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Kapitel 6
ОглавлениеAls die Stunde endlich rum war, wollten mir Niclas und Riley gerne die Schule zeigen. Ich fand die beiden wirklich nett und freute mich tatsächlich darauf, mir die Schule von ihnen zeigen zu lassen.
Als erstes führten die beiden mich in die Cafeteria. „Dieser Ort ist der Wichtigste, das musst du dir merken. Hier ist das Essen einfach wunderbar“, sagte Riley zu mir und ihr Bauch fing an zu knurren. Daraufhin mussten wir laut loslachen. „Du musst wissen, dass Riley ein Vielfraß ist. Sie frisst mir noch die Haare vom Kopf“, sagte Niclas. „Hey, das stimmt gar nicht!“, widersprach Riley und schlug ihm gespielt auf die Schulter. Ich musste schon wieder lachen.
Obwohl ich Menschen nicht so leicht vertraute und ich mich auch nicht so gerne mit anderen anfreundete, war es mit den beiden genauso wie mit Cass. Die beiden waren witzig und hatten mich direkt so akzeptiert, wie ich war. Sie wussten zwar noch nicht so viel über mich, aber sie wollten trotzdem etwas mit mir unternehmen und wenn sie mir eine Chance gaben, wollte ich ihnen auch eine geben.
Als nächstes bekam ich von den beiden noch die Sporthalle, die Toiletten, die Aula und vieles mehr gezeigt. Nach unserem Rundgang hatten wir noch fünf Minuten Pause. Da wir in der Nähe des Sekretariats standen, holten wir noch schnell die Schulbücher für mich ab, bevor wir zurück in die Klasse gingen. Die letzten vier Schulstunden gingen recht schnell um. Ich musste mich zwar bei jedem neuen Lehrer kurz vorstellen, aber das machte mir nicht mehr so viel aus. Ich musste schließlich nicht mehr vor der ganzen Klasse vor der Tafel reden.
Als die letzte Stunde endlich vorbei war, packte ich schnell meine Sachen zusammen und Riley fragte mich, ob ich heute Mittag mit ihr und Niclas an den Strand gehen mochte. Ich war überrascht, sagte aber: „Ja, gerne. Wann?“ Daraufhin sagte Riley, sie und Niclas würden mich um halb drei abholen. Ich gab den beiden meine Telefonnummer und schickte ihnen meine Adresse. Danach verabschiedeten wir uns und ich ging aus dem Klassenraum.
Als ich schnell nochmal auf dem Weg zur Toilette war, rempelte mich jemand von links an. „Mann ey, kannst du nicht aufpassen?“, blaffte der Typ mich an und als er mich ansah, bemerkte ich, dass es dieser Knox aus meiner Klasse war. Eins war mir jetzt klar, er war ein arrogantes Arschloch!
Ich schüttelte nur ärgerlich den Kopf, da es nichts bringen würde, einen Streit mit ihm vom Zaun zu brechen. Ich sah ihm noch einen Moment nach, bis er zu Grace lief und diese ihm wieder um den Hals fiel. Ich konnte da nicht mehr zusehen. Die beiden passten perfekt zusammen: Ein arrogantes Arschloch und eine eingebildete Zicke.
Als ich ein paar Minuten später an der Bushaltestelle stand und auf Cass wartete, kam ein Junge aus meiner neuen Klasse auf mich zu. Es war der Junge, von dem ich mich den ganzen Tag schon beobachtet gefühlt hatte. Nicht das noch! Auf ein Gespräch mit ihm hatte ich jetzt gar keine Lust. „Ähm, hallo, ich bin Jack aus deiner Klasse“, stotterte er vor sich hin und versuchte sich an einem Lächeln. Ich nickte nur kurz und er ergriff leider wieder das Wort: „Ich bin Jack und möchte nur sagen, dass du voll korrekt rüberkommst und dich fragen, ob du Lust hast, morgen mit mir Eis ...“
Weiter kam er zum Glück nicht, da Cass ihn unterbrach: „Hi Ave!“ Ich war gerade echt froh, dass mein Bruder genau in diesem Moment auftauchte, deshalb sagte ich schnell: „Jack, darf ich vorstellen, das ist Cass, mein kleiner Bruder. Cass, das ist Jack, mein Klassenkamerad.“ Ich setzte noch schnell hinzu: „Wir sehen uns dann ja morgen in der Schule, hat mich gefreut dich kennenzulernen Jack.“ Auch wenn Jack mir zwar nichts getan hatte, fand ich ihn trotzdem nicht sehr sympathisch. Deshalb war es mir gerade auch sowas von egal, das ich ihm einen Korb gegeben hatte.
„So, Cass, wie war dein Tag?“, fragte ich ihn und dieser erzählte mir: „Heute war eigentlich ein ganz toller Tag, wir hatten heute Mathe, Sport und Kunst. Obwohl das zwar, außer Mathe, nur Nebenfächer sind, haben wir allerdings richtig viele Hausaufgaben auf. In Mathe müssen wir zwei ganze Seiten in unserem Arbeitsheft erledigen, in Sport sollen wir etwas zu unserer Lieblingssportart recherchieren, was total unnötig ist und in Musik ein Plakat machen.“ Wenn ich ihm jetzt sagen würde, dass er später in den höheren Klassen noch viel mehr aufbekommen würde, wäre er noch deprimierter, also antwortete ich nur: „Das ist ja nicht so toll.“ Daraufhin nickte Cass nur und umarmte mich erst einmal.
„Wie war dein Tag so?“ Ich antwortete ihm mit einem Grinsen im Gesicht: „Nicht so anstrengend wie deiner, aber die Einzelheiten erzähle ich dir und Oma beim Mittagessen. Eins kann ich dir aber schon mal sagen, ich habe bereits zwei Freunde gefunden.“ Cass freute sich für mich und als der Bus kam, setzten wir uns ganz hinten in die Sitzreihen, da Cass es immer sehr cool fand, hinten zu sitzen.
Warum? Keine Ahnung.
Als wir nach circa zehn Minuten Busfahrt wieder zu Hause waren, klingelte Cass an der Haustür und unsere Großmutter machte auf. Sie hatte heute mein Lieblingsessen gemacht: Pellkartoffeln mit Quark. Als wir endlich am Tisch saßen, verlangte Cass von mir eine ausführliche Zusammenfassung meines ersten Schultags.
Ich erzählte von Riley und Niclas, daraufhin sagte meine Großmutter: „Ich kenne die beiden. Ihre Großmutter, Sahra, ging früher auch in meinen Buchclub.“ Ich erzählte noch von meinen neuen Lehrern und von Jack, Grace und Knox. Ich ließ jedoch aus, dass ich Knox und Grace nicht leiden konnte. Anschließend fragte ich meine Großmutter, ob ich mit Niclas und Riley zum Strand dürfe. „Natürlich darfst du, amüsiere dich ruhig mit den beiden“, antwortete sie. Als wir alle fertig gegessen hatten, half ich noch schnell, den Tisch abzuräumen.
Pünktlich halb drei klingelte es an der Haustür. Ich zog mir schnell eine Jacke und meine Schuhe an, sagte meiner Großmutter und Cass, das ich jetzt weg sei und ging nach draußen. „Hey“, begrüßten mich die beiden. „Ist es nicht ein bisschen zu warm für eine Jacke?“, fragte mich Riley. Tatsächlich, es war bestimmt um die dreißig Grad und ich Idiot hatte eine Jacke mitgenommen. Ich antwortete mit gespielter Stimme: „Nein, es ist doch voll kalt.“ Danach lief ich schnell rein und hing die Jacke wieder an den Kleiderständer zurück.
Niclas, Riley und ich gingen am Strand entlang und aßen Eis. „Avery, ich habe da mal eine Frage“, sagte Riley zu mir. Ich hatte schon so ein Gefühl, was sie mich jetzt fragen würde, jedoch sagte ich zu ihr: „Egal, was es ist, frag mich.“ Und setzte dabei ein gezwungenes Lächeln auf. Wie ich mir schon denken konnte, kam genau die Frage, von der ich gehofft hatte, sie nicht beantworten zu müssen: „Okay, also du hast ja zu uns in der Klasse gesagt, du seist von Ehringshausen hierher gezogen. Warum, wenn ich es wissen darf?“
Ich biss mir auf die Zunge: „Ähm, also, … meine Mutter hatte vor drei Monaten einen Unfall und kam dabei ums Leben.“ Niclas ergriff als erster das Wort: „Das tut mir schrecklich leid, wenn wir irgendetwas für dich tun können … Eins musst du wissen: Obwohl wir dich nicht lange kennen, wir sind immer für dich da.“ Riley griff nach meiner Hand und drückte sie liebevoll: „Weißt du, unser Opa ist auch vor ein paar Monaten gestorben und er war immer für uns da. Nach seinem Tod dachten wir, das Leben hätte keinen Sinn mehr, aber unsere Familie war für uns da und hat uns geholfen, den Schmerz zu verkraften. Genauso wie unsere Familie uns geholfen hat, werden wir dir helfen.“ Ich war so dankbar, diese beiden kennengelernt und gerade an meiner Seite zu haben, aber eine wichtige Frage hatte ich ebenfalls. Nachdem ich mich bei ihnen für ihre Hilfsbereitschaft bedankt hatte und wir noch fünf Minuten am Deich entlanggelaufen waren, fragte ich: „Aber eins verstehe ich nicht. Ich bin ja neu in der Schule und ihr seid schon viel länger hier, warum wollt ihr eher etwas mit mir unternehmen als mit euren Freunden?“ Niclas guckte ein bisschen traurig und antwortete: „Wir haben nicht viele Freunde. Wir sind nicht so perfekt wie unsere Klassenkameraden … Als du kamst, hatten wir gehofft, dass wir vielleicht bei dir eine Chance als Freunde bekommen würden, denn du kamst uns direkt sympathisch vor und nicht so arrogant und eingebildet wie die meisten aus unserer Schule.“
Wow, ich hatte eigentlich gedacht, dass die beiden echt beliebt wären, aber das hatte ich jetzt eher weniger erwartet. Natürlich war ich sehr gerührt von ihrem Geständnis. So quatschten wir noch ein bisschen. Ich erzählte den beiden etwas über Cass und meine Großmutter, über Sky und dass es mir immer schwer falle, Menschen zu vertrauen. Daraufhin sagte Riley zu mir: „Okay, wir spielen ein Spiel, damit du weißt, dass du uns vertrauen kannst.“ Sie war ganz aufgeregt: „Zuerst stehe ich in der Mitte von euch beiden, schließe meine Augen und lasse mich abwechselnd nach vorne und nach hinten fallen. Vorne fängt mich immer Niclas auf und hinten immer du. Nach einer Zeit wechseln wir, dann stellst du dich und dann Niclas sich in die Mitte. Dann kannst du dir nämlich sicher sein, dass du uns vertrauen kannst.“
Ich fand es echt süß, dass Riley mein Vertrauen gerne gewinnen mochte und stimmte deshalb zu. Das Spiel machte echt Spaß und kein einziges Mal ließ mich einer der anderen fallen. Als wir alle einmal in der Mitte gewesen waren, legten wir uns lachend auf die Dünen. Es war schon halb sechs. Ich musste jetzt schon gleich gehen. Da Riley und Niclas darauf bestanden, mich nach Hause zu begleiten, nahmen wir uns alle noch schnell ein Eis mit und machten uns auf den Weg. Als wir vor meiner Haustür standen, verabschiedeten wir uns. „Es hat sehr großen Spaß gemacht, ich hoffe, das können wir bald wiederholen“, sagte Riley zu mir und umarmte mich. Niclas gab mir ein High Five und sagte: „Bis morgen in der Schule.“ Ich verabschiedete mich auch mit einem „Bis morgen“ und schloss die Tür auf. Als ich drinnen war, stieg mir der Geruch von Toast in die Nase. Obwohl ich schon zwei Kugeln Eis gegessen hatte, hatte ich immer noch Hunger. Ich zog meine Schuhe schnell aus, ging in die Küche und begrüßte meine Großmutter und Cass. Die beiden umarmten mich und ich nahm mir eine Scheibe Toast aus dem Toaster und bestrich sie mit Butter und Nutella. Das schmeckte köstlich.
Später, um circa sieben Uhr, spielte ich mit Cass Mau-Mau und rief noch einmal Sky an. Es klingelte … Nach dem fünften Klingeln ging sie endlich ran. „Hallo“, begrüßte sie mich, „wie war dein erster Schultag?“ „Hi, eigentlich ganz in Ordnung“, sagte ich, um sie ein bisschen auf die Folter zu spannen.
„Na sag schon, ich will jedes Detail erfahren. Hast du schon ein paar hotte Jungs kennengelernt?“ Das klang ganz nach Sky. Ich war froh, ihre Stimme zu hören. Also erzählte ich ihr nach und nach von Niclas und Riley, von unserem Treffen, von Jack und Knox und Grace. Wir plauderten noch ein bisschen über Sky´s Tag und danach verabschiedeten wir uns. Ich las noch ein bisschen in meinem Buch und fiel danach in einen unruhigen Schlaf.
Vor mir stand ein Mann, ich würde ihn um die 45 schätzen. Er ähnelte mir sehr: wir hatten die gleichen Gesichtszüge, die gleiche Haar- und Augenfarbe. Das war sehr beängstigend. Der Mann kam auf mich zu und sagte mit einer angenehm weichen Stimme zu mir: „Nimm dich vor ihnen in Acht, ich habe dich verlassen, da ich keine andere Wahl hatte, ich bin aber immer für dich da, genauso wie das Licht.“