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Der Nächste bitte!
Vorwort

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Wer geht schon gerne zum Arzt? Selbst die Zeit im Wartezimmer, bis man mit dem berühmten Satz aufgerufen wird, in den Behandlungsraum zu kommen, verbringt man doch meist mit einem eher mulmigen Gefühl. Man fragt sich, was bei der Untersuchung herauskommt. Ist man womöglich ernsthafter krank, als man glaubte? Oder wird die Behandlung unangenehm werden? Man hofft zwar das Beste, befürchtet aber das Schlimmste.

Und doch faszinieren uns Geschichten über Ärzte und ihre Patienten, über Krankheiten und deren Behandlung und Heilung. Da die meisten Leserinnen und Hörer (noch) gesund sind, bewirken Arztgeschichten einen wohligen Schauer. Die (noch) nicht Betroffenen können in einer mittleren Distanz bleiben und doch etwas an sich heranlassen, was sie morgen schon selbst treffen kann. Diesen Effekt teilen Arztgeschichten mit Katastrophen- und Kriegsliteratur.

Wer dagegen gerade selbst von einer Krankheit betroffen ist, kann sich mit den Figuren der Geschichten identifizieren und ihre Hoffnung auf Gesundung teilen. Faszinierend ist dann besonders, dass mit dem Arzt oder Heiler jemand auf den Plan tritt, der über ein höheres Wissen verfügt, ja, über eine vom Himmel kommende Kunst. Solche »Halbgötter in Weiß« begegnen uns hier in einer biblischen Frühform, obschon dieses Bild zugleich gebrochen wird: Ein rechter Arzt, wie die Bibel ihn schildert, lässt sich nicht auf diese Weise vergöttern.

Mit dem Buch Tobit besitzt die Bibel einen kompletten Arztroman, der die Leser auf eine Abenteuerreise mitnimmt. Es geht um das Finden der richtigen Medizin. Die Spannung rührt aus der Größe der Not und dem am Ende stehenden Wunder der Heilung.

Die biblischen Arztgeschichten sind vor etwa 2000 Jahren entstanden, also in vormoderner Zeit. Sie geben uns Einblick in die Lebenssituation von Menschen, die nur ganz bescheiden über medizinische Kenntnisse in unserem Sinne verfügten. Und doch begegnen uns durchaus modern anmutende Diagnosen und Therapien. Sie diagnostizieren depressive Verstimmungen und psychosomatische Syndrome, kennen aber auch Amtskrankheiten oder gynäkologische Störungen. Selbstverständlich kommen alle Formen körperlicher Gebrechen, aber auch schwere Formen psychischer Erkrankungen vor.

Die Bibel wendet sich diesen vielfältigen Krankheitsformen deshalb so intensiv zu, weil sie davon überzeugt ist, dass Heilung möglich ist. Sie stellt Krankheit und Heilung durchgängig in einen religiösen Bezugsrahmen. Der Arzt ist der von Gott Berufene, der in besonderer Vollmacht mit der Lebenskraft zu tun hat, die vom Schöpfer her den Geschöpfen innewohnt. Gott, der Schöpfer, verschließt sich den Bitten der Menschen nicht und sagt ihnen seine Hilfe zu. Heilung kommt aus der Beziehung zu ihm. Propheten und Apostel, allen voran aber Jesus Christus, stehen in einer besonderen Verbindung zu Gott und können darum heilen.

Bei den Therapieformen, die die biblischen Arztgeschichten schildern, wird ein sehr moderner ganzheitlicher Ansatz sichtbar. Der Mensch soll Gottes Zuwendung mit Leib und Seele erfahren: Gott tröstet die Seele und erquickt den Leib. So beschreibt die Bibel therapeutische Maßnahmen, die Seelsorge und somatische Medizin verbinden. Hier spielt besonders der Zuspruch der Vergebung eine Rolle. Aber auch vielfältige Formen von körperlicher Berührung und aufhelfenden Gesten bilden biblische Ansatzpunkte für das Heilungsgeschehen. Wir stoßen zudem auf Musiktherapie, Mund-zu-Mund-Beatmung, Wärmebehandlung und Kraftübertragung durch Nähe und Empathie. Wir erfahren etwas über Wundpflaster und begegnen einer frühen Form der Lehre über die gesund machende Wirkung des positiven Denkens.

Im Mittelpunkt biblischer Arztgeschichten steht aber zweifellos der geheimnisvoll anwesende Gott und – als seine menschlich erfahrbare Wirklichkeit – das Gebet. Das Gebet nimmt den Menschen hinein in das Gespräch mit Gott, dem Schöpfer und Erlöser. Die großen Ärzte der Bibel sind vollmächtige Beter. Daneben kennt die Bibel aber auch die Linie einer emanzipierten Heilkunst, weil jeder beten lernen kann und auf die Wirkung des Gebetes vertrauen darf.

Die biblischen Arztgeschichten geben manchen Einblick in einen durch Angebotsknappheit bestimmten Gesundheitsmarkt, in dem sich auch viele Scharlatane tummeln. Vor diesem Hintergrund wird die besondere Qualität der biblischen Heilkunst umso deutlicher sichtbar: Heilung kommt umsonst von Gott und wird umsonst weitergegeben. Und außerdem wirkt die eben geschilderte emanzipatorische Linie der Bibel radikal jeder Marktverknappung entgegen. Womöglich liefern die biblischen Arztgeschichten auch einen Beitrag zur Reform des Gesundheitsmarktes in unserer Zeit!

Arztgeschichten der Bibel

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