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ОглавлениеInfoteil: Ätherische Öle und Wellnesstipps von der Expertin Katharina Dauenhauer
Katharina Dauenhauer arbeitet mit Yoga, Thai-Yoga-Massage und Aromatherapie. Zusammen mit einer Freundin stellt sie auf ihrer Website www.aromatical-alchemy.com verschiedene Themen rund um ätherische Öle, Zubehör und Rezepte genauer vor.
Was sind ätherische Öle?
Ätherische Öle sind natürliche aromatische Bestandteile aus unterschiedlichen Pflanzenteilen. Man findet sie unter anderem in Rinden, Samen, Blättern, Blüten und Wurzeln. Schon seit Jahrhunderten werden sie in der Aromatherapie genutzt. Es gibt unendlich viele Sorten von Ölen und jedes Öl hat seine ganz eigene Wirkung. Sie können dir sowohl bei körperlichen als auch bei emotionalen Problemen helfen.
Wie kann ich ätherische Öle anwenden?
Es gibt verschiedene Arten der Anwendung. Die wichtigsten sind die Anwendung im Verdampfer (Diffuser) und die äußere Anwendung auf der Haut:
Gib ein paar Tropfen eines Öls oder mehrerer Öle deiner Wahl zusammen mit etwas Wasser in einen Diffuser. Die Mischung wird in der Luft zerstäubt, verbreitet einen wunderbaren Duft und entfaltet ihre Wirkung über die Einatmung. Verwende unbedingt einen elektrischen Kalt-Diffuser, ein Duftlämpchen mit Teelicht zerstört nämlich die wertvollen, hitzeempfindlichen Bestandteile des Öls.
Trage ein bis zwei Tropfen eines Öls deiner Wahl auf die Haut auf. Meist eignen sich dazu gut die Fußsohlen. Dort enden sehr viele Nerven, und so werden die Wirkstoffe innerhalb von Sekunden im ganzen Körper verteilt. Oder du verreibst einen Tropfen sanft zwischen den Handgelenken oder im Nacken. Viele Öle sollten nur verdünnt auf die Haut aufgetragen werden – besonders dann, wenn du eine sensible Haut hast. Dazu mische einige Tropfen eines ätherischen Öls mit einigen Tropfen eines neutralen Trägeröls, zum Beispiel fraktioniertem, also flüssig bleibendem Kokosöl, Jojoba-, Mandel- oder einem anderen Öl deiner Wahl. Sei besonders vorsichtig bei einer Anwendung im Gesicht, lass die empfindliche Augenpartie aus. Weniger ist mehr! Eine Verdünnung mindert die positive Wirkung nicht.
Keine Sorge, die Anwendung ist eigentlich ganz einfach und macht viel Spaß! Probiere einfach aus, was dir gefällt. Bei Anwendung auf der Haut oder innerlich: Achte stets auf eine hohe Qualität der Öle und lies die Herstellerangaben auf der Verpackung. Steht dort beispielsweise etwas wie „zur Raumbeduftung“, dann sind die Öle nur für den Diffuser geeignet und nicht zum Auftragen auf die Haut oder zur innerlichen Einnahme.
Welche ätherischen Öle gibt es?
Es gibt sehr viele verschiedene Sorten von ätherischen Ölen, so wie es auch sehr viele unterschiedliche Pflanzen auf der Welt gibt. Ein paar der beliebtesten Öle und ihre Wirkungen stelle ich dir hier vor.
Zitrone (Lemon):
Dieses Öl ist energetisierend. Es unterstützt deine gute Laune, Lebensfreude und dein Immunsystem und wirkt sowohl reinigend als auch klärend (auf der Haut und auf Flächen). Auf der emotionalen Ebene wirkt es fokussierend. Es erfrischt und fördert die Konzentration. Nutze es beispielsweise während der Hausaufgaben im Diffuser oder auf den Handgelenken. Oder trage ein bis zwei Tropfen auf, bevor du in die Schule gehst oder in einer Pause, wenn du müde bist.
Pfefferminz (Peppermint):
Dieses Öl ist erfrischend und kühlend (es kann zum Beispiel unterstützend wirken bei Hitze oder Sonnenbrand, Kopfschmerzen, Übelkeit, Magen-/Darm- und Hautproblemen, Husten oder Schnupfen) und sorgt für frischen Atem. Auf der emotionalen Ebene bringt es Freude, es wirkt belebend und kann dir helfen, wenn du negative Gedanken hast oder dich einfach mal nicht so gut fühlst. Trage es auf die Haut auf (bei sensibler Haut gegebenenfalls verdünnt in einem Trägeröl), wenn du Sonnenbrand hast. Es passt auch schön zusammen mit Lavendelöl. Oder verdampfe es im Diffuser (zum Beispiel zusammen mit Zitronenöl), wenn du Husten hast oder erkältet bist. Verreibe einen Tropfen zwischen den Händen, halte die Hände vor dein Gesicht und atme den Duft ein, wenn du dich an einem langen Tag müde fühlst. Pfefferminz- und Zitronenöl helfen dir auch, morgens gut aus dem Bett zu kommen.
Lavendel (Lavender):
Dieses Öl wirkt beruhigend, emotional ausgleichend, schlaffördernd sowie entzündungshemmend, insbesondere bei Hautproblemen und Pickeln. Auf der emotionalen Ebene ist es das Öl der Kommunikation. Es kann dir helfen, dich besser auszudrücken und deine Wünsche besser nach außen zu formulieren. Trage zum Beispiel einen Tropfen Lavendelöl (vielleicht zusammen mit einem Tropfen Zitronenöl) auf deine Handgelenke auf, bevor du ein wichtiges Referat hältst. Die Wirkstoffe des Lavendelöls beruhigen deine Nerven und das Zitronenöl gibt dir einen kleinen Energiekick. Du kannst auch einen Tropfen direkt auf Pickel auftragen. Die stark entzündungshemmende Wirkung bekämpft Hautunreinheiten. Wenn du Probleme hast, ein- oder durchzuschlafen, verreibe vor dem Schlafengehen oder wenn du nachts aufwachst jeweils einen Tropfen auf deinen Fußsohlen. Das hilft auch tagsüber bei Stress. Denke auch hier wieder daran, das ätherische Öl gegebenenfalls mit einem Trägeröl zu verdünnen.
Für die folgenden Rezepte kannst du im Internet leere kleine Roll-on- oder Sprühfläschchen bestellen. Ebenso gibt es Behälter für selbst gemachte Bodylotion und vieles mehr. Auch in Apotheken gibt es oft kleine Fläschchen zu kaufen. Du kannst natürlich auch eine alte Parfümzerstäuberflasche auswaschen und wiederverwenden.
All-day-long-Blend:
Mische 15 Tropfen Zitronen-, 10 Tropfen Lavendel- und 8 Tropfen Pfefferminzöl mit fraktioniertem Kokosöl in einer Roll-on-Flasche (10 ml). Bei einer Roll-on-Flasche anderer Größe kannst du das Mischungsverhältnis einfach anpassen. Diesen Roll-on kannst du den ganzen Tag über verwenden. Er erfrischt, wirkt konzentrationsfördernd und gleichzeitig ausgleichend und riecht einfach himmlisch. An heißen Sommertagen kannst du ein paar Tropfen Pfefferminzöl mehr hineingeben. Diese Mischung kann auch helfen, Kopfschmerzen, Sonnenbrand und Juckreiz bei Mückenstichen zu lindern. In diesem Verhältnis eignet sie sich auch prima für den Diffuser: 4 Tropfen Zitronenöl, 2 Tropfen Lavendelöl und 1 Tropfen Pfefferminzöl.
Morgennebel:
Wenn du morgens schläfrig und müde bist, mische 5 Tropfen Orangenöl und 2 Tropfen Pfefferminzöl mit Wasser im Diffuser. Das hilft dir, besser wach zu werden und in den Tag zu starten.
I-am-fearless-Blend:
Wenn du dich ängstlich oder überfordert fühlst, mische 3 Tropfen Lavendelöl, 3 Tropfen Orangenöl (ersatzweise Zitronenöl) und 2 Tropfen Ylang-Ylang-Öl (ersatzweise Geraniumöl) zusammen mit Wasser im Diffuser. Alternativ kannst du auch die zwei- bis dreifache Menge mit fraktioniertem Kokosöl in einer Roll-on-Flasche (10 ml) mischen und diese immer bei dir tragen und anwenden, wenn dir mal wieder alles zu viel wird. Die Mischung wirkt beruhigend und entspannend.
Let-go-Blend:
Wenn du von deinen Eltern, Geschwistern oder der Schule genervt bist, hilft es, sich vorübergehend etwas abzugrenzen. Dazu reicht oft schon eine kurze Pause nur für dich zum Durchatmen. Hierbei kann dich Teebaumöl (Melaleuka-Öl) wunderbar unterstützen. Auf der emotionalen Ebene ist es das Öl der energetischen Grenzen. Mische 1 Tropfen Teebaumöl mit 1 Tropfen Zitronenöl und gib diese Mischung auf deinen Solarplexus oder verteile sie im Haaransatz. Das entspannt sofort und lässt dich tief durchatmen. Danach wirst du dich gleich viel gelassener fühlen. Bei empfindlicher Haut verdünne die Öle mit 2 bis 4 Tropfen eines Trägeröls. Eine solche Mischung eignet sich auch toll für einen Roll-on! Du benötigst etwa 8 Tropfen Teebaumöl und 8 bis 10 Tropfen Zitronenöl sowie ein neutrales Trägeröl für einen Roll-on mit 10 ml Inhalt.
DIY-Facial-Toner:
Mische 15 Tropfen Teebaumöl, 10 Tropfen Lavendelöl und eventuell zusätzlich 4 Tropfen Grapefruit- oder Geraniumöl zusammen mit etwa 80 ml Witch Hazel (ein Hamameliswasser) und 80 ml Wasser in einer kleinen Sprühflasche. Schüttle die Flasche gut vor jeder Anwendung und sprühe dann den Toner nach deiner normalen Gesichtsreinigung auf die Haut. Aufgrund der begrenzten Haltbarkeit fertige lieber regelmäßig eine frische Flasche an, anstatt gleich eine zu große Menge zu mischen. Sprühflaschen aus Glas kannst du in die Spülmaschine tun und wiederverwenden. Toll ist auch diese Gesichtsmaske:
DIY-Gesichtsmaske:
Besorge dir Tonerde (Bentonit) fürs Gesicht. Rühre 1 Esslöffel Tonerde mit etwas Wasser an und füge jeweils 1 Tropfen Grapefruitöl (ersatzweise Zitronenöl), Teebaum- und Lavendelöl hinzu. Lass die Maske fünf bis zehn Minuten auf deinem Gesicht einwirken. Bei empfindlicher Haut teste für beide Rezepte vor der Anwendung an einer kleinen Stelle die Verträglichkeit.
Himmlische Mischung fürs Badewasser:
Gib ein paar Tropfen eines blumigen Öls (zum Beispiel Ylang-Ylang-Öl oder Geraniumöl) zusammen mit ein paar Tropfen Lavendelöl in die Badewanne, wenn du ein entspannendes Bad möchtest. Falls du es eher energetisierend magst, mische Ylang-Ylang-Öl mit Orangenöl oder einem anderen Zitrusöl. Ätherische Öle sind hydrophob (nicht in Wasser löslich). Ich empfehle dir daher, die essenziellen Öle bei empfindlicher Haut mit 1 bis 2 Esslöffeln eines Trägeröls zu verdünnen, bevor du sie in das Badewasser gibst. Fürs Bad ist zum Beispiel auch ein Olivenöl aus der Küche toll. Das Wasser selbst verdünnt die Öle nämlich nicht.
Meersalz-Peeling für samtweiche Haut:
Für dieses einfache und preiswerte Rezept nimm ein kleines Schraubglas (du kannst eines aus der Küche in der Spülmaschine reinigen und wiederverwenden) und fülle es zu etwa zwei Dritteln mit gemahlenem Meersalz. Gib ätherische Öle deiner Wahl dazu, ich empfehle dir circa 15 Tropfen Grapefruit- und 10 Tropfen Lavendelöl oder 8 Tropfen Geraniumöl. Je nach Größe des Glases auch etwas mehr, wenn du es intensiver magst. Fülle das Ganze mit einem Trägeröl auf, schön sind zum Beispiel Jojobaöl oder Olivenöl, bis das Salz gerade bedeckt ist, und verrühre alles noch einmal gut mit einem Löffel. Du kannst einmal pro Woche unter der Dusche 1 bis 2 Teelöffel entnehmen und auf Beinen, Armen und anderen rauen Hautstellen sanft einreiben, danach abduschen. Nach dem Duschen brauchst du dann keine Bodylotion oder Creme mehr, da das Peeling bereits sehr nährende Öle enthält und die Haut samtweich macht.
Geeeääährne
Nach der Schule platze ich gleich mit der Neuigkeit heraus, denn ich will es hinter mich bringen: „Mum, ich sage dir jetzt was und ich mag keinen Kommentar von dir dazu hören! Also, einfach die Information aufnehmen und gut is’, okay?“
Mum guckt mich mit großen Augen an. „Ich gebe mein Bestes!“
„Ich gehe zum Yoga. Der Deal gilt. Je schneller ich es hinter mir habe, umso besser.“
„Okay.“
„Okay?“, frage ich ungläubig, fast schockiert.
„Ja, du wolltest doch keine weitere Anmerkung.“
„Stimmt“, nicke ich verblüfft.
Meine Mum ist natürlich total begeistert, das sehe ich an ihrem Gesichtsausdruck, und sie weiß auch schon, wo ich hingehen soll.
Sie hat das scheinbar ganz genau geplant.
Ich koche innerlich, es geht mir immer noch gegen den Strich, aber ich tue das für Franzi und auch ein bisschen für mich. Ich will auf das Konzert. Mums Plan wird nicht aufgehen, ihre Namaste-Welt kann sie alleine bewohnen. Doch jetzt kommt echt der Hammer: Es ist kein Yogastudio um die Ecke, nein, warum auch?! Ich kann nicht mal eben mit dem Fahrrad los, sondern es ist richtig weit weg!
„Mama, echt jetzt, was soll das denn wieder? Ich kann doch einfach in irgendeinen Anfängerkurs gehen, meinetwegen in deinem Studio um die Ecke. Das kostet sonst zu viel Zeit!“, bettle ich fast.
„Nee, ein Kurs, in dem nur Erwachsene sind, das ist doch doof für dich. Das macht gar keinen Spaß. Ihr Jugendlichen habt eine ganz andere Energie, Yoga fließt bei euch natürlich ganz anders als bei uns Oldies.“
„Yoga ist generell doof für mich und was da wie fließt, ist mir so was von egal. Ich will es einfach nur aussitzen und möglichst wenig Zeit investieren, nur schnell abhaken. Verstehst du?“
Das tangiert sie anscheinend null, sie entgegnet stattdessen unbeeindruckt: „Ich kenne da eine Lehrerin beziehungsweise habe ich in einem Blog über sie gelesen. Sie bietet extra einen Kurs für Leute in deinem Alter an, das ist viel besser geeignet für dich. Ich habe neulich mit ihr telefoniert, du kannst jederzeit einsteigen. Der Kurs läuft zwar schon eine Weile, aber das ist wohl kein Problem. Ich glaube, das wird passen mit ihr und dir, sie wirkt easy und natürlich. Magst du mal den Blog lesen? Da sind auch ein paar der Mädchen aus dem Kurs abgebildet, die sehen echt nett aus. Ich schicke dir den Link, dann kannst du dir selbst ein Bild machen.“ Und schon tippt sie auf dem Handy rum und mein Chat mit ihr blinkt auf.
Und nein, ich werde das nicht lesen, ich mache mir doch nicht schon vorher schlechte Laune!
Wenn meine Mum „easy“ sagt, handelt es sich bestimmt um eine Slow-Motion-Glückskeks-verschluckt-Öko-Peace-Freundin.
Kennt ihr diese Sorte? Die immer ganz laaangsam sprechen und alles ist „voll okay“ und „kein Thema“ oder „voll gerne“ und „voll schön“?
Ich würde die am liebsten auf schneller spulen. Unser Biobäcker Fin ist genauso ein Typ. Ich beschreibe mal, wie ich das meine.
Also, ich hole sonntags immer die Brötchen bei so einer richtigen Ökobäckerei, ist ja klar. Die backen noch selbst und so, ohne den ganzen Chemiekram. Ich finde das auch okay, das Brot ist essbar, aber das Drumherum ist supernervig. Also, jeden Sonntag haben Mum und ich den gleichen Ablauf.
Ich schwinge mich verpennt aufs Fahrrad und Mum deckt dafür den Tisch, schnippelt Gemüse und Obst. Sie macht manchmal einen total tollen Dip, mit Radieschen und Kresse, der ist echt lecker. Jedenfalls – folgende Szene am Sonntag, es ist echt genauso, wie ich es erzähle.
Ich, völlig verpennt – ich bin immer verpennt morgens, egal um welche Uhrzeit –, radle zum Bäcker. Es ist voll, weil ja alle Berlin-Mitte-Ökomenschen ihre Brötchen genau hier kaufen müssen. Der Bäcker Fin ist gerade total angesagt in der Ökoszene. Ich stehe also ewig an und muss mir Gespräche anhören wie:
„Sag mal, hat Frieda auch Gluten?“
„Nein, Sören hat Nuss, Tomate, Paprika, Apfel, Himbeere und Erdbeere.“
„Ach, der Arme. Geh doch mal zu meinem Heilpraktiker, vielleicht kann der helfen.“
„Nee du, ich schwöre ja auf die Schamanin an der Ecke. Tillmann und ich machen in den Sommerferien so einen Selbstfindungstrip, da nehmen wir Sören gleich mit! Wir haben auch nur da Zeit, Sören muss ja in der Schulzeit nachmittags immer zur Blockflöte, er ist ja sooo unglaublich begabt! Dann hat er noch den Englischkurs, Schwimmen, Turnen …“ „Wie? Bietet eure Schule etwa kein Englisch als erste Fremdsprache an?“
„Nee du, ist echt nicht zu fassen, oder? Ich meine, um bilingual kommt man doch gar nicht mehr rum. Wo leben die denn?“
Endlich, endlich bin ich dran!
Der Bäcker Fin: „Guuuten Mooorgäään, Felicy, alles klar?!“
Ich so: „Yep, zwei
Möhrenapfeldinkelhanfstangen und eine Schrippe.“
Er so: „Alles klar, voll gut, die Dinkelsache. Felicy, ich liiiebe deinen Humor.“ Fin lacht wie ein wieherndes Pferd: „Normale Schrippe gibt es nicht, aber ich kann dir unsere frechen Vollis anbieten. Vollkorn mit kleinem Weizenanteil!“
Ich so: „Super, ohne Körner, nehme ich!“
Er so: „Ist kein Problem, voll geeeääährne!“
Super, denke ich, dann leg doch endlich los und pack die Teile in die Tüte.
Er, im Schildkrötentempo: „Felicy, wie geht es dääähhhnnn der Maaammmaaa so, alles im Flooow?“
Nee, habe mich nicht versprochen, kein Schneckentempo, sondern Schildkröte.
Kennt ihr den Film Findet Nemo? Da gibt es eine Schildkröte, die im Strom schwimmt, die gut gelaunte Hey-Dude-Schildkröte. Genau so tickt Fin auch, nur redet er dabei im absoluten Zeitlupentempo.
Ich, ungeduldig: „Super, danke!“
Er, strahlend: „Voll geeeääährne, du, dann grüße die Maaammmaaa von mir!“
Ich, schnaufend: „Yep!“
Er, freundlich: „Magst du ein Stück von unserem neuen Apfelkokosmandelhaselhanfzimtteilchen probieren? Ohne Zucker, nur Kokosblütensirup und natürlich Bioäpfel.“
Ich, deutlich: „Nee, danke! Ich will einfach nur diese Dinkelteile und mein Ohne-Körner-Teil!“ Er, völlig entspannt: „Okay, voll geeeääährne, kein Problem, ist voll okay, alles klar, dann packe ich das für dich ein.“
Ich: „Yep!“
Er: „Hast du eine Baumwolltasche mit?“
Oh nein, die Baumwolltasche, ich habe sie vergessen! Jetzt kassiere ich ein Kopfschütteln von der Sören-Mama.
„Ach, Felicy, ist doch kein Problem, ich gebe dir voll geeeääährne eine neue, brauchst du auch nicht bezahlen, ihr seid ja Stammkunden!“, rettet mich Fin, bevor ich Schlangenschelte bekomme.
Wenn ich allerdings jetzt Danke sage, antwortet er mit „voll geeeääährne“ und ich kann es nicht noch ein einziges Mal hören. Ich sage nichts und versuche zu lächeln. Er: „Du, ist doch echt kein Problem, alles ist gut, ich packe dann mal ein!“
Er reicht mir den Beutel, ich habe es geschafft.
„Felicy, hier du, voll geeeääährne und einen gaaanz tollen Taaag!“
Aaah! Ich drehe gleich ab, am liebsten würde ich alle in diesem Laden mit verkohlten, harten Dinkelbroten bewerfen.
Stattdessen schlucke ich den Impuls runter und sage: „Ja, ähm, bis Sonntag!“
„Ja, hab eine gaaanz tolle Zeit und grüße die Maaammmaaa, ich sehe sie Samstag beim Maaandalamalen! Das machen wir so geeeääährne.“
Boah!!!!
Und dann Sörens Mama: „Ach, da gehe ich auch nächsten Samstag hin, ist ja lustig!“ „Also, hast du schon mal deine eigene Meditationskette gemacht? Das ist ein energetisches Erlebnis“, mischt sich ein kleiner, dünner Mann mit runder Brille ein.
„Ääächt, wo machst du das denn?“, will Fin wissen.
Ich nutze die Chance, um ohne Abschiedsgeschwafel zu verschwinden.
Ich höre sie nicht mehr, ich trete in die Pedalen. Boah, Alter, die Sonntagsversammlung der Ökomenschen ist echt heftig, mache ich nicht „voll geeeääährne“! Der arme Sören, die arme Frieda! Mein Beileid, ich weiß, was auf euch zukommt. Viel Spaß in der Pubertät, es gibt Yogakurse und Diskussionen über Gangster-Rap gratis!
Auf dem Küchentisch stehen Blumen. Das Geschirr, liebevoll zusammengesammelt auf Flohmärkten und Reisen, ist quietschbunt.
Bei uns ist nichts normal und passend, selbst unsere Stühle sind bunt. Ich mag aber dieses zusammengesammelte Geschirr. Jeder Teller und jedes Glas hat seine Geschichte. Die knalltürkisen Frühstücksteller sind beispielsweise von einem Bauernmarkt in Holland. Der eine glänzende grüne Unterteller plus die fünf lila- und rosafarbenen Kristallgläser kommen aus Ibiza, da verbringt meine Mum oft ihren Yogaurlaub. Die großen Porzellanteller mit Goldrand, die Teekanne und die Zuckerdose sind vom Flohmarkt um die Ecke. Mum hat sie einer alten Frau abgekauft. Sie gab ihr viel mehr Geld als üblich für so einen Flohmarktkram. Mum sagt immer, es sei wichtig, Gutes zu tun, ohne den Stolz der Menschen zu verletzen. Ich mag diese Teller besonders, weil die alte Frau so glücklich aussah. Kein Geschirrteil passt hier zu dem anderen, aber dieses bunte Chaos ist gemütlich. Und die Stühle sind der totale Hingucker, Mum hat sie selbst angemalt. Auf meinem, er ist fliederlila, steht sogar mein Name drauf, mit Herzchen. Eigentlich ist das kindisch, aber ich mag den Stuhl. Auf Mums pinkem Stuhl ist dieses Symbol gezeichnet, es sieht aus wie die Zahl Drei mit Kringel, hat wieder irgendetwas mit Yoga zu tun. Was eigentlich?
Es duftet nach Chai mit Honig, Milch und Zimt.
Der ist echt lecker, ich stehe auf Zimt. Mum schafft es immer, alles total gemütlich zu machen.
„Danke für die Brötchen!“ Sie nimmt mir die Baumwolltasche ab und schüttet den Inhalt in einen geflochtenen Brötchenkorb.
„Voll geeeääährne!“, entgegne ich.
Wir müssen beide lachen, wir kriegen uns gar nicht mehr ein.
„Gibst du mir mal den Bärlauchaufstrich?“, frage ich.
„Voll geeeääährne!“, antwortet Mum.
„Krieg ich noch mehr Tee?“
„Voll geeeääährne!“
Wir haben oft echt Spaß zusammen, meine Mum kann richtig lustig und albern sein. Ich hab sie manchmal echt geeeääährne.
„Sag mal, was ist das noch mal für ein Zeichen auf deinem Stuhl? Das sieht man bei vielen Yogis, auf T-Shirts, Tüchern und so.“
„Das ist das Zeichen für Om, den Urklang.
Eigentlich ist es ein Symbol der Hindus und Buddhisten, aber inzwischen ist es weit verbreitet. Es ist eine Verbindung der drei Klänge A, U und M.“
„Und was soll das? Warum singt ihr das überhaupt? Ich finde, das wirkt abgedreht. Muss ich das etwa auch machen?“ Oh Gott, bitte nicht! Plötzlich kriege ich es mit der Angst zu tun.
„Nein, niemand muss das machen, aber man kann. Ich verstehe, dass das komisch rüberkommt. Als ich meine ersten Yogaklassen besucht habe, fand ich das auch befremdlich. Ich habe lange nicht mitgesungen, aber dann wurde ich neugierig, wie es sich anfühlt. Und das Vibrieren, das da entsteht, wenn man sich so richtig traut, das ist echt toll und auch supergesund für die Stimmbänder.“
Die erste Yogastunde: Bikiniworkout – oder was?
„Mum, muss ich das jetzt echt durchziehen? Mit Potsdam? Und überhaupt diese ganze Yogazwangsache?“, bettle ich fast unterhalb meiner Würde.
„Klar, unser Abkommen steht! Und das ist kein Zwang. Du musst das nicht machen. Es sei denn, du magst unbedingt zu dem Gangster-Rapper-Konzert, dann solltest du dir zuvor Yoga anschauen und in dein Innen hineinspüren. Alles deine Entscheidung!“
„Boah, Mum, mein Innen hat so gar nichts mit dem Konzert zu tun, das checkst du einfach nicht, was? Eben nicht alles meine Entscheidung. Und weißt du, dass ich eine Stunde bis nach Potsdam brauche?“, entgegne ich voll genervt.
„Vielleicht checkst du auch gerade nicht viel, aber lass uns damit aufhören. Der Deal ist simpel und du brauchst nicht die Öffentlichen nutzen. Der Kurs ist am Sonntagnachmittag, da kann ich dich fast immer fahren. Ich schätze, wir brauchen circa vierzig Minuten mit dem Auto, mehr auch nicht.
Ich liebe die Vibes in Potsdam!
Während deiner Yogastunde setze ich mich in ein gemütliches Café oder gehe spazieren. Ich freue mich da richtig drauf. Und während der Fahrt haben wir mal wieder Zeit zu zweit und können alles durchquatschen, was uns in den Sinn kommt!“, erklärt sie euphorisch. „Okay, wenn du mich fährst, meinetwegen. Dann lass uns Sonntag starten, ich will es schnell abhaken.“ Ich resigniere.
„Gebongt!“, klatscht sie kindisch in die Hände.
„Mum, kein Mensch sagt mehr ‚gebongt‘!“
„Was sagt man denn dann?“
„Oh Mann, ganz normal, sag einfach ‚okay‘.
In deinem Alter solltet ihr eh nicht versuchen, so zu reden wie wir. Das ist voll peinlich!“
„Ich finde es LOL!“, lacht Mum.
„Mum, das sagt auch kein Mensch mehr!“
„YOLO.“
„Mum!“
„Kleiner Scherz, also ich sage dann einfach mal: Ist geritzt!“
„Geritzt?“
„Ja, oder gebongt, das kannst du dir aussuchen, denn so rede ich!“
„Na, dann nehme ich ‚okay‘.“ Wir lachen so doll, dass Mum der Tee aus der Nase schießt. Wir blödeln den ganzen Tag so rum, alles machen wir voll „geeeääährne“, alles ist „geritzt“ und „gebongt“. Meine Mum benimmt sich nicht wie jemand, der Anfang vierzig ist. Sollte man mit vierzig nicht erwachsener sein? Ich kann mir gerade richtig gut vorstellen, wie sie als Jugendliche so war. Sie benahm sich sicher voll albern und war bestimmt total eigensinnig. Sie war garantiert keine Tussi. Ich hätte sie wahrscheinlich gemocht, wenn ich sie unter diesen Umständen kennengelernt hätte, also nicht als Mum mit Achselhaaren, sondern als Mitschülerin oder so. Wahrscheinlich hatte sie viel Stress mit ihren Eltern, die sind nämlich total konservativ, genau das Gegenteil von meiner Mum. Sie hat kaum Kontakt mit ihnen, meine Großeltern sehe ich nur ganz selten. Meine Mum meint aber, egal, was vorgefallen sei und wie unterschiedlich man auch sei, man dürfe den Kontakt zur Familie nicht ganz abbrechen, denn auch das seien unsere Wurzeln. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass ich nie wieder mit meinen Eltern rede, aber ich kann mir gut vorstellen, weit weg zu ziehen, um mein Ding zu machen. Zurzeit habe ich nur noch gar keine Ahnung, was mein Ding so ist. Puh, alles ist so ungewiss.
Wo werde ich wohl in zehn Jahren leben, was werde ich tun?
Erwachsene haben es viel leichter, ihr Leben ist klar, der Job, der Partner. Die haben diese vielen Fragezeichen schon durch. Manchmal wünschte ich, ich wäre auch schon da angekommen. Und dann würde ich auf so viele Konzerte gehen, wie ich Bock hätte, ohne Deals und Vorträge. Dann wäre ich ganz frei. Schon komisch, dass das Alter und auch die Rolle, die man hat, einen oft automatisch voneinander trennt. Ich glaube, wenn sie nicht meine Mum wäre, dann würde ich ihren Charakter echt witzig finden.
Hey Psst, ich habe es geschafft! Kurs Nummer eins ist abgehakt, jetzt sind es nur noch elf. Ich packe das. Elf, oh Mann, trotzdem heftig! Hier der Bericht meines Sonntags. Ich war kurz vor Stundenbeginn ziemlich nervös. So gar keine Ahnung zu haben, was mich erwartet, das war schon komisch. Es gibt tollere Situationen. Vor allem, wenn man eh keinen Bock auf das ganze Ding hat, dann ist es doppelt scheiße. Nervosität ohne eigene Motivation für die Sache ist ein superlative negative vibe. Ich bin immer noch sauer auf meine Mum, weil sie mir so etwas zumutet.
Ich habe natürlich nicht den Blog über diesen Teenager-Yogakurs gelesen. Einfach, weil ich mich gar nicht dafür interessiere. Was bringt es auch? Ich werde nicht eine Minute mehr in diesen Yogakram investieren als nötig. Aber ehrlich gesagt: Es wäre schlauer gewesen, nur für das Gefühl, wenn ich mir den Blog vor der ersten Stunde doch noch reingezogen hätte. Ich bin jetzt nicht schüchtern oder so, aber ganz neu in eine Gruppe kommen? Da steht doch keiner wirklich drauf! Und dann noch nicht einmal zu wissen, wie eine Yogastunde abläuft, das sind ein paar Fragezeichen zu viel. Sagte ich schon, dass ich auf das ganze Yogazeug eh null Bock habe? Ich glaube, ich erwähnte es bereits. Und dann handelt es sich doch ganz sicher um Mädchen, die freiwillig zum Yoga gehen, wahrscheinlich so typische Yogaelfen. Die sind bestimmt voll anders drauf und heißen auch so ökomäßig Rabea oder Hildegund. Diese ganzen Mädchen sind definitiv nicht gerade auf meiner Wir-ticken-gleich-Liste. Wetten? Diese Gedanken schossen mir durch den Kopf und mein Herz klopfte voll schnell, als Mum mich vor dem Studio absetzte. Mein Bauch kribbelte und ich musste dringend aufs Klo. Ich fühlte mich auf einmal gar nicht mehr wohl in meiner Haut.
Kennt ihr das, wenn ihr in den Spiegel schaut und ihr seht einfach scheiße aus?
Ihr fühlt euch plötzlich voll klein und wollt einfach nur in euer Zimmer zurück und die Decke über den Kopf ziehen? So fühlte ich mich.
Ich versuchte, mich zu beruhigen, redete in meinem Kopf mit mir selbst: ‚Einmal tief durchatmen und einfach die Tür aufmachen. Nicht nachdenken, Felicy, einfach machen.
Was kann schlimmstenfalls passieren? Nix, außer doofen sechzig Minuten. Na und?
Keiner muss mich mögen oder toll finden, die sind mir alle egal, es geht nur um das Konzert. Ich muss mich da jetzt einfach durchbeißen.‘ Ich habe versucht, mir nichts anmerken zu lassen, als ich in das Studio trat. Die Location war echt krass schön, sie erinnerte mich ein bisschen an New York, nur mit niedrigen Häusern. Ich öffnete eine schwere Holztür, landete in einem Hinterhof, stieg eine Außentreppe hinauf und trat in einen großen Raum mit alten Backsteinwänden. Dunkle Holzpfeiler stützten die Decke ab, überall brannten Kerzen und es duftete nach Tee. Ich war ganz cool, glaube ich, nicht wirklich offen zum Quatschen, aber ich will ja auch keine Freunde finden. Es geht nur darum, die Yogastunden abzuhaken, so simpel ist es eigentlich. Warum machte ich mir überhaupt einen Kopf?
Die Lehrerin Jacqueline (echt krasser Ostname – herzliches Beileid) trug keine Hängearschhose, ganz im Gegenteil. Unter ihrer engen Sporthose zeichneten sich ihre Muskelpakete an den Oberschenkeln ab, ihre Achseln waren rasiert, sie war dezent geschminkt und quatschte wie ein Wasserfall – absolut kein Schildkrötendude!
„Hey, du bist Felicy, richtig?“, fragte sie mich für meinen Geschmack etwas zu euphorisch.
„Ja, genau“, antwortete ich freundlich, aber distanziert.
„Ich bin Jacqueline, aber nenn mich bitte Jacque. Jacqueline klingt fast so schlimm wie Cindy aus Marzahn. Schön, dass du da bist. Deine Mutter hatte mich angerufen. Also, trage dich erst mal hier in die Teilnehmerliste ein und dann zeige ich dir alles. Du hast noch keine Yogaerfahrung, richtig?“
„Nee, wirklich so null.“ (Und ich will auch keine machen.)
Sie lächelte und entgegnete: „Das macht nichts. Du lernst das Schritt für Schritt. Wenn dir was zu schnell geht, guckst du einfach nur zu, das haben alle am Anfang so gemacht. Es kommen immer wieder Neue in die Gruppe, Elisa und Laura zum Beispiel sind auch erst seit ein paar Wochen dabei.“ Laura und Elisa schauten von ihren Matten hoch und lächelten freundlich. Ehrlich gesagt: Die Jacque redete mir eine Nummer zu schnell, wie ein quirliges Rennpferd. Fast fehlte mir schon mein Ökobäckerdude Fin. Aber in dem Moment war es eigentlich ganz gut, sie quatschte mich einfach mit jeder Info voll, sodass keine unangenehme Stille entstehen konnte. Jacque fegte wie ein Wirbelwindtornado durch das Studio und ehe ich mich’s versah, hatte ich gezahlt, wusste ich, wo die Umkleidekabine und die Toilette sind, hatte ich eine Matte, einen Klotz sowie einen Gurt als unterstützende Hilfsmittel und – BÄM! – war ich mittendrin im Yogakurs – unfreiwillig und ohne Interesse. Einfach krass!
Es ist sicher nicht yogisch, jemanden zu erpressen. Wenn ich das dieser Jacque erzählen würde, würde sie sich vielleicht meine Mum vorknöpfen, so quasi von Yogi zu Yogi. Ich fühlte mich, als hätte mich ein Sturm durch die Luft gefegt und auf der Matte wieder ausgespuckt. „Alles hat seinen Grund“, sagt meine Mum immer, und wie sehr sie in diesem Fall recht behalten sollte, konnte ich allerdings zu diesem Zeitpunkt nicht im Ansatz erahnen. Das Geile an diesem ganzen Yogakurs: Ich war gar nicht beim Yoga! Ich befand mich in einem Sportkurs. Aber das werde ich Mum natürlich nicht verraten! Das war so geil, die Mädels durften echt ihr Handy an die Anlage stöpseln, nix mit indischen Gesängen oder Wellnesshausfrauenmusik, sondern aktuelle Charts. Nur der Stundenbeginn erschien mir ein bisschen yogisch.
Wir trafen uns im Kreis.
Ich befürchtete schon Händchenhalten, gemeinsames Singen und so ’n Zeug, aber das war zum Glück nicht der Fall. Ich wurde nur kurz vorgestellt und jede Schülerin nannte mir ihren Namen. Davon habe ich mir vor lauter Aufregung allerdings so gut wie keinen gemerkt, aber es waren keine krassen Ökonamen. Dann fragte die Lehrerin, worauf wir Lust hätten. Und da kam jetzt nicht „Ich will meinen inneren Frieden finden“ oder so. Nee, geil, die sagten, sie wollten was für Bauch, Beine, Po machen. Der Brüller, oder? Yogis wollen Knackpoübungen? Ich dachte, das sei ein Scherz, aber Jacqueline – sorry, Jacque – blieb völlig entspannt und meinte unaufgeregt: „Okay, so machen wir es, dann kraftvoll und knackig, dazu etwas Technik. Und wie immer: Absolute Priorität hat die Atmung. Felicy, hast du einen bestimmten Wunsch, einen Grund, warum du zum Yoga gekommen bist, den du erzählen magst?“, wollte sie wissen. Sollte ich sagen „Konzertkarten“? Ich zuckte mit den Achseln, mir fehlte gerade eine gute Antwort. Nach sehr stillen und gefühlt zu vielen Sekunden fiel mir was Normales ein: „Äh, ich will beweglicher werden!“, antwortete ich fast erleichtert. Puh, geschafft, das klang doch plausibel! Deswegen macht man doch Yoga, oder? Oder?! Berechtigte Frage! Warum geht man zum Yoga? Welcher Hype steckt eigentlich dahinter? So viele Promis scheinen Yoga zu machen, sogar die männliche deutsche Fußballnationalmannschaft und erfolgreiche Geschäftsmänner. Es gibt Kinderyoga, Businessyoga, Power Yoga, Yoga auf dem Surfbrett, Yoga für Schwangere, Yoga für den Rücken und nun also auch Yoga für Teens. Irgendetwas muss da dran sein, denn mein Papa hat mir mal erklärt, dass Angebot und Nachfrage zusammenhängen, was ich auch total einleuchtend finde. Es scheinen sich also viele Menschen mit Yoga auseinanderzusetzen, auch Normalos, nicht nur spirituelle Ökofreaks, sonst gäbe es nicht so viele Yogastudios und Artikel in den Zeitschriften sowie bunte Yogamatten und Klamotten. Die wollen sich doch nicht alle nur ein bisschen dehnen und ihre Füße wieder im Stand berühren können, oder? Was erwarten die also vom Yoga? Erleuchtung kann es ja wohl auch nicht sein, sonst wäre die Welt um einiges friedlicher – bei so vielen Yogis.
„Alles klar! Du willst also insgesamt mehr Beweglichkeit, dann herzlich willkommen, Felicy!“, sagte Jacque fröhlich – und das war nicht so ein Ich-mache-einen-auf-voll-gutdrauf-Willkommen wie bei so einer gebräunten amerikanischen Bootcamp-Motivationstrainerin mit weißem Zahnpastalächeln. Ich glaube, sie meinte das so, wie sie es sagte. Sie schien ihren Job zu mögen und ich schätze, für so eine Yogafrau ist die noch ganz okay. Schließlich erklärte Jacque eindringlich: „Beim Yoga gibt es eine Regel, die mir sehr am Herzen liegt: Übe nur das auf deiner Matte, was dir guttut. Nimm bitte übertriebenen Ehrgeiz raus. Sobald du merkst, dass du deinen Atem anhalten musst, mache eine kurze Pause und steige dann einfach wieder ein!“ Ich musste grinsen. Geil, dann lege ich mich sechzig Minuten auf die Matte. „Das heißt nicht, dass du dich nicht anstrengen sollst. Von nichts kommt nichts, du musst aus deiner chilligen Komfortzone raus, um was in deinem Leben zu bewegen. Aber bekomme ein Gespür dafür, was du brauchst und was nicht! Der Lehrer ist vor allem dein Atem: Wenn er frei fließen kann, ist alles gut. Wenn du ihn presst oder anhalten musst, dann gibst du gerade zu viel. Das Motto ist ganz simpel: Richtig anstrengen ja, quälen nein!“ Ups, kann die Gedanken lesen? Und was bitte soll sich in meinem Leben bewegen? Es ist doch alles ganz in Ordnung! Die anderen sind nur Stulle, meine Mum, mein Dad, Caro, Linda, meine nicht vorhandenen Titten, meine schlaksigen Arme, die Schule, die Umwelt, der Krieg, der Plastikmüll – aber das ändert nix, da kann ich auch noch so viel auf der Matte turnen. Meine Mum erzählte neulich von einer Frau, die Tage für den Weltfrieden meditiert und Spenden gesammelt hat. Was soll das bringen? Ich meine, wenn sie untätig dasitzt, wie soll da der Weltfrieden entstehen? Es sollten besser alle diejenigen Menschen meditieren, die die Scheiße anzetteln und beim Krieg mitmachen. Ehrlich, manchmal kriege ich Angst. Der Terror, der Hass, die kaputte Umwelt, fiese Krankheiten! Aber was soll ich schon tun? Ich bin voll machtlos! Warum hassen sich so viele Menschen gegenseitig, nur weil sie anders sind oder anders leben?
Warum sind wir alle auf dem Egotrip und kriegen den Hals nicht voll?
Scheiße, ich habe echt viel zu viele Sneakers und Jeansjacken. Ich muss mit dem übertriebenen Shoppen aufhören! Warum zerstören die Menschen gnadenlos die Natur und fügen anderen Lebewesen Leid zu? Gruselig, ich mag da gar nicht dran denken. Ich hasse diese Gedanken, die sich wie eine dunkle Rauchsäule aufbäumen und mir manchmal das Gefühl geben, dass ich nicht mehr tief atmen kann. Kennt ihr das? Wenn die Angst einem die Kehle zuschnürt, man sich machtlos fühlt, wenn man über die Welt nachdenkt? Da läuft so viel verkehrt, da weiß man gar nicht, wo man anfangen soll und wie! Erst die Wale oder erst die Kinder in Afrika vor Hungersnöten retten? Erst die Tierversuche stoppen oder mächtige Konzerne boykottieren, die die Armut anderer Länder ausnutzen? Erst dafür sorgen, dass jeder Mensch sauberes Trinkwasser und eine Schulbildung erhält, oder den Regenwald retten? Und was ist mit dem Ozonloch, mit medizinischer Versorgung für jedermann, Freiheit für alle, Gleichberechtigung für Frauen, Homosexuelle und so weiter? Puh. Stopp! Ich versuchte die Gedankenkette durchzuschneiden und mich auf die Übungen zu konzentrieren. Irgendwann wurden die so anstrengend, dass es klappte und ich nicht mehr diese schweren Gedanken denken musste. Das war ein erleichterndes Gefühl. Ich hatte nun echt voll und ganz mit dem zu tun, was da auf der Matte passierte. Die Übungen waren superfordernd und teilweise ganz schön wackelig, da konnte ich nicht mehr über tropische Regenwälder und Kriege nachdenken. Gut so! Boah, habe ich geschwitzt, das konnte kein Yoga sein, das war hammerkrasser Sport am Limit. Wir haben weder „Om“ gesungen noch großartig gechillt. Teilweise motivierte Jacque uns, unsere Grenze auszuloten. Ich muss sagen, nach acht Liegestützen war meine Grenze mehr als erreicht. Bei den Bauchübungen musste ich zwischendurch pausieren und war froh, dass einige Mädels es mir gleichtaten. Aber krass, manche zogen voll durch und schienen sogar ganz easy dabei atmen zu können. Ich beobachtete zum Beispiel so eine ganz zierliche Dunkelhaarige. Rein theoretisch musste sie Muskeln wie ein aufgeblasener Fitnessjunkie besitzen, so gab die Gas! Die konnte Liegestütze wie Tom und war unfassbar fit. Null aufgeblasene Muskeln, nee, einfach nur ein voll schön trainierter, richtig fitter Körper. Ich war ein bisschen neidisch, ich kam mir voll unsportlich vor. Doch dann fiel mir ein Spruch von Mum ein: „Der Vergleich trägt immer Leid in sich.“ Das stimmte gerade total! Und nun fühlte ich mich doof, weil ich mich mit dieser Sportskanone verglich.
„Versucht immer, auf eurer Matte zu bleiben. Yoga ist kein Sport, hier geht es nicht um Wettkampf. Du kannst gern mit geschlossenen Augen praktizieren, wenn es dir hilft, dich nur auf dich zu konzentrieren. Es geht nur um dich, was dir und deinem Körper guttut, was du spürst. Yoga ist deine persönliche Verabredung mit dir selbst. Versuche, dich immer wieder daran zu erinnern und dich auf diese Intention zu konzentrieren!“
Jacques Worte begleiteten die schmerzenden Bauchübungen. Schon wieder ein Treffer, konnte sie vielleicht doch Gedanken lesen? Echten Yogis sagt man ja so einiges nach. Mein Bauch brannte. Dabei richtig zu atmen, so wie Jacque das vorgab, fand ich voll schwer! Es gelang mir nur selten. Wir sollten beim Ausatmen den Unterbauch nach innen und oben saugen, so als würden wir eine ganz enge Jeans schließen wollen. Schon allein davon würde ich bestimmt Bauchmuskelkater bekommen! Also, die Fotos in den Zeitschriften mit den Yogamodels am Meer, die in der Sonne sitzen, ein Ärmchen in die Luft heben und entspannt in die Kamera schauen, die trügen gewaltig! Und was überhaupt für eine Verabredung mit mir selbst? Ist das dieses allgemeine Gelaber?
Das gehört ja zum Yoga dazu, dieses übertriebene Eso-Selbstfindungszeug.
Soweit ich von Mum weiß, sagt man Spirit-Talk dazu. Meine Mum kam neulich auch mit so einer Lebensweisheit vom Yoga nach Hause: „Auf der anderen Seite der Angst wartet dein Leben!“ Hm, ich stehe ja nicht so auf solche altklugen Weisheiten. Ich weiß noch, wie ich reagierte: „Machste jetzt einen Bungeesprung oder kaufst du dir eine Tüte Gummibärchen und isst davon?“, fragte ich sie spöttisch.
„Nee, weder noch. Aber sehr witzig. Ich verbinde damit eher meinen hausgemachten ängstlichen Kopfmüll, der mich manchmal daran hindert, Dinge zu tun, die ich erleben möchte!“, erklärte sie.
„Zum Beispiel?“, fragte ich.
„Meinen Rucksack packen und vier Wochen mit dir nach Indien reisen. Ohne großen Plan, einfach treiben lassen. Land und Leute entdecken. Aber dann schaltet sich mein Kopf ein: Wird das sicher sein? Was, wenn etwas passiert, jemand krank wird? Wie viel wird das kosten? Was wird dein Vater dazu sagen? Und schon bin ich im Kopfstress und packe das nicht an, verschiebe es von Jahr zu Jahr. Und wenn ich diese Angst loslasse und Vertrauen in mein Bauchgefühl habe, das alles mutig organisiere und angehe, dann erwartet uns höchstwahrscheinlich ein tolles Abenteuer!“
„Und wenn nicht, dann fahren wir an die Nordsee?“, fragte ich sarkastisch und entgegnete außerdem säuerlich: „Hast du meinen Bauch auch gefragt, ob er dazu Lust hat? Also, ich will nämlich lieber nach Ibiza in dieses Hotel, wo nur Jugendliche sind, möglichst mit Franzi!“
Da war meine Mum sprachlos. Auf diese Idee kam sie von alleine nicht. Als wäre so eine Reise nach Indien mit Mutti der Wunschtraum eines Teens. In welcher Welt lebt die nur?
Ich hörte plötzlich wieder Jacques Stimme. Auweia, wo war ich denn mit meinen Gedanken schon wieder? Ob das jemandem aufgefallen ist? Habe ich was verpasst, was nicht mitgemacht? Jacque schien auch so einen tieferen Spiritkram-Sinnsatz erwähnt zu haben, zumindest beschäftigte er bis eben gerade meinen Kopf und galoppierte mit mir bis zu Mums Indienreise. „Yoga ist deine Verabredung mir dir selbst!“ Was sollte das nun bedeuten? Ich bin nonstop mit mir zusammen! So ein Quatsch, als ob man mit sich nicht zusammen sein könnte! So nach dem Motto: So Felicy, heute bleibst du mal zu Hause und ich gehe alleine los. Hä? Bisschen komisch, oder? Plötzlich fiel mir auf, dass Jacque inzwischen viel ruhiger sprach, fast so, als wäre sie nicht die Frau, die uns eben noch durch tiefe Kniebeugen gejagt hatte. Das schwitzige und hitzige Galopprennen, das Turnen, das alles ebbte ab wie wildes Meer, das nach und nach zur Ruhe kommt.
Oder wie ein Lautstärkeregler, der ganz langsam immer leiser gedreht wird. Klingt zwar ein bisschen blumig, aber es drückt gut aus, was da passierte. Mein Körper war platt, aber er fühlte sich angenehm an, nicht total kaputt. Jacque führte uns am Ende durch ein paar sanfte Dehnungen. Mit jeder Minute breiteten sich im Raum mehr Ruhe und Stille aus. Die Beleuchtung wurde ausgeschaltet und nur noch das Kerzenlicht schimmerte im Raum. Und dann kam es, Shavasana, die Totenstellung. Ich finde es komisch, dass man regungslos rumliegen soll, das kann ich auch zu Hause. Und dafür zahlt man auch noch Geld? Das war dann doch wieder Yoga. Davor hatte ich mich etwas gefürchtet, denn mit Fremden still in einem Raum rumliegen, das ist nicht gerade ein Wunschtraum von mir.
Wie sollte man denn dabei entspannen?
Wir legten uns also alle am Ende der Stunde zehn Minuten lang regungslos auf die Matten, in Rückenlage mit geschlossenen Augen. Ich fand es, wie erwartet, schwierig und überzeugte mich ein paarmal davon, ob auch wirklich alle ihre Augen zuhatten. Shavasana ist, laut Jacque, sogar der wichtigste Teil einer Yogastunde. Es soll der Grund sein, warum wir vorher überhaupt mit unserem Körper gearbeitet haben. All das Geackere hatte die Intention, uns von unserem Alltagslärm zu distanzieren: Schule, Eltern, Freunde, Stress, Pflichten und so weiter. Es sollte uns befähigen, sozusagen tiefer zu uns zu tauchen, weg von der Oberfläche des Alltages. So habe ich zumindest Jacques Spirit-Talk gedeutet. Hm, verstehe ich noch nicht so ganz, wenn überhaupt jemals, aber das war ja auch meine erste Stunde. Es wurde geräuschlos im Raum, ich hörte nur Jacques Schritte auf den Holzdielen. Es roch auch nach etwas. Lavendel? Und schon spürte ich zwei warme Hände, die meinen Nacken massierten und meine Stirn. Okay, das war Schnurrender-Kater-Niveau, aber auch nur, weil ich Massagen mag. Da hatte Jacque einfach Glück gehabt, dass das voll mein Ding ist. Manche hassen ja Creme und Massagen. Wie unterschiedlich wir Menschen doch ticken! Okay, war ein bisschen viel Reflexion, klingt aber echt erwachsen, was da gerade so aus mir raussprudelte … Scheiße, ich habe aber auch viele Gedanken im Kopf, ich quatsche mich nonstop selbst voll! Ich hätte schon gerne mal ein paar Minuten Ruhe da oben.
Das Fazit meines Konzertkartenprojektes: Okay, die elf Kurse kriege ich rum. Die Lehrerin schien ganz okay, sie machte mit uns Sport. Sie hat gecheckt, dass wir nicht Om chanten und meditieren wollen. Mit dem Kurs kann ich also leben. Die Mädchen haben alle ganz freundlich geschaut und sahen total normal aus, guter Style, ein paar waren lässig gepierct, manche sahen sogar richtig nett aus. Vollgelabert hat mich auch keine. Und krass, waren die fit! So verträumte Yogaelfen waren das nicht. Folgender Plan: Ich gehe da rein, möglichst eine Minute vor
Stundenbeginn, turne und zische wieder raus. Noch elfmal und dann habe ich die Konzertkarte in der Tasche. Franzi hat sie sogar schon gekauft, läuft also alles.
Alter, wenn Mum wüsste, dass die hier im Kurs nicht versuchen, irgendeinen Flow zu spüren, sie wäre bedient.
Hammer! Das nenne ich Karma: Sie zwingt mich zum Yoga und ich kriege einen Fitnesskurs mit passabler Musik. Läuft!
Potsdam hatte was. Es fühlte sich an, als ob man verreist wäre. Das Yogastudio befindet sich im Holländerviertel. Die Häuser, meist aus Backstein, sehen alle voll schön und gemütlich aus. Viele haben liebevoll bemalte Eingangstüren. Aus den vielen kuscheligen Cafés strömte Kaffeeduft; an der einen Ecke roch es nach Poffertjes, diesem Gebäck aus Holland, an der anderen gab es zehn verschiedene Sorten Käsekuchen, natürlich frisch gebacken. Der heiße Ofen ließ die Fenster beschlagen. Wir entschieden uns für einen Eierpfannkuchen im Pannenkoekenhuis. Den belegen die mit fast allem, was man essen kann. Es gab die Pfannkuchen ganz normal mit Zimt und Zucker, Eis und Kirschen, eben süßem Zeug. Man konnte aber auch deftige auswählen, mit Käse und Schinken oder Tomaten, Champignons, Spinat, Hackfleisch und Käse. Das ist voll lecker, schmeckt wie Pizza, aber mit Eierpfannkuchenteig. Wir bestellten einen Eierpfannkuchen mit Banane und Zimt und einen mit Lauch und Käse.
„Ich hoffe, die nehmen Bioeier, aber ich schätze, eher nicht“, bemerkte Mum fast verzweifelt.
„Ach, Mum, sei doch nicht immer so“, stöhnte ich genervt.
„Na, ich gebe mir schon Mühe. Mal kann man ja unvernünftig essen, da hast du ja recht, aber trotzdem fühlt sich das einfach nicht mehr gut für mich an. Das hat was mit Bewusstsein zu tun, dann kann man einfach nicht mehr so tun, als sei alles feinchen. Und Hühner so qualvoll zu halten, das ist absolut nicht richtig! Wenn wir diese Eier essen, unterstützen wir die Massentierhaltung! Erst wenn alle Konsumenten diese Eier ablehnen, werden die Tiere artgerecht behandelt.“
„Mum, können wir bitte ein Mal nicht an so etwas denken? Die Hühner wirst du so jetzt auch nicht retten und dein Körper wird nicht vergiftet werden von einem normalen Ei.
Wenn du mit mir durch Indien reisen willst, dann kannst du auch nicht einen auf Bioapostel machen“, entgegnete ich genervt. Immer diese fehlende Leichtigkeit, genau deswegen bin ich manchmal nicht gerne mit ihr zusammen. Sie kann einfach nicht chillen! „Ich fange jetzt nicht von glücklichen Hühnern und so an. Wenn du wüsstest, was ich weiß, nämlich wie die Hühner wirklich gehalten werden, dann könntest du auch nur noch schwer normale Eier essen. Wir Menschen verdrängen viel zu viel und leben deswegen rücksichtslos.“
„Mum, bitte, können wir einfach mal normal essen und uns nicht fertigmachen?“
„Okay, ich gebe mir ganz doll Mühe. Erzähl doch mal vom Yoga.“ Die Kellnerin brachte die Getränke. „Entschuldigen Sie, nehmen Sie eigentlich Bioprodukte für Ihre Pfannkuchen?“, entfuhr es meiner Mum.
Die Kellnerin guckte spöttisch: „Von der Biokette, wat? Klar, ick loof da mal schnell nur für Sie rüber. Das macht dann plus zehn Euro Biozuschlag.“ Sie schüttelte den Kopf und ging.
„Die war wohl nicht aus Potsdam“, erkannte Mum verdutzt.
Ich musste lachen: „Nee, dit bestimmt nicht, wa? Und jetzt kriegste ’nen Pfannkuchen mit Rotze druff.“
„Iiih, Felicy, jetzt wird mir ganz komisch.“
„Na, mir auch, wir wollten uns die Pfannkuchen ja teilen, und jetzt bin ich dank dir auch rotzgefährdet.“
„Entschuldige, ich kann es echt nicht lassen, aber man wird doch wohl noch fragen dürfen“, gab sie etwas kleinlaut zu.
Ich trommelte theatralisch mit den Fingern auf die Tischplatte: „Hier kommt meine Competition für dich: Wenn ich jeden Sonntag in Potsdam zum Yogakurs antanze, dann isst du jeden Sonntag nach dem Kurs genau das, was die Speisekarte hergibt, ohne Vortrag, ohne Biogeheule.“
Meine Mum schluckte. „Okay, mache ich, aber ich darf mir schon aussuchen, was ich esse.“
„Klar!“
Und dann kamen die dampfenden Eierpfannkuchen.
Sie rochen lecker und jeder Gedanke an Bioeier und Rotze war bei mir verschwunden. Mum zögerte noch, als müsste sie von einer Klippe springen.
Ich grinste sie herausfordernd an.
Dann kam die Kellnerin noch mal an unseren Tisch. „Ick war da eben etwas schroff, aber wissense, ick bin ooch nur ’n Mensch. Dieses Biozeug, dat kann doch keener bezahlen, und ehrlich, denkense, die Biohühner kacken bessere Eier? Ick glob, dat is allet nur Jelaber, um uns Kundn ’n doofes Jefühl zu jeben, wenn wa de billijen Eia koofen.“
Mum holte tief Luft und wollte gerade den Vortrag über Legebatterien und Tierhaltung über die arme Kellnerin ergießen, als ich ihr ordentlich ans Schienbein trat. Ich guckte sie eindringlich und beschwörend an. Meine Mum sah erst mich an, dann die Kellnerin und sagte schließlich: „Na, am besten loofen wa zu ’nem Bauernhof für de Eia, aba hier jibbt et ja keenen.“
Die Kellnerin zuckte verständnislos mit den Achseln und ging zum nächsten Tisch.
„Schon jewählt oder muss ick noch mal wiederkommen?“, begrüßte sie den neuen Gast nebenan.
Unser Tischnachbar bat: „Ähm, schön wäre, wenn es Ihnen nix ausmacht, der Pfannkuchen von der Tageskarte.“
Sie schnaufte und drehte sich wortlos um.
Der Gast sah uns an: „Also, ich frage besser nicht, ob sie die Eierpfannkuchen mit laktosefreier Milch machen können.“ Wir lachten alle, ziemlich laut und ziemlich lang. Da half auch kein angenervter Blick der Kellnerin mehr. Der Gast, Bernd, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der philosophischen Fakultät in Potsdam. Er und Mum verstanden sich super. Er schien voll und ganz von Mum begeistert zu sein. Sie fand ihn auch interessant, das bemerkte ich sofort. Ich fühlte mich fast fehl am Platz, aber Bernd versuchte, mich immer wieder höflich ins Gespräch einzubeziehen. „Du machst also Yoga? Toll, ziemlich ungewöhnlich für jemanden in deinem Alter. Normalerweise findet man zum Yoga, wenn man älter ist, weil man total gestresst ist oder einem, so wie bei mir übrigens, der Rücken wehtut“, sagte Bernd erstaunt.
„Echt, Bernd, Sie machen Yoga? Ich auch!“, strahlte meine Mum.
„Sag doch bitte du, sonst fühle ich mich zu alt.“ Bernd bekam rote Wangen.
„Gern“, lächelte meine Mum fast schüchtern. „Ja, ich gehe hier zum Rückenfokus, gleich um die Ecke“, erzählte Bernd weiter.
„Dann sind wir ja im gleichen Studio! Aber na ja, ich mache das nicht ganz freiwillig“, fügte ich hinzu. Ich erzählte ihm die ganze Geschichte und Bernd grinste immer breiter. „Und, wie war es heute so?“, versuchte meine Mum möglichst beiläufig zu fragen, was ihr allerdings nicht gut gelang.
„Ach, ganz okay. Na ja, schon scheiße, aber ich halte das elfmal aus!“
Bernd prustete sein Alsterwasser durch die Nase. „Entschuldigt bitte, aber ihr seid wirklich ein lustiges Mutter-Tochter-Team. Yogazwang und Gangster-Rapper-Konzert, das ist schon echt lustig!“ Bernd zuckte zusammen, denn ein großer Teller mit Eierpfannkuchen wurde von hinten auf seinen Platz geknallt. „Eierkuchen, Erdnussbutter und Nutella“, fasste die Kellnerin seine Bestellung in einem Ton zusammen, der keine Widerrede erlaubte. „Wow, keine schlechte Wahl“, fand ich.
Bernd genoss den ersten Bissen: „Hmm! Ich stehe total auf Erdnussbutter.
Ich finde, mit Yoga muss man Geduld haben, es braucht Zeit.
Es ist genauso wie mit jeder anderen Sportart, die du anfängst. Zu Beginn übst du die Technik und das ist manchmal echt langweilig oder sogar frustrierend. Aber irgendwann kommt der Spaß hinzu oder wie bei mir: der Sinn. Ich habe keine Rückenschmerzen mehr und inzwischen brauche ich Yoga genauso wie eine erfrischende Dusche. Yoga erfrischt tatsächlich meinen Geist, meinen Kopf und meinen Körper. Aber in deinem Alter klingt das alles sicher etwas komisch“, entschuldigte sich Bernd fast ein bisschen.
„Das hoffe ich ja, dass Felicy da auch irgendwann mehr draus zieht. Erst geht es darum, dich auf dem Skateboard überhaupt zu halten, du musst die Verbindung von Board und Körper finden, und dann kommt der Flow!“
„Mum, du hast keine Ahnung vom Skateboardfahren, lass es lieber!“, stöhnte ich.
„Ach, du fährst Skateboard? Ich stehe ja auf Snowboardfahren, ist ähnlich, oder?“, wollte Bernd wissen.
„Ja, schon, denke ich.“ Ich schaute ihn skeptisch an. Der Typ war doch bestimmt vierzig und fährt immer noch Snowboard?
„Deine Mum hat schon recht. Es stimmt, alles kann Yoga sein. Körper, Atem und Gedanken verbinden sich und sind bei der einen Sache, die du gerade tust, und nirgendwo anders.
Ich kann gar nicht mehr anders Snowboard fahren, sonst würde ich mich wohl fürchterlich auf die Schnauze legen“, gestand er augenzwinkernd.
Die Worte von Bernd sprachen Mum direkt aus dem Herzen und schließlich ging es voll mit ihr durch: „Genau so, Bernie, das hast du schön ausgedrückt! Du bist voll da, in diesem Moment, der Kopf beruhigt sich, ist fokussiert und voll on. Das kann beim Skateboardfahren sein, beim Joggen, beim Spazierengehen, beim Meditieren … Alles ist Yoga, wenn der Kopfmüll zur Ruhe kommt und du ganz im Jetzt landest. Yoga heißt nichts anderes, als dass der Geist durch den Atem zur Ruhe kommt. Das muss nicht zwingend mit den Asanas zusammenhängen.“ Sie nickte Bernd begeistert zu.
„Ich bin nicht im Skateboardflow, ich habe es einfach gelernt! Und was für eine Ananas?“, war meine Frage dazu.
„Asanas, das Wort hast du doch schon oft bei mir gehört“, meinte Mum verwundert.
„Ja, aber ehrlich gesagt, was das ist, das ist mir nicht klar. Du wirbelst oft mit diesen Indien-Wörtern rum, da frage ich schon gar nicht mehr und nehme hin.“
„Das ist Sanskrit. Ich habe einen Kurs besucht. Diese alte indische Sprache ist gar nicht so schwer, wie sie klingt. Asana ist ein häufig verwendetes Wort, das bezeichnet einfach nur die Körperübungen, die du beim Yoga machst. Der herabschauende Hund, die Kobra und so weiter.
Und doch, ich glaube, auch mit dem Skateboard fahren kann Yoga sein.
Erst lernst du vorwiegend mit dem Kopf, eignest dir die Technik an, und dann kommt der Rest. Du fühlst das Board, die Verbindung zu deinem Körper, bist in Gedanken präsent, sonst würdest du die Balance kaum halten können. Nur der Aspekt des geführten Atems fehlt leider und der ist unfassbar effektiv.
Aber das lernst du ja jetzt beim Yoga und kannst das Gelernte bald auf alles im Leben übertragen.
Weißt du eigentlich, dass Yoga nicht nur Praxis ist, sondern die Übungen, also die Asanas auf der Matte, nur ein ganz kleiner Teil sind?“, sprudelte sie nun drauflos.
„Wie jetzt, du willst mir sagen, dass das Turnen auf der Matte nicht alles ist? Wie meinst du das jetzt? Beten und so? Ist das doch eine Religion? Und machen die das auch in meinem Kurs?“ Ich bekam es ein bisschen mit der Angst zu tun.
„Nein, um Gottes willen. Yoga ist keine Religion, das habe ich dir doch schon einmal erklärt. Jeder ist ganz frei in seinem Glauben, das ist ja das Tolle. Es geht um dich und darum, was du in dir spürst. Und wenn du Yoga lebst und nicht nur turnst, dann geht es um alles, die Ganzheit“, erklärte sie etwas aufgebracht.
„Oh, Mum, bitte nicht, das ist too much Eso-Geschwafel! Ich verstehe kein Wort!“
„Okay, okay, aber kann ich dir mal so ganz normal ohne Eso erzählen, was Yoga alles noch ist außer einer einfachen Gummimatte?“, fragte sie, ohne wirklich zu fragen. „Meinetwegen, wir haben ja noch eine Autofahrt vor uns und vom Handytippen im Auto wird mir sowieso immer ganz schlecht“, erlaubte ich gnädig. Bernd amüsierte sich ganz offenbar über unsere Unterhaltung und genoss bewusst jeden Bissen seines Eierpfannkuchens, der vor lauter Erdnussbutter und Schokocreme nur so triefte.
„Da habe ich ja Glück, dass du während der Autofahrt Zeit für mich hast und deine Aufmerksamkeit ganz bei mir ist!“, lachte meine Mum. „Also, erstens heißt Yoga nicht, dass man auf einem Schaffell liegt und singt. Es muss auch nicht heißen, dass man Ökofutter isst und seine Achseln nicht mehr rasiert.“ Bernd lachte schon wieder aus vollem Halse. „Ich habe mich für diesen Weg entschieden, aber jeder kann und sollte seinen eigenen Weg finden, einen, den er mag und der ihm guttut. Yoga gibt es in ganz verschiedenen Ausprägungen. Das ist wie beim Skateboard: der eine fährt Longboard, der andere macht Stunts und der Nächste liebt es einfach, Clips davon auf YouTube zu sehen“, begann sie ihren Was-ist-Yoga-Vortrag. Der würde bestimmt lange dauern. Ich war dieses Mal aber gar nicht so uninteressiert, denn bisher dachte ich immer, Yoga hieß, nur auf der Yogamatte diese Übungen zu machen. Dass Yoga so viel mehr war, wusste ich noch gar nicht. „Mum, nicht diesen Skateboardvergleich!“, bat ich sie aber erneut.
„Okay, okay. Also, manche lesen vorwiegend philosophische Texte, manche machen Yoga nur mit dem Körper und manche singen Mantren und so weiter. Ich praktiziere Vinyasa-Yoga, zudem lese ich sehr viele philosophische Texte und versuche, mich zu reflektieren und als faires Wesen über diesen Planeten zu marschieren. All das ist Yoga für mich. Ich versuche, Yoga von der Matte auf mein Leben zu übertragen. Das hat dann nichts mehr mit Sport zu tun, sondern mit sehr viel mehr. Aber dafür müssten wir mit dem Auto nach Neuseeland fahren, bis ich dir das alles erzählt habe. Nur so viel: Es ist ein spannender Lernweg und mir tut es unfassbar gut. Aber ich muss noch viel lernen, zum Beispiel, dass jeder seinen eigenen Weg gehen muss, vor allem du. Leben heißt nonstop lernen, anders kann man sich auch nicht entwickeln. Man muss immer offen sein, sich zu reflektieren und aus Fehlern und Erlebnissen zu lernen, und bereit sein, sich zu transformieren. Nur so kann man in seine innere Großartigkeit wachsen! Und übrigens heißt es eigentlich: der Yoga! Aber fast alle sagen: das Yoga.“
„Yep, dass du lernen musst, mich in Ruhe zu lassen, das kann ich unterschreiben! Und was ist jetzt Vinyasa für ein Teil?“, fragte ich.
„Das heißt nichts anderes, als den Atem und die Bewegung zueinanderzubringen. Dadurch entsteht so ein toller Flow, als ob man in der Bewegung meditieren würde. Das ist richtig toll, wenn man es schafft, die ganze Zeit diesen geführten Atem beizubehalten. Aber das ist gar nicht so einfach. Wenn man mit viel Übung in diese Art der Meditation findet, tankt man unglaublich viel Kraft. Die Sichtweise auf sich selbst und das Leben verändert sich. In einem selbst wird vieles klar.
Es ist, als würde Freiheit in meinem Kopf entstehen.
Aber ich benötigte Jahre, um diesen Zustand zu spüren. Erst mal war es auch für mich nur Turnen und irgendwann kam dieses Aha-Erlebnis, als ich merkte, dass mein Umgang mit der körperlichen Praxis ganz viel mit mir zu tun hat. Bernd, wie ist das bei dir?“ „Ja, dem kann ich ungefähr zustimmen.
Also, ich beschäftige mich jetzt nicht mit den yogischen Texten“, gab Bernd ehrlich zu. „Die Veden und das Yogasutra, richtig?“
„Ja, das sind die Texte, die mich sehr bereichert haben, sie beinhalten die Weisheiten des Lebens. Die solltest du unbedingt lesen“, versicherte Mum.
„Ich bin eher so der Rückenschmerzyogi, der merkt, wie gut Yoga tut. Ich bin muskulöser, beweglicher und gleichzeitig entspannter, seit ich regelmäßig Yoga praktiziere. Aber neulich ist mir aufgefallen, dass ich in der Praxis dazu neige, meinen Kiefer anzuspannen, also manchmal gehe ich wahrscheinlich zu sehr an meine Belastungsgrenze.
Genauso bin ich auch im Leben: Zähne zusammenbeißen und alles geben, manchmal zu viel.
Das war schon echt spannend, zu entdecken, dass ich als Yogaschüler genauso handle wie im Leben. Vieles machen wir uns gar nicht bewusst, wir funktionieren einfach und lassen uns von dem allgemeinen Wettbewerbsdenken mitreißen. Ich lerne gerade, dass ich nicht der Beste sein muss und durchaus auch Pausen machen darf. Ich glaube, Yoga gibt jedem das, was er sucht und worauf er sich einlassen kann“, fasste Bernd sein Yogagefühl zusammen.
„Aha, nach zwölf Kursen werde ich also nicht meine absolute Erleuchtung finden!“, stellte ich spöttisch fest.
„Erleuchtet bin ich auch nicht, aber ich würde sagen, ich bin aufgewacht. Neben den Erfahrungen auf der Matte bringt mir das Yogasutra am allermeisten etwas. Ich lese fast jeden Tag in den Sutren, es gibt so viel zu lernen, zu erkennen und zu spüren. Es ist ein bisschen so, als hätte ich alte, unnötige Dinge abgestreift und wäre erst dadurch bewusst in meinem Leben angekommen. Kennst du den Song Leichtes Gepäck von Silbermond?“, fragte Mum.
„Glaub schon, das sagt mir was“, überlegte ich.
„Hör ihn dir mal an, der beschreibt so ein bisschen, was es heißt, unnötige Dinge loszulassen“, schlug meine Mum vor. „Da geht es nicht unbedingt darum, den Kleiderschrank zu entrümpeln.“
„Dieses Buch mit den indischen Sätzen an deinem Bett, ist das die Bibel?“, fragte ich.
„Das ist keine Bibel, das Yogasutra ist … Bernie, interessiert dich das auch oder fachsimple ich jetzt zu viel?“, wollte Mum wissen. Bernd errötete leicht. „Ehrlich gesagt, turne ich wohl noch, wenn ich dir so zuhöre, aber erzähl gern. Wie muss ich mir das vorstellen?“
„Bernie, du weißt ja gar nicht, was du tust, jetzt wird es ein sehr langer Nachmittag“, warnte sie ihn humorvoll.
Bernd lächelte meine Mum an: „Ich habe nichts dagegen.“
Und dann rauschte sie los: „Also, das Yogasutra ist der Schlüssel zu allen Fragen des Lebens …“
Ich bestellte mir daraufhin noch einen Kakao mit Schlagsahne. Bernd und Mum hatten sich viel zu sagen und die Blicke, die sie austauschten, entgingen mir auch nicht. Er hing an ihren Lippen und als ich nach bestimmt einer halben Stunde mehrmals herzhaft gähnte, nahm er davon fairerweise Notiz: „Wir langweilen dich, was? Verstehe ich.“
„Na ja, ich würde jetzt echt gern mal los“, entgegnete ich erleichtert.
„Da hast du total recht. Wir zahlen mal schnell. Wir haben uns echt verquatscht“, erkannte Mum leicht schuldbewusst.
Die Kellnerin besaß gute Ohren: „Jeht dit nun alles zusammen oder wie hätten Sies jern?“ „Also, ich zahle für meine Tochter und mich.“ „Darf ich euch einladen?“, fragte Bernd.
„Das ist total lieb, aber nein danke, Bernie“, antwortete meine Mum entschlossen. Bernd lächelte etwas verlegen. Wir verabschiedeten uns.
„Es war mir eine Freude, dich kennenzulernen!“ Mum griff seine Hand und sah ihm aufrichtig in die Augen.
„Und mir erst! Ich habe so viel gelernt und werde mir gleich morgen das Yogasutra kaufen, mit der Interpretation, die du mir empfohlen hast. Und beim Lesen werde ich an dieses Gespräch mit dir, also mit euch, denken“, fasste Bernd seinen Nachmittag mit uns zusammen.
Ich gab ihm die Hand und schon gingen wir verschiedene Wege. Es war eine schöne Stunde für Mum und Bernie, mit privaten Gesprächen, und wahrscheinlich sehen sie sich nie wieder. Ist es nicht komisch, dass sich Wege kreuzen, man sich nah ist und sich dann vielleicht sein ganzes Leben nie wieder so unterhalten wird? Irgendwie traurig, dass man an solche Momente nicht anknüpfen kann, sie sind einfach vorbei und kehren nicht zurück. Ich könnte schwören, dass Bernd sich dafür hasste, dass er Mum nicht nach ihrer Nummer gefragt hatte. Ich sah meine Mum von der Seite an. Was sie wohl gerade dachte? Bernd war echt nett und attraktiv, schätzte ich. Ich weiß nicht genau, wie ein Vierzigjähriger durchschnittlich sonst so aussieht. Ob sie glücklich war mit Seine? Ob sie ihn liebte? Er war nicht sehr oft da. Ich habe sie das noch nie gefragt. Und ich habe mir auch noch nicht die Mühe gemacht, Seine wirklich kennenzulernen. Das fiel mir jetzt erst auf. In letzter Zeit habe ich mich nicht wirklich sehr für sie interessiert.
Ich meine, dafür hat man doch auch Freundinnen und so, oder?