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1.2

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Er ging ums Haus durch den Garten. Karl wusste, dass Elsa im Sommer immer lange auf der Terrasse saß, insbesondere donnerstags, wenn er in der Kneipe war. Als sie ihn kommen sah, klappte sie das Buch zu und ließ es sachte in den Schoß sinken. Sie musste grinsen. Karl ließ sich seufzend neben ihr auf der Bank nieder.

„Schlimm“, fragte sie.

„Wie immer“, bestätigte er.

Er versuchte zu erkennen, um welches Buch es sich handelte, aber seine Frau bedeckte mit ihren Händen den Schriftzug.

„Was liest du denn da“, interessierte es ihn.

„Brentano.“

„Oha! Was?“

„Gedichte.“

„Meine kleine Romantikerin…“

Sie strahlte.

„‚Am stillen Abend, Wenn die Rosen nicht mehr glühen Und die Töne stumm werden, Will ich bei dir sein In traulicher Liebe, Und dir sagen, Wie mir am Tage war.‘“

„Und, wie war dir am Tage“, lachte Karl.

„Erzähl mir lieber, wie’s bei deinen Streithälsen war. Schlimmer als sonst?“

Elsa streichelte seinen Handrücken, während er ihre dunklen Augen ergründete. Darauf wandte er sich ab, blickte auf die Wiesen, die er wegen der hereinbrechenden Dunkelheit lediglich schemenhaft erkennen konnte und begann zu erzählen: „Jörg will eine Bürgerinitiative gründen, ‚Quelmbach ist bunt‘, und Ernst hält natürlich dagegen, indem er ebenfalls eine ins Leben rufen will, ‚Quelmbach bleibt Quelmbach‘.“

Er schaute wieder zu Elsa und strich ihr sanft über die Wange.

„Eine Wimper“, verteidigte er sich.

„Darf man sich dann nicht was wünschen?“

Er guckte skeptisch.

„Du liest zu viele romantische Gedichte…“

„Gar nicht! Die sind wunderschön“, widersprach sie ihm und sich gleichzeitig und sah nun selbst auf die an ihr Grundstück grenzenden Wiesen.

„Wie stehst du dazu?“

Karl überlegte. Seine Blicke schweiften in die Dämmerung ab.

„Ich fürchte mich davor, dass uns die Sache über den Kopf wächst.“

„Dass es zu viel wird?“

„Ja. Wenn ein Ende in Sicht wäre – aber das ist es ja nicht... Und dann Ernst und Jörg – das was Jörg zu viel macht, macht Ernst zu wenig und beide werden immer extremer, habe ich den Eindruck…“

„Hat er sich wieder über Mojo aufgeregt?“

„Ja, hat er, wobei Mojo bei ihm Mayo heißt“, berichtete Karl.

„Meinst du, es liegt daran, dass er schwarz ist?“

„Nein, das glaube ich bei Ernst nicht. Die Farbe ist ihm ziemlich egal“, lachte er ob seiner Formulierung. „Er hätte – meine ich – lieber jemanden für seine Tochter gehabt, der aus dem hiesigen Kulturkreis kommt.“

„Würde dich das stören, wenn unsere Marie einen afrikanischen Freund mitbrächte“, lugte sie nach links zu ihm herüber.

„Nein, die Enkel wären sicher niedlich. Nur bei einem Indianer hätte ich Probleme. Als Marie die Masern hatte, sah sie grässlich aus. Stell dir mal vor, die Kinder hätten rote Punkte!“

„Hahaha! Du bist unmöglich“, schlug sie ihm auf die Brust.

Er beugte sich zu ihr und küsste sie.

„‚Mein Kuss ist jung, mein Kuss ist alt, Ich küss mit weisen Listen.‘“

„Da hat wohl jemand ebenfalls Brentano gelesen“, stellte sie fest und setzte noch einen drauf:

„‚Kaum hörst du auf, so fang ich an; Versäumnis muss ich büßen‘.“

Sie neigte sich zu ihm, doch er wich ihr aus.

„Ich geh schlafen. Bis später, Gute Nacht“, berührte Karl ein letztes Mal ihre Wangen, bevor er sich erhob.

„‚So lebe wohl, verzeihe dir! Die keusche Bahn zu wandlen‘.“

„‚Ich lebe wohl, verzeihe mir, Im Traum Dich zu misshandlen‘“, antwortete er.

Mit einem schelmischen Lächeln stieg Karl ins Haus.

„Hach,“, klagte Elsa, „dafür hat man einen Mann…“

Sie nahm den Brentano aus ihrem Schoß, blätterte ein wenig darin und fing an, zu lesen. Es dauerte nicht lange, ehe sie das Buch beiseitelegte. Gemächlich kroch die Kälte der Nacht aus ihrem Versteck hervor, in dem sie tagsüber gekauert hatte. Fledermäuse jagten nach Faltern. Elsa zog sich ins Haus zurück.

Bös- und Gutmenschen

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