Читать книгу Paul und die Monsterpflanze - Jan Paul - Страница 5
DIE AUSBILDUNG
ОглавлениеDas Lager schien wie leer gefegt, als sie das Zelt verließen. Doch Paul wusste es besser. Denn niemand würde es sich entgehen lassen, wie sich ihr Held bewähren würde. Paul hatte sich das unförmige Schwert geschultert und ging mit dem Kobold, zielstrebig zu dem besagten Platz. Er spürte regelrecht die heimlichen Blicke. Zwar sah er niemanden, nur einen Schatten aus seinen Augenwinkeln der sofort verschwand als er sich nach ihm umdrehte. „Sie sind alle wach, richtig?“, flüsterte er dem Kobold zu. Doch dieser seufzte nur und nickte. „Schon gut mein Freund“, beruhigte ihn Paul, „ich bin ihnen ja nicht mehr böse. Sollen sie doch alle mit ansehen, was für ein Held ich bin. Weißt Du was? Ich wette, das mich spätestens morgen niemand mehr einen Helden nennen wird.“ „Ich schon“, sagte der Kobold aufrichtig. „Danke, aber ich will kein Held sein“, sagte Paul, als sie fast ihr Ziel erreicht hatten. „Da ist es.“ Er deutete auf das große Zelt, das vor ihnen stand. Paul blieb stehen und beugte sich zu dem Kobold hinunter. „Hör mal, Du musst aber nicht mitkommen.“ „Um was nicht zu sehen?“, sah ihn der Kobold fast vorwurfsvoll an. „Du hast Recht, komm mit wenn Du willst.“ Gemeinsam traten sie hinter das Zelt, wo sich der Übungsplatz befand. „Nach Deinem Gesicht zu urteilen“, rief ihm Sumaro zu, der schon auf ihn wartete, „hast Du sicher gehofft, dass ich nicht da sei!“ „Nein – ach was soll´s, ja ich habe es gehofft.“ Der Elf kam langsam auf ihn zu. „Kein Grund zur Panik.“ „Panik? Ich habe keine Panik“, erwiderte Paul, auch wenn es nicht sehr überzeugend klang. Der Elf lächelte. „Glaub mir, niemand ist mit einem Schwert in der Hand geboren wurden.“ „Da bin ich aber beruhigt.“ Von irgendwo her war ein kichern zuhören. Paul verzog sein Gesicht. „Glaubst Du etwa“, verstand der Elf seinen Blick, „wir wären allein hier?“ „Das ist es nicht“, sagte Paul, „es ist das Schwert was mir zu schaffen macht.“ „Dann nimm es doch von Deiner Schulter herunter.“ Paul hob die Augenbrauen und nahm das Schwert herunter. „Es ist ...“ Paul überlegte kurz was er sagen wollte, „ ein sehr schönes Schwert. Es liegt wunderbar in der Hand – in den Händen“, verbesserte er sich und hatte große Mühe es lange hoch zu halten. Der Elf überhörte sein falsches Gere-de und drehte sich den unvermeidlichen Zuschauern zu, die sich hinter den Zelten versteckt hielten. ''Na los kommt schon alle aus euren Verstecken!“ Zuerst war es still, doch dann war von überall leises tuscheln und flüstern zu hören. Schließlich kamen sie und bildeten nach und nach einen großen Kreis um die Drei. „Ich bin dann mal weg“, sagte Erbse eilig und zog sich zurück. „Na wunderbar!“ rief Paul all den Schaulustigen zu, „dann kann die Vorstellung ja beginnen!“ „Kümmere Dich einfach nicht um sie“, riet ihm Sumaro. Paul nickte. „Also gut“, sagte der Elf, „jetzt versuch erst Mal ein Gefühl für das Schwert zu bekommen.“ „Das habe ich schon“, erwiderte Paul und hielt das Schwert wie eine Axt. Der Elf ver-kniff sich ein lachen. „Aber nicht so“, sagte er, „Du musst die Klinge wie eine Feder führen.“ Paul starrte ihn an. „Ja klar, wie eine Feder“, wiederholte Paul. „Nur habe ich nicht gewusst, dass eine Feder so schwer sein kann.“ „Und außerdem‘‘, fuhr der Elf fort, „musst Du Deine Haltung ändern. Stelle Dich et-was Breitbeinig, das Du nicht schon beim ersten Schlag umkippst.“ Paul hörte ein leises kichern aus den Reihen, als er sich wie ein Blutiger Anfänger vor dem Elfen aufstellte. „Meinst Du, dass Du jetzt bereit bist?“ sah ihn der Elf Hoffnungslos an. „Klar, sieht man doch oder? ‘‘, erwiderte Paul lapidar. „In Ord-nung.“ Der Elf hob langsam sein Schwert. Paul erwartete einen harten Schlag. Doch der Elf wartete noch ab. „Was ist?“, fragte Paul keuchend, der kaum noch das Schwert halten konnte. Gelassen ließ der Elf sein Schwert hin und her pendeln und beobachtete Paul, der zitternd da stand und auf den Angriff wartete. Blitzschnell schlug der Elf zu. Der Schlag kam mit so einer Kraft, dass Paul das Schwert in ho-hen Bogen aus den Händen flog, und kurz darauf im Boden stecken blieb. „Ja ich sehe Du bist bereit“, sagte der Elf ironisch. Pauls Herz raste. Dann bemerkte er die vielen Blicke um sich herum. „Ich habe es nur - zu locker gehalten“, versicherte er schwer Atmend seinem Publikum. Der Elf war mit einem Schritt bei ihm. „Sei nicht so verkrampft, verdammt noch mal.“ „Sag das lieber dem blöden Schwert“, gab Paul mürrisch zurück. „Hebe es auf“, befahl der Elf. Paul hatte es kaum getan, als Sumaro es ihm wieder aus der Hand schlug. „Hey!“ beschwerte sich Paul, „ich war noch nicht so weit!“ „Rede nicht son-dern hebe es auf“, sagte der Elf ohne auf seinen Widerspruch ein zugehen. „Moment mal …“ Paul wei-gerte sich das Schwert aufzuheben. „Willst Du Kämpfen oder diskutieren?“ Der Elf gab ihm einen Schubs und Paul stolperte zurück. „Also schön“, zischte Paul, sprang zu seinem Schwert und schleuder-te es gegen den Elfen, der es mit Leichtigkeit abwehrte. „Da ist ja ein müder Kobold noch gefährlicher als Du“, spottete Sumaro. „Ach ja?“, schrie Paul und hob voller Wut das Schwert. Der Elf sah ihn ent-täuscht an. „Was soll das werden? Anscheinend nimmst Du das hier alles nicht ernst.“ Paul schwieg und schlug zu. Mit einer gekonnten Parade, schlug ihm der Elf erneut das Schwert aus der Hand, das hoch flog und sich tief in den Boden bohrte. „Ich werde es Dir zeigen“, sagte Paul, der spürte wie seine Arme ihm wehtaten. Schwerfällig trat er auf das Schwert zu, packte es fest am Griff und zog. Doch das Schwert bewegte sich keinen Zentimeter aus dem Boden. Paul schloss die Augen und atmete tief ein. „Sieht so ein Held aus?“ seufzte er leise und schüttelte den Kopf. Dann riss er frustriert die Arme hoch und wandte sich zu den Vielen, die um ihn herum standen. „Ich bin kein Held und wollte auch nie einer sein!“ rief er all den erstaunten Gesichtern zu. Langsam wanderte sein Blick zurück zum Elfen. „Tut mir leid aber Du hast Dich in mir getäuscht.“ „Gibst Du etwa auf?“, fragte Sumaro. „Was ist mit all den Ge-schichten die ich – wir über Dich gehört haben?“ Einen Moment suchte Paul nach Worten. Dann brach es aus ihm heraus: „Dann erkläre ich es euch allen. Ich wurde von einem verdammten Drachen gebissen. Ihr kennt doch wohl auch diese Geschichte oder etwa nicht?“ Weder der Elf noch irgendjemand gab ihm eine Antwort. „Ja, es tut mir leid“, fuhr er fort, „wenn ihr angenommen habt, ich sei ein Held.“ Er blickte in ein paar traurige und enttäuschte Gesichter. „Aber ich habe es doch niemals von mir behaup-tet. Ich bin nur ein Mensch, der sich nichts sehnlichster wünscht als wieder in seine Welt zurück zu keh-ren.“ Er suchte erneut den Blick des Elfen, der immer noch da stand. „Bitte rechne nicht mehr mit mir“, sagte Paul und sah ihn müde an. Doch der Elf antwortete nicht. „Ich ...“, setzte Paul an und brach ab. Er wusste dass alles gesagt war. Schließlich deutete er eine Verbeugung an, und verließ den Platz. Stille breitete sich aus. RUMMS! Sumaro hatte sein Schwert mit voller Wucht in die Erde gerammt. Dann er-hob er seine Stimme: „Was steht ihr noch alle herum, es ist vorbei!“ Langsam löste sich die Menge auf. Der Elf sah ihnen allen nach, als sich ihm jemand von hinten näherte. „Warst Du nicht ein wenig zu hart zu ihm?“, fragte Svenja mit sanfter Stimme. Doch der Elf gab nur ein brummen von sich. „Paul hat recht“, sagte Svenja, „ob Du es nun wahr haben willst oder nicht, er stand unter dem Einfluss des Dra-chen.“ Sumaro wandte sich um und öffnete den Mund. „Nein“, kam ihn Svenja zuvor, „ich weiß nicht warum er den Biss des Drachen überlebt hat. Dafür habe ich auch keine Antwort.“ Der Elf nickte, dass er verstanden hatte. „Und trotzdem“, sagte sie weiter, „gehe ich jetzt zu ihm und rede mit ihm.“ Paul saß auf seinem Bett und war in Selbstmitleid versunken, als das Zelt aufgerissen wurde. „Was sollte das denn?“, schrie Svenja ihn an. „Willst Du ihnen allen etwa die letzte Hoffnung nehmen?“ Paul hob den Kopf und starrte sie an. „Hoffnung sagst Du? Sieh mich doch an, hast Du denn kein Mitleid mit mir?“ „Du meinst, in das Du gerade versinkst?“ „Hör mal, ich …“ „Nein“, hob Svenja ihre Stimme, „jetzt hörst Du mir erst mal zu.“ Paul senkte den Kopf. „Und sehe mich gefälligst an wenn ich mit Dir Schimpfe.“ Ihre Blicke trafen sich. „Ich lasse die Ausrede nicht gelten, dass Du unter dem Einfluss des Drachen standst.“ „Aber …“ „Wirst Du wohl schweigen wenn ich rede“, zischte sie. Langsam kam sie auf ihn zu. „Oh ja, richtig“, fuhr sie mit gespielter Überraschung fort, „Du bist ein Mensch, wie schrecklich.“ „Hör auf damit …“ „Oder was?“ Svenja stand jetzt enttäuscht vor ihm. Paul wollte etwas sagen. Aber Svenja hob die Hand und er schwieg. „Wie meinst Du, soll es nun Deiner Meinung nach weiter gehen?“ sah sie ihn fragend an. Doch Paul wusste keine Antwort darauf. Svenja holte tief Luft. „Also gut, ich werde es Dir verraten“, sagte sie und schüttelte traurig den Kopf. „Zuerst, wird uns der Feind besiegen und dann in eure Welt eindringen.“ „Unsinn“, stieß Paul hervor. „Das werdet ihr doch nie …“ „Zulassen, meinst Du?“, beendete Svenja seinen Satz. Paul nickte. Svenja setzte sich zu ihm aufs Bett und seufzte. „Es wird niemand mehr da sein, niemand“, flüsterte Svenja, „der das tun könnte.“ Paul sah sie überrascht an. „Na was glaubst Du wohl, dass wir auch nur eine Chance gegen die Übermacht des Feindes haben?“ „Ja, das glaube ich“, sagte Paul mit vollster Überzeugung. „Du lügst“, erwiderte sie. „Was?“ Paul glaubte nicht was er da eben gehört hatte. „Ich lüge?“, wiederholte er voller Empörung. „Hast Du was mit den Ohren? Ja Du lügst?“ Paul sprang, wie von einer Tarantel gestochen, von seinem Bett auf. „Verdammt noch mal, bist Du verrückt geworden? was soll das?“, schrie er sie an. Doch sie blieb ganz ruhig sitzen und sah ihn an, als hätte er eben etwas ganz nettes gesagt. „Dann denke mal darüber nach, was Du vor hin da drau-ßen gesagt und getan hast.“ „Was hat denn das eine mit dem anderen zu tun?“ „Wenn Du das nicht ver-stehst, dann tust Du mir leid.“ „Ich habe gesagt“, fing Paul an sich zu verteidigen, „das ich kein Held bin und habe anschließend den Platz verlassen.“ „Ist das alles?“, fragte Svenja immer noch mit ruhiger Stimme. Paul nickte. „Dann will ich Dir mal weiter auf die Sprünge helfen“, sagte Svenja und hob lang-sam ihre Stimme. „Du hast Sumaro gesagt, dass er nicht mehr mit Dir rechnen könne und hast uns dann allen den Rücken gekehrt.“ „Ja das habe ich, aber …“ „Und dann besitzt Du die Frechheit“, fiel sie ihm ins Wort, „mir zusagen, das Du glaubst, das wir eine Chance hätten?“ Schweigen erfüllte das Zelt. „Es tut mir leid“, brach Paul das Schweigen, „aber ich hatte niemals vor euch im Stich zulassen. Svenja beobachtete ihn misstrauisch. Paul trat zu ihr. „Glaubst denn wirklich, ich würde nicht mit euch kämpfen?“ „Deine Augen Lügen nicht“, sagte Svenja. „Es tut mir leid, dass ich das glaubte.“ „Schon gut“, sagte Paul sanft und setzte sich wieder zu ihr auf das Bett. ''Auch ich habe an Dir gezweifelt, nach dem der Drache mich ge-bissen hatte.“ „Und Du hattest auch allen Grund dazu“, erwiderte sie. Paul zuckte mit den Schultern und lächelte. „Ja, ich wurde einfach nicht schlau aus Dir. Doch jetzt weiß ich ja warum Du das alles getan hattest.“ Langsam erhob er sich und straffte seinen Umhang. „Was hast Du vor?“, fragte Svenja die seine Aufbruch Stimmung bemerkte. „Nun ja“, sagte er und holte tief Luft, „Draußen warten sicher noch mehr, die hören wollen, dass ich sie im Kampf nicht allein lassen werde.“ „Hilf mir bitte hoch“, sagte Svenja und reichte ihm ihre Hand. Paul ergriff sie und half ihr auf. „Du musst jetzt nicht hinausgehen“, sagte sie und hielt seine Hand fest. „Es reicht, wenn Du morgen wieder auf dem Übungsplatz erscheinst.“ „Meinst Du, Sumaro würde mir noch eine zweite Chance geben?“ „Wollen wir wetten?“ Paul lehnte lachend ab. „Ich würde die Wette sicher verlieren, stimmt´s?“ Svenja antwortete nicht, ließ seine Hand los und klatschte in ihre Hände. „Ich glaube, Du hast etwas vergessen.'' Das Zelt ging auf und Erbse und Bohne kamen herein. „Vorsicht!“, rief Paul, als er sah was sie herein trugen. „Ist ganz schön schwer Dein Schwert“, sagte Erbse. „Und zwar ganz furchtbar schwer“, fügte Bohne ächzend hinzu und warf Erbse einen verzweifelten Blick zu. Paul nahm es ihnen ab und stellte es gegen sein Bett. „Na was meint ihr, wie stehen die Wetten, dass ich morgen nicht so versage wie heute?“ Bohne und Erbse blickten sich einander an. „Lasst gut sein“, sagte Paul, „ich will gar nicht wissen wer für mich stimmt.“ Die beiden Kobolde kratzten sich verlegen am Kopf. „Habt ihr zwei nichts zu tun?“, fragte Svenja und deutete zum Ausgang. „Haben wir?“, fragte Erbse. „Ja, ich bin mir ganz sicher“, sagte Svenja mit nach druck. Erbse überlegte angestrengt. „Nee, ich glaube nicht das wir ...“ „Doch das haben wir'', sagte Bohne, als er Sven-jas strengen Blick bemerkte und zog Erbse mit sich nach draußen. “Verrückte Kobolde“, murmelte Svenja. „Vielleicht sind sie das“, sagte Paul, „aber sie haben auch ein gutes Herz und ich mag sie.“ „Das haben wir gehört!“, riefen die beiden Kobolde, die vor dem Zelt gelauscht hatten. Svenja lief sofort zum Ausgang und riss ihn auf. „Werdet ihr jetzt endlich verschwinden!“, rief sie, „sonst verhexe ich euch in …!“ „Ach ja, in was denn?“, riefen die Kobolde, als sie das Weite suchten. „Und frech sind sie auch noch“, sagte Svenja, nachdem sie das Zelt wieder zufallen ließ. Paul lachte und erntete dafür einen strengen Blick. „Komm schon“, sagte Paul, „ich muss sie doch auch ertragen.“ Doch Svenja schüttelte nur den Kopf und ging hinüber zum Schwert. „Du solltest Dich für morgen gut vorbereiten und Deine Kräfte schonen.“ „Das werde ich“, versprach Paul. Svenja nickte und wandte sich um zu gehen. ''Eins noch'', sagte sie und blickte ihn an. „Es war niemals der Biss des Drachen. Allein Dein Mut und Dein gu-tes Herz waren nötig um all die Abenteuer zu bestehen.“ „Danke“, sagte Paul. Der Tag neigte sich schnell dem Ende und Paul spürte wie seine Arme und sein Rücken ihm schmerzten. Auf dem Weg zu Bodo dem Zwerg, der ihm schon einmal geholfen hatte, stieß er mit einer Elfe zusammen. „Oh – Entschuldi-gung“, sagte er, „ich war eben völlig in Gedanken.“ Ihre Blicke trafen sich und plötzlich dachte Paul wie-der an Frau Albrecht. „Es tut mir wirklich leid“, sagte er und stolperte hastig davon. „Verdammt'', brummte er leise in sich hinein, „das fehlt mir gerade noch, dass ich mich in eine von ihnen verlie-be.“ Schließlich stand er vor dem Zelt des Zwerges und wollte gerade anklopfen. „Komm ruhig herein“, drang ihm eine Stimme entgegen und er trat ein. „Hallo, ich hoffe ich störe nicht?“ Paul sah sich um. Das erste Mal wo er hier gewesen war, hatte er sich dummerweise seinen Fuß verstaucht. Ein leises grum-meln kam aus irgendeiner Ecke. „Dicker“, flüsterte Paul und hörte sofort ein traben auf sich zukommen. Paul drehte sich um und im selben Augenblick sprang ihn etwas an und riss ihn zu Boden. „Wir haben uns ja lange nicht gesehen“, sagte das Pelzige Tier, während es ihm das Gesicht ableckte. „Hör auf Dicker, bitte nicht“, flehte Paul ihn an. Das Tier hörte auf zu lecken und hechelte ihn an. „Sag bloß, Du bist wirk-lich nur gekommen um mich zu besuchen“, sagte Dicker. „Nun ja, eigentlich habe ich ...“, begann Paul. „Pass nur auf, was Du von Dir gibst!“, rief ihm eine Stimme zu, und gleich darauf tauchte der Zwerg aus der hintersten Ecke des Zeltes auf. „Ich wollte mal sehen, wie es euch geht“, sagte Paul so aufrichtig wie er konnte. „Sehr gut, sehr gut und noch mal sehr gut“, sagte Dicker. „Ja und von mir auch“, sagte der Zwerg und half Paul wieder auf die Beine. „Und wie geht es Dir?“, fragte er und sah ihn vorwurfsvoll an. „Gut, ausgezeichnet“, sagte Paul. „Ich wollte mich auch noch mal für eure Hilfe bedanken.“ „Es geht Dir also wieder richtig gut?“ „Ja, ich habe mich noch nie so gut gefühlt. Und der lästige Muskelkater in mei-nen Armen und Beinen, ist nicht der Rede wert“, sagte Paul beiläufig mit einer abfälligen Handbewe-gung. „Ach wirklich?“, sagte Bodo und packte ihm fest am Arm. Paul verzog vor Schmerz sein Gesicht, gab aber keinen Laut von sich. Der Zwerg beobachtete ihn und nickte ihm zu. „Allerdings“, sagte er und ließ Pauls Arm wieder los, „kann es auch schlimmer werden.“ Der Zwerg überlegte. „Wollen doch mal sehen ob ich da, nur für den Fall der Fälle, irgendeine Medizin habe“, sagte er und wuselte davon. „Das muss aber wirklich nicht sein“, sagte Paul und rieb sich unauffällig seinen Arm. Kurze Stille, dann hörte Paul wie ein Glas zerbrach. „Oh verflucht“, schimpfte der Zwerg, „das hätte mir nicht passieren dür-fen.“ Dann war es wieder Still. „Alles in Ordnung!“, rief Paul. „Mit mir schon“, sagte der Zwerg und tauchte wieder auf. „Nur die Flasche mit der Medizin ist mir leider kaputt gegangen.“ Paul ließ ein leises und enttäuschtes seufzen hören. „Aber zum Glück“, grinste der Zwerg ihn an, „habe ich davon noch jede Menge.“ „Was muss ich damit tun?“, fragte Paul, als ihm Bodo eine Flasche mit rotbraunem Inhalt ent-gegen reichte. Der Zwerg legte seine Stirn in tiefe Falten. „Also wenn ich mich nicht irre, dann solltest Du davon einen Tropfen einnehmen.“ „Bist Du Dir da auch ganz sicher?“, sah ihn Paul misstrauisch an. Denn er hatte nicht vergessen, was letztes Mal um ein Haar passiert wäre. „Was steht denn auf der Fla-sche?“, fragte der Zwerg. „Solltest Du das nicht wissen?“, sagte Paul und sah auf das kleine Schild. „Mit-telschwere Schmerzen“, las er vor. „Ist das alles?“, fragte der Zwerg. „Ja, mehr steht hier nicht“, sagte Paul. „Nun, dann könnte es auch gut möglich sein das es zum einreiben ist.“ Paul holte tief Luft um nicht die Fassung zu verlieren. „Was könnte denn passieren, wenn ich die Flasche öffne und vorsichtig daran rieche?“ Der Zwerg überlegte kurz. „Eigentlich nichts“, sagte er schließlich und schüttelte den Kopf. „Eigentlich?“ Pauls Augen verengten sich zu Schlitzen. Bodo blickte ihn mit Unschuldsmiene an. „Schon gut“, sagte Paul und öffnete langsam die Flasche. Es zischte leise sonst geschah nichts. Der Zwerg trat einen Schritt zurück, als Paul den Korken der Flasche zu seiner Nase führte und vorsichtig daran roch. Einen Moment hielt er inne, dann sah er den Zwerg überrascht an. „Das kenne ich, das ist Arnika.“ „Das kann nicht sein“, sagte Bodo. „Dieses Mittel besteht aus vielen Ölen und Balsam, wie zum Beispiel“, be-gann er auf zuzählen: „Isopropanol, Lavendelöl, Zimtöl, Nelkenöl, Thymianöl, Zitronenöl, Macisöl und Perubalsam.“ „War das jetzt alles?“, fragte Paul sichtlich genervt. „Nein“, erwiderte der Zwerg, „denn da gibt es noch sonstige Bestandteile wie Seifenspiritus, Isopropylalkohol und demineralisiertes Was-ser.“ Paul hob die Augenbrauen. „Mit anderen Worten Arnika Schmerz – fluid. Das bewährte Mittel ge-gen Muskel – und Gelenkschmerzen sowie Verstauchungen und Zerrungen.“ Der Zwerg sah ihn erstaunt an. „Wo her kennst Du das?“ „Das gibt es bei uns zu Hause schon lange zukaufen“, erklärte Paul. „Ehrlich, ihr Menschen habt das Zeug auch?“ Paul nickte. „Und wie viel, nehmt ihr davon ein?“ „Das Zeug ist nicht zum Einnehmen, nur äußerlich zum einreiben.“ „Oh verdammt“, sagte der Zwerg und schlug sich an den Kopf, „Na zum Glück haben das noch nicht sehr viele gebraucht.“ „Vorschlag“, sagte Paul, der gar nicht wissen wollte was für Folgen das für die Betroffenen hatte, „wäre es nicht besser, wenn Du den Namen des Inhaltes und die Anwendung auf die Flasche schreibst?“ „Aber ja, das ist eine gute Idee“, sag-te Bodo und räusperte sich. „Hättest Du vielleicht die Güte mir dabei ein wenig zu helfen?“ Paul sah zu den Regalen, wo sich eine Falsche neben der anderen reihte. „Wie viele?“ „Nicht viele“, sagte der Zwerg, „nur ein paar ...“ Er brach ab und nahm Paul die Flasche aus der Hand. „Unter zwei Bedingungen“, sagte Paul. „Erstens: Ich werde an keiner der Flaschen weiter riechen und ich werde zweitens nur die Fla-schen beschriften.“ „Einverstanden“, sagte Bodo was Paul völlig überraschte. Nach genau Hundert Fla-schen von schätzungsweise Fünfhundert, denn der Zwerg hatte den Überblick verloren, verließ Paul das Zelt. Er war gerade ein paar Meter gegangen, da erblickte er die Elfe mit der er vorhin zusammen gestoßen war. Noch hatte sie ihn nicht bemerkt. Hastig wandte sich Paul um und huschte wieder ins Zelt zurück. „Oh, wie wunderbar!“, rief ihm der Zwerg zu, der glaubte dass Paul ihm noch weiter helfen wollte. „Komm nimm Platz, ich hol gleich die nächsten Flaschen.“ „Was?“ Paul sah ihn verwirrt an. „Nein, ich habe doch gesagt, ich helfe Dir morgen weiter.“ Paul öffnete ein Spalt den Ausgang und sah nach draußen. Die Elfe war verschwunden. „Also dann bis morgen“, sagte er, ohne sich nach dem Zwerg noch einmal um zudrehen und verließ das Zelt. Müde von dem langen Tag, war Paul froh sich endlich zum Schlafen zurück zu ziehen. Nach dem er sich mit Arnika Arme und Beine eingerieben hatte legte er sich ins Bett. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht, als er den Tag Revue passieren ließ. Schließlich drehte er sich auf die Seite und fiel in einen tiefen Schlaf. Wilde Träume von Kampf, Verrat und Flucht suchten ihn Heim. Plötzlich sah er, wie durch einen Schleier, einen Elfen auf sich zukommen. Noch war er zu weit entfernt, als das er erkennen konnte um wen es sich handelte. Es war die Elfe, die jetzt immer schneller auf ihn zulief. Irgendetwas hielt sie in ihren Händen. Paul erschrak, als er sah dass es ein Schwert war. Sie riss es hoch um ihn zu töten. Wie in Zeitlupe senkte sich die Klinge auf ihn nieder. Mit einem grellen Schrei und in Schweiß gebadet schlug Paul die Augen auf. Mit keuchendem Atem blickte er einen Kobold an, der neben seinem Bett stand. „Erbse?“ „Ja, richtig geraten“, sagte der Kobold und sah ihn besorgt an. „Hattest Du wieder einen Alptraum?“, erkundigte er sich. Paul nickte und setzte sich in seinem Bett auf. „Ich bin froh, dass ich noch lebe.“ Er zuckte, als er ein sonderbares kribbeln in seinen Armen und Beinen spürte. „Eigenartiges Gefühl“, sagte er und schwang seine Beine aus dem Bett. Der Kobold räusperte sich. „Übrigens“, sagte er und hielt ihm einen Kelch entgegen, „ich soll Dir das geben wenn Du aufwachst.“ „Was ist das?“ „Ein guter – Träume Tee.“ „Den hätte ich vorher gut gebrauchen können.“ Paul nahm ihn nach kurzem Zögern. „Von wem ist er?“ „Svenja hat mich gebeten ihn Dir zu geben.“ „Warum wundert mich das nicht?“, sagte Paul und roch an dem Kelch. „Ich glaube nicht, dass ich ihn trinken sollte.“ Er dachte an den Schlaftee den sie ihm einmal gegeben hatte. Der Kobold grinste. „Das habe ich mir schon gedacht“, sagte er und nahm den Kelch zurück. „Ach ja und wieso? „Weil“, flüs-terte Erbse, „ich von Natur aus auch sehr misstrauisch bin und keinen Tee trinke, den ich nicht selbst zubereitet habe. Was aber nicht bedeuten soll, das ich irgendjemanden misstraue.“ „Wirklich?“ Der Ko-bold nickte. „Dann haben wir ja was gemeinsam'', sagte Paul und sah sich nach etwas trink barem um. Der Kobold bemerkte seine Blicke und griff zu seinem Gürtel. „Wenn Du Durst hast, habe ich was für Dich. „Er zog seine Feldflasche aus der Halterung und hielt sie Paul hin. „Frisch gepresster Saft, selbst gemacht“, sagte Erbse. Doch Paul zögerte. „Schon gut“, verstand Erbse und nahm zuerst einen Schluck. „Zufrieden?“ Paul nickte und nahm die Flasche entgegen. „Was ist das für Saft?“, fragte er. „Aus vielerlei Früchte“, sagte Erbse. „Zum Beispiel?“ „Wald und Wiesen Beeren. „Paul war sichtlich zufrieden. Er setz-te die Falsche an und nahm einen Schluck. „Hhm, ausgezeichnet“, sagte Paul, „könnte mich dran gewöh-nen.“ Dann gab er Erbse die Flasche zurück. „Du“, sagte Paul, „ich habe da mal eine Frage.“ „Klar nur heraus damit“, sagte Erbse. „Gestern bin ich mit einer Elfe zusammen gestoßen. Kannst Du mir viel-leicht sagen ...“ „Celina“, sagte Erbse bevor Paul seine Frage noch zu Ende gestellt hatte. „Woher weißt Du wen ich meine?“ „Ganz einfach“, erklärte der Kobold, „sie ist die einzige hier im Lager.“ „Dann weißt Du sicher auch, ob sie …“ „Vergiss es“, unterbrach ihn Erbse, „sie ist unnahbar.“ Paul hob die Augenbrau-en und überlegte, ob er ihm von seinem Traum erzählen sollte. „Was denkst Du von mir? Glaubst Du etwa ich wollte sie fragen, ob sie mit mir geht?“ Der Kobold verdrehte die Augen. „Aber das wollen doch alle hier.“ „Na, dann bin ich aber echt froh, dass ich es nicht will“, tat Paul ganz desinteressiert. „Bist Du Dir da ganz sicher?“, sah ihn Erbse an. „Ich habe keine Lust mehr weiter darüber zu reden, klar?“, sagte Paul, als sie plötzlich ein paar Stimmen vor dem Zelt hörten.