Читать книгу Bös- und Gutmenschen - Jan Nadelbaum - Страница 6

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Familie Bolz saß am sonntäglichen Frühstückstisch, genauer: Ein Teil der Familie Bolz, denn Sabine fehlte, was nicht weiter unüblich war, schlief sie doch meistens etwas länger. Mit einem gezielten Hieb köpfte Ernst sein Ei. Tochter Regina schmierte schlaftrunken Himbergelee auf ihre untere Brötchenhälfte; Ehefrau Brigitte verrührte den Tropfen Kondensmilch in ihrem Kaffee, während Ernst das Ei salzte.

„Hast du Sabine heute Nacht heimkommen gehört“, fragte Brigitte. Sie leckte an ihrem Löffel und legte ihn ab.

„Ich“, fragte Ernst entgeistert und senkte die Hände auf die Tischplatte.

„Ja.“

„Nee. Hab geschlafen.“

„Sag bloß! Und das nachts!“

„Veräppeln kann ich mich auch allein“, schnauzte Ernst und knallte das Ei auf den Teller. Dann schoss er mit seinem Stuhl zurück. „Ich geh‘ mal nachschauen.“

Er stapfte aus dem Raum, irgendetwas vor sich her grummelnd. Brigitte und Regina starrten sich amüsiert an. Die Holzstufen der Treppe knarrten, Ernst stieg hinauf. Plötzlich hörten sie ihn toben, jemand stolperte die Stiegen hinab, die Haustür rumste. Ernst jagte hinterher, riss die Türe auf und brüllte nach draußen: „Und dass ich dich ja nicht mehr hier sehe, haben wir uns verstanden?!“

Daraufhin wetzte er wiederum die Stufen hinauf. Brigitte und Regina hörten Sabine schreien. Gepolter auf der Treppe. Er schleuderte Sabine ins Esszimmer, nur im Nachthemd.

„Ernst“, kreischte Brigitte.

„Sei still! Und du setz dich auf deinen Platz“, er drückte sie grob nieder.

„Lass mich los“, bat Sabine.

„Ich habe dir schon zigmal gesagt: Lass die Finger von dem! Ich will den hier nicht in meinem Haus haben! Hast du das endlich kapiert?! Diese Elster!“

„War der Mojo bei ihr“, richtete Brigitte sich an ihren Mann.

„Ja, war er! Die ganze Nacht war dieser Kerl bei meiner Tochter!“

„Papa, ich bin achtzehn“, schrie Sabine ihn an.

„Dann zieh aus! Solange wie du deine Beine unter meinen Tisch streckst, schleppst du mir nicht solche Typen ins Haus! Ist das angekommen?!“

„Du kennst ihn doch gar nicht. Er ist total nett“, blickte sie – ohne aufzuschauen – auf den für sie bereitgestellten Teller.

„Das brauch ich nicht! Der setzt sich hier nicht ins gemachte Nest! Jedes Mal lässt er etwas mitgehen! Bin gespannt, was jetzt wieder fehlt!“

Regina schwieg, ebenso wie ihre große Schwester.

„Der klaut bestimmt nix, Ernst“, verteidigte ihn Brigitte.

„Nun musst ausgerechnet du zu ihm halten?! Ich fasse es nicht“, er wandte sich zurück zu Sabine: „Hier in meinem Haus herrschen Zucht und Ordnung und wenn ich den noch mal hier sehe, fliegst du raus, begriffen?!“

„Ja“, nuschelte Sabine.

„Was?! Geht das nicht was lauter?!“

„Ernst“, bat Brigitte mit strengem Unterton.

„Halt dich raus“, keifte er mit hochrotem Kopf. „Wie war das?!“

„Ja“, sprach Sabine laut und deutlich.

„Geht doch“, schnaufte Ernst Platz nehmend.

„Frühstücken“, befahl er und beschäftigte sich erneut mit seinem Ei. „Und sowas auf Sonntag“, entfuhr es ihm.

Brigitte hob pikiert die Augenbrauen. Sie zwinkerte Sabine gütig zu und kippte sich noch ein wenig Kondensmilch in ihren Kaffee. Ernsts Temperament war einerseits das, wofür sie ihn liebte, andererseits das, wovor sie sich bisweilen ängstigte.

Bös- und Gutmenschen

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