zuvor werden wir natürlich nach Ostindien, nach Batavia aufbrechen. Dort wollen wir große Mengen an Gewürzen einkaufen, die Du schon so häufig in Deinen Büchern erfasst hast. Zudem hat Kapitän Snijder ein Geschäft mit dem chinesischen Händler Tiu Ning Qiang eingefädelt, den wir in Batavia treffen werden und der uns feinste Seidenstoffe und edles Porzellan zu liefern versprach. Durch unser Zusammentreffen auf Batavia ersparen wir uns eine lange und nicht ungefährliche Weiterfahrt nach Shanghai. Zudem blieb es mir nicht verborgen, dass Du, Hendrik, doch manch sehnsuchtsvollen Blick auf die See gerichtet hast, wenn ein Schiff sich zu den fernen Ländern aufmachte. So wird diese Reise sicher auch für Dich Vorteile bringen. Zumindest was Deine Studien der Kartographie angeht.“


Ich suchte noch nach den Worten einer Entschuldigung für meine Unaufmerksamkeit, als Kapitän Snijder wieder das Wort ergriff, wofür ich in diesem Moment sehr dankbar war. Um jedoch meine ungeteilte Aufmerksamkeit zu demonstrieren, schob ich das mich fesselnde Buch beiseite und widmete mich fortan voll dem Gespräch.


„Zu Batavia, dem Landstrich, von welchem wir so häufig reden, fällt mir noch ein“, begann der Kapitän und richtete seinen Blick mehr auf Herrn Weber, als dass er uns alle ansprach „dass es noch nicht lange her ist, dass die Batavia, ein Schiff, ähnlich unserer Mirte, auf Grund lief, Meuterer das Kommando an Bord übernahmen und gemetzelt und gemordet wurde. Auch wenn Herr van Houten sich um die Belange Eures Sohnes kümmern wird, bietet dies keinerlei Gewähr dafür, dass Friedrich wohlbehalten zurückkehrt. Nicht dass Ihr mich falsch versteht, Herr Weber, ich möchte Euch, weiß Gott, keine Furcht einflößen. Doch die Schiffsjungen, die wir an Bord haben werden, stammen allesamt aus einem, ich sage einmal, robusterem Elternhaus, als es bei Friedrich der Fall ist.“


„Sei es drum“, übernahm nun wieder Herr von Dyck das Wort, „Gottfried, Du bist fest entschlossen, uns Deinen Sohn anzuvertrauen. So denke ich, wird es das Beste sein, dass Dein Junge bis zur Abfahrt im kommenden Jahr bereits jetzt bei uns bleibt. Sollte er während der Zeit bis dahin schon von der Sehnsucht nach seinen Eltern übermannt werden, dann wäre es sicher nicht gut, ihn auf die lange Reise mitzunehmen. Die kommenden Tage, die ihr noch hier verbringt, werde ich euch kurzweilig gestalten; ihr werdet erstaunt sein, wie sich unsere Stadt und unser Hafen seit eurem letzten Besuch herausgeputzt haben.“


Trotz der tadelnden Worte Herrn van Dycks fühlte ich Stolz in mir aufkommen, dass er mich als seinen Stellvertreter einbeziehen wollte und mich, sowohl gegenüber seinem Freund und auch Kapitän Snijder, als rechte Hand und Sohn bezeichnete. Dies würde mich zumindest dafür entschädigen, dass ich während der anstehenden Fahrt wahrscheinlich überwiegend eine Anstellung als Kindermädchen für einen zehnjährigen Buben finden sollte.


Die hauptsächlichen Dinge, die Herrn Weber und dessen Sohn Friedrich betrafen, waren somit besprochen und deshalb wandte man sich mehr dem Portwein zu. Dennoch folgte ich der Unterhaltung nun weiterhin aufmerksam, weil Kaptitän Snijder einfach nicht aufhören wollte, mehr über die damaligen Geschehnisse um die Batavia zu berichten.


So erfuhr ich, dass am 29. Oktober des Jahres 1628 eben dieses Schiff, welches den gleichen Namen wie die bekannte Handelsstation trug, unter dem Befehl von Kapitän Adriaen Jakobsz zu seiner ersten Reise aufbrach. Am 14. April des Jahres 1629 erreichte die Batavia dann das Kap der Guten Hoffnung. Einige Tage Liegezeit dort genügten ihnen, um neue Vorräte aufzunehmen. Am 4. Juni 1629 lief die Batavia jedoch auf ein Riff der Gruppe der Wallabi-Inseln. Unter Seeleuten war dieses gefährliche Riff bekannt und durchaus in den Seekarten eingezeichnet. Leider hatte Kapitän Jakobsz die Position des Schiffes falsch berechnet und zudem der Ausguck die Brandung am Riff, die typisch für eine Untiefe ist, als Leuchten von Wellen im Widerschein des Mondes interpretiert, was letztendlich zu dem Unglück führte.


Nach dem Logbuch starben während der ersten sechs Monate dieser Reise zehn Menschen; bei der Havarie kamen etwa zwanzig weitere Personen ums Leben. Die größte Zahl der Besatzungsmitglieder und Passagiere konnte sich jedoch auf kleine Inseln retten. Der Oberkaufmann, der Kapitän und einige ausgewählte Seeleute brachen schließlich in einem der Beiboote zu dem etwa 900 Meilen entfernten Batavia auf. Die unglaubliche Meisterleistung des Kapitäns, die im krassen Widerspruch zu dem vorangegangenen Navigationsfehler stand, führte das kleine Boot sicher zu der Handelsniederlassung. Die Zurückgebliebenen hatten indes nicht nur mit dem ständigen Wassermangel zu kämpfen, sondern unter der Führung des Unterkaufmanns Jeronimus Cornelisz begann eine Schreckensherrschaft mit dem Ziel, sich für den Fall einer Rettung die wertvolle Ladung des havarierten Schiffes zu sichern.

Eine abenteuerliche Geschichte, die ich da zu hören bekam. Möge Gott uns davor bewahren, dass so ein Schicksal auch auf uns zukäme.


Weder Herrn van Dyck, dem diese Geschehnisse vermutlich bekannt waren, noch Herrn Weber schienen die Erzählungen Kapitäns Snijders weiter zu interessieren. Und als Herr Weber nur schwerlich ein Gähnen zu unterdrücken vermochte, meldete sich Herr van Dyck nocheinmal zu Wort.

„Kapitän Snijder, nochmals meinen besten Dank für Eure umfangreichen Ausführungen, aber ich finde, wir sollten meinen Freund nicht mit einem Zuviel an diesen durchaus spannenden Geschichten überfordern“, umging er geschickt die eigene aufkommende Müdigkeit. So, als wollte er den wertvollen Inhalt des Kistchens geradezu loswerden, bot er dem Kapitän für den Heimweg nochmals von den Cigarren an.


In den darauffolgenden fünf Tagen, an welchen sich die Webers noch

als Gäste der van Dycks in Amsterdam aufhielten, bekam ich nur selten jemanden von ihnen zu Gesicht. Ich ging meinen Arbeiten nach und beschaffte mir Karten, anhand derer ich mir abends in Ruhe die Stellen ansehen konnte, die Kapitän Snijder in seinen Erzählungen erwähnte.

Über die Wareneingangslisten gebeugt, saß ich im meinem Arbeitszimmer des Kontors, als in den späten Vormittagsstunden Herr van Dyck mit Friedrich an der Seite eintrat.

„Hendrik, meine Freunde haben die Heimreise angetreten und nun liegt es an uns, dafür Sorge zu tragen, dass sich Friedrich bei uns wohl fühlt.“

„Guten Tag, Herr van Houten“, begrüßte mich der Knabe höflich.

„Guten Tag, Friedrich“, gab ich ebenso höflich zurück. „Möchtest Du mir unter die Arme greifen?“, versuchte ich seine Scheu fortzuwischen; „ich muss gleich runter in die Lagerräume, dort kannst Du sehen und sogar riechen und schmecken, mit welchen Köstlichkeiten wir es zu tun haben.“

„Sehr gerne, Herr van Houten“, strahlte mich der Bube keineswegs verschlossen an.

Mit den Worten „dann möchte ich die Herren auch nicht länger von der Arbeit fernhalten“, verabschiedete sich Herr van Dyck.


Friedrich hatte ich bei einem zurückliegenden Besuch nur sehr flüchtig kennengelernt, und jetzt, nach diesen etwa drei Jahren, stand ein schon deutlich reiferer Knabe vor mir.

„Es riecht sehr angenehm, Herr van Houten“, bemerkte der Bursche, als wir die Lagerräume betraten.

„Ja“, stimmte ich zu, „das ist der Zimt, vor dem wir stehen. Ich rieche ihn auch sehr gerne; der Zimt stammt aus Ceylon und wenn wir von unserer Reise zurückkehren, dann werden wir davon mit Sicherheit einige Säcke an Bord haben“, erklärte ich Friedrich.

„Ich hab`s auf dem Schild dort lesen können, Herr van Houten, dort steht Zimt.

„Ah, Du kannst lesen, Friedrich?“

„Natürlich, Herr van Houten, auch rechnen, meine Eltern brachten es mir bei und ich übe beinahe jeden Tag.“

„Sehr gut, Friedrich, dann denke ich, wirst Du mir wahrhaftig eine große Hilfe sein können“, lobte ich ihn.

„Und dort steht Pfeffer geschrieben“, bewies er mir seine Fähigkeiten.

„Ja, ja, Junge, nur nicht so schnell, ich muss die Anzahl der Säcke noch mit meinen Listen prüfen; Du kannst schon einmal durch die Gänge gehen und dich mit den Sachen vertraut machen, während ich hier die Additionen durchführe.“


„Hier stehen einundvierzig Kübel mit Weihrauch“, empfing er mich, als ich nach kurzer Zeit seinen Platz erreichte.

„Gut, Friedrich“, erwiderte ich und hängte ein „sehr gut“ an, nachdem ich die Anzahl der Kübel sicherheitshalber rasch durchgezählt hatte. Noch mehrfach nannte er mir die Anzahl von Ballen, Säcken oder Fässern, deren Richtigkeit sich stets bewahrheitete. Dennoch konnte ich mich nicht dazu entschließen, im weiteren Verlauf auf die Überprüfung seiner Angaben zu verzichten.


„Abgesehen von den Tüchern und Stoffen, die Vater in unserem Handelsgeschäft führt, habe ich viele Dinge nie zuvor gesehen, Herr van Houten. Wofür werden sie eigentlich benötigt?“

„Ein Großteil davon geht in die Häuser der edlen Leute; Pfeffer, Muskatnuss und Zimt finden dort Verwendung zum Würzen der Speisen. Für die Bauernsleute, Handwerker oder Tagelöhner sind sie jedoch zumeist unerschwinglich. Vieles davon findet auch in der Medizin Verwendung und es gibt kaum ein Kirchenhaus oder einen Hofstaat, wo nicht Weihrauch zu finden ist. Darum ist es wichtig, dass meine Listen genau wiedergeben, welche Bestände wir zur Verfügung haben und wieviel wir zukaufen müssen, wenn andere Schiffe ihre Fracht im Hafen ausladen oder was die Mirte von ihren Fahrten mitbringen muss. Denn, wenn wir die Waren selbst in den fernen Gebieten einkaufen, sind unsere Gewinnspannen weitaus größer, als wenn wir sie im Hafen von anderen Schiffen übernehmen.“


Von der Wissbegierigkeit des Knaben war ich ebenso angetan, wie von seinem sehr angenehmen Wesen. Nein, ich glaubte nicht mehr, auf der bevorstehenden Fahrt nur als Gesellschafter für einen bislang wohlbehüteten Burschen herhalten zu müssen. So konnte ich nach Wochen, die wir in ähnlicher Weise verbrachten, auf die Nachfrage Herrn van Dycks, wie sich der Junge denn fühlte, auch nur Gutes vermelden.


„Ich bin angenehm überrascht, Herr van Dyck. Friedrich ist ein schlauer Bursche und wenn er sich weiter so entwickelt, dann wird Herr Weber in seinem Sohn einen würdigen Nachfolger für seinen Tuch-handel finden. Wenn ich nicht gar Acht geben muss, dass er mir in wenigen Jahren meinen Posten In Eurem Kontor streitig macht.“

„Das freut mich Hendrik, denn ich hatte schon meine Sorge, dass Du dich womöglich zu sehr eingeschränkt siehst, wenn Du einen Großteil Deiner Zeit dem Buben zuwendest.“

„Nein, keineswegs, Herr van Dyck, ich fühle mich nur manchmal in die Enge gedrängt, wenn ich auf seine unendlichen Fragen selbst keine gescheiten Antworten finde“, scherzte ich. „Zudem bereitet es mir Freude, nun jemanden gefunden zu haben, der sich allem Anschein nach ebenfalls für die Kartographie interessiert; Euch konnte ich bislang ja nicht dazu bewegen.“

„Hör auf, Hendrik, darum sollen sich die Seeleute kümmern, welche die Karten benötigen oder jene die sich aufmachen, neue Gebiete zu entdecken oder eben Träumer, so wie Du einer bist“, lachte Herr van Dyck wohlgefällig.

Drachenspuren

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