Читать книгу Die Sterne in uns - Jan Corvin Schneyder - Страница 12
VI
PANIKRAUM
ОглавлениеEs hatte keinen Sinn, sich Maryjas Leiche oder den Trümmerhaufen daneben anzusehen. Ich hatte manuell die letzten Flammen per Spray gekillt, nun aber wollte ich endlich meine Position ändern.
Ich trat vorsichtig durch die Reste der zerbrochenen Glasscheibe hindurch in den Korridor hinein.
Dann rannte ich, so schnell ich konnte, in Richtung Kontrollraum.
Würde mich unterwegs jemand angreifen, wäre ich schon in Bewegung, in Action. Das Rennen machte mich mutiger und stärker, fühlte sich gesünder an als all das Abwarten zuvor. Es war dunkel, aber Notleuchten von der Größe kleiner Schaltknöpfe leuchteten mal hier, mal dort. Ich registrierte alle Farben und jede Bewegung viel intensiver als je zuvor. Vor jedem Quäntchen Licht hätte sich eine Kontur abzeichnen können, eine verräterische Bewegung.
Aber alles blieb menschenleer.
Bis auf meinen Atem und meine Schritte hörte ich im ganzen Gebäude nichts.
Es roch nach meinem Schweiß und einem Hauch von Rauch.
Ich trat die Tür zu meinem Büro, wie ich den Kontrollraum zu nennen pflegte, auf.
Die Screens der Terminals im Stand-by-Modus warfen grau-blaues Licht auf den Boden. Es genügte, um den Raum sofort zu überblicken, als ich eintrat.
Niemand war drin. Nur das zählte jetzt.
Ich schmiss die Tür wieder zu und verriegelte sie dreifach. Mehr Verriegelungsstufen gab es auch nicht.
Der Raum hatte ein eigenes Lebenserhaltungssystem und einen zweiten Ausgang. Auch den verriegelte ich dreifach.
Ich schaute nicht mal nach, ob im Raum dahinter jemand oder etwas war.
Viel zu gruselig! Ähm, völlig unnötig.
Mir reichten diese paar Quadratmeter momentan völlig aus.
Ein Held sein. A hero to be.
Tolle Songs gibt´s dazu, sicher auch viel Heldenmut – hatte ich schon gesehen und vielleicht ansatzweise auch selbst gezeigt – aber letztlich pissen sich in Kriegen doch alle in die Hose und beten, dass es vorbei geht. Gewalt und Kriege verherrlichen hinterher vor allem jene, die nicht mal an einem realen Konflikt geschnuppert haben.
Ich hätte das Gebäude nun im Dunkeln abgehen können, mit der Waffe in der Hand.
Der übliche Horrorfilm-Plot.
Türen vorsichtig öffnen.
Irgendwann würde ich die Toilettenbereiche prüfen. Ich würde mich hinknien, um unten durch sehen zu können, und dann stünde der Mörder auf der Schüssel. Oder so ähnlich.
Kann mal einer vorspulen? Das ist so langweilig! Ich würde aber wahrscheinlich dabei sterben. Langweilig sterben. Ich kann im Weltraum, im Krieg auf einem Schiff, gerne irgendeine sich schnell ausbreitende Katastrophe verhindern, oder schneller schießen als man zielen kann – mit den Bordwaffen – oder Leute umtreten, Torpedos rasend schnell umprogrammieren und so weiter. So ein Zeug eben. Kriegszeug. Aber das hier? Das ist kein Krieg. Das ist Scheiße.
Ich dachte an das, was draußen war.
Irland und seine verschlafene, wild-romantische Westküste. Ich war doch hier, damit ich meine Ruhe hatte. Das Command war erst mal ein wenig traurig gewesen, dass ich nicht mehr auf einem Schiff dienen wollte, aber danach dachten sie sich, ich würde bestimmt wenigstens gern Tokyo übernehmen.
Tokyo!
Von dort wurde die halbe Erde kontrolliert, wenn es um Verteidigungstechnologien ging. Und wie viele Menschen da rumrannten!
Äh, und ich dann so: Nöööö!
Ich hatte mir vorher schon angesehen, wo Teams und Standorte etabliert werden. Nichts war randständiger als das hier, als County Mayo und Co.
Ich wollte diesen Standort, da hier nichts explodierte, niemand starb und keine politischen Intrigen durch die Tür kamen.
Fuck! Pech muss man haben!
Und jetzt saß ich im dunklen, abgeriegelten Kontrollraum.
Wie in einem Panic Room!
Einige Gefühle in mir warben dafür, schnell wieder hier herauszukommen, aber ich würde auf keinen Fall rausgehen. Irre Mörder warteten doch nur darauf.
Aber Kommunikation, fand ich, musste schon sein. Ich konnte ja nicht ewig hier bleiben. Das Licht hatte ich selbst ausgemacht, also musste jetzt gezwungenermaßen aufs Tageslicht gewartet werden. Wobei, wie viele Morde passieren bei Tag, wie viele bei Nacht?
Warum habe ich eigentlich Angst? Habe ich denn Angst? Kein Freund oder Kind wartet auf mich in meinem spartanischen Zuhause. Bislang ist das so, und das meiste davon ist selbst gewählt. Ich will nicht klagen, aber wovor habe ich Angst? Was würde ich, was würde das Universum schon verlieren? Keinen Stern.
Ich lag in meinem Kommandosessel und sehnte mich nach Getränken, die mir die Situation erleichtert hätten. Es gab keine. Aber die galoppierende Gedankenlawine war jetzt ohnehin nicht mehr aufzuhalten.
Aber ich hab es mir doch eigentlich ganz hübsch gemacht. Nein, hab ich nicht! Wem will ich das erzählen? Weil Frauen sich immer alles hübsch machen müssen? Wieso eigentlich? Ich schmeiße gern meine verschwitzten Stiefel neben die Tür und lasse sie dort verrecken.
Aber schön, stylish und kuschelig mag ich´s ja auch. Ich weiß nicht, wie viele von uns Frauen zerrissen sind zwischen Gestaltungswillen und Ästhetik auf der einen, aber auch Coolness und Rotzigkeit auf der anderen Seite. Ich glaub, das sind ganz, ganz viele von uns.
Ich bin aber noch mal ein ganzes Stück weniger Durchschnitt. Wahrscheinlich eher halb Mann, halb Frau. Irgendwie. Mit einem leichten Tick zur Frau. Ich muss mich aber eh nicht entscheiden. Nicht dafür.
Alles im Kontrollraum fiel plötzlich aus.
Wirklich alles, das in irgendeiner Weise die noch verbliebene Energie beanspruchte, war nun offline.
Es war stockfinster, und nichts regte sich.
Die Minuten verstrichen.
Ich lauschte auf das Nichts und bewegte mich nicht.
Ich war nicht sicher, ob die weitere Abschaltung eine Folge meiner vorherigen Abschaltungsstufen oder ein externer Eingriff war.
Die Türverriegelung war nicht nur elektronisch, sondern auch mechanisch und magnetisch. Das war Standard bei Kontrollräumen der ST, vom Raumschiff bis zur Kleinstation in Irland.
Meine Position war nicht unsicherer als vorher, aber diese Schwärze war neu.
Der Raum hatte keine Fenster.
Es war eine allumfassende Dunkelheit.
Schwarz wie die Nacht in Afrika. Mann, wird´s da nachts schwarz! Wunderschön!
Überhaupt ist die Farbe schwarz wundervoll. Schwarze Menschen sind so fucking schön! Nur steh ich selbst halt nicht drauf. Dafür kann ich ja nichts.
Ich mag eher japanische Typen. Gut, dass ich nicht nach Tokyo gegangen bin! Manche sind voll knuddelig, aber der Vorteil ist dann irgendwie auch der Nachteil. Ich sehe denen manchmal nicht an, ob sie 16 oder 36 sind. Irgendwie fehlen da Hormone. Mir wahrscheinlich. Und wenn doch mal einer richtig cool und geil und irgendwie in meinem Alter ist, dann stimmt irgendwas anderes nicht. Zu hohe Stimme. Oder spricht nur japanisch. LOGISCH. Aber ich nicht. Oder er ist trotz meiner eigenen Verzwergung nicht größer als ich. Ich mag schon eher größere Typen. SEUFZ. Jaja, Äußerlichkeiten sind egal, ist schon klar. Am Arsch! Sind sie ja dann doch kaum jemandem. Zumindest anfangs. Ist wie Geschmack beim Essen. Lieben soll man jeden Menschen. Find ich zumindest. Aber Sex? Ich esse doch auch nichts, was mir nicht schmeckt. Wenn ich vorher schon weiß, es schmeckt mir nicht, dann schon mal gar nicht. Ok, das weiß man bei Essen selten vorher. Stimmt also auch wieder was nicht bei dieser Überlegung, aber bei Sex? Ich hatte mal fast … nein, falsch. Mich hatte mal fast ein Asiat. Böh, wie das klingt. Rassistisch. Also die letzten, keine Ahnung, dreißig Generationen seiner Familie stammten zumindest dem Äußeren nach aus dem früheren Japan, Korea oder China. Keine Ahnung. Also angeblich war er Japaner. Hat er gesagt. Egal. Der hatte mich soweit. Wir waren irgendwo, und irgendwann plötzlich nackt, und zwar ganz nackt! Dann ging es langsam los… Manche Klischees sind leider wahr. Und ich wollte das dann irgendwie doch gar nicht mehr so sehr. Also geliebt haben wir uns sowieso noch nicht, aber ich finde, man kann als Frau auch mal ehrlich sein, auch wenn niemand danach fragt. Ich geb´s zu, auch wenn das gemein ist. Ja, manche von uns mögen eben keine viel zu kleinen …
Etwas knallte an die Tür.
Der Schreck ließ mich nach hinten springen, und alle völlig absurden Gedanken und Erinnerungen waren sofort fort.
Hatte jemand etwas geworfen oder dagegen geschlagen?
Selbst wenn es eine Axt wäre, käme man durch die verschlossene Tür des Kommandoraums mit bloßen Händen oder Handwerkszeug nicht hindurch.
Das war keine Sperrholzplatte.
Keine Angst vor Äxten! Ich hab doch einen Searer!
Es knallte wieder.
Und ich denk an Schwanzgrößen statt mir einen Plan zu überlegen. Echt super. Total vorbildlich.
Der Searer lag schon länger in meiner rechten Hand, aber ich würde auf keinen Fall grundlos die Tür schmelzen.
Es knallte wieder.
Gut möglich, dass da wirklich einer hackte.
Bisschen sehr irre, oder?
Ich entschied mich, es langweilig zu finden, tastete mich zu meinem Kommandostuhl und setzte mich wieder.
Ich legte die Füße auf die Konsolen vor mir und ließ das nur sehr unregelmäßig erklingende Hacken über mich ergehen.
Nach etwas mehr als fünf Minuten verschwand es und ich fragte mich, ob das wirklich ein Mensch gewesen war.
Wer bitte hackte so langsam?
Wer braucht so lange, um auszuholen?
Ein Opa von 120 Jahren?
Und wer würde es so oft ausprobieren, wenn jedem normalen Menschen nach drei Schlägen klar sein muss, dass man so nicht durch die Tür kommt? Eine naive, dumme, böse Kinderintelligenz? Als nächstes kam dann wohl der Angriff der Plastiklöffel.
Plastiklöffel? Möchte mal wissen, wie meine Denk-Krankheit eigentlich heißt. Was macht man dagegen? Soviel Erfahrung und Ausbildung, und nützt alles so wenig. Halluzinationen?
Es hämmert. Man sitzt im Dunkeln auf seinem Stuhl und weiß, dass der Idiot nicht reinkommt, egal wie viel er hämmert. Falls es einen Idioten gibt.
Aber er mochte ja auch einen Searer haben. Warum hatte er ihn dann nicht benutzt?
Die Stille danach gefiel mir allerdings auch nicht.
Ich war wirklich nicht mehr leicht zufriedenzustellen.
Ich raffte mich schließlich auf tastete mich zu allen Konsolen in Reichweite.
Sie waren schlichtweg platt, offline, nutzlos.
Da tat sich nichts.
Also runter auf die Knie, Schutzplatten knapp über dem Fußboden abmontieren, und … naja, und dann?
Ich hatte ja nicht mal eine fucking Taschenlampe!
In den Kabelkanaleingeweiden hätte es wenigstens ein bisschen leuchten müssen. Leichte Entladungen, Farbspiele, prismatisches Funkeln. Was Stromstärken dieser Intensität eben manchmal so auslösten. Kontrollkreise und Blink-Lighties hätten gelb und grün flackern müssen.
Taten sie aber nicht.
Die Struktur unter der Struktur war weg? Dann war die Sache nicht abgeschaltet, sondern gekappt worden.
Hardware statt Software.
Und das sollte alles Andrew getan haben?
Some things seem to be very strange in here!
Also nicht in einem schwarzen Escape Room, der bekanntlich keiner war, sondern in dieser verdammten Anlage.
Die Nacht würde lang werden, aber jetzt, da ich nicht mal mehr ahnen mochte, ob es Andrew war, wollte ich erst recht nicht mehr rausgehen.
Ich war irgendwann eingenickt und dann kurz panisch, als ich erwachte. Aber ich hing wieder in meinem Kommandosessel, wie ich schnell feststellte, und meine Füße lagen auf der Querkonsole.
Wie lange hatte ich geschlafen? Blablabla! Sinnlos, darüber nachzudenken. Weiß man eben nicht. Irgendwas zwischen einer und vier Stunden, schätzte ich. Der Rest ist Film oder albernes Buch. Als ob man gleich wüsste, was los ist, wenn man verknautscht aufschreckt! Ich wusste immerhin, wo ich war, warum ich dort war und was ich war. Wer das ständig abstreitet, erzählt Fantasy-Scheiß, aber nicht die Wahrheit.
Ich hatte früher mal überlegt, ob ich Bücher schreiben soll, aber die Versuche waren richtig mies gewesen. Das eigene Zeug hatte mir Schamesröte ins Gesicht getrieben, also hatte ich es schnell wieder gelassen.
Meine Verwirrung des Schlafs und der Dunkelheit verflog rasch. Der Kopfschmerz kam leider nicht von Alkohol. Manchmal tat er das, heute nicht.
Ich kratzte mich am rechten Knie und nahm die Füße von der Konsole. Die Kniekehlen waren zu lange durchgedrückt worden. Es tat ein bisschen weh und kribbelte. Das war so eine unheilvolle Mischung aus eingeschlafenen Beinen und Schmerzen im Knie. Unheimlich angenehm.
Ich hätte weder schnell aufspringen noch weglaufen können in dem Zustand. Dabei gab´s in der Ausbildung tatsächlich Instruktionen zum Campieren im Feld. Also so nannten die das. Die meinten Schlaf im Kampf. Für die ST war das meistens eher nicht auf einem Schlachtfeld unter freiem Himmel. Und man sollte sicher nicht im Kommandosessel mit den Beinen auf der Lehne schlafen, eher flach auf dem Boden. Aber wozu? Ich war eingeschlossen. Anscheinend hatte der, die oder das Täter in den letzten Stunden nichts Lautes angestellt, sonst wäre ich ja wach geworden. Ich war noch da, es war nicht bei mir. Soweit so göttlich toll.
Trotzdem ging es mir nach dem Schlaf körperlich nur ein klein wenig besser als vorher, dafür war das allgemeine Wohlbefinden nun vollständig im Eimer.
Ich hätte gern lange geschlafen, in Ruhe und Frieden und in einem Bett, nicht in Uniform, nicht am Arbeitsplatz.
Allein zu schlafen war okay. Mir war nicht jegliche Art von Beischlaf recht. Schon verdammt lange nicht mehr.
Ich dachte an Stan. An Jill. An alle möglichen merkwürdigen Menschen, die nicht bei mir waren.
Hilft nichts. Heul nicht! Alle Systeme ausgefallen. Luft okay, genug Sauerstoff drin. Ist die Lüftung auch aus? Wahrscheinlich. Wie spät ist es?
Ich hatte Durst. Hier drin gab es absolut nichts, und das würde bald ein Problem werden. Meine Ausrüstung: eine Schusswaffe. Nichts zum Tendrieren, also Scannen dabei. Kein Calculator, den man etwas hätte fragen können.
Nur mich.
Nicht mal eine verdammte Uhr!
Es mochte um die frühen Morgenstunden sein, vielleicht fünf oder sechs Uhr.
Ich sah mir die Tür noch einige Minuten länger an, ohne mehr als ihre dunkelgrauen Konturen und die minimalen Spalten schimmernden, nebelhaften Lichts außen herum in Ansätzen zu erkennen.
Dann stand ich auf und strich meine Uniform glatt.
Ich fand es unwürdig, weiter zu warten.
Mit einer raschen Bewegung öffnete ich die Tür.
So sehr der Wunsch nach absoluter Sicherheit gekommen war, so schnell war er nun auch wieder gegangen.
Manche Menschen funktionieren so.
Auch ich funktioniere manchmal so.
Nennt man das sprunghaft oder entscheidungsfreudig?
Ich sah mich um.
Der Korridor war nicht vollgeschleimt, zerkratzt, oder gar mit Blut beschmiert, aber ich hatte das ungute Gefühl, dass irgendjemand oder irgendetwas mehrmals darin herumgeschnüffelt hatte, während ich schlief.
Es lag eindeutig etwas in der Luft, und an den Wänden waren Abfallbehälter und Bilder verschoben worden. Das meiste hing ein wenig schief. Wieso? War hier ein Elefant durchgelaufen? Wieso war nichts kaputt?
Irgendein Irrer muss sich alles genau angesehen, alles angefasst und ein wenig verdreht haben.
Die Vorstellung von einem völlig gestörten Psychokiller half mir nicht weiter.
Vielleicht war er, sie oder es aber auch nur betrunken.
Meine Gedanken tun alles, um mich zu beruhigen. Ich sollte ihnen mal ein Bier ausgeben.
Oder es war gar kein Mensch und ich verstehe einfach grundsätzlich nicht, was es ist und was es will.
Okay, Gedanken, doch kein Bier für euch!
Doch kein Morpher, oder? Doch nicht schon wieder ein Morpher! Der Krieg ist vorbei. Klar bleibt Terror möglich, aber Morpher sind eigentlich nicht so langsam.
Sie waren eines der Völker des Vielvölkerreiches, des Prismoniums, gegen das wir Krieg geführt hatten. Sie konnten die Gestalt anderer Wesen annehmen. Geschichten von Morphern endeten oft damit, dass der vermeintliche Partner oder beste Freund jemanden mit einem schleimigen Tentakel erwürgt hatte. Auch ich hatte persönliche Morpher-Geschichten zu erzählen.
Ich wünschte, ich hätte keine zu erzählen gehabt.
Das Gefühl, Morpher zu hassen, verbot ich mir. Hass war schlecht und führte nirgendwo hin. Meiner Erfahrung nach. Aber das hieß nicht, dass man ihn nicht ab und zu empfand. War eben so. Man sollte ihm nur nicht weiter nachgeben.
Nicht zu oft.
Ich sah mir die Tür des Kontrollraums von außen an.
Es überraschte mich eigentlich nicht, dass sie keinen Kratzer aufzuweisen hatte.
Halluzinationen? Wirklich? Oder Nervengift aus den Luftschächten? Abhaken! Abhaken, ganz dringend! Dann war es eben keine Axt.
Ich verdrängte alle Sorgen so gut es ging und suchte langsam Gänge und Räume der Einrichtung ab, immer mit dem Searer im Anschlag.
Ich fand im ganzen Gebäude nichts Lebendiges.
Ich kann nicht sagen, dass mich das sehr zufriedengestellt hätte. Für eine ordentliche Spurensuche war ich weder ausgerüstet noch in der optimalen Verfassung, und ich allein war kein ausreichend großes Team. Ich musste auf meine Sicherheit achten und hatte keine Ruhe für Analysen. Der Angreifer konnte immer noch irgendwo in der Nähe sein, und wenn er vorhatte, mir etwas anzutun, dann würde er es sicher wieder versuchen. Andererseits hatte er womöglich aufgegeben, als er nicht in meinen Panic Room hatte eindringen können.
Falls er das ernsthaft versucht hatte.
Dann war er schon seit Stunden fort? Dann war keine Rache mehr möglich. Keine Rache? Auch nicht so richtig befriedigend.
Ich muss wirklich versuchen, nicht verrückt zu werden. So schlimm ist das alles nicht. Atme, Woodi! Alles wird gut.
Irgendwann gönnte ich mir den erlösenden Moment, die Anspannung fallen zu lassen.
Nicht die Waffe, nur die Anspannung.
Ich setzte mich, an eine Wand gelehnt, auf den Boden, strich mir durchs knapp schulterlange Haar und schloss die Augen.
Mich machte die Sache richtig traurig, nicht nur der Toten wegen. Ich war keine Action-Figur aus dem Kinderzimmer. Ich hatte keinen Bock mehr auf den Scheiß. Dafür war ich nicht auf die Erde gekommen.
Ich will keine Feinde. Warum hab ich das merkwürdige Angebot des Commodores angenommen, der Sache auf den Grund zu gehen? Das wird mich von hier wegführen, oder? War das überhaupt ein Angebot oder eher Zwang? Verflucht noch mal, früher war ich von Irren umgeben, aber wenigstens nicht allein. Heute bin ich selbst die einsame Irre.
Gegen 4:30 Uhr konnte ich endlich ein Mini-Einsatzkommando anfordern, welches um 5:00 Uhr vor Ort war.
Sie bargen Maryjas Leiche und räumten den Schrott des explodierten Gleiters weg.
Der Doc würde Maryja in einer Einrichtung in Dublin obduzieren, wenn ich es recht verstand – er war nicht Teil des Kommandos - der Schrotthaufen sollte nach Birmingham ausgeflogen werden. Dort befand sich eine Einheit der Ermittlungsbehörden.
Ich war froh, dass mir diese Last abgenommen wurde, doch weder davor noch danach fand ich Schlaf.