Читать книгу Bös- und Gutmenschen - Jan Nadelbaum - Страница 7

1.5

Оглавление

Für abends hatten sich Ernst, Karl und Jörg verabredet. Beide hatten Karl bereits am Freitag angerufen, um zu erfahren, was bei dem Gespräch mit Wortreich und Plauda herausgekommen war, doch hatte es Karl verstanden, ihnen die Neuigkeiten bis Sonntagabend vorzuenthalten. Sie hatten sich eine Bank mit Blick auf Quelmbach gesucht, ringsherum sattgrüne Weiden. Es roch nach Rind oder vielmehr nach dem, was Rinder hinterlassen, man könnte genauso sagen: Es roch nach Land. Karl hatte seinen Freunden gerade erklärt, dass etwa dreißig Asylbewerber unterzubringen seien und dass man als Unterkunft das alte Schulhaus ins Auge gefasst habe.

„Das ist viel zu klein! Und dann diese Menge! Dreißig Stück“, regte sich Ernst auf.

„Ich finde überhaupt nicht, dass das viel ist“, hielt Jörg dagegen. „Es ist doch schon ein recht großes Gebäude. Zwar wird nicht jeder sein eigenes Zimmer haben, aber ich find’s gut. Liegt sogar mitten im Ort, was besser für die Integration ist als weit außerhalb.“

„Integration! Die sollen wieder zurück, wenn es da, wo sie herkommen, halbwegs läuft, und das möglichst zügig“, beugte sich Ernst nach vorne.

Karl hatte erneut den undankbaren Platz in der Mitte zwischen beiden, sodass das sich entspinnende Gespräch an ihm vorbei lief.

„Du weiß ja nicht, wie lange es dauert, bis in ihrer Heimat Frieden herrscht. Irgendwas musst du mit ihnen in der Zeit machen“, gab Jörg zu bedenken.

„In der Heimat vieler herrscht Frieden“, zürnte Ernst. Selbst ein Rind auf der Weide unter ihnen drehte sich nun zu ihm um.

„Scheuch die Kühe nicht auf“, mahnte Karl.

„Wenn ich die so sehe, habe ich Lust auf ein Steak“, streichelte er seinen prächtigen Backenbart.

„Du machst dich unter denen gerade sehr beliebt“, lachte Karl, als sich zwei weitere Rinder nach ihnen umdrehten.

„Wann kommen die“, war Ernst offenbar wieder bei seinem Lieblingsthema.

„In rund einem Monat“, antwortete Karl. „Habt ihr euch das noch einmal überlegt? Wollt ihr es tatsächlich auf die Spitze treiben mit euren Initiativen?“

„Freilich,“, klang Jörg beinahe erbost, „wir müssen den Menschen helfen! Es hat bisher dermaßen gut geklappt, dass ich glaube, dass die dreißig kein Problem sein werden! Ich will die Quelmbacher besser einbinden. Jeder soll seinen Beitrag leisten, damit sich unsere Gäste hier wohl fühlen.“

„Was du willst! Und meine Gäste sind es schon gar nicht“, keifte Ernst.

„Wie kann man bloß so verbittert sein“, wunderte sich Jörg.

„Pass auf, was du sagst, mein Lieber! Seit wir die im Dorf haben, ist nur Chaos!“

„Na, Ernst, so schlimm ist es jetzt aber auch nicht“, schlug Karl sich auf Jörgs Seite.

„Du hast ja von denen keinen zu Hause hocken“, erwiderte Ernst.

„Mhmmm… Paul hat sich mit Bojan angefreundet“, wandte Karl ein.

„Wie schön“, meinte Jörg. „Das ist der Bosnier? Bojan Petrović?“

„Ja, das ist der Bosnier“, bestätigte Karl. „Der ist ab und zu bei uns. Scheint aber in Ordnung zu sein. Sie verstehen sich sehr gut und Bojans Deutsch ist ausgezeichnet. Bis auf einen kleinen Akzent merkt man ihm nicht an, dass er kein Deutscher ist. Er hatte es wohl da unten in der Schule.“

„Und wovor soll der geflüchtet sein“, sprangen Ernst fast die Augäpfel aus dem Schädel.

„Ich gehe davon aus, dass sein Antrag abgelehnt werden wird“, schloss sich Karl indirekt seinem cholerischen Freund an.

„Eine Schande! Dort hat er doch keine Zukunft“, entrüstete sich Jörg.

„Natürlich! Monsieur Généreux würde alles und jeden nehmen, der kommt! Macht hoch die Tür, die Tor macht weit“, giftete Ernst.

„Wenn du in jener Situation wärst, würdest du’s ihnen gleichtun“, unterstellte ihm Jörg.

„Ich?! Wenn es da unten mehr von meiner Sorte gäbe, sähe es da überhaupt nicht so aus“, behauptete Ernst.

Karl musste kichern: „Das vermute ich auch. Willste nicht mal für’n Jahr da runter?“

„Das würde noch fehlen! Was soll ich zu denen da runter? Die kommen doch alle zu uns hoch und ich hab sie dann im Haus. Kann lediglich hoffen, dass meine Jüngste bei Verstand bleibt und sich einen ausm Dorf sucht. Stellt euch vor“, schlug er sich auf die Knie, „dieser Mayo hat die Nacht bei meiner Tochter gepennt! Ihr könnt euch nicht ausmalen, wie flott der draußen war, als ich die beiden morgens erwischt hab‘ und meinem Frolleinchen hab‘ ich ordentlich den Marsch geblasen! Gibt so viele Jungs in ihrem Alter bei uns in Quelmbach – was muss die sich ausgerechnet ‘nen Nigerianer angeln?!“

„Oha, Rassenschande im Hause Bolz“, stichelte Jörg.

Ernst stützte sich nach wie vor auf seine Knie: „Provozier mich nicht!“ Er sprach dies mit einer solchen Überzeugung, dass Jörg kurz zusammenzuckte und in der Tat wohlweislich schwieg.

„Der ist Kongolese, meine ich“, flocht Karl ein.

„Das ist mir ziemlich egal, was der ist, solange der die Flossen von meiner Tochter lässt“, sagte Ernst und lehnte sich nun endlich zurück. „Kommt die mit so einem Habenichts“, sprudelte es nach einer Minute nochmals aus ihm hervor. Schließlich schien er sich zu beruhigen.

„Muss der Gemeinderat nicht zustimmen, wegen des alten Schulhauses“, erkundigte sich Jörg.

„Ja. Hab die Sitzung auf Mittwochabend gelegt. Ich gehe davon aus, dass er zustimmen wird“, gestand Karl.

„Sei dir da nicht so sicher“, merkte Ernst an.

Karl räumte ein, dass es einige Gegenstimmen geben dürfte, jedoch letztlich kein Weg daran vorbeiführe.

Die Rinder hatten sich eins nach dem anderen langsam wieder umgedreht und es mutete an, als genössen sie – wie die drei Herren auf der Bank – den abendlichen Blick auf Quelmbach, das dort geradezu malerisch am Hang klebte und dessen Häuser lange Schatten warfen. Der Wetterhahn des Kirchturms schimmerte golden und wies in Richtung Westen. Der Wind kam von Osten und war kalt.

Bös- und Gutmenschen

Подняться наверх