Читать книгу Kālī Kaula - Jan Fries - Страница 30
Sex, Geschlecht und Religion
ОглавлениеIm traditionellen indischen Denken scheinen Frauen ein notwendiges Übel zu sein. Dies war nicht immer der Fall. In vedischen Zeiten (ca. 1500-800 v.u.Z), wie W.F. Menski (in Leslie 1992) zeigt, hatten Frauen noch einige Rechte und verdienten ein gewisses Maß an Respekt. Die Veden ehren Frauen für Fruchtbarkeit und vergleichen sie mit den Feldern, die alle ernähren. Das mag nicht viel scheinen, aber es ist besser als in klassischen Zeiten (800 v.u.Z.-200 u.Z.), in denen sie lediglich als Gefäße betrachtet wurden, um Sperma zu empfangen und Söhne hervorzubringen. In der vedischen Epoche wurden Mädchen als heiratsfähig angesehen, wenn sie körperlich alt genug waren, um Kinder zu gebären. In klassischer Zeit wurden Kinderhochzeiten die Norm. In vedischen Zeiten konnten Frauen eine wichtige, wenn auch zweitrangige Rolle bei den großen Śrauta-Opferungen spielen. Wie jeder Mann mussten sie eine Gruppe von Brahmanen engagieren, die das Ritual für sie durchführten. Es geschah nicht oft, aber es gibt Belege dafür, dass hochrangige Damen Opfer finanzierten und die spirituellen Vergünstigungen erlangten. Auch an den großen Soma-Opfern nahmen die Frauen der Sponsoren teil und gewannen hohen spirituellen Verdienst. In der klassischen Epoche wurde ihre Rolle stark herabgesetzt. Jene Frauen, die an Ritualen teilzunehmen pflegten, wurden durch Priester ersetzt, die einige ihrer Rollen übernahmen; ihre Anwesenheit konnte auch durch Gegenstände aus Gold oder weibliche Figuren aus heiligem Kuśa-Gras (Poa cynosuroides) ersetzt werden. Infolgedessen verschob sich die weibliche Ritualistik von den öffentlichen Śrauta-Riten zu den privaten häuslichen Gṛhya-Riten. Diese Rituale waren nicht so standardisiert wie die offiziellen, sondern eröffneten einen weiten Bereich von individuellen Variationen. Nur unter bestimmten Umständen, wie bei einer Hochzeit, bleib der weibliche Beitrag zum Ritual essentiell.
Bild 19
Bhairava
Bhairava im Chola-Stil, Bronze, 10.-11. Jahrhundert.
Heute in Paris.
Was für eine Art von Leben hatte eine Frau im alten Indien zu erwarten? Die Geburt eines Mädchens war nicht immer ein freudiges Ereignis. Bis zum heutigen Tage gibt es Familien, die in den Bankrott getrieben werden, weil sie zu viele Töchter haben. Söhne bleiben in der Familie und bestreiten oft die Altersversorgung ihrer Eltern. Töchter verlassen das Haus nach der Heirat, und die Aussteuer, die Hochzeitsfeier und das Durchfüttern der Gäste kann die Familie für Jahrzehnte, wenn nicht Generationen, in Schulden stürzen. Das ist keine Übertreibung, sondern ein sozialer Missstand. Wenn eine Tochter, wie erwünscht, in eine höhere Klasse heiratet, lässt sich die Familie des Bräutigams diese Ehre oft sehr viel kosten. Dazu kommt die extrem teure Hochzeitsfeier, bei der oft hunderte von Gästen auf beiden Seiten der Familie bewirtet, beschenkt und unterhalten werden wollen. Eine kleinere Feier, mit wenigen Gästen, wäre eine ungeheure Schande und würde auch ihrem Zweck nicht dienen, nämlich zwei große Sippen und deren Freunde und Bekannte zu wirtschaftlichen Partnern zu machen. So betrachteten, ganz entgegen dem menschlichen Instinkt, unzählige Familien die Geburt einer Tochter nur als einen weiteren Schritt hin zum Verhungern. Wenn ein Mädchen heiratete, erwartete man von ihr, dass sie ihre alte Familie vergaß (nicht, dass das jemals funktioniert hätte). Man erwartete von ihr im wörtlichen Sinne, ihren Mann als Gottheit zu verehren, all seinen Befehlen zu gehorchen, all seine Launen zu befriedigen und jede Individualität aufzugeben, die sie zuvor besessen hatte. Bei einer traditionellen Hindu-Heirat wird die Frau ‘die Hälfte ihres Mannes’, aber ihr Mann wird nicht die Hälfte seiner Frau. Hindu-Frauen hatten kaum eine Wahl. Wenn sie jung waren, kommandierten ihre Eltern sie herum; wenn sie verheiratet waren, machte die neue Familie damit weiter. Schau in den Varnāśrama Dharma (Glasenapp 1958), dort kannst Du lesen, dass das Mädchen vom Vater beschützt wird, die Frau von ihrem Mann beschützt wird, die Söhne sie im Alter schützen, und das sie niemals unabhängig sein soll. Die Gesetze des Manu enthalten eine ganz ähnliche Passage, nur dass Manu sich nichts ums Beschützen scherte. In seiner Version geht es darum, ‘gehorsam zu sein’. Die Gesetze des Manu stellen auch fest: Tiere, Trommeln, Analphabeten, Niedrigklässler und Frauen sind es wert, geschlagen zu werden. Die Entwertung der Frauen begann ziemlich früh. Nehmen wir ein Beispiel aus der vedischen Periode: In den Soma-Riten wird der Soma gelegentlich mit Sperma gleichgesetzt. Im großen Soma-Ritus war es Frauen nicht erlaubt, die heilige Flüssigkeit zu zapfen.
Wie eine Legende erzählt (F. Smith in Leslie 1992), versuchten die vedischen Göttinnen Soma in einen Kelch zu zapfen, aber der Soma war schwach und ‘konnte nicht bestehen’. Taittirīyasaṁhitā 6.5.8 stellt fest: Deshalb kommt es, das Frauen, da sie kraftlos sind, nichts erben und unterwürfiger sprechen als ein böser Mann. Aus demselben Grund, erfahren wir, haben sie keine Identität. Schließlich formten die Götter einen Vajra (Donnerkeil) aus Ghī (reinem Butterfett). Er stärkte den Soma, aber plagte und schwächte die Göttinnen.
Die altindische Literatur ist voll von bösen Bemerkungen über Frauen, und die Gesetze, die auf diesen Lehren basierten, sind ebenso gnadenlos. Eine traditionell eingestellte Hindu-Frau verbringt ihr ganzes Leben damit, die Männer in ihrer Familie zu bedienen. Selbst Frauen der gehobenen Kasten haben nicht das Recht, sich dem Ritual der zweiten Geburt zu unterziehen, in dem Brāmaṇa (Priester, Lehrer, Gelehrte), Kṣatriya (Krieger, Adlige) und Vaiṣya (Kaufleute) ihre spirituelle Reife erlangen und mit der heiligen Schnur geschmückt werden. Śūdra (Bauern, Diener, Handwerker), Stammesvolk, Unberührbare und Ausgestoßene sind zu diesem Ritual nicht zugelassen und auch keine Frauen. Offiziell ist es Frauen auch nicht erlaubt, die Veden zu studieren, selbständig Opferungen durchzuführen, religiöse Zeremonien abzuhalten oder als Asketinnen die Gesellschaft zu verlassen. Doch hier gibt es zahlreiche Ausnahmen, und in manchen gehobenen Gesellschaftsklassen war es durchaus vorgesehen, dass Frauen lesen konnten und mit der alten heiligen Literatur bestens vertraut waren. Die Situation mag etwas leichter für Frauen aus hohen Klassen und gutsituierten Familien sein und wesentlich besser in der Stadt als auf dem Land, aber insgesamt herrscht ein erstaunliches Maß an Grausamkeit gegenüber Frauen, das bis zum heutigen Tag anhält. Um nur ein Beispiel zu nennen, wurden im Jahre 2001 mehr als siebentausend frisch verheiratete indische Frauen von ihren Männern oder deren Familien getötet, weil ihre Mitgift als zu gering erachtet wurde.
Nun sind die allgemeinen Ansichten der Gesellschaft nicht ganz so, wie man außerhalb glaubt. Das hinduistische Schrifttum ist durchweg brahmanisch, d.h. es spiegelt die Art wider, wie manche Brahminen die Welt gern hätten. Sie schafften es aber niemals, so viel Kontrolle zu erlangen; wenn Du also Vorschriften in den heiligen Schriften findest, solltest Du daran denken, dass die überwiegende Mehrheit der Inder nicht ganz nach den Gesetzen der Schriften lebt. Es gab und gibt in Indien ja zum Glück keine einzige, verbindliche und verpflichtende heilige Schrift wie im Christentum, und keine militante Kirche die Ketzer und Abweichler verfolgt. So wie überall auf der Welt findest Du auch in Indien Eltern, die ihre Töchter innig lieben, und Ehemänner, die den Verstand haben, ihren Frauen zuzuhören. Wir sollten uns auch hüten, westliche Ansichten über Befreiung und Gleichheit auf eine Kultur zu projizieren, in der eine ganze Menge Menschen glaubt, dass Befreiung nur diejenigen erlangen, die alles und jedes ertragen und erlitten haben, womit das Universum sie nur schlagen kann.
Der Wert der Frauen hängt sehr stark von der Gesellschaft ab, in der sie leben. Viele orthodoxe Vaiṣṇavas halten sich im Allgemeinen strikt an die brahmanischen Lehren, dass Frauen wie eh und je ihren Männern dienen sollen. Nichtsdestoweniger gibt es eine kleine Gruppe tantrischer Vaiṣṇavas, die Frauen ganz allgemein als Verkörperung der Göttin Śrī Lakṣmī verehren. Diese Idee ist in einem gewissen Umfang im Lakṣmī Tantra 43, 59-72 ausgeführt, wo die Göttin selbst erklärt, dass alle Frauen ihre Manifestation sind. Eine Frau zu missbrauchen, bedeutet, die Göttin zu missbrauchen; schlecht von einer Frau zu denken, bedeutet, die Göttin zu missachten.
Oh Śakra, so wie keine Sünde ist in Nārāyaṇa noch in mir selbst noch in einer Kuh noch in einem Brahmanen noch in einem Gelehrten vom Vedānta, so, o Śakra, kann kein Böses in einer Frau sein … Diejenigen, die die Erlangung (oder Erfüllung) vom Yoga anstreben, sollen sich immer so verhalten, dass sie eine Frau zufrieden stellen, sofern sie dabei keine Sünde begehen. Man sollte sie als Mutter betrachten, als Gott und als mich selbst.
(nach Sanjukta Gupta).
Diese Ideologie muss die Traditionalisten ziemlich verärgert haben. Sie ging auch noch viel mehr gegen den Glauben derjenigen Vaiṣṇavas (der große Mehrheit), die sich nicht mit Tantra befassten. Das Lakṣmī Tantra ist ein fast revolutionäres Werk in den Augen der Fundamentalisten. In vielen Punkten weicht es vom orthodoxen Glauben weit ab. Dennoch enthält es beschränkende Elemente, wie die Ansicht, dass eine Frau die Initiation nur erhalten darf, wenn sie ihren Mann respektiert, niemals ihre religiösen und gesellschaftlichen Verpflichtungen in Frage stellt, eine klare Vorstellung von Wahrheit hat und wenn ihr Mann es erlaubt (LT 21, 40-41). Es gab etliche Frauen, die als tantrische Heilige anerkannt wurden und die ihre spirituelle Tätigkeit geheim halten mussten, weil die Familien ihrer Ehemänner dagegen waren (Gupta in Leslie 1992). Dinge dieser Art sind typisch für orthodoxe Vaiṣṇavas; man findet sie bei Śaivas und Śāktas nicht so häufig. Für die tantrischen Vaiṣṇavas ging die Identifikation sogar noch weiter. Bei der Verehrung von Viṣṇu ist die populärste Form der Gottheit der charmante, fröhliche, flötenspielende Kṛṣṇa. Konsequenterweise versuchen sich die Anhänger mit ihm zu vereinigen. Hier gibt es zwei Möglichkeiten. Man kann sich selbst mit der Gottheit identifizieren. Oder man identifiziert sich mit dem Partner der Gottheit. Um das zu tun, imitieren die Verehrer die liebende Sehnsucht seiner Śakti Rādhā nach Kṛṣṇa. Rādhā, als eine sehr verspielte Manifestation von Lakṣmī, ist ein echtes Powergirl und kann in mancher Hinsicht ein wenig anspruchsvoll sein. In diesem System der Bhakti ist Rādhā nicht nur in Kṛṣṇa verliebt, sondern sie durchläuft auch eine detaillierte und systematische Sequenz von Emotionen, die von milder Anziehung über Sehnsucht, Erinnern, Ablehnung, Verlangen, Begierde bis zu rasender Leidenschaft reichen und viele spezielle Darbietungen einbeziehen wie Eifersucht, besessenes Brüten, Bosheit, irres Entzücken, delirierende Verwirrung und was auch immer. Das ganze Spektrum des menschlichen Sehnens und der Erfüllung ist ihre Kunst, und da sie keinen Menschen, sondern eine Gottheit liebt, ist sie ein Rollenmodell für den Verehrer. Für die Frauen in der Gemeinde ist die Verwandlung in Rādhā noch recht einfach, aber für die Männer ausgesprochen bewusstseinserweiternd. Einige der devoteren männlichen Anhänger identifizieren sich so intensiv mit Rādhā, dass sie sich als Frauen kleiden und im Wohnbereich der Frauen leben. Ein gutes Beispiel ist Bengalens verrückter Heiliger Rāmakṛṣṇa, der sich in einem solchen Ausmaß in das Rādhā-Bewusstsein hineinsteigerte, dass er wochenlang unter Frauen lebte und die Frauen in seiner Gesellschaft völlig vergaßen, dass der bärtige Typ in seinem Sari körperlich ein Mann war. Rāmakṛṣṇa trieb die Dinge üblicherweise ins Extreme, so dass niemand wirklich überrascht war, als er eine Weile später beschloss, Rāma als Hānuman, den Affengott, zu verehren, sein Lendentuch so band, dass ein langer Schwanz zwischen seinen Beinen baumelte, und einige Wochen auf einem Baum verbrachte.
Unter den Śaivas wurde Śakti zum perfekten Rollenmodell der Partnerin des Gottes. Hier lag die Ausrichtung noch immer auf Śiva, der oft als die Quelle, der Guru und Liebhaber von Śakti verstanden wurde. Frauen hatten in diesem System ihren Platz, auch wenn es ein etwas geringerer war. Unter den Śaiva-Tantrikern sind Frauen insofern heilig, als sie die Göttin und die Manifestation von Śivas Macht verkörpern. Śiva bleibt jedoch das höchste Prinzip. Hier ist Śakti die höchste Macht, aber Śiva ist der Inhaber der Macht. Anders ausgedrückt könnte man sagen, dass formloses Allbewusstsein die Welt der Form und Energie beherrscht. Nur unter den Mystikern der höchsten Ebene begegnet man der Erkenntnis, dass Śiva und Śakti nicht nur dasselbe sind, sondern auch nicht auseinander gehalten werden können. Auf dieser Ebene der Ununterscheidbarkeit ist es egal, ob Du von Śiva oder Śakti sprichst, weil alles, was Du sagst, lediglich Worte sind.
Dann gibt es noch die Śāktas – Anhänger, die Śakti für das höchste Prinzip und die männlichen Götter lediglich für Ausdrucksformen ihres Willens halten.
Deshalb, o König, wisse dies, dass dieses ganze Universum unter der Kontrolle von der Yoga Māyā ist: Die Devas, Menschen, Vögel, was auch immer sonst, von Brahmā bis hinunter zu einem Grashalm, sind alle unter der Kontrolle von Yoga Māyā. Brahmā, Viṣṇu und Hara sind alle durch das Seil ihrer Māyā gebunden. So können sie durch Ihre Māyā leicht von Schoß zu Schoß wandeln wie eine Spinne. (DB 5,1)
Es gibt mehrere unterschiedliche Bewegungen unter den Śāktas, aber die meisten von ihnen erklären eine Göttin oder eine Gruppe von Göttinnen zum Tor zur Erfahrung des Brahman. Die extremeren Gruppen erklären sogar, dass Brahman ein Ausdruck von Śakti ist, und lehren, dass die Polarität von Śiva/Śakti in Wirklichkeit eine Einheit ist, welche Śakti ist. Man sollte meinen, dass solche Verehrer stets eine hohe Meinung von Frauen haben, aber das ist leider nicht immer der Fall. Es ist eine Sache, eine Göttin zu verehren, und eine andere, die kleine Hausfrau gut zu behandeln. Selbst das massivste Werk der Śākta-Ideologie, das DBh (1, 5), enthält eine böse kleine Episode, in der die Göttin Lakṣmī erklärt, dass die natürlichen Qualitäten der Frauen Falschheit, Unverschämtheit, Listigkeit, Dummheit, Ungeduld, übermäßige Gier, Unreinheit und Härte sind. Ganz im Gegensatz zu hunderten von Seiten, die die absolute Überlegenheit der Göttinnen feiern! Sexismus ist auch im allerletzten Kapitel des Werkes zu beobachten (DBh 12, 16), wo wir erfahren, dass zu Navarātrī (dem mehrtägigen Durgā-Fest) alle dieses Buch lesen können, egal welche Klasse oder welche Göttin man als persönliche Gottheit verehrt. Aber: Niemals soll eine Frau oder ein Śūdra dies selbst lesen, nicht einmal aus Unwissenheit, sondern sie sollen es aus dem Mund eines Brahmanen hören. Sehr bedenklich, vor allem, weil der Brahmane alles weglässt, was ihm nicht gefällt und für den Job bezahlt werden will. Ein Śākta zu sein, bedeutet also, dass eine Göttin verehrt wird, aber das impliziert nicht immer, dass Frauen wirklich Rechte haben. Die Existenz mächtiger Göttinnen sagt nichts über die Freiheit lebender Frauen. Denk nur an das antike Griechenland. Athena, die Göttin des Krieges, der Handwerke und der Weisheit (eine schwierige Mischung) wurde von vielen respektablen Männern verehrt. Die ganze Stadt Athen war ihr geweiht. Trotzdem hatten die Frauen von Athen kaum nennenswerte Rechte. Sie durften das Haus nicht ohne männliche Begleitung verlassen, sie mussten in der Öffentlichkeit dichte Schleier tragen, konnten kein Eigentum haben und wurden allgemein mit Geringschätzung behandelt. Die meisten von ihnen wuchsen ohne Bildung auf, und der einzige Respekt, den sie erhielten, war der für Fruchtbarkeit. Die einzigen Frauen, die in der klassischen griechischen Gesellschaft in Ehren gehalten wurden, waren die bessere Art von Prostituierten, die oft in den Künsten bewandert waren, gelehrt in Literatur und fähig zu gehobenen Gesprächen über Themen aller Art. Die respektable griechische Hausfrau hatte weniger Rechte als die meisten Frauen in der antiken Welt. Warum sind eigentlich so viele Menschen der Meinung, die Griechen hätten die Grundlagen der europäischen Kultur entwickelt? Germanische und keltische Frauen hatten es jedenfalls besser. Nur ein paar hundert Kilometer entfernt, im alten Rom dagegen, wo Athena als Minerva verehrt wurde, besaßen Frauen Eigentum, machten Geschäfte und übten Berufe aus, gingen, wohin sie wollten, verehrten jeden Gott ihrer Wahl, und konnten sich von ihren Männern scheiden lassen, wenn sie wollten. Manche reiche Frau machte sich einen Spaß daraus, jedes Jahr neu zu heiraten. Solche Gebräuche waren den frühen Christen zutiefst zuwider; ein Grund mehr, warum christliche Geschichtsschreiber die römische Gesellschaft als ‚dekadent‘ verdammten. Wenn wir also an die Śāktas denken, sollten wir im Sinne behalten, dass dies ein allgemeiner Begriff für einen großen Bereich von religiösen Ansichten ist, die im gesellschaftlichen Leben ausgesprochen unterschiedlich ausgelegt wurden. Einige von ihnen haben die Idee akzeptiert, dass Frauen eine Göttin verkörpern, und manche – ich hoffe viele – der Verehrer bemühen sich sicherlich darum, nach dieser Lehre zu leben. Eine Religion ist jedoch nicht dasselbe wie ein System der Selbstentwicklung. Viele Śāktas stellen sich einfach ihren Gott in weiblicher Form vor, ohne den Versuch zu machen, irgendetwas bezüglich der gesellschaftlichen Stellung der Frauen zu unternehmen. Aus Vater Gott wurde Mutter Gott, aber beide blieben meist distanzierte, überlegene Autoritätsfiguren.
Nur in den Bewegungen des linkshändigen Pfades, wie Kula, Kaula, Krama oder dem Yogīnī Kula sowie einigen kleineren Schulen des tantrischen Buddhismus versucht man etwas für die Rechte der Frauen zu tun. Einige wichtige Quellentexte bestehen ausdrücklich auf den Rechten der Frauen. Der KN erklärt, dass die Kaula-Anhänger niemals grob zu Mädchen oder Frauen reden sollen. Er rät auch dazu, Mädchen und Frauen so zu verehren, als seien sie Śakti. Dieselbe Einstellung ist in mehreren Kaula-Texten zu finden.
Man soll Ehrerbietung zeigen, wenn man eine junge Frau einer Kaula-Familie sieht. Man soll sich vor jeder Frau verbeugen, sei sie ein junges Mädchen oder von Jugend erfüllt oder sei sie alt, sei sie schön oder hässlich, gut oder boshaft. Man soll sie niemals gering schätzen, schlecht über sie reden oder einer Frau Schlechtes antun und man soll sie niemals schlagen. All solche Taten verhindern die Erlangung von Siddhi (magischer Kraft).
(Kaulāvali Tantra)
Der Mantra Mahodhadhiḥ besagt:
Der Anhänger von Kālī soll es unterlassen, Frauen zu töten oder zu schlagen oder sich ihnen gegenüber schlecht zu benehmen oder sich in unerfreuliche Dialoge mit ihnen einzulassen, wenn er sein Wohl begehrt.
Ebenso enthält das Mahānirvāṇa Tantra mehrere Kapitel, in denen Śiva die Könige über Gesetzesangelegenheiten berät. Diese juristischen Kapitel, die voll von dumpfster Mittelklasse-Moral sind, enthalten allerdings auch ganz klare Anweisungen über den Schutz der Frauen. Männer, die Inzest begehen oder eine Brahmanenfrau verführen, sind zu kastrieren, und ein Mann, der eine Frau vergewaltigt, selbst wenn sie die Frau eines Caṇḍāla (= tiefste soziale Klasse) ist, soll mit dem Tode bestraft und niemals begnadigt werden.
Śivas Gesetze über Ehebruch sind sehr streng und bestrafen den Mann generell härter als die Frau. Das mag daran liegen, dass im alten Indien eine Frau, die ihren Ruf verloren hatte, auch ihren Mann, ihr Zuhause, ihren Status, ihre Kinder und oft ihr Leben verlor. Was für ein Preis für ein bisschen Spaß! Unter den Kaulas war es ein großes Vergehen, eine Frau zu verletzen, und aus diesem Grund favorisieren manche Kaula Tantras eine monogame Lebensweise und verlangen, dass ihre Anhänger ausschließlich mit ihren Ehepartnern praktizieren sollen. Seitensprünge konnten einfach zu schlimme Folgen haben. Ich sollte hinzufügen, dass es im alten Indien mehrere Formen und Arten der Hochzeit gab, die vom sehr seriösen und traditionellen Ritual, an dem beide Familienclans teilnahmen, bis hin zu formellen Riten reichten, die von Verliebten durchgeführt wurden, die von ihren Familien weggelaufen waren (und wer könnte ihnen daraus einen Vorwurf machen?). Unter manchen Tantrikern gab es auch temporäre Hochzeiten, die solange gültig waren, bis die Partner sich trennen wollten, die Frau ihre Tage gehabt hat und sicher war, dass kein Kind unterwegs war.
Manche Vaiṣṇava-Tantriker stimmen mit dieser Ansicht nicht überein. Da ihre Lieblingsinkarnation von Viṣṇu, der schwarze, Flöte spielende Gott Kṛṣṇa, seiner Gefährtin Rādhā nicht besonders treu ist und viel Zeit damit verbringt, mit den Rinderhirtinnen auf dem Land zu flirten und sie zu lieben, betrachten die Anhänger mancher Vaiṣṇava-Kulte Ehebruch als eine Form von Verehrung und versuchen ihre Gottheit zu imitieren, indem sie dasselbe taten. Auch die blendend schöne Rādhā hatte ihren Teil an diesem Spiel: immerhin ist sie eine Kuhhirtin, die ihren ungeliebten Ehemann täuschen musste, um sich am Waldrand mit Kṛṣṇa zu treffen. Unser göttliches Paar repräsentiert also eine Liebesbeziehung, die sich gegen die gesellschaftlichen Gebote wendet. Das ist eine für Vaiṣṇavas ausgesprochen unübliche Einstellung und wirft erstaunliche Fragen auf. Doch wie dem auch sei, die meisten Vaiṣṇava-Tantriker wandten sich ritualisiertem Ehebruch mit Entsetzen ab.
Das Thema des Ehebruchs ist eins der rätselhaftesten in der tantrischen Literatur. Viele Tantras erklären, dass der Verehrer Verkehr mit der Parāśakti haben soll. Nun hat ‘Parā’ zwei Bedeutungen. Es kann das Höchste, Extremste oder Ultimative bedeuten, wobei in diesem Fall die Parāśakti die absolute Göttin ist, die höchste Wirklichkeit, die Śiva (Bewusstsein) und Śakti (Form/Energie) sowie alles andere erzeugt. Diese höchste Śakti ist kein menschliches Wesen, auch wenn sie sich natürlich in uns und absolut allem manifestiert. Zunächst einmal kann die Vereinigung mit der Parāśakti eine komplett mentale, meditative Angelegenheit sein, bei der der Adept oder die Adeptin für sich allein weilt, das Denken und die Wahrnehmung nach Innen lenkt und dabei nach und nach alle Schleier von Form und Erfahrung ablegt, um den Urgrund jenseits von Form und Bewusstsein zu erreichen. Dieser Prozess wird auch als umgekehrte Vereinigung (Viparīta Maithuna) bezeichnet; Du wirst ihm später in der Hymne an Kālī wiederbegegnen. Wichtig hierbei ist, dass es sich um einen Prozess handelt, der immer weiter geht, und niemals ein Ende erreicht. Auf dieser Ebene hat die Parāśakti nichts mit Weiblichkeit zu tun; im Gegenteil, sowohl Śiva und Śakti, egal in welcher Form Du an sie denkst und wie Du sie erlebst, werden irgendwann transzendiert. Auf der wesentlich einfacheren Ebene der ‚heldenhaften‘ Verehrung haben wir es beim Thema Vereinigung oft mit Sex und/oder Besessenheit zu tun. Bei der Vorbereitung für das rituelle Liebesspiel kann die menschliche Partnerin mit der Paraśakti identifiziert werden; diese visionäre Identifikation wird in etlichen Tantras angedeutet, oder, wie im YT, auch detailliert beschrieben. Die Partnerin wird dabei als höchste Gottheit verehrt; das Bild der Gottheit überlagert den Körper der Partnerin und verschmilzt damit. Auch die Partnerin imaginiert sich in die Form und Bewusstheit der Parāśakti hinein: ganz offensichtlich wird für diese Transformation einiges an spiritueller Kompetenz, Hingabe und Übung vorausgesetzt. Für Anfänger sind solche Riten jedenfalls nicht gedacht. Wenn die höchste Śakti und die Partnerin zu einem werden, kommt es zu Besessenheit. Die andere Bedeutung von ‘Parā’ ist ‘des anderen’. Nach dieser Lesart ist die Parāśakti die Śakti (hier: Gattin, Partnerin oder Frau) eines anderen (Mannes). Ein Text, der erklärt, dass die Anhänger sich mit der höchsten Śakti vereinigen sollen, kann als ehebrecherische Vereinigung mit der Frau eines anderen Mannes gedeutet oder missverstanden werden. Die erste Interpretation wird oft von Adepten vertreten, die zweite ist in antitantrischer Propaganda üblich. Und jetzt wird es schwierig zu verallgemeinern. Es gibt Tāntriker, die alles symbolisch verstehen, während andere darauf bestehen, alles wörtlich zu nehmen. Daher kam es im Laufe der tantrischen Geschichte immer wieder dazu, dass Tantriker ganz gezielt nach Möglichkeiten zum rituellen Ehebruch suchten. Hierbei lag der Grund nicht darin, dass Frauen, die mit anderen verheiratet wären, besondere Vorzüge hätten. Es ging vielmehr um den Wunsch, soziale Gebote zu brechen. Einige etwas zwanghafte Kaula-Lehrer empfanden die Überschreitung jeglicher gesellschaftlichen Normen und Prinzipien als ein heiliges Gebot. Diese Leute waren einfach deshalb für Ehebruch, weil Zwangshochzeiten und unfreiwillige Treue eine überflüssige gesellschaftliche Norm darstellen, aber auch sie identifizierten die Partnerin mit der höchsten Śakti. Aber Ehebruch konnte auch andere Gründe haben. Schließlich sollten wir bedenken, dass viele Tantriker eine asketische Lebensweise ausübten, weite Reisen machten, und einen Teil ihres Lebens auf der Straße verbrachten. Manche von ihnen heirateten andere Asketen, aber andere waren arm, lebten hauptsächlich allein und hatten sehr wenig Gelegenheit, mit jemandem Liebe zu machen, außer mit verheirateten Frauen und Prostituierten. Einer der Gründe dafür, dass etliche Tantras Friseusen, Waschfrauen, Straßenreinigerinnen, Metzgerinnen, Fischhändlerinnen, Gerberinnen und Prostituierte lobpreisen, besteht darin, dass diese Unterklasse-Frauen leichter zu haben waren als Frauen der gehobenen Klassen.
In den Lehren des linkshändigen Pfades sind Geschlechtsunterschiede nicht immer von Bedeutung. Um Vimalānanda zu zitieren (Kommentare zum Karpūrādi Stotra, 1837 in Woodroffe 2001):
Er, der Śiva ist, ist auch Śakti, und Sie, die Śakti ist, ist auch Śiva. Vaterschaft und Mutterschaft sind nur dem Namen nach Unterschiede. In Wirklichkeit stehen sie für ein und dasselbe. Das Tantra Śāstra wiederum sagt, dass Śakti, Maheśvara, Brahman alle dasselbe bezeichnen. Männlich, weiblich, sächlich sind verbale und keine wirklichen Unterschiede … Wir können über Mahādevī als männlich oder weiblich meditieren, denn diese Begriffe können für jeden groben Körper angewendet werden.
Eine ähnliche Einstellung kommt im DBh 9, 1 zum Ausdruck:
… jene, die die bedeutendsten und höchsten der Yogīs sind, erkennen keinen Unterschied zwischen einem Mann und einer Frau. Alles ist Brahman.
Dasselbe kommt im tantrischen Buddhismus gelegentlich vor. Einer der bedeutendsten Gründungsväter des tibetischen Buddhismus, Padmasaṁbhava, soll gesagt haben:
Die Grundbedingung für die Erleuchtung ist der menschliche Körper. Männlich oder weiblich macht keinen großen Unterschied. Aber wenn der Geist sich der Erleuchtung zuwendet, ist ein weiblicher Körper besser.
Es ist kein Zufall, dass Padmasaṁbhava von initiierten Frauen lernte (Shaw, 1994 : 193), viele Schülerinnen hatte, mit seiner berühmteste Schülerin, der Prinzessin Tsogyal zusammenlebte und praktizierte, und sich zu meditativen Zwecken gerne in die Göttin Siṁhamukha (Löwenkopf) verwandelte. Letztere ist eine Verwandte von Kālī, die sowohl im hinduistischen wie buddhistischen Tantra populär ist.
Oder nimm diese höchst revolutionäre Erklärung, die der Göttin Tārā zugeschrieben wird:
Da es so etwas wie einen Mann oder eine Frau nicht gibt, ist die Bindung an ‘männlich’ oder ‘weiblich’ hohl. (Trimondi 1999 : 381, 373)
Wenn es um erstaunliches göttliches Verhalten geht, begegnen wir Göttern, die imstande sind, ihr Geschlecht nach Belieben zu wechseln. Jede männliche Gottheit hat eine weibliche Form, und auch für viele Göttinnen ist eine Transformation in einen männlichen Körper möglich. Meditationen, in denen sich Deine Lieblingsgottheiten ins andere Geschlecht verwandeln, sind ausgesprochen nützlich, denn sie zerstören konventionelles, vorurteilsbehaftetes Denken und befreien uns davor, die Welt und das Göttliche in primitiven Geschlechtsrollen einzusperren. Im tantrischen Hinduismus ist die Śakti-Form die aktive und kraftvolle, während die männliche normalerweise als passiv und friedvoll erfahren wird. Im tantrischen Buddhismus ist es genau umgekehrt: hier sind die Götter aktiv tätig, während die Göttinnen als passive Weisheitsgefährtinnen dabei sind. Wenn Śiva also weiblich wird, wird aus ihm Śaivī. Sie sieht ihm ziemlich ähnlich, ist nackt, ascheverschmiert, schlangengeschmückt und hält einen Dreizack, wenn auch möglicherweise in etwas graziöserer Weise. In einem gewissen Sinne ist Śaivī die Śakti von Śiva, also sein Ausdruck als Śakti, aber wir begegnen auch einer Anzahl von Göttinnen wie Durgā, Kālī, Gaurī oder Pārvatī, die als unabhängige Wesenheiten auftreten, als Śivas Śakti. Das hat historische Gründe: die Anhänger verschiedener Kulte und Gegenden wollten ihre Lieblingsgöttin mit einem der wichtigsten Hochgötter vermählen. Wenn also Śiva viele Frauen hat, bedeutet dass nicht, dass er einen Harem unterhält. Wir sollten diese Göttinnen auch nicht einfach als Aspekte von einander oder von einer bestimmten Göttin wegerklären, denn immerhin hat jede ihren eigenen religiösen und ethnischen Hintergrund. Bei solchen Göttinnen ist es nicht der Fall, dass sie Śiva in weiblicher Form darstellen. Erinnern wir uns:
In den indischen Religionen sind Götter keine klar definierten voneinander getrennten Wesen, sondern neigen dazu, ihre Erscheinung zu verändern und ineinander überzugehen, wenn ihnen (oder ihren Anhängern) danach ist. In der Mythologie sind Fälle von Geschlechtswechsel nicht selten. Im Cidambara Māhātyma gehen die Götter Śiva und Viṣṇu in den Kiefernwald, um die Asketen in Versuchung zu führen. Śiva nimmt die Form eines ungewöhnlich gutaussehenden jungen Bettlers an, während Viṣṇu als seine schöne Frau erscheint. Sie verführen erfolgreich alle jungen Asketen und deren Frauen, scheitern aber an einigen älteren Weisen, die sie mit magischen Waffen zu vernichten versuchen, die aus dem Opferfeuer hervorgehen. Aus den lodernden Flammen erscheinen Tiger, Reh, Axt, Mantra und Zwerg und greifen die Gottheiten an. Śiva unterwirft sie und nimmt sie als seine Attribute an. Dann tanzt er zum ersten Mal den weltzerstörenden, befreienden Tāṇḍava-Tanz.
Śiva erscheint auch in weiblicher Form. Mookerjee (1988) gibt eine Episode aus den Purāṇas (keine genaue Quellenangabe, sorry) wieder:
… König Īla kam bei der Jagd zu einem Hain, in dem Śiva Sex mit Pārvatī hatte und die Form einer Frau angenommen hatte, um ihr zu gefallen. Alles in den Wäldern, selbst die Bäume, waren weiblich geworden, und als er sich näherte, wurde König Īla in eine Frau verwandelt. Śiva lachte und sagte ihm, er könne ‘um jeden Segen bitten außer Männlichkeit.’
Es ist nicht anzunehmen, dass die Erfindung solcher Śaktis lediglich ein philosophisches Mittel war, um eine weibliche Form eines normalerweise männlichen Gottes zu erzeugen. Manche Texte, wie das MNT (5, 56) schließen solche Śaktis in die tägliche Ritualroutine ein. Am Morgen meditiert unser/e Verehrer/in über Brahmī, die eine rötliche Jungfrau ist, gekleidet in ein schwarzes Antilopenfell, geschmückt mit einer kristallenen Mālā (Gebetskette), die eine Schale voll Weihwasser hält und auf einem Schwan reitet. Mittags meditiert der Anhänger über Vaiṣṇavī, die eine goldene Dame in einer Sonnenscheibe ist, die eine Girlande aus wilden Blumen trägt. Sie hat volle Brüste, ihre vier Hände halten Muschelschale, Stab, Diskus und Lotus, und sie reitet einen Garuḍa-Vogel. Die Abendmeditation ist für Śaivī, die als eine alte Frau erscheint, mit weißer Haut und in Weiß gekleidet, freundlich und großzügig; ihre Hände halten Dreizack, Schlinge, Speer und Schädel. Sie reitet auf einem Stier.
Hier begegnen wir Brahmā, Viṣṇu und Śiva in weiblicher Form. Die Śaktis sind jedoch mehr als nur Kopien der männlichen Götter. Sie entsprechen den drei Tageszeiten und Altersstufen, was mit ihren männlichen Formen nicht viel zu tun hat. Und wir erleben auch das Gegenteil: Manche männlichen Gottheiten wurden nach Göttinnen modelliert. Der schreckliche Mahākāla (Großer Verschlinger, d.h. die Zeit), schwarz, nackt, schlangenumwunden, mit hervorgewölbten Augen und schrecklichen Zähnen, ist nach Mahākālī gestaltet. Er ist Mahākālīs Gatte und offiziell eine Form von Śiva, aber bei näherer Betrachtung ist er ganz klar eine männliche Personifikation der dunklen Göttin selbst.