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In Verbandsbürgermeister Wortreichs Amtszimmer roch es miefig. Sie saßen zu dritt am Besprechungstisch. Mit von der Partie war Michaela Plauda, die Integrationsbeauftragte. Vor ihnen die obligatorischen Tassen Kaffee und Trockengebäck. Nach dem üblichen Begrüßungsgeplänkel kam Wortreich recht zügig auf den eigentlichen Grund des Treffens: „Wie ich dir ja schon telefonisch mitgeteilt habe, steht uns wieder eine Lieferung ins Haus… Wir sind der Ansicht, dass diese in Quelmbach untergebracht werden müsste…“

Er guckte kurz zu Michaela, die mit zustimmender Miene den Gesprächsfaden aufnahm: „Die Stadt hat inzwischen zweihundertdrei. Weil ihr bisher dreiundsiebzig habt, wäre es ganz gut, wenn wir das nächste Kontingent bei euch quartieren könnten.“

Sie stierte Karl durch ihre dickrahmige Brille an und strich sich eine rote Haarsträhne von der Stirn.

„Was ist mit den anderen Ortschaften? Die mangelnde Infrastruktur ist für mich zunehmend kein Argument mehr“, wandte dieser ein.

„Auf die werden wir wahrscheinlich bald stärker zurückgreifen müssen. Aber so lange, wie es irgendwie geht, bevorzugen wir – natürlich im Interesse der Flüchtlinge – die Unterbringung in Ortschaften mit halbwegs vorhandener Infrastruktur, sprich: Lebensmittel, Ärzte und so weiter. Die haben ja kein Auto und im Winter kannst du die Strecken mit dem Fahrrad häufig nicht fahren. Zwei Familien leben übrigens bereits in kleineren Dörfern, ist jedoch wirklich eher die Ausnahme“, erläuterte Plauda.

„Das leuchtet mir ja alles ein, aber zum einen sind die Busverbindungen selbst aufm Land gar nicht so übel und zum anderen: Wohin? Soweit mir bekannt, gibt es in Quelmbach keinen freien Wohnraum mehr. Ganz davon abgesehen: Habt ihr inzwischen genauere Zahlen?“

„Etwa dreißig, mehr wissen wir vorerst nicht. Ich habe beim Kreis nachgefragt, aber von da kam ebenfalls nix“, sagte Plauda.

Wortreich nahm sich einen Keks und schwieg. Michaela fuhr fort: „Wir sind uns über die Lage auf dem Wohnungsmarkt völlig im Klaren. Wir hatten da allerdings eine Idee…“

Sie drehte sich zu Wortreich, der genüsslich an seiner Tasse schlürfte, hustete und dann meinte: „Ja, richtig, wir dachten an das alte Schulhaus.“

„Das alte Schulhaus? Da kriegst du doch keine dreißig Leute unter“, kritisierte Karl.

„Es hat sechs Räume, davon vier Klassenräume, die man teilen könnte, sodass man auf zehn bis vierzehn käme. Zwei bis drei Personen pro Raum. Plus die zwei Sanitärräume. Müssen halt noch Duschen rein“, rechnete Plauda ihm vor.

„Ihr solltet zuerst den vorhanden Wohnraum in den anderen Dörfern nutzen, statt alte Gebäude umzubauen“, beharrte Karl.

„Machen wir, hab ich doch eben gesagt. Und so wie es zurzeit aussieht, werden wir das ohnehin demnächst häufiger tun müssen“, strich Plauda heraus, während Wortreich sich den nächsten Keks zuführte.

„Außerdem ist das alte Schulhaus im Eigentum der Gemeinde Quelmbach. Ich kann euch nicht ohne Weiteres gestatten, dort Umbauten vorzunehmen“, protestierte Karl.

„Deshalb sollte der Gemeinderat von Quelmbach dem zustimmen“, flocht Wortreich kauend ein.

„Wann sollen die denn kommen“, erkundigte sich Karl.

„Wir rechnen grob etwa mit einem Monat, aber das verschiebt sich oft vorher noch einmal“, gestand Plauda. „Bis dahin könnten die kleinen Umbauten abgeschlossen sein, wenn wir alle ein bisschen auf die Tube drücken. Ist ja nicht viel.“

„Das sagst du so leicht. Ich müsste zuerst den Gemeinderat drüber abstimmen lassen, ob wir dem Verband das Gebäude zur Verfügung stellen. Das ginge frühestens nächsten Mittwoch, damit ich die gesetzliche Frist einhalte…“

„Würde reichen. Wenn wir von unserer Seite alles vorbereiten, könnte es übernächste Woche losgehen. Gibst du uns dann am Mittwoch Bescheid“, fragte Plauda.

„Bleibt mir was anderes übrig? Wisst ihr schon was über die Zusammenstellung? Nicht, dass die mir die Bude zertrümmern“, befürchtete Karl.

„Nee, bisher nichts. Darauf können wir ohnehin keine Rücksicht mehr nehmen. Anfangs ging’s, aber bei dann über zweihundertachtzig Menschen auf elftausend Einwohner, zumal der Wohnungsleerstand bei uns im Vergleich zu den Nachbargemeinden ziemlich bescheiden ausfällt, ist das nicht mehr zu machen. Wie ist denn bei euch generell die Stimmung“, wollte Plauda wissen.

„Fuffzig-fuffzig, würde ich sagen… Vor allem die Safić-Brüder haben keinen unbedeutenden Anteil daran. Das können dann die nicht wenigen positiven Beispiele nicht mehr aufwiegen“, erzählte Karl.

„Was haben die wieder gemacht“, sie strich erneut die Haarsträhne von der Stirn und griff sich einen Keks, den sie eine Weile zwischen den Fingern hin und her drehte und fast akribisch beäugte.

„Das Übliche. Sind unverschämt, machen nachts Radau, tyrannisieren die Anwohner und lassen sich von nichts und niemandem beirren. Selbstverständlich gibt es auch gegenteilige Beispiele, wenn ich da an Faruk und Nahom denke – zwei ganz nette Kerle, die sich richtig ins Gemeindeleben einbringen und in ihrer Freizeit meinen Gemeindearbeitern bei den Grünflächen und bei vielem anderen zur Hand gehen.“

„Syrer und Eritreer, hab ich das richtig im Kopf“, vergewisserte sich Plauda.

„Nein, Nahom ist Somalier“, verbesserte Karl. „Die kann man wirklich gebrauchen, sprechen recht gut Deutsch und tragen ganz sicher zum positiven Bild der sogenannten Flüchtlinge bei, die Safićs sind jedoch eine einzige Katastrophe! Eventuell sollte man überlegen, ob man die nicht trennt – für den dörflichen Frieden halte ich das für äußerst angebracht…“

„Wir können nicht noch im Nachhinein wieder alles umschmeißen“, meldete sich nun Wortreich, der dem Gespräch bis dahin größtenteils passiv beigewohnt hatte. „Verteilt ist verteilt. Das bringt sonst zu viel Durcheinander.“

„Ich sprach vorerst nur vom Überlegen, nicht vom Tun“, wurde Karl lauter und entschiedener im Tonfall. „In solchen Fällen bringt das Nichttrennen mehr Chaos als eine Trennung. Ist halt nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen!“

„Das hat auch niemand behauptet. Wir sind alle recht angespannt und stehen der Sache genauso unvorbereitet und in Teilen hilflos gegenüber“, gestand Plauda, während sie an ihrem Gebäckstück knabberte.

„Du sagst es. Ich hab nächste Woche Urlaub und noch ‘nen ganzen Stapel Arbeit aufm Bürgermeisteramt liegen – kannst dir also denken, wofür der Urlaub drauf geht… Nun, denn, ich kümmere mich um den Gemeinderatsbeschluss und gebe euch anschließend grünes Licht, hoffe ich zumindest.“

„Alles klar“, stimmte Michaela zu und legte den angebissenen Keks auf ihre Untertasse. „Sag mal, Klaus, wie alt sind die Dinger eigentlich?“

„Ganz frisch. Die hat meine Sekretärin gebacken…“

„Das erklärt einiges“, verzog sie die Mundwinkel.

Karl begnügte sich mit seinem Kaffee und verließ die beiden nach einigen Minuten. Er freute sich auf das Wochenende.

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