Читать книгу Mitternachts-Thriller Sammelband 4001 - Vier Romane um Liebe und Geheimnis Juli 2019 - Jan Gardemann - Страница 13

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Als das Fest schon ziemlich vorangeschritten war, meldete sich auf einmal Ted McRory laut zu Wort. Sein Gang war etwas unsicher geworden, und er leerte sein Sektglas in einem Zug.

"Ein wunderbares Schloss ist das, in dem du lebst, Robert ... Ein richtiges Geisterschloss ..." Er kicherte sich hinein.

"Hört alle her!", rief er und tatsächlich verstummten jetzt auch die letzten Anwesenden.

Jim stand ganz in meiner Nähe. Er trat an mich heran und raunte mir zu: "Was hat der Kerl vor?"

"Keine Ahnung, Jim!"

"Ich hoffe, er kriegt sich wieder ein. Er hätte nicht so viel trinken sollen ..."

Aber McRory dachte noch lange nicht daran aufzuhören. Er hatte gerade erst begonnen.

"In all den Jahrhunderten haben Generationen von Menschen hier gelebt – und sind gestorben. Manche elendig an der Pest, andere durch Mord und Giftintrige ..." Wieder kicherte er auf eine Weise, die ihn irre erscheinen ließ. Seine Augen flackerten unruhig.

Er machte eine theatralische Geste.

"Es müssen Geister hier sein. Überall ... Die düsteren Mauern von Gilford Castle müssen geradezu wimmeln von den Seelen der Verschiedenen ... Und es gibt Methoden jahrhundertealte Methoden! – diese Seelen zum Sprechen zu bringen ..."

Eine bedeutungsschwangere Pause folgte.

Vielleicht konnte er inzwischen nicht mehr richtig Schlagzeug spielen, aber seinen Sinn für bühnenreife Auftritte schien er nicht verloren zu haben.

Der dunkel gekleidete Mann mit dem bleichen Gesicht atmete tief durch.

Ein Grinsen erschien auf seinem Gesicht.

"Eine Geisterbeschwörung! Was haltet ihr davon, Freunde! Zu Ehren unseres werten Freundes, Gastgebers und Schlossherrn!"

Zustimmendes Gemurmel entstand. Hier und da kam etwas Applaus auf.

"Toller Gag!", meinte einer und kippte dabei sein halbes Sektglas auf den Boden.

Robert war zunächst wenig begeistert.

Aber seine Gäste redeten so lange auf ihn ein, bis er sich schließlich bereit erklärte mitzumachen.

"Irgendwie haben wir den Zeitpunkt verpasst, an dem wir uns vornehm hätten zurückziehen sollen!", knurrt Jim.

Eine seltsame Unruhe erfasste mich.

Eine Ahnung machte sich in mir breit ...

Irgendetwas wird geschehen!, ging es mir durch den Kopf.

Etwas Entscheidendes ...

Ich merkte, das ich zitterte und sah zu, dass ich mein Glas irgendwo abstellte. Von meiner verstorbenen Mutter hatte ich eine leichte übersinnliche Begabung geerbt, die sich in seherischen Träumen, Visionen und Ahnungen manifestierte.

Ich schluckte.

Ich hatte auf einmal das Gefühl, etwas unternehmen zu müssen. Aber ich wusste nicht, was.

Eine Gefahr!, dachte ich. Unsichtbar schien sie über all dem zu schweben, was hier in den hohen Räumen dieses uralten Schlosses geschah, diesen finsteren Mauern, die den Atem des Verfalls auströmten ... Für einen Moment glaubte ich, ihn förmlich spüren zu können.

"Patti, was ist los?"

Wie aus weiter Ferne hörte ich Jims Stimme.

Ich versuchte ein Lächeln.

"Nichts", sage ich. "Alles in Ordnung."

"Du siehst fast so bleich aus wie dieser Ex-Schlagzeuger, der wahrscheinlich so benebelt ist, dass er seine Trommel nicht mehr treffen würde! Selbst die große Bass-Drum!"

"Ich brauche die geistige Energie von euch allen!", rief McRory. "Konzentriert euch und denkt an die Toten ... Ruft sie mit euren Gedanken! Sie sind hier! Und dann sprecht mir nach ..."

Scheinbar sinnlose Worte kamen über McRorys Lippen und die Anwesenden, die das Ganze für eine Alberei hielten, versuchten, diese archaisch klingenden Silben nachzusprechen ... Ich schluckte.

Denn manche dieser Silben erkannte ich wieder.

Sie waren Bestandteil verschiedener magischer Rituale, die in einem Buch mit dem Titel 'Absonderliche Kulte' beschrieben wurden, das um die Jahrhundertwende von einem gewissen Hermann von Schlichten verfasst worden war. Tante Lizzy besaß eines der wenigen, raren Exemplare ... Und ich wusste aus eigener Erfahrung nur zu gut, das nicht alles, was dort zu finden war, nur als reiner Hokuspokus bezeichnet werden konnte ...

Mit offenem Mund sah ich dieser Szene zu, sah wie sich die fröhliche Partygesellschaft in eine eigenartige spiritistische Sitzung verwandelte ...

Immer wieder wurden dieselben geheimnisvollen Silben wiederholt, sodass sich beinahe eine hypnotische Wirkung einstellte.

Die Gäste hatten einen Riesenspaß.

In meinen Augen nahm das Ganze jetzt mehr und mehr Züge eines Alptraums an.

Es wird etwas geschehen!

Der Gedanke ließ mich nicht los. Ich fühlte, wie sich mein Puls beschleunigte.

McRory hob die Hände und die Gäste im Saal folgten seinem Beispiel. Der Singsang wurde schriller und krächzender.

Stimmen überschlugen sich und es entstand ein geradezu ohrenbetäubender Lärm.

Und dann entstand mitten im Raum, etwa einen Meter über den Köpfen der Anwesenden ein grelles Leuchten, das für einen Moment alle blendete.

Der Singsang verstummte, und ein Raunen ging durch die Schar der Gäste. Sie standen mit offenen Mündern und weit aufgerissenen Gesichtern da und staunten. Aber manche von ihnen hielten auch das noch für einen Gag. Irgendeine Art von Zaubertrick, der effektvoll in Szene gesetzt worden war.

Ich hörte verschiedentlich Gelächter.

Kaltes Grausen überkam mich und ich fühlte, wie eine Gänsehaut meine Unterarme überzog, die das lindgrüne Kleid freiließ.

Nein, dies war kein Trick.

Das spürte ich sofort.

Einen Augenblick lang glaubte ich sogar, die mentale Energie spüren zu können, die von dieser Erscheinung ausging.

"Was ist das, Patti?", wisperte Jim neben mir.

"Wenn ich das wüsste!", murmelte ich. Aus den Augenwinkeln heraus bemerkte ich das Entsetzen, dass in Ted McRorys totenbleichem Gesicht geschrieben stand. Ganz offensichtlich hatte er selbst keineswegs mit dem gerechnet, was hier vor seinen Augen geschah ...

Es sollte nur ein Witz sein ...

Ein Gag ...

Das Leuchten pulsierte und wurde dann schwächer.

Vor unseren Augen bildete sich dann die durchsichtige Gestalt einer Frau. Sie schwebte dort, wo zuvor die Lichterscheinung gewesen war, und veränderte auch nicht ihren Standort. Ihr Haar war strohblond, das Gesicht fein geschnitten und ihre hohen Wangenknochen gaben ihr einen vornehmen Ausdruck.

Aber ihre Augen ...

Ich musste unwillkürlich schlucken, als ich den abgrundtiefen Hass sah, der aus diesen Augen hervorzuspringen schien ...

Suchend schweifte ihr Blick über die schweigende Party-Schar.

Keiner lachte jetzt noch.

Und niemand kicherte, nicht einmal McRory, der bis zur Wand zurückgewichen war.

Der grausame Blick dieser jungen Frau glitt forschend von einem zum anderen. Alle, die sich an diesem Abend auf Gilford Castle befanden, schien sie einer eingehenden Musterung zu unterziehen. Und dann hatte sie Robert Clayton gefunden ...

Sie schwebte auf ihn zu.

Robert runzelte die Stirn.

Sein Gesicht drückte eher Unverständnis und Verwunderung als Furcht aus.

Die Frau streckte den Arm aus und deutete auf den Ex-Musiker. Ihr Gesicht verzog sich zu einer hasserfüllten Grimasse.

Und dann erscholl die Stimme.

Anders konnte man es nicht bezeichnen.

Die Frau bewegte nicht die Lippen. Ihr Gesicht blieb eine Maske. Und doch sprach sie in gewisser Weise. Ihre Worte waren in unseren Köpfen zu hören. Es war eine Gedankenstimme und überall drehten sich Gäste zueinander, sahen sich fragend an und stellten fest, dass sie alle diese fremden Gedanken hören konnten.

Spätestens jetzt musste jedem klar sein, dass dies mit einem Trick nicht mehr das Geringste zu tun haben konnte. Dies war eine Botschaft aus dem Reich des Übersinnlichen ...

Mitternachts-Thriller Sammelband 4001 - Vier Romane um Liebe und Geheimnis Juli 2019

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