Читать книгу Die Sterne in uns - Jan Corvin Schneyder - Страница 14

VIII
FLINK

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Als ich erwachte, lachte noch immer die Sonne.

Vermutlich über mich.

Ein Blick auf das nächste Chronometer offenbarte eine späte Mittagsstunde. Mein Nacken war verspannt und Kopfschmerz klebte noch immer hinter meiner Stirn wie ein nasser Lappen, aber er fühlte sich anders an als in der Nacht zuvor: Nach Alkohol, nicht nach tödlicher Müdigkeit. Das war tatsächlich viel besser.

Ich war allein im Raum.

Ich dachte, die will auf mich aufpassen!

Nach leider vier statt dem geplantem einen Whisky war ich eingeschlafen. Noona hatte dabei auf der Bettkante gesessen. Das wusste ich noch.

Ich stolperte zur Tür.

Sie war verschlossen.

Na immerhin!

Ich überbrückte die Sperre mit meiner Autorisation.

Also ich dachte, ich könnte das tun.

Die Tür reagierte nicht.

Anscheinend hatte Noona das Programm überschrieben.

Ich betätigte mein SmartCom und rief sie.

»Bin gleich da«, antwortete sie umgehend. Sie lallte dabei und kicherte am Ende.

Das beruhigte mich nicht gerade.

Anscheinend hatte sie die Flasche allein geleert.

Ich trug nur einen Slip und einen Sport-BH, und rechnete mit einer rotzevollen Noona, als die Tür aufging.

Statt ihr stand da Flink P. Garrett.

Er trug eine Sonnenbrille und musterte mich schamlos grinsend von unten bis oben.

Ich tat ihm nicht den Gefallen, wie eine schamhafte Prinzessin zu quietschen, sondern blieb einfach wie angewurzelt stehen.

»Woodi, du bist eine Schönheit, wirklich wahr!«, sagte er. Nein, er sagte es nicht. Auch er lallte!

»Du und Noona, ihr habt euch schön einen angesoffen, ja?«, schrie ich wütend und begann, meine Sachen zusammenzusuchen und mich anzuziehen.

»Hier ist vielleicht noch ein Mörder im Gebäude und …«

»Nein, nein, alles gecheckt«, sagte er. Er klang dabei ein wenig nüchterner.

»Dreh dich gefälligst um!«, schrie ich ihn an. Bevor ich mir eine frische Uniform anzog, wollte ich die Unterwäsche wechseln.

»Oh, bitte. Wir kennen uns so lange, Woodi, und …«

»Flink! Kennen ja, aber nicht nackt! Du wirst mich nie nackt sehen! Dreh dich um und erzähl!«

Er tat es. Dennoch machte es mich nervös, splitternackt hinter ihm zu stehen, auch wenn es nur für einen kurzen Moment war.

»Wir haben erst einen kompletten Rundgang gemacht und mit internen wie externen Tendrae alles abgetackert was ging, Stalev Woodman«, sagte er.

»Kein lebendes Wesen in der ganzen Anlage, mal von den Mäusen und Fledermäusen abgesehen. Aber leider haben wir doch jemanden gefunden.«

Ich zog mir gerade die Uniform-Hose an, als er das sagte. Ich hielt in der Bewegung inne.

»Wen?«

Er drehte sich wieder um.

»Eine Leiche. Dewie Andrew Falls.«

Andrew würde nie wieder auf Nancy, Gracy oder wem auch immer liegen. Und ich hatte ihn verdächtigt! Also deswegen war er nicht ausgeloggt.

»Wo?«

»In den Versorgungstunneln unten. Erschossen. Searer.«

»Drei Tote. Einmal Axt, einmal Sprengsatz, einmal Searer. Passt alles nicht so richtig.«

»Nein«, sagte Flink.

Ich hatte mich endlich fertig angezogen und brachte Ordnung in meine Frisur. Auch kurze Haare machten manchmal Arbeit.

Er sah mich an und ich erwiderte seinen Blick.

Alles Betrunkene, Alberne, Anzügliche darin war mit einem Schlag wie fortgeblasen.

»Woodi, ich bin so froh, dich zu sehen.«

Das klang sehr nüchtern. Und sehr warm.

Ich kam auf ihn zu und umarmte ihn.

Es fühlte sich gut und richtig an.

Beinahe wäre ich in der Umarmung ein bisschen weich geworden. Nicht dass ich ihn hätte küssen wollen, aber ich wollte diese Probleme einfach nicht mehr haben. Ich hatte Lust, mich mit Flink auf eine Couch zu legen, einen Film anzuschauen und Snacks in mich reinzustopfen. Kichernd einzuschlafen, mit einem Spruch auf den Lippen. Ohne Sorgen. Ohne Termine. Kurz flammte diese Vision spürbar warm in mir auf. Ich ließ es zu, aber der Moment war sehr kurz. Das warme Gefühl verschwand endgültig, als Noona in der offenen Tür auftauchte.

»Oh, ganz, ganz süß! Ein Klassentreffen. Das ist Flink, Woodi, nicht Stan. Also leck ihn nicht gleich ab!«

Flink und ich ließen uns los.

Die Umarmung war vielleicht ein wenig zu lang gewesen.

Ihm gefiel der Kommentar zwar sichtlich genau so wenig wie mir, aber ein Streit war auch nicht angebracht. Ich hatte schon vorher gewusst, dass Noona nun mal so war. Ich musste cool bleiben. Einmal hatte sie mir einen Schlag durchgehen lassen, aber das nächste Mal würden wir uns wahrscheinlich die Knochen brechen.

»Kommt mal mit«, sagte ich humorlos, als ich auch den zweiten Stiefel angezogen hatte, und ging vor.

In der Zentrale setzte ich mich in meinen Sessel, ließ die beiden eintreten und die Tür hinter sich schließen.

Ich saß, sie mussten stehen.

Das war schon mal Teil der Botschaft.

»So, mal herhören!«, begann ich betont laut und militärisch. »Ihr habt das mit der Tendrierung und dem Anlagen-Check gut und korrekt durchgeführt. Danke dafür. Ich bin jetzt wieder einsatzbereit, ihr beiden aber nicht. Ich trinke auch gerne, aber das hier ist noch lange nicht lustig, kein Veteranentreffen und keine Party. Ich brauche euch im Dienst, und zwar nüchtern! Wenn wir irgendwann Sicherheit, das heißt eine echte Absicherung haben, können wir uns gemeinsam was reinschütten, aber doch nicht so. Ich habe hier das Kommando und muss dafür geradestehen, egal ob halbwegs geheim oder nicht. Ich kann vor Gericht landen, Leute, und ihr auch. Macht die Sache richtig oder gar nicht. Wir sind ein winziges Team, ohne ein Raumschiff oder eine Besatzung von tausend Crewies dahinter. Wir haben auf der Erde völlige Bewegungsfreiheit, dürften in ziemlich viele Archive und so weiter reinkommen. Mir wurden Autorisationen versprochen. Also sind wir nicht, wie sonst, die Gehetzten mit limitierten Möglichkeiten, sondern wir kommen von oben, um irgendeinen mörderischen, terroristischen Scheiß aufzuspüren und auszuschalten. Und ich will das schnell tun!«

Noona öffnete den Mund. Ich sah an ihrem Gesichtsausdruck, dass es etwas Sarkastisches werden würde.

Ich kam ihr zuvor.

»Halt die Klappe, Noona! Ihr geht jetzt beide euren Rausch ausschlafen, und ich sehe euch um 20 Uhr ordentlich angezogen, geduscht und nüchtern wieder hier! Oder ihr verzieht euch, verratet mich, die Squadronica und alles, für das wir früher schon unsere Ärsche riskiert haben. Eure Entscheidung!«

Noona schloss den Mund wieder und zog eine wütende Schnute. Aber sie schwieg!

Flink dagegen wirkte richtiggehend schuldbewusst.

Ich hatte jedoch keineswegs die Absicht, ihnen Zeit zum Nachdenken oder für Erwiderungen zu geben.

»Wegtreten! Wir sehen uns später!«

Ich drehte den Sessel von ihnen weg und ließ sie auf meinen Rücken starren.

Ich wünschte wirklich, alle Menschen könnten immerzu nur fröhliche Freunde sein und Spaß haben, aber so läuft es in der Welt nun mal nicht, zumindest nicht durchgehend.

Oder ich müsste mich aus alledem endgültig verabschieden, aber ich wollte schon noch was beitragen. Ich war jung, verdammt noch mal, keine Seniorin. Und vor diesem dämlichen Tag der Anschläge war doch alles sehr akzeptabel gewesen. Ich wollte meine ruhige irische Westküste mit einem kleinen, unaufgeregten Team zurück. Natürlich ohne solche Jensens, aber mit Jill.

Ich hörte Noona und Flink brav wegtreten.

Brav und vor allem wortlos.

Danke! Ich danke euch!

Wir würden das durchziehen, Ergebnisse abliefern, und in ein paar Wochen würde ich wieder hier sitzen, meinen Kaffee schlürfen, ein bisschen arbeiten, abends ein gutes Buch lesen und die Welt genießen in all ihrer Ruhe und Genügsamkeit, wenn der Mensch nicht reinballerte.

Als sich die Tür hinter den beiden schloss und ich wieder allein war, drehte ich den Sessel herum.

Ich checkte Displays und Protokolle, aktivierte Sperren, Blockaden und Sicherheitslogarithmen.

Andrews Leiche hatte der Doc abgeholt, während ich geschlafen hatte. Ich entnahm das einem Memo. Ich fand es schade, da ich ihn gern endlich persönlich gesprochen hätte.

Aber gut, fein, wir haben die Leiche aus dem Haus. Abhaken! Konzentrieren wir uns fortan besser auf die Lebenden.

Die Arbeit am Puzzle, das ich mit Noona hatte lösen wollen, hatten Flink und sie noch nicht wirklich wieder aufgenommen.

Eher ein Whisky-Puzzle. Der Schluck muss hierhin, der dorthin. Na toll!

Ich ging Akten, Aufzeichnungen und alles, was mir einfiel, durch. Es dauerte Stunde um Stunde. Ich trank literweise Kaffee, aber ich genoss es auf eine gewisse Weise. Nichts Schlimmes passierte und mir ging es wieder recht gut soweit. Ich konnte lesen und arbeiten.

In der Zentrale liefen alle Sicherheitssysteme rund. Ich hatte alles im Blick, nichts ereignete sich draußen oder drinnen. In den Quartieren von Flink und Noona gab es natürlich keine Kameras, aber da nirgendwo eine Bewegung registriert wurde, ging ich davon aus, dass sie tatsächlich brav und ungestört schliefen.

Ja, ich hatte auch kurz den Gedanken, dass sie vielleicht miteinander schliefen, und dass ich hingehen, es entdecken, dokumentieren und Stan davon berichten könnte, aber das wäre ja sowas von kindisch gewesen!

Aber für seine eigenen blöden Gedanken kann man doch nichts! Außerdem war ich mir ziemlich sicher, dass die beiden sich nicht anfassen würden. Zwischen ihnen war nie was gewesen. Ende der Geschichte.

Am späten Nachmittag wurde die Station gerufen.

Ein Transporter der Squadronica kündigte die Rückführung von Jill Bekker an.

Wir hatten eine Art Zelle in der Anlage, aber im Grunde plante ich, Jill eine Minute nach Abflug ihrer Lieferanten wieder freizulassen. Sie konnte nicht schuldig sein!

Der Transporter traf ein, als Noona und Flink noch schliefen. Ich trug einen Searer an der Hüfte, als ich hinausging.

Das anfliegende Ding war ein fetter Gleiter. Er flog etwa zehn Meter über dem Erdboden, war aber nicht weltraumtauglich. Eher ein Frachter für die Erde.

Ich musste einige Dokumente unterzeichnen, aber niemand an Bord dieses Dings war von bedeutsamem Rang oder mir sonst irgendwie bekannt. Sie führten lediglich aus, was Commodore Dangler mir zugesagt hatte, wussten aber nicht, was sie da gerade taten. Zumindest schien es so, und es war mir auch ganz recht.

Nach einigen Minuten voller Formalitäten wurde Jill Bekker eine Rampe hinabgeführt.

Sie trug Spanglers. Das waren blau leuchtende Handschellen, die Metall und Energiefeld kombinierten und ohne High Tech nicht zu durchbrechen waren. Man hatte Jill die Uniform genommen und sie in etwas Bequemes gesteckt. Zum Glück war es keine Sträflingskleidung, sondern eine luftige Hose und ein einfarbiger, dünner Pulli. So legte man sich eigentlich nach Dienstschluss auf einen Sonnenstuhl.

Jill strahlte, als sie mich sah. Im strohblonden, lockigen Haar über der Stirn trug sie ihre merkwürdige Brille, diese Mischung aus Piloten- und Schweißerbrille, die sie bei Experimenten aufzusetzen pflegte und auch sonst selten ablegte.

Ich begrüßte sie sachlich und wartete, bis der fette Gleiter außer Sichtweite war. Dann gab ich den übermittelten Code ein, um die Spanglers zu öffnen.

Die Sterne in uns

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