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Wie alles begann

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Niemand hat Gott je gesehen. Wenn wir uns untereinander lieben, so bleibt Gott in uns und seine Liebe ist in uns vollkommen.

(1. Johannes 4, 12)

Wer kennt sie nicht, die Castingshow „Germany’s next Topmodel“? Wer hat sie noch nie geschaut, drüber gezappt oder sich selbst in die Rolle eines dieser Mädchen geträumt?

Wohl jedes junge Mädchen in Deutschland wird von der Existenz dieser Sendung wissen und sich wünschen teilnehmen zu können, doch so viele Fragen stehen vor der Bewerbung: Habe ich überhaupt eine Chance? Wieso sollte gerade ich angenommen werden?! Habe ich überhaupt Talent zum Modeln? Sehe ich gut genug aus?

All diese Fragen habe auch ich mir seit der ersten Staffel gestellt, die ich mir mit meiner Mutter und meiner kleinen Schwester angesehen habe. All diese Mädchen wirkten so weit weg, beinahe schon unnahbar, auf jeden Fall hätte ich mir nie träumen lassen, dass ich mal ein Teil dieser Sendung sein würde. Und dennoch habe ich in der Schule oft mit meinen Freundinnen darüber gesprochen, eines Tages – wenn wir alt genug wären –gemeinsam zum Casting zu gehen (damals gab es gerade die offenen Castings, wo alle hintereinander hergelaufen sind und einzelne von der Jury ausgewählt wurden).

Und sei es nur, um einmal da gewesen zu sein. Heidi Klum und die Jury live zu sehen und ein kleines Abenteuer zu erleben. Andererseits hat natürlich auch jede die Furcht, nicht genommen zu werden. Einfach übersehen zu werden oder sogar gesagt zu bekommen, woran die Ablehnung liegt. Da ist dann auch Angst im Spiel, dass nicht genug Selbstbewusstsein und Kraft vorhanden ist, um damit klarzukommen. So habe ich jedenfalls gedacht. Ich kenne die Selbstzweifel und die Angst vor dem „Versagen“.

Doch ich habe mich getraut, denn wie heißt es so schön: Nur wer aufgibt, hat schon verloren. Mit dem Rückhalt aus meiner Familie und der Gewissheit, dass in dieser Show bestimmte Typen gesucht werden – es also nicht an mir liegt, wenn ich nicht weiterkomme – habe ich mich beworben.

Zunächst habe ich viele Daten im Internet angegeben. Von meinem Namen über das Alter bis hin zu Stärken, Schwächen und dem Grund, warum gerade ICH Germany’s next Topmodel bin. Anschließend erhielt ich eine Castingnummer und eine Zeitspanne (17.00 – 17.30 Uhr), in der ich mich beim Casting in Hamburg melden sollte.

Kleine Info am Rande: Eine Teilnahme ist auch ohne vorherige Anmeldung im Netz möglich, dauert aber länger, da all diese Daten und Fragen dann vor Ort noch beantwortet werden müssen ☺.

Dann begann das Warten, bis es endlich so weit war. Ich habe versucht nicht zu viel darüber nachzudenken, da ich dazu neige, mich zu sehr in etwas hineinzusteigern. Wie gesagt, ich bin ziemlich perfektionistisch …

Am Tag selbst, dem 19. August 2012 – es war der heißeste Tag des Jahres – überkamen mich Zweifel. Wir waren an der Ostsee und es war soooo unwahrscheinlich, dass ich auch nur die Castingrunde überstehen würde, also warum sollten wir zurück nach Hamburg fahren, wo wir doch hier an der Ostsee schön baden konnten? Das wären doch nur verschwendete Benzinkosten und eine unnötige Fahrerei …

Ich wäre also beinahe gar nicht zum Casting gefahren, aber auch in dieser Situation, wie in so vielen meines Lebens, hat meine Familie – insbesondere meine Mama – mir den Mut und die Unterstützung gegeben, die ich in diesem Moment gebraucht habe und wir sind gefahren.

Das Casting fand in einem Hotel statt und während ich weiter nach hinten geführt wurde, mussten meine Mutter und meine Schwester, die mich begleiteten, vorne im Foyer auf mich warten – viereinhalb Stunden lang in der prallen Sonne, die durch die komplett verglaste Vorderfront in die Lobby schien.

Währenddessen saß ich in einem wunderbar klimatisierten Raum und – wartete. Immer acht Mädchen wurden in einen Raum gebracht und dort von Scouts beurteilt. Zu sehen, wie wunderschöne Mädchen traurig wieder herauskamen, ließ mich noch einmal zweifeln. Wenn diese Mädchen nicht weiterkamen, wie sollte ich überhaupt nur eine Chance haben?

Gleichzeitig kamen Mädchen weiter, von denen ich es nicht auf den ersten Blick erwartet hatte – das beruhigte mich wieder etwas. Es ging also nicht nur um die perfekte Figur und ein bereits jetzt perfektes Aussehen, sondern auch andere Dinge wie das Laufen, das Auftreten, die Natürlichkeit und Wandelbarkeit wurden bewertet.

Als ich dann endlich dran war, konnte ich kaum laufen – praktisch das erste Mal auf so hohen Schuhen (und dann auch noch auf Teppich!), die Aufregung, was in dem Raum wohl passieren würde und die Hoffnung, doch eine Runde weiter zu kommen. Meine Beine zitterten, ich schwitzte und ich hatte das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen – ihr könnt es euch wie den Moment vor einer wichtigen Prüfung oder Präsentation vorstellen! Was schießt einem da nicht alles durch den Kopf: Habe ich mich gut genug vorbereitet? – Hoffentlich vergesse ich nichts! – Wie sehe ich aus? –Funktioniert meine Präsentation auf dem PC? – Halte ich das Zeitlimit ein?

Ziemlich genauso ging es mir.

Aber wie vor jeder Prüfung und jedem Auftritt, den ich bisher hatte, war ich auch furchtbar neugierig und gespannt und konnte es kaum erwarten, dass es losgeht. Also ein ziemliches Gefühlschaos!☺

In dem Raum mussten wir uns dann kurz vorstellen mit Name, Alter und Wohnort, manche wurden noch etwas anderes gefragt (Echtheit der Haarfarbe o. ä.).

Dann mussten wir jeweils zu viert nebeneinander laufen. Einmal hin und einmal zurück. Klingt jetzt ausgesprochen einfach, aber damals kamen mir diese acht Meter Weg unheimlich weit vor und ich hatte wahnsinnige Angst, auf dem Teppich umzuknicken, hinzufallen oder etwas anderes falsch zu machen. (Zum Glück ist aber nichts passiert.)

Aus meiner Gruppe sind mit mir drei Mädchen weitergekommen. Um unsere zuvor angegebenen Maße zu überprüfen, wurden wir vermessen, gewogen und es wurden Polaroids gemacht (Portrait-, Ganzkörper- und Profilaufnahmen).

Anschließend hieß es wieder warten.

Erst als ich wieder im Vorraum war, konnte ich begreifen, was geschehen war: Ich, Jacqueline Thießen, hatte die erste Hürde auf dem Weg zu Germany’s next Topmodel genommen!

Die ganze Anspannung löste sich in riesige Freude und auch Hoffnung, dass ich vielleicht, ganz vielleicht, doch eine Chance hatte meinen Traum zu leben. Es war ein totaler Kick für mein Selbstvertrauen. Ich fühlte mich plötzlich durchaus hübsch genug, um bei dieser Show mitzumachen. Ich vergaß die Dinge an mir, die meiner Meinung nach nicht perfekt waren.


Ich bekam die Erlaubnis, meiner Mutter und Schwester Bescheid zu sagen, und hüpfte strahlend nach vorne. Sie hatten das Gleiche beobachtet wie ich: Wunderschöne Mädchen waren traurig und enttäuscht nach Hause geschickt worden und entsprechend groß war nun die Freude, dass ich eine Runde weitergekommen war! Die Fahrt zurück nach Hamburg hatte sich also gelohnt!

Das Casting war allerdings noch lange nicht vorbei; es folgte die Aufnahme eines „normalen“ Walks und eines „Crazy Walks“ (man sollte etwas Außergewöhnliches tun, damit Heidi sich an einen erinnert), ein langes Interview mit noch viel mehr Fragen als bei der Anmeldung (um das Auftreten und Sprechen anzuschauen), sowie ein ca. 15-minütiges Interview vor laufender Kamera (um das Auftreten und die Wirkung vor dieser zu testen). Dann war das Casting geschafft und die erste Hürde auf meinem Weg zu Germany’s next Topmodel genommen.

Nun hieß es erneut warten, denn natürlich kommen in jeder Stadt viel mehr Mädchen weiter, als später tatsächlich in die Show kommen.

Nach Beendigung der Castingtour durch Deutschland wird weiter ausgewählt – wer wirkt gut vor der Kamera, wer könnte Spannung in die Show bringen, wo gibt es eine große Chance zur Verwandlung, was für Typen brauchen und wollen wir und, und, und … Schließlich geht es bei diesem Casting in erster Linie um eine Fernsehsendung, die eine spannende Geschichte erzählen und die Zuschauer unterhalten soll, und nicht nur um eine Modelkartei. Euch fallen sicher noch weitere Kriterien ein, nach denen ausgewählt wird.

Alle paar Wochen kam dann ein Anruf, der mir mitteilte, dass ich unter den Top 1000, 500, 200 und 100 sei. Das waren immer sehr aufregende Momente – jedes Mal mit der Angst behaftet, nun zu hören zu bekommen, dass man es leider nicht mehr weiter geschafft habe … Zum Glück bekam ich stets die positive Option gesagt ☺.

Nach dem letzten Anruf, ich sei unter den Top 100, war die Aufregung natürlich ganz groß, denn mit dem nächsten Schritt (wie groß er auch sein würde – ob auf 50 oder 25) wäre ich im Fernsehen und würde Heidi Klum einmal persönlich treffen können. Doch je mehr Zeit verstrich, desto unsicherer wurde ich – ja gut, Top 100, aber was hatte ich schon, dass ich noch ein Stück weiter kommen sollte? Dazu kam die lange Zeit, in der ich nichts mehr hörte …

Es war inzwischen Dezember (im August war das Casting gewesen!) und noch immer hatte ich weder etwas Positives noch Negatives gehört …

Was ich damals nicht wusste: Meine Mutter war längst informiert worden, dass ich unter den Top 25 war und von einem Kamerateam überrascht und abgeholt werden sollte (dass Heidi dann auch noch persönlich kam war auch für meine Mutter eine Überraschung ☺).

Sie hatte alle meine Freunde und Verwandten informiert und mit der Leiterin des Kindermusiktheaters gesprochen, sodass ich während der Generalprobe für unseren Auftritt überrascht werden konnte. Das war ein echtes Problem für unsere Theateraufführung: Weder meine Schwester noch ich würden den richtigen Auftritt am darauffolgenden Tag mitmachen können – da ich mein erstes Shooting in Wiesbaden hatte und meine Mutter und Schwester zugucken durften … Es musste also auch noch stillschweigend für Ersatz gesorgt werden!

Ehrlich gesagt war ich aber so im Schul- und Klausurenstress (kurz vor den Weihnachtsferien – das kennt ihr bestimmt!), dass ich wirklich nichts mitbekommen habe!

Jetzt im Nachhinein denke ich zwar, dass ich etwas hätte merken können – immer wieder fehlten mir meine Lieblingssachen und auf Nachfrage erfuhr ich, sie seien in der Wäsche, obwohl ich sie gar nicht getragen hatte, meine Schwester erfragte, was ich denn am liebsten mögen würde. Und Papa wollte plötzlich zur Kirche fahren, um seine Kamera sicher zu transportieren, da Schnee lag (den wahren Grund erfahrt ihr gleich) und vorher wollte er noch Bilder von mir und meiner Schwester machen (machen wir zwar auch sonst manchmal, aber heute hatten wir uns gar nicht extra schick gemacht …) und so weiter.

Aber damals bin ich gar nicht auf die Idee gekommen, dass all dies mit meiner Teilnahme bei GNTM zu tun haben könnte (es war ja auch das erste Mal, dass wir Mädchen von zu Hause abgeholt und überrascht wurden).

Jedenfalls stand ich dann in der Kirche und habe mit meiner Schwester ein altes Weihnachtslied gesungen, als die Kirchentür aufging und jemand hereinkam. Ehrlich gesagt habe ich mich noch geärgert, dass mal wieder jemand zu spät kam und jetzt unsere Generalprobe störte.

Um mich nicht noch mehr ablenken zu lassen, habe ich einfach nach oben geschaut – dort haben wir ein schönes Buntglasfenster – und dann stand plötzlich Heidi Klum persönlich vor mir, hinter ihr ein Kameramann und Tontechniker, nahm mich in den Arm und eröffnete mir: „Du bist unter den Top 25 und ich würde dich jetzt gerne mitnehmen!“

Diesen Moment werde ich in meinem ganzen Leben nicht mehr vergessen. Es war so unwirklich und unglaublich, dass ich erst viel, viel später wirklich realisiert habe, was in diesen paar Minuten geschah. Heidi setzte sich neben meine Mutter auf die Bank und hörte zu, wie ich mit meiner Schwester das Lied beendete – ich konnte kaum singen, so aufgeregt war ich, aber irgendwie ging es dann doch ☺ .

Kaum fertig (meine Familie und ich gaben noch ein Interview), sagte Heidi, dass wir jetzt zum Flughafen müssten und mir ging auf, dass ich ja noch gar nichts gepackt hatte! Voller Panik wollte ich losstürzen, doch Mama beruhigte mich: Meine Schwester und sie hatten meinen Koffer gepackt und das war auch der eigentliche Grund, warum Papa die dreihundert Meter bis zur Kirche mit dem Auto zurückgelegt hatte, statt wie wir anderen zu Fuß zu gehen, er musste den Koffer mitnehmen.

Ich verabschiedete mich – tränenreich, aber auch voller froher Erwartung und unbändiger Freude – und schnappte meinen Koffer (Mann, war der schwer!). Schwupps, und schon saß ich dann in einem Auto Richtung Flughafen – die größte Reise meines Lebens begann.

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