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Karl hatte endlich Urlaub, zumindest, was seinen Hauptberuf als Archivar anging. Auf sein Ehrenamt – das des Ortsbürgermeisters – traf dies selbstredend nicht zu. Zu viel harrte noch auf seinem Schreibtisch, was er neben Familie und Arbeit nicht immer zeitig erledigen konnte. Gerade hatte er den beiden Gemeindearbeitern Ben Deutsch und Oskar Migré Arbeitsanweisungen erteilt und sortierte einige Ordner, als es an die offenstehende Tür klopfte. Karl sah auf. Faruk und Nahom standen im Türrahmen und strahlten ihn an.

„Moin,“, grüßte er sie, „ist euch wieder langweilig?“

Die zwei lachten.

„Ja, ein bisschen“, gab Faruk zu. „Urlaub schön?“

„Ich habe nicht viel Urlaub. Alles Arbeit“, zeigte Karl auf den Schreibtisch mit den Stapeln.

„Hast du auch für uns Arbeit“, fragte Nahom.

„Wenn ihr wollt, könnt ihr nachher Ben und Oskar zu Hand gehen“, bot Karl ihnen an.

Sie nickten.

„Was machen sie“, wollte Faruk wissen.

„Die montieren die Latten der gemeindeeigenen Bänke ab, dann werden die abgeschliffen und neu gestrichen. Dabei könntet ihr ihnen helfen. Streichen?“

„Was ist streichen“, kannte Nahom die Vokabel anscheinend nicht.

Karl guckte zuerst zu Faruk, doch auch der zuckte mit den Achseln und schob ein „Ich weiß nicht“ hinterher.

„Streichen bedeutet neue Farbe draufmachen… malen…“, Karl führte ihnen die typischen Streichbewegungen vor.

„Malen ist gut“, lachte Nahom.

„Wenn ihr wollt, kann ich euch mit in den Baumarkt nehmen. Ich hatte vor, in der Zeit, während die die Latten abmontieren, die Farbe zu besorgen.“

Sie schauten ihn erneut ein wenig verwirrt an. Karl glaubte, das Wort ausmachen zu können, welches ihnen nicht geläufig war: „Baumarkt?“

Faruk und Nahom schüttelten die Köpfe.

„Ein Baumarkt ist ein Supermarkt für Holz, Steine, Farbe…“

„Das ist gut“, befand Nahom zufrieden.

„Wir kommen mit“, bekräftigte Faruk.

„Gut. Geht schon einmal zum Auto, ich bin gleich dort“, trug Karl ihnen auf.

Die beiden gehorchten mit einem freudigen „Ok“ und warteten vor dem Bürgermeisteramt an Karls Wagen, den sie in den vier Wochen, die sie nun bereits in Quelmbach lebten, häufiger dort oder vor Karls Haus gesehen hatten. Karl war davon ausgegangen, dass sie ihn nach einer Beschäftigung fragen würden. Auf dem Land ist oft nicht viel los und was sollten sie sich nicht ins Gemeindeleben einbringen? Sinnvoller als träge in ihren Wohnungen zu sitzen und die Zeit zwischen den einzelnen Integrationskursen mit irgendwelchen Dummheiten zu überbrücken, war es allemal. Karl bemühte sich, ihnen stets etwas anbieten zu können, wenn sie fragen kamen. In der Regel geschah das abends, wenn er Sprechstunde hatte, dann sprachen sie ihn darauf an. Dass er einige Tage Urlaub haben werde, war offenbar bei ihnen hängen geblieben, denn gewöhnlich begegnete man ihm montagmorgens nicht in seiner Amtsstube. Er platzierte schnell die Ordner im Regal, ehe er sich nach draußen begab.

Der Ausflug in den Baumarkt entpuppte sich für Faruk und Nahom als willkommene Abwechslung. Wie viele Farben es gab! Und wie hoch hier die Regale waren und wie voll! Besonders das Schmirgelpapier hatte es ihnen angetan. Allein schon dieses Wort! S-c-h-m-i-r-g-e-l-p-a-p-i-e-r! Nahom bekam sich gar nicht mehr ein. Das Deutsche besaß verdammt lustige Wörter. Ihm gefiel die Sprache. Schmirgelpapier. Er wiederholte es so oft, dass Faruk ihn schließlich „Schmirgel“ taufte, Nahom Schmirgel. Klang fast wie ein gebürtiger Quelmbacher!

Bös- und Gutmenschen

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