Читать книгу Die Sterne in uns - Jan Corvin Schneyder - Страница 10
IV
EINGELOGGT
ОглавлениеIch nutzte erst einmal das Terminal in Lennox´ Glaskasten-Büro. Es gab darin zum Glück keine Spuren von Gewalt.
Aber er hat doch hier gesessen, als ich ihn angerufen habe. Naja, vielleicht nicht mehr bei der Tat. Jill und der Doc könnten wissen, wo … Mensch, der Doc!
Der Arzt, der die wenigen übers Jahr verteilten medizinischen Fälle in der Station betreute, hatte ebenfalls Zugangs-Codes und wohnte in der Nähe. Er war zwar inzwischen Zivilist, aber früher im aktiven Squadronica-Dienst gewesen. Ein ziemlich erfahrener Veteran, inzwischen über Sechzig. Gut, das war kein Alter mehr, aber er hatte rechtzeitig auf eigenen Wunsch den Hut genommen.
Ich rief ihn mit dem stationären Kom an. Ich wollte mein mobiles Kom im Moment lieber nicht mehr benutzen. Dass es unsicher war, war nur eine Empfindung, das war mir klar, und man konnte auch stationäre Koms hacken, aber Empfindungen darf man nachgeben. Manchmal.
Mach das öfter! Nicht immer alles unterdrücken, Woodi!
Ich erreichte den Doc.
Er lehnte dankend ab, noch vorbeizukommen, teilte aber meine Einschätzung, dass Jill Lennox wohl kaum erschlagen hatte. Immerhin war der Doc noch kurz zuvor bei ihnen gewesen, um Jill nach Jensens Niederschlag zu untersuchen.
Sie habe sich mehrfach bei Torgan bedankt, dass er sich um sie gekümmert hatte, sagte der Doc.
Er war allerdings auch gebeten worden, Torgans Leiche rasch zu untersuchen.
»Jill Bekker würde nicht auf diese Weise töten!«, sagte er.
Ich fragte, welche offizielle Info man ihm hinterher hatte zukommen lassen. Er war als Arzt zuständig für diese Einheit. Er musste doch eine Info erhalten haben.
Ich ging von Totschlag oder einem Searerschuss aus.
Die Information, die der Doc dann preisgab, kam unerwartet.
Sie veranlasste mich dazu, erneut rasche, prüfende Blicke in alle Winkel der Halle zu werfen.
Ich sitze in einem Glaskasten! Das Ding ist überhaupt nicht sicher! Eine denkbar schwache Position!
Lennox Torgan war mit einer Axt getötet worden.
Welcher der insgesamt acht Volltreffer zum Tod geführt hatte, konnte der Bericht nicht klären, aber achtmal einen großen, schweren Mann mit einer Axt zu schlagen, passte noch weniger zu meiner Jill mit den wirren blonden Haaren und den meistens zu kurzen Hosenbeinen. Sie war nicht klein oder schwach, aber sie tötete ganz sicher anders, wenn sie töten musste. Doch nicht mit einer Axt! Achtmal!
»Wer immer das war … das ist eine ganz kranke Sau«, sagte der Doc trocken und beendete das Gespräch.
Ich wusste genau, was er meinte.
Allein im Angesicht dieser großen, massiven Halle starrte ich in halbwegs ausgeleuchtete Ecken.
Ich hatte vergessen, den Doc zu fragen, wo der Mord stattgefunden hatte. Das Wie hatte zu sehr dominiert.
Ich rief ihn erneut an, aber er aktivierte die Leitung nicht. Entweder wollte er mir heute keine Fragen mehr zu Todgehackten beantworten oder war schlafen gegangen.
Oder man zensiert oder überwacht ihn, blockiert die Leitung oder … Ich muss damit aufhören, das ständig bei allem und jedem zu denken!
Ich würde es einfach später herausfinden müssen.
Als nächstes checkte ich die drei Dewies aus Donegal.
Kathy Hussaria saß mit Freundinnen Zuhause und diskutierte die Ereignisse auf Basis von Infos aus dem GlobalCom. Sagen wir besser: Sie fiel auf die Halbwahrheiten herein, die von der Regierung verbreitet wurden. Kathy war nett. Ich war froh, dass sie offensichtlich nichts damit zu tun hatte. Alles, was ich von ihr und ihren Freundinnen hörte, deutete auf einen kompletten, gemeinsamen Tag weit weg von hier hin. Ich sah davon ab, sie als Wache anzufordern. Selbst mit Gleiter dauerte es, wenn man nicht wie besessen fuhr, noch eine Stunde von Donegal runter zum Standort unserer Einrichtung am Lough Mask.
Maryja Snoozi erreichte ich ebenfalls sofort, aber sie wusste fast nichts darüber, weil aiw den ganzen Tag allein über Lernstoff für eine Weiterbildung gebrütet hatte. Konnte niemand bezeugen, aber ich glaubte ihr vorerst.
Ich forderte sie an und sagte ihr, sie solle sofort losfahren und ihr Zeug mitbringen. Sie konnte schließlich auch hier lernen.
Und ich wäre nicht mehr allein in diesem Gebäude.
Das wäre großartig.
Allein der Gedanke an Maryjas Eintreffen machte mich beinahe glücklich.
Dann, obwohl ich sonst niemanden mehr brauchte, kontaktierte ich noch Andrew Falls.
Er war nicht zu erreichen.
Das musste er abends ohne Schichtzuteilung auch nicht sein. Vielleicht lag er auf seiner Freundin Nancy.
Oder auf seiner anderen Freundin Gracy.
Oder auf Stacy.
Ich fragte mich, wo ein Kerl so viele Geliebte mit ähnlich klingenden Namen herbekam. Er redete ständig ungefragt über seine Affären, oder was auch immer sie für ihn waren, aber ich fand ihn völlig okay. Für einen muskulösen Typen Anfang zwanzig war der leicht beschränkte Horizont vielleicht ganz normal. Immerhin baggerte er mich nie an, was richtig schlau von ihm war.
Ich hätte es dabei bewenden lassen können, dass Andrew nicht erreichbar war, aber dann hätte ich ja aus meinen heutigen Erfahrungen überhaupt nichts gelernt.
Stichwort: Wartungsroutine. Also sei nicht zufrieden, sondern geh der Sache nach, Woodi! Mal sehen, wann er zuletzt hier war.
Ich gab meinen Autorisierungscode ein und ließ mir die letzten Zugänge zum Gebäude anzeigen.
Es war jetzt 19:48 Uhr.
Da waren einige Zivilisten am Mittag und frühen Nachmittag auf dem Gelände gewesen. Es war normal, ich kannte die Namen und erkannte ihre Signaturen.
Dann fanden sich einige Überbrückungszugänge im Protokoll. Die mussten von externen Sicherheitskräften stammen. Da ging es sicher um die Sache mit Lennox und Jill. Ich war jahrelang selbst so etwas wie eine externe Sicherheitskraft gewesen. Ich hätte es genauso gemacht. Das war ST-Standard-Vorgehen.
Naja, und dann war da noch meine eigene Einfahrt um kurz nach 19 Uhr.
Ich scrollte noch mal den ganzen Tag ab, aber dieses Mal bis ganz nach oben.
Ach du heilige Scheiße! Eine von Andrew um 04:43 Uhr. Nicht ausgeloggt. Hab ich heute Morgen nicht gesehen!
Ich schüttelte den Kopf und legte eine Hand an die Stirn.
Im Grunde hatte ich mir nichts vorzuwerfen. Es war kein Standard-Vorgang, in einer vergleichsweise randständigen Einheit wie unserer, noch dazu in Friedenszeiten, morgens bei Dienstbeginn erstmal die Garagen-Protokolle der letzten Nachtstunden zu checken.
Jetzt allerdings hatte ich den Salat: Einen muskulösen Mann Anfang Zwanzig im Gebäude, der möglicherweise Lennox ermordet hatte. Und es war nicht sehr unwahrscheinlich, dass er noch mehr getan hatte als das.
Ist der wirklich noch hier?
Ich stand von der Konsole auf, nahm einen Searer in die Hand und stellte mich mit dem Rücken an die Wand zum Korridor. Das in meinem Rücken war allerdings auch nur eine Glaswand.
Ich will eine Raumschlacht mit einem Raumschiff! Ich will nicht mit einem Mörder verstecken spielen!
Die Angelegenheit war dank Commodore Dangler und der Begleitumstände zu allem Überfluss auch noch geheim. Ich konnte nicht einfach Verstärkung aus anderen Einheiten rufen. Was hätte das wieder für ein Durcheinander gegeben! Wären Flink und Noona schon hier gewesen – fein! Das würde aber vielleicht noch ein paar Tage dauern. Selbst eine eingesperrte Jill hätte mich beruhigt, aber die würde frühestens morgen kommen.
Mir fiel ein, dass ich Maryja angefordert hatte. Ich funkte sie an. Falls Andrew wirklich noch hier und ein potentieller Mörder war, musste ich sie warnen.
Mein InterKom funktionierte nicht.
Die Leitung war blockiert.
Das wächst sich zu einem echt ätzenden Running Gag aus!
Hatte Andrew für Jensen, mit Jensen oder irgendwie sogar gegen Jensen gearbeitet? Das war alles gar nicht gut. Wer stand hier auf der Leitung?
Shit!
Mein Magen schmerzte.
Ich hatte seit Stunden nichts getrunken, aber davon kam das sicher nicht.