Читать книгу Drachenspuren - Jack Bredaux - Страница 7

Kapitel 4

Оглавление

Die Wochen zogen ins Land und häufiger als zuvor war ich genötigt, Friedrich sich selbst zu überlassen. Aber es fiel ihm nicht schwer, sich mit Büchern oder Zeichnungen zu befassen, die ich ihm bereitwillig überließ. Selbst hingegen war ich mehr und mehr damit befasst, die mir von Herrn van Dyck übertragenen, neuen Aufgaben zu erledigen. Zudem weihte er mich immer häufiger in seine geschäftlichen Gedanken ein.


Der strenge Winter lag hinter uns, doch nur langsam bahnten sich die wärmenden Strahlen der Frühlingssonne einen Weg. Bald würde die Mirte von La Gomera zurückkehren. Auf diesem Archipel im Atlantischen Ozean übernahm sie Waren von einem Schiff, welches exotische Güter von den Westindischen Inseln brachte. Und nur kurze Zeit später, wenn die Mirte diese Fracht in Amsterdam löschte, dann, so war es geplant, würden wir uns in Richtung Ostindien auf den Weg machen. Die Vorbereitungen dazu waren in vollem Gange.


„Hendrik, Du musst unbedingt darauf achten, dass ausreichend Fässer des eingelegten Kohls mit an Bord kommen. Wir können es uns nicht erlauben, auch nur einen Teil der Besatzung durch Skorbut zu verlieren. Es ist wichtig, dass wir..“; ein heftiger, trockener Husten unterbrach seine begonnenen Worte. Sich dabei schüttelnd, rang er sichtbar nach Luft.

„Herr an Dyck, Ihr solltet Euch schonen und mit Verlaub, Ihr solltet diese Cigarren aus dem Hause verbannen.“

„Ach, quatsch, Hendrik, seit Wochen schon rühre ich diese qualmenden Blätter nicht mehr an. Ich muss mir an einem der kalten Wintertage etwas zugezogen haben. Bleibt nur zu hoffen, dass es mir zu Beginn unserer Fahrt besser geht. Schließlich soll es das letzte Mal sein, dass ich mich selbst an Bord begebe. Doch ein Treffen mit dem chinesischen Handelspartner halte ich für äußerst wichtig. Wie war doch gleich der sonderbare Name dieses Herrn? Ich kann ihn mir einfach nicht merken.“

„Tiu Ning Qiang ist der Name des Händlers, mit dem seinerzeit Kapitän Snijder Kontakt aufnahm, Herr van Dyck.“

„Genau, und eben dieser gute Mann soll uns das feinste Porzellan zur Verfügung stellen können, meinte jedenfalls Kapitän Snijder. Wenn wir damit die Königshäuser beliefern, dann können wir nicht nur gute Profite einfahren, sondern vielleicht sogar hoffen, dass sie zukünftig ihre Freibeuter von uns fernhalten.“

„So würden wir gleich zwei Fliegen auf einen Schlag treffen, Herr van Dyck“, pflichtete ich bei. „Doch solange um uns herum die Kriege toben, ist damit kaum zu rechnen. Wann endlich werden diese sinnlosen Zerstörungen aufhören?“, hängte ich fragend an.

„Seit Jahren hoffen wir darauf, Hendrik, aber schau Dir nur an, wie sehr alleine unsere Lieferungen zu meinem Freund Gottfried eingebrochen sind, dann siehst Du, wie es zurzeit um uns herum bestellt ist.“ „Da stimme ich Euch zu, Herr van Dyck. Wenngleich in den nächsten Wochen eine stattliche Lieferung an Ballen Tuchs zu ihm auf den Weg ist. Ich habe Eure Zustimmung vorausgesetzt und Anweisung gegeben, dass das Schiff, welches die Waren über den Rhein nach Xanten bringen wird, auf der Rückfahrt die Webers mit an Bord nimmt. Denn sicherlich werden sie sich von Friedrich verabschieden wollen.“

„Sehr gut, Hendrik, sehr gut, daran habe ich, muss ich gestehen, derzeit überhaupt keine Gedanken verschwendet.


Jeden Tag konnte nun mit der Rückkehr unseres Schiffes gerechnet werden. Dann verbreitete sich die Nachricht wie ein Lauffeuer. Die Mirte kehrte zurück nach Amsterdam und wie immer fanden sich schnell die Schaulustigen ein, wenn in der Ferne die Segel eines solchen Kolosses auszumachen waren, die sich dem Hafen näherten. Wie immer strebten die Schaulustigen dem Hafen zu und die feinen Herrschaften fanden sich ein.


Gemächlich und vom Husten gequält verließ Herr van Dyck die Kutsche und half seiner Gemahlin beim Ausstieg. Friedrich und ich, wir hatten uns bereits einige Zeit zuvor zu Fuß auf den Weg gemacht. Jedesmal, wenn ich mich auf den Weg zum Hafen machte, um diesem Schauspiel beizuwohnen, überkamen mich die Gedanken an den längst vergangenen Tag, an welchem soviel Schreckliches geschah. Stets voller Sorge, hielt ich mich beim Entladen des Schiffes in deutlicher Entfernung auf und gab auch Friedrich zu verstehen, Abstand zu den Laderampen zu halten. Nur wenige Schritte entfernt fanden sich zu den van Dycks, die Eheleute van Leuthusen ein, die von ihrer Tochter Frederike begleitet wurden. Schnell kamen die Herren über das Geschäftliche ins Gespräch, da die Mirte auf den Kanaren Fracht an Bord nahm, die wiederum für Herrn Leuthusen gedacht war. Große Mengen an Cigarren, füllten somit diesmal den Bauch der Mirte.


„Hendrik“, hörte ich meinen Namen und sah, wie mich Herr van Dyck zu sich heranwinkte.

„Herr van Leuthusen, meinen besten Mann, Herrn van Houten, brauche ich Euch wohl nicht vorzustellen“, sagte Herr van Dyck, während ich zu der Gruppe trat.

„Durchaus nicht, Herr van Houten ist mir wohl bekannt“, entgegnete Herr van Leuthusen.

Mit meinem Hut in der Hand verbeugte ich mich vor den anwesenden Damen und mein Herz schlug deutlich schneller, als ich meinen Blick Fräulein van Leuthusen zuwandte. In ihrem Gesicht glaubte ich, ein äußerst wohlgefälliges Lächeln zu bemerken.

„Herr van Houten“, unterbrach Herr van Leuthusen den Moment des Schweigens, „Herr van Dyck ist voll des Lobes über Euch, so dass ich beinahe geneigt bin, Euch abzuwerben.“

„Vielen Dank für Eure freundlichen Worte, Herr van Leuthusen, aber auf der anstehenden Fahrt werde ich mich wohl noch erst richtig beweisen müssen. Würdet Ihr ebenfalls Gewürze einführen, wie Herr van Dyck, dann könnte ich wahrscheinlich manche Nacht über Euren Vor-schlag nachdenken. Doch leider hält sich mein Wissen über Eure wohl-duftenden Pflanzenstangen noch sehr in Grenzen“, scherzte ich.

„Wenn Ihr mir Herrn van Houten abspinstig machen wollt, dann lasse ich Eure Cigarren umgehend ins Hafenbecken werfen“, alberte Herr van Dyck mit.

„Und das ist der junge Mann, der Euch zur Seite stehen wird“, richtete Herr van Leuthusen seine Frage an mich und deutete dabei auf Friedrich.

„Ja, Herr van Leuthusen, und wenn sich Friedrich weiterhin so bemüht, wie er es bereits seit etlichen Wochen macht, dann werdet Ihr in ihm sicher einen guten Mitarbeiter finden“, lobte ich nun meinen jungen Begleiter Friedrich.

Mit seinem Dreispitz in den Händen, den er verlegen hin und her drehte, ließ Friedrich den Lobgesang über sich ergehen.


Dann machte sich allgemeine Unruhe breit, da mit dem Entladen der Mirte begonnen wurde.

„Hendrik, kommst Du noch mit in das Gasthaus, Herr van Leuthusen und ich haben noch Einiges zu besprechen?“

„Wenn Ihr mich dazu nicht dringend benötigt, Herr van Dyck, dann würde ich mir gerne mit Friedrich unser Schiff einmal genauer anschauen.“

„Dazu werdet ihr doch bald mehr als ausreichend Zeit zur Verfügung haben; aber sei´s drum, ihr könnt es wohl nicht abwarten.“

Bevor sich die Herrschaften auf den Weg zum Gasthaus machten und ich mich von Frau van Leuthusen und Fräulein Frederike verabschiedete, deren Hand ich wahrscheinlich einen Moment zu lange in der meinen hielt, sie mir diese jedoch nicht entzog, wandte sich Herr van Leuthusen mir noch einmal zu.

„Vielleicht beehrt Ihr mein Haus einmal mit Eurem Besuch. Dort kann ich Euch dann mehr über die Cigarren erzählen und wir können über andere Dinge reden.“

„Sehr gerne, Herr van Leuthusen, ich danke Euch vielmals.“


Während ich mich mit Friedrich auf den Weg machte, um näher an die Mirte heranzukommen, tat sich in meinem Innersten das Herz auf. Be-sagte die Einladung von Herrn van Leuthusen denn nicht, dass er mei-nen überaus zaghaften Werbungsversuchen wohlwollend gegenüberstand?

Als ich einen Blick auf Friedrich warf, meinte ich ein Lächeln um seinen Mund huschen zu sehen und wie wissend, traf mich sein nach oben gerichteter Blick. Aber ach, was wusste der Knabe denn schon von Herzensangelegenheiten.


Mit dem wie erwähnt, gebotenen Abstand, verfolgten wir das Entladen des Schiffes. Auf den Köpfen die Säcke tragend, Fässer rollend oder die Kisten schleppend, schafften die schwitzenden Männer die Güter von Bord.

„Siehst Du, Friedrich, ich habe Dir nicht zuviel versprochen. Das bietet schon ein anderes Spektakel, als wenn die weitaus kleineren Schiffe tagtäglich hier anlanden.“

„Meint Ihr, Herr van Houten, wir dürfen einmal an Bord gehen?“

„Es sieht nicht danach aus, Friedrich. Ich sehe keine bekannten Gesichter an Bord und der Kapitän an Bord ist mir ebenfalls fremd. Aber in den nächsten Tagen werden wir die Möglichkeit haben. Wenn die Mirte erst entladen ist, wird sie bereit gemacht für unsere Fahrt und wir beginnen mit dem Beladen. Somit werden wir uns fast täglich an Bord befinden.“

„Beladen; ich dachte wir fahren los, um Waren einzukaufen, Herr van Houten?“

„Natürlich, Friedrich, doch es wäre reine Verschwendung, wenn wir nicht mehr als unsere Vorräte dabei hätten. Einen Großteil unserer Ladung werden Backsteine und Waffen für die Siedlungen sein, die wir anlaufen. Aber schau, Friedrich, ist sie nicht ein wunderbares Schiff? Sieh nur, Besanmast, Hauptmast und Fockmast, wie sie gewaltig in die Höhe ragen; und der aufwändig verarbeitete Heckspiegel.“

„Oh, Herr van Houten, Ihr wisst aber viel über Schiffe; seid Ihr selbst schon zur See gefahren?“

„Nein, Friedrich, ebenso wie für Dich ist es auch meine erste Fahrt. Somit ist mein Wissen auch eher gering, aber Kapitän Snijder hat mich vor einigen Wochen recht gut informiert. Wenn der einmal anfängt von seinem Schiff zu reden, dann gibt es kein Halten mehr.“

„Wann werden wir uns denn auf den Weg machen?“

„Du meinst, wann wir in See stechen? In zwei, vielleicht in drei Wochen, Friedrich. Dass bestimmen Herr van Dyck, der als Oberkaufmann die volle Verantwortung dafür trägt und natürlich Kapitän Snijder, der weiß genau, wann die Mirte zur Abfahrt bereit ist.“


Die Zeit bis dahin verging weitaus schneller, als mir lieb war. Ging es mir soeben noch darum, eine sinnvolle Beschäftigung für Friedrich zu finden, dann musste ich mich im nächsten Moment darum kümmern, woher ich die vielen Fässer mit dem eingelegten Kohl hernehmen sollte, an denen Herrn van Dyck so sehr gelegen schien.

„Wir müssen aus den vorangegangenen Fehlern lernen und auf meinem Schiff wird niemand ein Opfer von Skorbut werden“, pflegte er bei meinen Einwänden dazu anzuführen.

Beinahe zeitgleich wünschte er jedoch mit mir noch einmal alle Prei-se, sowohl des Verkaufs für unsere Waren, als auch die des Einkaufs der zu erstehenden Güter, abzusprechen. Dabei hatte ich mir doch vorgenommen, unbedingt noch vor der Abreise, meine Aufwartung bei den van Leuthusens zu machen. Weniger, um mich mit Herrn van Leuthusen über seine Cigarren auseinander zu setzen, als vielmehr meine Hoffnung darin zu sehen, der Tochter des Hauses zu begegnen.


Gut möglich, dass Herr van Dyck mich deshalb momentan so sehr in Anspruch nahm, damit mir für diese Begegnung noch Zeit blieb.

Seine Worte wirkten schließlich wie eine Erlösung von meinen Gedanken.


„Hendrik, vor zwei Tagen traf ich Herrn van Leuthusen; er würde sich sehr freuen, Dich morgen als Gast zum Essen begrüßen zu dürfen.“

„Oh, danke, Herrn van Dyck, das wäre mir beinahe entfallen“, log ich ohne jegliche Not.

„Sicher, Hendrik, bei all der Arbeit, die ich über Dich ausschütte. Aber mir ist nun einmal sehr daran gelegen, dass wir die späteren Verhandlungen mit diesem Herrn Tiu gemeinsam führen. Die Schlitzohrigkeit dieser Chinesen ist ja geradezu sprichwörtlich und ich möchte nicht, dass wir uns über den Tisch ziehen lassen.“

„Aber Kapitän Snijder schwärmt doch geradezu von Herrn Tiu Ning Qiang.“

„Natürlich, Hendrik, der Käpt´n ist überaus stolz, uns diesen Partner vermittelt zu haben, doch er ist eben unser Käpt´n und kein Kaufmann.“

„Ihr dürft Euch darauf verlassen, Herrn van Dyck, dass ich mein Bestes geben werde.“

„Dessen bin ich mir sicher, Hendrik und darum bin ich sehr froh, Dich auf dieser Reise an meiner Seite zu wissen.“


Die Art und Weise, wie Herr van Dyck während der vergangenen Monate immer mehr Lob über mich ausschüttete, schmeichelte mir sehr. Allerdings fühlte ich mich dadurch gleichzeitig noch mehr unter Druck ge-setzt, mich um alles aber um wirklich alles, kümmern zu wollen. Da stellte die Einladung zu den van Leuthusens doch eine willkommene Abwechslung dar.


Aufgeregt und angefüllt mit freudiger Erwartung betrat ich nun zum ersten Mal die Räume eines anderen Amsterdamer Reeders und Kontorinhabers. Meinen Hut in der Hand, die edlen Seidentücher als Geschenk im Arm, begrüßte ich höflich die verehrte Dame des Hauses und das überaus verehrte Fräulein, um gleich darauf mit einem „Willkommen in unserem bescheidenen Heim“, von Herrn van Leuthusen empfangen zu werden.

Die Gespräche während des Essens an der reichlich bestückten Tafel waren nicht von besonderer Wichtigkeit und boten mir somit Gelegenheit, hin und wieder einen Blick zu Fräulein Frederike zu werfen. Meine Aufmerksamkeit ihr gegenüber schien keineswegs Missfallen zu verursachen. Aber das Ende des Mahls brachte es mit sich, dass Herr van Leuthusen mich in den angrenzenden Raum bat. Auf einem breiten Sofa, an einer Seite des Raumes, ließen sich die Damen nieder, um sich ihren Häkelarbeiten zu widmen. Derweil bot mir der Hausherr an, in einem der Sessel am wuchtigen Tisch Platz zu nehmen.


„Herr van Houten, ich habe bereits vernommen, dass Ihr dem Rauchen nichts abgewinnen könnt“, begann er, und füllte dabei edlen französischen Branntwein in zwei dickbauchige Gläser.

„Doch nach einem derart kräftigen Essen ist ein guter Schluck und ein ebenso kräftiger Zug unabdingbar für eine gute Verdauung.“

Mit diesen Worten hielt er mir eines dieser bekannten Kistchen entgegen und der Höflichkeit halber lehnte ich diesmal nicht ab.

Das eine Ende in die dargebotene Flamme des brennenden Holzstücks gehalten, zog ich am anderen Ende drei - bis viermal, bis kurz eine kleine Flamme an der Cigarre aufleuchtete, die sich dann glimmend weiterfraß.

„Ihr müsst hin und wieder daran ziehen, sonst wird die Glut erlöschen“, bekam ich dabei gleich einen weiteren Rat mit auf den Weg. Sogleich setzte ich diesen in die Tat um und zog noch einmal sehr kräftig an diesem sonderbaren Blattwerk, dass mir der Rauch in die Lungen geriet. Hustend und prustend schüttelte es mich richtig durch, schlimmer noch, als ich es seinerzeit bei Herrn van Dyck beobachtet hatte. Weitaus unangenehmer als das Gefühl, den Erstickungstod erleiden zu müssen war jedoch die Tatsache, auf diese Weise der allgemeinen Belustigung zu dienen. Aus den Augenwinkeln bemerkte ich, wie die Damen sich lächelnd die Handrücken vor die Münder hielten und auch Herr van Leuthusen ging mit seiner Freude über mein Missgeschick nicht zurückhaltend um.

„Hahaha, Herr van Houten, verzeiht mir bitte, aber Ihr schüttelt euch, als wäret Ihr vom schwersten Fieber befallen. Ihr dürft den Rauch natürlich nicht inhalieren, sondern nur den Mund damit füllen, damit Ihr die Würze zu schmecken bekommt.“

„Ich weiß, ich weiß, Herr van Leuthusen“, brachte ich mit schwacher Stimme hervor, aber so werdet Ihr sicher verstehen, dass ich einem Vergnügen, bei dem ich gleich so vieles beachten muss, nicht viel abgewinnen kann.“

„Nehmt einen kräftigen Schluck und spült den Rachen frei“, hob Herr van Leuthusen weiterhin lachend sein Glas und nickte mir zu.

Nach diesem kleinen Missgeschick setzten wir unsere Unterhaltung fort.


„Hm, Herr van Houten, Ihr werdet euch an meine Worte erinnern, in denen ich vor Wochen kundtat, Euch abwerben zu wollen. Viel zu lange bin ich mit den van Dycks geschäftlich verbunden, als dass mir Derartiges wahrhaftig in den Sinn käme. Jedoch, einer engeren Zusammenarbeit mit Euch, mehr noch, als dass Ihr mir nur gelegentlich meine Waren von La Gomera nach Amsterdam schafft, könnte ich mir recht gut vorstellen.“

„Ja, habt Ihr denn diesbezüglich schon einmal mit Herrn van Dyck gesprochen?“

„Nun, eher oberflächlich, wenn ich dies so ausdrücken darf. Herr van Dyck ist nuneinmal der VOC zugetan und sehr auf den Handel mit den ostindischen Kolonien bedacht. Den neueren Produkten, so wie ich sie zurzeit aus den westindischen Kolonien heranschaffe, steht er doch noch sehr verhalten gegenüber.“

„Mit Verlaub, Herr van Leuthusen, aber ist es nicht so, dass die Gewürze aus Ostindien mehr Anklang finden als die Cigarren?“

„Selbstverständlich. Aber auch dabei bedurfte es seine Zeit, bis diese angenommen wurden. Und die Cigarren sind weiß Gott nicht die einzigen Dinge, die wir nach Amsterdam holen. Zudem schwebt mir etwas vor Augen, dem wir zukünftig weit mehr Beachtung schenken sollten. Doch bevor ich mich dazu weiter auslasse, versprecht Ihr mir hoch und heilig, dass davon kein Wort nach außen dringt.“

„Herr van Leuthusen, selbstverständlich werde ich über das, was wir hier besprechen, kein Wort verlieren. Ich bin Euer Gast und zudem fühle ich mich noch auf andere Weise zu Eurem Hause hingezogen“, wagte ich nun einen Vorstoß, hin zu meinen wahren Besuchsabsichten.

„Das ist meiner Gemahlin und mir keineswegs verborgen geblieben, verehrter Freund, doch lasst uns darüber später reden“, brannte ihm die geschäftliche Angelegenheit unter den Nägeln.


„Kautschuk“, kam es flüsternd über seine Lippen, als er sich mir näher zuwandte, „sagt Euch das etwas, Herr van Houten?“

„Nein, Herr van Leuthusen, ich muss gestehen, ich weiß nicht, worauf Ihr hinauswollt.“

Nun war sein Gesicht dem meinen so nahe, als dürfte das Wort selbst über den Tisch hinweg nicht gehört werden; „Kautschuk, ich hörte und las selbst erst kürzlich darüber, ist wohl ein Pflanzensaft, der in den Wäldern Amazoniens gewonnen wird. Ich hörte, dass die Eingeborenen dort ihm allerlei Kräfte beimessen und ihn zudem nutzen, um Dinge wasserabweisend zu machen.“

Indem Herr van Leuthusen abermals von dem Branntwein eingoss und einen kräftigen Schluck davon nahm, redete er sich in eine Begeisterung, die mich gleichwohl mitriss.

„Wasserabweisend, Herr van Houten, stellt Euch nur vor, was das bedeutet. Wir könnten Schiffe damit bestreichen, so dass sie nahezu unsinkbar würden. Lagerräume blieben von Nässe verschont und kein Regentropfen käme mehr durch ein Dach in die Stube.“

„Habt Ihr denn schon etwas von diesem Kautschuk in den Händen gehalten oder derartiges ausprobiert?“, fragte ich nach.

„Leider nicht, aber ich habe schon mir sehr vertraute Personen auf den Weg geschickt, dass ich endlich davon eine Probe in den Händen halten kann.“

„Aber wenn darüber schon geredet wird und Ihr selbst davon gelesen habt, weshalb ist es nicht längst auf den Märkten zu entdecken?“, hakte ich nach.

„Es ist doch immer so, dass viel geredet wird und man nicht allem Glauben schenken kann, selbst wenn es geschrieben steht; wenn aber mein Schiff aus Westindien zurückkehrt, höre ich jedesmal davon. Wa-rum also nicht einmal auf etwas Neues spekulieren? Mein Schiff würde die Strömungen und guten Winde nutzen, um dieses Zeug zu den Kanarischen Inseln zu schaffen und Eure Mirte würde wiederum den Weitertransport nach Amsterdam übernehmen. Die Strecke wäre somit in etwa zur Hälfte aufgeteilt, so dass wir zügig für Nachschub sorgen könnten. Um jetzt selbst ein zweites Schiff in Auftrag zu geben, das muss ich gestehen, ist mir das Risiko zu hoch und einen fremden Reeder möchte ich nicht hinzuziehen.“

„Herr van Leuthusen, das hört sich äußert interessant an. Wie Ihr wisst, werden wir uns jedoch erst in Kürze auf den Weg nach Ostindien machen. Also wird noch einige Zeit vergehen, bis wir auf diese Weise tätig werden können.“

„Natürlich Herr van Houten; es soll auch gar nicht so leicht sein, das Kautschuk außer Landes zu bringen; ich werde abwarten, was meine Leute mir berichten. Doch mir wäre es sehr recht, wenn Ihr, bezüglich dieser Sache, ein gutes Wort bei Herrn van Dyck für mich einlegen würdet.“

„Dessen könnt Ihr euch sicher sein, Herr van Leuthusen.“

„Auch wenn Ihr jetzt zunächst für einige Zeit unterwegs sein werdet, Herr van Houten, ist mir diese Angelegenheit doch äußerst wichtig. Erst kürzlich sprach mich Herr van Haaren an, ob ich nicht bereit sei, in ein gewinnversprechendes Geschäft zu investieren. Sogleich hatte ich die Befürchtung, dass er mir bei meinen Ambitionen zuvor-kommen wollte.“

„Herr van Haaren?; der Name sagt mir nichts, Herr van Leuthusen.“

„Dann solltet Ihr ihn schnell wieder vergessen, Herr van Houten. Er ist ein windiger Geschäftsmann, ein Emporkömmling, wobei niemand weiß, wie er zu seinem Geld kam, sofern er überhaupt welches be-sitzt.“

„Und dieser Herr weiß von dem Kautschuk?“

„Ich kann es Euch nicht sagen. Vielleicht sehe ich auch nur Gespenster. Doch gerade darum bitte ich Euch, Herrn van Dyck zu informieren. Mir wäre es lieber, ich mache mit ihm ein Geschäft, als dass ich mich um andere bemühen muss. Zumal dieser Herr van Haaren meiner Tochter wohl ganz unverhohlen Avancen macht.“


Nie zuvor war der Name dieses Mannes an mein Ohr gedrungen und Herrn van Leuthusen kannte ich zu wenig, als dass ich nicht auch annehmen durfte, dass er Herrn van Haaren als Druckmittel nutzte, um seiner Bitte Nachdruck zu verleihen. Doch einen Nebenbuhler, der augenscheinlich gleichfalls um die Gunst der von mir Angebeteten warb, wollte ich nicht hinnehmen, so dass ich Herrn van Leuthusen recht schnell meine Zusage machte.

„Ihr habt mein Wort darauf, Herr van Leuthusen.“

„Gut, Herr van Houten, somit haben wir die geschäftliche Seite am heutigen Abend rasch hinter uns gebracht. Nun lasst uns den privateren Teil der Unterhaltung fortsetzen. Was gedachtet Ihr denn Neues zu berichten?“

Herr van Leuthusen hatte eine ganz andere Art die Dinge anzusprechen, als sie Herr van Dyck üblicherweise anging. Um einige Jahre jünger als dieser, sprach er Dinge zeitweilig dermaßen direkt an, dass sie mir wiederum unangenehm wurden. Weshalb ich nun fast verzweifelt nach Worten suchte.


„Herr van Leuthusen, Ihr oder Eurer Gemahlin, ich meine, Fräulein Frederike und ich; also, was ich sagen möchte, ich fühle mich Eurem verehrten Fräulein Tochter sehr zugetan und ich denke, bemerkt zu haben..“.

„Herr van Houten, auch ich war einmal jung und stand auf Freiersfüßen“, wurde mein Redeschwall unterbrochen; „meine Gemahlin sagte mir, dass Frederike ebenfalls von Ihnen angetan ist, kurzum, von unserer Seite her steht dem gemeinsamen Glück nichts im Wege. Aber wie bekannt, werdet Ihr für geraume Zeit außer Landes sein. Darum fände ich es besser, erst nach Eurer Rückkehr das Weitere zu besprechen und später über eine Verlobung nachzudenken. Und Ihr braucht keine Sorge zu tragen, dass Euch die Hand unserer Tochter nur gewährt wird, wenn auch eine geschäftliche Basis gefunden wird. Erstrebenswert wäre dies jedoch allemal“, versäumte Herr van Leuthusen nicht, seine Worte zu ergänzen.


Somit schien alles gesagt und voller Dankbarkeit verabschiedete ich mich von meinem Gastgeber, seiner Gemahlin und natürlich von Fräulein Frederike, deren Hand ich womöglich wieder einen Moment zu lange in der meinen hielt. Wobei mein Herz jedoch vor Freude zu hüpfen begann, als ich bemerkte, dass sie mich wollwollend gewähren ließ. Wie verzaubert starrte ich auf mein Gegenüber und konnte nicht genug bekommen von diesem Anblick vollkommener Schönheit. Ihre rabenschwarzen Haare, welche lang und glänzend, kunstvoll geflochten, weit über ihren Nacken fielen und so ein ebenmäßiges Gesicht freigaben. Die vollen Lippen, die ein auf Wiedersehen dahinhauchten und ein bleib hier, zu meinen schienen.

„Wir sehen uns dann am Hafen, wenn Ihr euch mit der Mirte auf den Weg macht“, sprach Herr van Leuthusen zum Abschied und beendete damit einen Moment, bevor dieser peinlich werden konnte.

Mit einem bis dahin völlig unbekannten Gefühl in mir und gleichzeitig angefüllt mit Tatendrang machte ich mich auf den Heimweg.

Diese wohligen Gefühle hielten jedoch nicht allzulange vor, denn bereits am nächsten Morgen empfing mich Herr van Dyck mit den Worten: „Hendrik, nun gilt es, dass wir uns ordentlich ins Zeug legen, in neun Tagen wird die Mirte ihren Kurs aufnehmen.“

„In neun Tagen bereits?“, fragte ich ungläubig nach, obwohl mir doch klar sein musste, weshalb mich Herr van Dyck während der letzten Wochen so sehr in Anspruch nahm.

„Wo denkst Du hin, Hendrik? Ich kann durchaus verstehen, dass Deine Gedanken eher bei einem anderen Fräulein zu finden sind, als bei der von mir so geliebten Mirte. Aber, dem Herrn sei Dank, halten sich die notwendigen Reparaturen an unserem Schiff in Grenzen; nun müssen wir sehen, dass wir ihren Bauch rasch mit den Waren füllen, die wir mitzunehmen gedenken. Und je schneller das von statten geht, umso besser für uns. Jeder Tag, den die Mirte im Hafen liegt, kostet uns endlos Gulden, wie Du weißt. Und, je eher wir uns auf den Weg machen, desto rascher werden wir heimkehren, was doch wohl auch in Deinem Interesse liegt.“

„Natürlich, Herr van Dyck, verzeiht mir, dass ich abgelenkt schien; es ist nur erstaunlich, wie rasch die letzten Wochen vorbeigegangen sind.“

„Dann bleibt uns nur zu hoffen, dass die kommenden Monate auf See ebenso rasch vorüberziehen. Also auf, Hendrik, nimm Deine Listen mit und achte sorgsam darauf, dass alle Vorräte an Bord kommen. Nicht auszudenken, dass wir an Bord Hunger leiden müssen, weil Deine Gedanken bei Fräulein van Leuthusen schwelgen“, lächelte Herr van Dyck gutmütig.


Ich schnappte mir alle Aufzeichnungen aus denen hervorging, welche Waren in welchen Mengen an Bord mussten und natürlich die Listen für unsere eigenen Vorräte. Die Mengen hierfür lagen zwar ebenfalls fest, doch sie beruhten auf den Erfahrungen der Offiziere; da es mir selbst unmöglich war festzulegen, wieviel für eine derartige Reise benötigt wurde. Mir blieb achtsam zu sein, dass alles an Bord käme. Und da hatte ich in Friedrich durchaus eine angenehme Hilfe, denn das Zählen beherrschte er fix.

Das Staunen in seinen Augen war nicht zu übersehen, als er über die angelegten Planken das Deck des Schiffs erklomm.

„Sie ist wirklich sehr schön und riesig groß, Herr van Houten.“

„Ja, Friedrich, schließlich soll sie uns sicher in die Ferne bringen. Die kleineren Schiffe, die Du bisweilen hier gesehen hast oder die Dir vielleicht vom Rhein her bekannt sind, die würden eine derartige Fahrt kaum überstehen.“


Überall führte man noch kleinere Arbeiten aus, bevor in wenigen Stunden mit den Ladearbeiten begonnen werden sollte. Zimmerleute hämmerten und besserten aus, dort wurde ein Segel festgezurrt, Taue gerollt oder mit reichlich Pech das eine oder andere Stück Holz bestrichen. Und obwohl diese Geräusche, die Zurufe und teils derben Sprüche das Deck erfüllten, kam dieser Lärm mit einemmal angenehmer daher als der, welcher sich nur zwei- oder dreihundert Schritte entfernt breitmachte. Zeigte dort das Hufgetrappel, die vorbeifahrenden Kutschen, das Hämmern in der Schmiede oder das Geschrei auf dem Markt, den beginnenden Tag an, so knarrten hier die Planken der leicht auf dem Wasser schaukelnden Mirte. Vom sanften Wind angetrieben, schlug rhythmisch ein Stück des Segeltuchs an den Mast und die Möwen

kreischten dazu, als wären sie erbost darüber.


Ein Gefühl ergriff von mir Besitz, welches ich nur schwerlich in Worte fassen konnte. Den Blick aufs Wasser gerichtet, die Geräusche in den Ohren und den Geruch des Salzwassers, wie den des Pechs in der Nase, spürte ich Abenteuerlust in mir aufkeimen. Friedrichs Stimme holte mich aus den einsetzenden Tagträumen.

„Herr van Houten, können wir nicht schon einmal nachschauen, wo wir untergebracht sein werden; vielleicht ist es dort?“, zeigte er auf das Heck.

„Warts ab, wir werden es noch früh genug erfahren. Du siehst ja selbst, wie jetzt ständig die vollbeladenen Karren heran geschoben werden. Da macht es sich nicht gut, wenn wir den fleißigen Männern, die noch überall herumwerkeln, im Wege stehen. Aber ich kann Dich durchaus bereits jetzt mit einigen Dingen des Schiffs vertraut machen.“

„Sehr gerne, Herr van Houten“, gab sich Friedrich wissensdurstig.


Mir fiel es gewissermaßen leicht darüber zu sprechen, weil ich mich nach dem damaligen Zusammensein mit Kapitän Snijder sogleich daran machte, mir die Baupläne der Mirte genauestens anzuschauen.

Immer auf der Hut, keinem der Arbeiter vor die Füße zu laufen, klärte ich den Jungen auf, dessen fragender Blick zunächst auf die kräftige Stange gerichtet war, die aus dem Decksboden herausragte.

„Das ist der Kolderstock, Friedrich, damit wird die Mirte gesteuert und auf Kurs gehalten. Hier ist der Arbeitsplatz des Steuermanns. Durch die Gräting schaut er nach oben und orientiert sich am Stand der Segel und navigiert dabei auf Zuruf.“


Hin und her liefen wir, ein Deck hinab und stets ein Weiteres dazu, bis wir uns nur noch in gebückter Haltung vorwärts bewegen konnten.

Das Deck, auf welchem die schweren Kanonen zu beiden Seiten des Schiffs viel Platz in Anspruch nahmen, fand nicht nur bei Friedrich übermäßiges Interesse. Schließlich ging es wieder nach oben, wobei wir zum Bugspriet gelangten.

„Schau, Friedrich“, hier sind zwei Plätze, wie für uns geschaffen, sofern sie uns nicht von den Seeleuten streitig gemacht werden.“ „Hier könnt es mir auch gefallen, Herr van Houten“, pflichtete mir der Knabe bei. „Sagt bitte, was hat es mit der Leine auf sich, die derart viele Knoten aufweist?“

„Das ist die Logleine, Friedrich, damit wird die Geschwindigkeit gemessen, mit der wir uns voran bewegen. Ein Knoten steht für eine Seemeile. Und dies sind die Lenzpumpen, um das Wasser aus der Bilge zu bekommen. Wie Du siehst, wird sie auch jetzt schon fleißig bedient.“

„Herr van Houten, und Ihr seid nie zuvor an Bord der Mirte oder eines anderen Schiffes gewesen?“, kam es ungläubig über die Lippen des jungen Mannes.

„Nein, Friedrich. Ich habe mich stets nur um den Papierkram gekümmert und nach Möglichkeit den Hafen gemieden.

Um ein weiteres Hinterfragen zu verhindern, denn mir war überhaupt nicht danach von meinen schicksalsträchtigen Erlebnissen hier im Hafen zu sprechen, fuhr ich fort: „Das Wissen über die Mirte habe ich aus Erzählungen und vor allem den Aufzeichnungen entnommen; da kannst Du sehen, wie wichtig es ist, die Nase tief in die Bücher zu stecken.“


„Sollte mir ein guter Mann abhandenkommen, so bin ich gerne bereit auf Euch zurückzugreifen, Herr van Houten“, tönte wie aus dem Nichts die Stimme des Kapitäns.

Bei all dem Gewusel um uns herum und vertieft in das Gespräch mit Friedrich, hatten wir dessen Erscheinen nicht bemerkt.

„Ihr scheint mehr Kenntnis über die Mirte zu besitzen, als so mancher Seemann über gleichartige Schiffe zu berichten weiß. Nicht, dass ich Ärger mit Herrn van Dyck bekomme, wenn ich Euch für die christliche Seefahrt anwerbe“, lachte der Käpt´n breit über sein rundes Gesicht.

Ich sah ihn jetzt zum erstenmal im vollen Schmuck der Kapitänsuniform, den Säbel an der Seite, auf dessen Griff seine Hand ruhte und ja, dieser Mann wurde eins mit den Schiffen, sobald er nur die Plan-ken betrat. Wohl nicht umsonst genoss Kapitän Snijder ein derart hohes Ansehen, auch über die VOC hinaus. Die rundliche Figur, die mir schon bei der damaligen Zusammenkunft auffiel, konnte auch der gut geschnittene Rock nicht verbergen, der sich eng um seinen Körper legte. Aber wer daraus eine gewisse Gemütlichkeit ableiten wollte oder gar aus dem stets freundlichen Gesichtsausdruck, der sollte sich getäuscht sehen. Mit beinahe federnden Schritten eilte er übers Deck, wobei sich die schwachen Strahlen der Frühlingssonne in seinen blankgewichsten Stiefeln spiegelten. Hier prüfend an den Wanten zerrend, dort die Flaschenzüge in Augenschein nehmend, beäugte er sein Schiff und gab klare Befehle.


„Kerl, polier mir dort das Messing, dass es uns die finsteren Nächte erhellen möge“, wies er einen der Arbeiter an und setzte dabei ein wohlgefälliges Lächeln auf.

„Ihr werdet in Kürze die Fracht an Bord nehmen können, Herr van Houten, seid Ihr gewappnet?“, deutete er auf die unendlichen Kisten und Fässer, die sich mittlerweile am Kai stapelten. „Und, was macht Euer Bursche?“

„Käpt´n, ich denke, Friedrich wird mir eine große Hilfe sein.“


Und in der Tat, Friedrich blieb eine große Hilfe. Frei von Blättern in den Händen konnte ich die Kisten, Bretter mit Backsteinen und was sonst alles an Bord kam, in Augenschein nehmen und prüfen. Dem Jungen rief ich die von mir ermittelten Mengen zu. Ich durfte sicher sein, dass er sie an den richtigen Stellen vermerkte und mit den angegebenen Mengen verglich; wie sich schnell herausstellte.


„Herr van Houten, fünfundzwanzig Kisten mit Musketen sollten es sein; Ihr habt jedoch nur neunzehn gezählt.“

Sogleich machte ich mich daran, nach den fehlenden Kisten Ausschau zu halten. Auf diese und ähnliche Weise verging die Zeit, bis die Dämmerung langsam Einzug hielt. Mit Hilfe der wuchtigen Flaschenzüge gelangten die schweren Stücke hinab, unter Deck, wo sich etliche damit befassten, diese gut zu verstauen. Auch die Wachmannschaften kamen nun an Bord und ließen die wertvolle Ladung nicht aus den Augen.

Unser Tagessoll war somit zunächst erfüllt und deshalb machte ich mich mit Friedrich auf den Rückweg zum Hause der van Dycks. Herrn van Dyck selbst hatten wir an diesem Tag nicht einmal zu Gesicht bekommen. Die Erklärung dazu fanden wir dann, als wir das Haus betraten. Selma und Gottfried Weber, sowie die kleine Wilhelmine trafen, kurz nachdem Friedrich und ich das Haus verlassen hatten, ein und ihnen galt die Aufmerksamkeit.


Nach Monaten der Trennung fand nun eine überaus liebevolle Begrüßung statt. Herzlich nahm Friedrich seine kleine Schwester in die Arme, um sich gleich darauf schwungvoll mit ihr um die eigene Achse zu drehen, was Wilhelmine wiederum zu einem lauten Aufjauchzen brachte.


„Nun, Herr van Houten, wie macht sich denn mein Sprössling unter Eurer Führung?“, fragte Herr Weber derweil nach und streichelte seinem Sohn dabei liebevoll übers Haupt.

„Was soll ich Großartiges sagen, Herr Weber, ohne Friedrichs Hilfe wäre ich wohl jetzt noch nicht hier und das Ablegen der Mirte, würde sich gleichfalls um einige Tage verschieben“, lobte ich meinen kleinen Freund. „Von Beginn an erwies er sich als gelehriger und, wenn es Not tat, durchaus zupackender Schüler.“

„Das zu hören freut mich sehr, Herr van Houten.“


Da sich die van Dycks und die Webers doch noch recht viel zu erzählen hatten, machte ich mich mit Friedrich auch während der verbleibenden Tage daran, unseren Teil zum Gelingen der Reise beizutragen. An den Abenden saß Friedrich verständlicherweise im Kreise seiner Familie, die unruhiger wurde, je näher der Abschied kam.

Auf dem Weg zu meinem Zimmer sah ich zufällig, wie Frau Weber bei Kerzenschein noch emsig an Friedrichs Rock schaffte. Ich wollte gerade das Wort an sie richten, da sah ich, wie sie einige goldene Münzen im Rocksaum fest vernähte. So ging ich leise weiter und schwieg darüber, als hätte ich nichts gesehen.

Drachenspuren

Подняться наверх