Читать книгу Mitternachts-Thriller Sammelband 4001 - Vier Romane um Liebe und Geheimnis Juli 2019 - Jan Gardemann - Страница 12

Оглавление

6


Vor der Party am Abend konnte ich mich gerade noch ein bisschen frisch machen und angemessen anziehen. Ich entschied mich für ein lindgrünes Kleid, dessen schlichte Eleganz für den Anlass nicht übertrieben war, andererseits aber auch nicht gerade gewöhnliche Straßenkleidung darstellte. Eine Perlenkette, die Tante Lizzy mir zum vierzehnten Geburtstag geschenkt hatte, kombinierte ich dazu.

Als ich Jim ansah, muss er mir den Schock über seinen Aufzug wohl angesehen haben.

Er trug das, was er schon den ganzen Tag am Leib gehabt hatte. Das Jackett war notdürftig geglättet und immerhin waren die Knöpfe geschlossen. Aber sonst ...

Er reagierte schlagfertig.

"Ich glaube, einer von uns ist ein bisschen overdressed!", lachte er.

Ich hob die Augenbrauen und nun war wohl ich es, die ein fassungsloses Gesicht machte.

"Was du nicht sagst!", meinte ich dann kopfschüttelnd.

Allerdings stellte sich heraus, das auch andere Gäste nicht unbedingt der gängigen Kleidernorm entsprachen. Insbesondere galt das für jene, die aus der Musikbranche kamen.

Besonders fiel mir in dieser Hinsicht Ted McRory auf, ein ehemaliges Band-Mitglied von Robert Clayton. Er war der Schlagzeuger und immer schon durch besondere Eskapaden aufgefallen. Seit einiger Zeit geisterten Meldungen durch die Klatschspalten, er sei in psychiatrischer Behandlung und dem Wahnsinn nahe.

Wieder andere Meldungen besagten, dass er sich okkultistischen Kreisen zugewandt oder sein Heil in fernöstlichen Entspannungstechniken gesucht habe.

Hier auf Gilford Castle tauchte er jedenfalls in einem pechschwarzen Anzug aus Seide auf. Seine eigentlich blonden Haare hatte er ebenfalls schwarz färben lassen. Das Gesicht war weiß gepudert und wirkte wie die Maske eines Toten.

Er trank zu viel und redete zu laut.

Und die Umstehenden hörte man darüber tuscheln, dass er seit seiner Zeit in Claytons Band nie wieder richtig Fuß gefasst hatte.

Die Party plätscherte so dahin.

Jim machte seine Bilder und dann sah ich ihn irgendwann mit einer sehr schrill wirkenden Rothaarigen, die die Angewohnheit hatte, außerordentlich laut zu lachen.

Jim brachte eine Engelsgeduld dabei auf, ihr zuzuhören und ich war froh darüber, dass sie sich auf ihn und nicht auf mich gestürzt hatte.

Ein blassgesichtiger, etwas dicklicher Mann von der Plattenfirma sprach unüberhörbar über ein neues Best-of-Album mit Robert Claytons größten Hits.

Später hörte ich, wie er mit Robert darüber redete, dass dies nun schon sein zweites Best-of-Album sei und es langsam schwierig würde, die Erinnerung der Fans an ihn wachzuhalten, wenn kein neues Material nachkäme.

"Ich weiß", sagte Robert und seine Stimme hatte in diesem Moment ihren sympathischen, sonoren Klang beinahe eingebüßt und klang metallisch und hart. "Ich weiß und es ist mir egal. Haben Sie gehört, Myers? Es ist mir egal!"

"Aber ..."

"So ist es nun mal."

"Robert, du hast ein Studio hier auf deiner Burg! Und wenn du willst, dann lassen wir auch etwas von anderen für dich produzieren. Du brauchst dann nur noch über die Bänder drüberzusingen. Eine Woche Arbeit, mehr nicht!"

"Nein", sagte Robert in einem Tonfall, der Myers so entmutigte, dass er keinen weiteren Versuch in dieser Richtung unternahm.

Wenig später lief Robert mir dann über den Weg.

Er lachte mich an und meinte anschließend: "Ich hoffe, Sie finden genug, worüber Sie anschließend schreiben können ..."

"Ich hoffe, Ihnen gefällt auch, was am Ende in der Zeitung steht."

"Oh, da mache ich mir bei Ihnen keine Sorgen, Patricia."

"Ach!"

"Ich kenne Hunderte von Journalisten. Die meisten sind wie die Geier. Nur auf die schnelle Story aus, alles andere ist ihnen egal. Wo diese Bande herumtrampelt, wächst kein Gras mehr. Aber Sie sind anders ..."

"Das wussten Sie aber nicht im Voraus."

"Nein", gab er zu.

"Sie haben jahrelang mit niemandem mehr von der Presse gesprochen. Warum jetzt mit den Express News?"

Er lächelte und dann holte er mir ein Sektglas, das eine der Bedienungen auf einem Tablett herumtrug.

Er reichte es mir und hob dabei sein eigenes.

"Worauf trinken wir?"

"Ich weiß nicht. Auf Ihr Comeback, Robert?"

"Wollen Sie mir die Laune verderben, Patricia?"

"Kein Gedanke!"

Wir sahen uns an und unsere Blicke verschmolzen miteinander. Dieser Mann faszinierte mich – und das hatte nichts mit dem zu tun, was ich früher für den Popstar gleichen Namens empfunden hatte. Der schien ein anderer Mensch aus einer anderen Welt zu sein. Einer Welt, die die Zeit hinter sich gelassen hatte.

Unsere Gläser berührten sich mit einem klirrenden Geräusch.

Ich nippte an dem meinen und fühlte den prickelnden Sekt die Kehle hinunterlaufen.

In meinem Bauch schien er sich in eine Schar wild gewordener Schmetterlinge zu verwandeln ...

Ein Chaos von unterschiedlichen Gefühlen tobte in mir und ich wusste noch nicht so recht, welches davon am Ende die Oberhand gewinnen würde.

Ich blickte auf.

"Sie haben mir auf meine Frage noch nicht geantwortet", stellte ich fest.

"Welche Frage?"

"Im Ablenken sind Sie gut! Sie machen das so charmant, dass man schon beinahe selbst nicht mehr weiß, was man gefragt hat!"

"Wundert Sie das?", erwiderte er. "Schließlich steht doch alles was ich sage, demnächst in den London Express News – oder zumindest jener Teil, den Sie und Ihre Leser für interessant halten."

Er lachte kurz auf. Der Klang seiner Stimme war warm und sympathisch und ich fühlte den eigenartigen Zauber, der von diesem Timbre ausging.

"Also Klartext", sagte er dann. "Sehen Sie, in den vergangen Jahren habe ich mich sozusagen in den Schmollwinkel zurückgezogen, aber es wurde trotzdem über mich geschrieben. Lügen natürlich. Erfundene Geschichten. Ich dachte, ich muss in der Sache mal in die Offensive gehen ..." Sein Lächeln war offen. "Außerdem ...", murmelte er und brach dann ab.

"Außerdem was?", hakte ich nach.

"Außerdem hätte ich Sie sonst niemals kennengelernt, Patricia. Und das wäre schade ..."

Mitternachts-Thriller Sammelband 4001 - Vier Romane um Liebe und Geheimnis Juli 2019

Подняться наверх