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I

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Von Anfang an hatte ich Pech auf dieser Reise. An einem eisigen Märzmorgen war ich früh aus dem Bett geholt worden, hatte ganz Baltimore durchquert und die Mole genau zur festgesetzten Stunde erreicht. Punkt neun Uhr hätte der Schlepper mich dort abholen sollen, um mich über die Bucht an die Elsinore zu bringen ... und jetzt saß ich im Auto und wartete, zitternd vor Kälte und wachsendem Ärger. Auf dem Führersitz hockten der Chauffeur und Wada, eng aneinandergepresst, in einer Temperatur, die vielleicht um einen halben Grad kälter als die im Wagen war. Und vom Schlepper keine Spur!

Possum, der junge Foxterrier, den Galbraith mir so unüberlegt aufgedrängt hatte, lag unter Mantel und Pelzdecke auf meinem Schoß. Trotzdem winselte und zitterte er vor Kälte.

Seine Unruhe und seine unaufhörlichen Klagen wirkten alles eher als beruhigend auf meine angegriffenen Nerven. Erstens interessierte das Tier mich nicht im Geringsten – es bedeutete mir nichts – ich kannte es ja auch noch gar nicht. Während dieser trostlosen Wartezeit war ich einmal über das andere drauf und dran, das Tier dem Chauffeur zu schenken.

Am Abend zuvor war das Tier als Eilpaket aus New York in mein Hotel gebracht worden – als eine Abschiedsüberraschung meines Freundes Galbraith. Das war so ganz seine Art. Er hätte sich ebenso anständig wie andere Leute benehmen und mir Obst schicken können ... oder meinetwegen auch Blumen. Aber nein – sein freundlicher Gedanke musste die Gestalt eines kläffenden und winselnden, zwei Monate alten Hundes annehmen. Mit der Ankunft des Terriers hatte das Pech denn auch begonnen. Der Zimmerkellner betrachtete mich als einen Verbrecher, noch ehe ich Zeit gehabt hatte, ein Verbrechen auszuknobeln. Ganz auf eigene Faust und aus eigener Dummheit hatte Wada dann den Versuch gemacht, den Hund in sein Zimmer zu schmuggeln, und war dabei vom Hausdetektiv erwischt worden. Sofort vergaß Wada sein ganzes Englisch und hatte einen Rückfall in ein hysterisches Japanisch, und der Hausdetektiv erinnerte sich seinerseits nur an sein Irisch – während der Zimmerkellner mir in nicht missverstehender Weise klarmachte, dass dies alles nicht mehr und nicht weniger sei, als er von mir erwartet hatte.

Hol der Teufel den Köter! Und Galbraith meinetwegen dazu! Und wie ich nun im Auto, in der beißenden Kälte auf dem öden Molenhöft, dasaß, verfluchte ich sogar mich selbst und den verrückten Einfall, Kap Horn mit einem Segelschiff umfahren zu wollen.

Um zehn Uhr kam zu Fuß ein junger Mann von unbestimmbarem Äußern. Er trug einen Koffer, den der Kaimeister mir einige Minuten später überreichte. Der Koffer gehöre dem Lotsen, sagte er und gab gleichzeitig dem Chauffeur Bescheid, wie er eine andere Mole finden könnte, von wo mich ein anderer Schlepper zur Elsinore bringen sollte. Diese Programmänderung diente natürlich nicht dazu, meinen Ärger zu beschwichtigen.

Als ich eine Stunde darauf in meinem Wagen auf dem neuen Molenhöft saß, kam der Lotse. Unmöglich, sich ein Wesen vorzustellen, das einem Lotsen weniger ähnlich sähe. Ein feiner Herr mit sanfter, gebildeter Stimme, in jeder Beziehung der Typ des erfolgreichen Geschäftsmannes, stellte sich vor, und ich lud ihn ein, meine eiskalte Droschke mit Possum und dem Gepäck zu teilen. Alles, was er wusste, war, dass Kapitän West seine Anordnungen aus irgendeinem Grunde geändert hatte, im Übrigen aber war er der Ansicht, dass der Schlepper jeden Augenblick kommen müsse.

Das tat er denn auch, um ein Uhr nachmittags – nach vier Stunden tödlichen Wartens und Frierens. Unterdessen war es mir vollkommen klargeworden, dass dieser Kapitän West mir nie gefallen würde. Ich kannte ihn zwar noch gar nicht persönlich, aber sein Benehmen gegen mich war von Anfang an, milde gesagt, reichlich anmaßend. Als die Elsinore, die soeben mit einer Ladung Gerste aus Kalifornien gekommen war, im Erie-Dock lag, war ich von New York herübergefahren, um das Schiff zu besichtigen, das für mehrere Monate mein Heim sein sollte. Ich hatte das Schiff selbst und die ganze Einrichtung der Kajüten entzückend gefunden. Selbst die für mich bestimmte Kabine war sehr befriedigend und weit größer, als ich erwartet hatte. Als ich aber in die Kabine des Kapitäns hineinguckte, war ich verblüfft über ihre komfortable Einrichtung. Wenn ich erzähle, dass an den Schlafraum ein Badezimmer anstieß, und dass es unter vielen andern schönen Dingen auch ein mächtiges Messingbett gab, etwas das man nie auf einem Segelschiff zu finden erwartet hätte – ja, dann glaube ich, genug gesagt zu haben.

Selbstverständlich war sofort für mich ausgemacht, dass ich Baderaum und Messingbett haben musste. Als ich aber die Vertreter ersuchte, diese Angelegenheit zu regeln, waren sie recht zurückhaltend, als ob es ihnen ein wenig peinlich sei ... »Ich muss die Kabine haben«, sagte ich, »ob es hundert oder hundertfünfzig Dollar kostet ...«

Harrison und Gray, die Vertreter, besprachen die Sache miteinander, glaubten aber, dass es kaum möglich sein würde, Kapitän West zu einem solchen Arrangement zu bewegen. »Das wäre das erste Mal, dass ein Kapitän einen solchen Vorschlag ablehnte«, erklärte ich zuversichtlich, »selbst die Kapitäne der Europalinien verkaufen jederzeit ihre Kajüten ...«

»Schon möglich, aber Kapitän West ist nicht Kapitän auf einem Europadampfer«, meinte Harrison höflich.

»Vergessen Sie nicht, dass ich viele Monate auf diesem Schiff zubringen muss«, antwortete ich. »Bieten Sie ihm tausend Dollar, wenn es sein muss.«

»Ich werde es versuchen«, sagte Mr. Gray, »aber verlassen Sie sich nicht zu sehr darauf. Kapitän West ist augenblicklich in Searsport, und wir werden ihm noch heute schreiben.«

Einige Tage darauf rief Mr. Gray mich an und teilte mir zu meinem Erstaunen mit, dass Kapitän West mein Angebot glatt abgelehnt hätte. Am nächsten Tage erhielt ich einen Brief von Kapitän West. Er bedauerte, mich noch nicht kennengelernt zu haben, und versicherte, persönlich Sorge dafür tragen zu wollen, dass meine Räume komfortabel eingerichtet würden. Er hätte bereits dem ersten Steuermann der Elsinore entsprechende Anweisungen erteilt und ihn beauftragt, die Wand zwischen meiner Kabine und dem danebenliegenden Reserveraum herauszunehmen. Ferner teilte er mir mit – und von dieser Bemerkung stammt meine Abneigung gegen Kapitän West –, wenn wir erst auf hoher See wären, würde er mit Vergnügen seine Kabine mit mir tauschen, falls ich nicht zufrieden sein sollte.

Nach einer solchen Abfuhr war es mir natürlich klar, dass nichts mich je bewegen konnte, von dem Messingbett des Herrn Kapitän Nathaniel West Besitz zu ergreifen. Es war überhaupt meine feste Überzeugung, dass es umso besser für mich sein würde, je weniger ich auf der Reise von ihm sähe. Und mit nicht geringer Freude dachte ich an all die Bücherkisten, die ich mir von New York an Bord hatte schicken lassen; ich war also, Gott sei Dank, auf hoher See nicht auf die Unterhaltung des Herrn Kapitäns angewiesen.

Ich übergab Wada den winselnden Possum, und während die Matrosen des Schleppers mein Gepäck an Bord schafften, führte mich der Lotse zu Kapitän West, um mich ihm vorzustellen. Gleich auf den ersten Blick stellte ich fest, dass er nicht mehr Seekapitän war als der Lotse Lotse. Ich hatte die Besten seines Berufs, die Kapitäne der Europadampfer, kennengelernt, und er glich ihnen nicht mehr als den befahrenen, barschen Schiffern, von denen ich in Büchern gelesen hatte. Neben ihm stand eine Frau, von deren Gesicht nur wenig zu sehen war. Mit ihrem roten Fuchskragen, in dem sie halb verschwand, wirkte sie wie ein warmer, strahlender Farbenfleck.

»Du großer Gott!« sagte ich flüsternd zum Lotsen, »seine Frau ... reist die etwa mit?«

»Es ist seine Tochter«, flüsterte der Lotse. »Ich denke, sie ist gekommen, um ihn abfahren zu sehen. Seine Frau ist seit über einem Jahre tot. Man sagt, dass er deshalb wieder fahren will. Er hatte sich ja schon zur Ruhe gesetzt, wissen Sie.«

Kapitän West ging mir entgegen. Doch schon ehe unsere ausgestreckten Hände sich berührten, ehe sein ruhiges Gesicht sich zu einem lächelnden Gruß verzog und seine Lippen sich öffneten, um zu sprechen, erhielt ich den ersten überraschend starken Eindruck von seiner Persönlichkeit. Hochgewachsen, schlank, mit rassigem Gesicht, erschien er mir ebenso kühl, wie der Tag es war. Selbstsicher wie ein König oder Kaiser. Fern und fremd wie der fernste Stern. Und dann glomm in seinen Augen der Funke einer unnahbaren und wohlwollend-kühlen Freundlichkeit auf und verlieh den vielen feinen Runzeln um die Augenwinkel Leben. Das klare Blau seiner Augen nahm einen warmen Ton an, der sie tief und reich machte; die schmalen Lippen, die soeben noch fest verkniffen waren, schienen jetzt anmutig und mild.

So seltsam war der Eindruck, den Kapitän West bei dieser ersten Begegnung auf mich machte, dass ich mich über der Erwartung ertappte, Worte unsagbarer Weisheit und Güte seinen Lippen entströmen zu hören. Aber er sprach nur in den alltäglichsten Worten sein Bedauern über die Verzögerung aus, wenn auch mit einer Stimme, die neues Erstaunen in mir hervorrief. Sie war leise und sanft, fast zu gedämpft, aber klar wie eine Glocke.

»Und hier ist die junge Dame, die die Verspätung veranlasst hat«, fügte er hinzu, indem er mich seiner Tochter vorstellte, »Margaret ... Herr Pathurst.«

Ihre behandschuhte Rechte tauchte sofort aus dem Muff auf, um die meine zu schütteln, und gleichzeitig sah ich in ein Paar grauer Augen, die mich mit ernstem, ruhigem Blick betrachteten. Er verwirrte mich, dieser kühle, durchdringende, prüfende Blick. Nicht, dass er herausfordernd gewesen wäre, aber er schien mir beleidigend, geschäftsmäßig. Er erinnerte an den Blick, womit man einen neuen Chauffeur misst, den man anstellen will. In diesem Augenblick wusste ich noch nicht, dass sie die Reise mitmachen sollte und dass daher ihre Neugierde einem Manne gegenüber, mit dem sie ein halbes Jahr zusammen verbringen sollte, ganz natürlich war. Doch als sie zu sprechen begann, lag ihr ein freundliches Lächeln um Mund und Augen.

Als wir uns anschickten, in die Kajüte des Schleppers zu treten, hörte ich das ängstliche Winseln Possums zu lautem Heulen werden und ging deshalb nach vorn, um Wada zu befehlen, das kleine Tier mit in die Wärme zu nehmen. Ich fand ihn mit meinem Gepäck beschäftigt – er legte gerade mein kleines automatisches Gewehr unter die Toilettentasche, damit es nicht umfalle. Ich war aber ganz erschrocken, als ich ein wahres Gebirge von Koffern entdeckte, mit dem verglichen mein eigenes Gepäck nur eine Bagatelle war. Die Buchstaben auf einem Gegenstand, der eine verdächtige Ähnlichkeit mit einer Damenhutschachtel hatte, fielen mir auf: »M. W.« Kapitän West hieß aber mit Vornamen »Nathaniel«, und als ich genauer hinsah, entdeckte ich, dass es freilich einzelne Stücke mit den Buchstaben »N. W.« gab, sonst aber überall nur die Buchstaben »M. W.« – und dann fiel mir plötzlich ein, dass er seine Tochter »Margaret« genannt hatte.

Ich war zu aufgebracht, um gleich in die Kabine zurückzukehren, und ging deshalb trotz der Kälte an Deck auf und ab, während ich mir ärgerlich die Lippen zerbiss. Ich hatte doch ausdrücklich mit den Vertretern ausgemacht, dass die Frau des Kapitäns nicht mitkommen durfte, denn das letzte, das ich mir in Anbetracht des ohnehin beschränkten Raumes auf einem Schiffe wünschte, war die Anwesenheit einer Frau. An eine Tochter des Kapitäns hatte ich natürlich keinen Augenblick gedacht. Ich war drauf und dran, die ganze Reise aufzugeben und mit dem Schlepper nach Baltimore zurückzukehren.

Als der kalte Wind mich gründlich durchgeweht hatte, sah ich Fräulein West über das schmale Deck kommen, und unwillkürlich fiel mir ihr federnder, lebenskräftiger Gang auf. Ihr Gesicht wirkte zart und stand in einem gewissen Gegensatz zu ihrem, nach ihrem Gang zu schließen, kräftigen Körper.

Ich drehte mich um und betrachtete verdrießlich das Gepäckgebirge. Eine riesige Kiste erregte meine Aufmerksamkeit, als ich hinter mir die Stimme Fräulein Wests hörte.

»Das ist der eigentliche Anlass unserer Verspätung – sagte sie.

»Was ist es denn?« fragte ich gleichgültig.

»Das Klavier der Elsinore – es musste repariert werden. Als ich mich zum Mitfahren entschloss, telegraphierte ich Herrn Pike – das ist unser Steuermann, wie Sie vielleicht wissen. Er tat, was er konnte – es war Schuld der Klavierfirma.«

Sie begann unter dem Gepäck zu suchen, als wollte sie einen bestimmten Gegenstand finden. Als sie ihren Zweck erreicht hatte, schritt sie nach der Kajüte zurück, blieb aber plötzlich stehen und sagte:

»Wollen Sie nicht mit in die Kajüte kommen? – Dort ist es schön warm. Und es dauert mindestens eine halbe Stunde, bis wir an Bord der Elsinore sind.«

»Wann haben Sie sich eigentlich zum Mitfahren entschlossen?« fragte ich plötzlich.

Der schnelle Blick, den sie mir zuwarf, zeigte mir, dass sie in diesem Augenblick erkannt hatte, wie aufgebracht und ärgerlich ich war.

»Vor zwei Tagen«, antwortete sie. »Weshalb?«

Die Schnelligkeit ihrer Entgegnung verblüffte mich, und ehe ich antworten konnte, sagte sie:

»Nun sollen Sie aber nicht allzu böse sein, weil ich mitgekommen bin, Herr Pathurst. Ich weiß, dass wir es alle recht schön gemütlich haben werden. Sie werden mich nicht stören, und ich verspreche Ihnen, dass ich Sie nicht belästigen werde. Ich bin früher schon mit Passagieren zusammen gefahren. Lassen Sie uns nur auf die richtige Art anfangen – dann wird es nicht schwer werden. Ich weiß schon, was mit Ihnen ist: Sie glauben verpflichtet zu sein, mich zu unterhalten. Ich habe noch nie Zeit gehabt, mich zu langweilen ... und ... außerdem ... klimpern tue ich auch nicht.«

Meuterei auf der Elsinore

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