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KERAMIK & ANTIQUITÄTENHANDEL - 3. KAPITEL -
ОглавлениеDer Verlust eines Elternteils katapultiert einen in die nächste Generation rein. Mich belastete zu
wissen, dass es bald aufwärts gehen musste, wenn nicht das Ganze ins Rutschen kommen sollte.
Ich meine, es war Einstein, der Arbeit als eine willkommene Schmerzlinderung bezeichnet hatte.
Der König ist tot. Dem tröstlichen Prinzen täte es gut, sich zusammen zu raffen, bevor die Hölle
los ist. Neue Anforderungen an mein Dasein bedeuteten, übrige Dinge nicht entgleiten zu lassen.
Ich sortierte einen Stapel liegen gebliebener Rechnungen nach Faktura, die zu begleichen waren.
Zuerst überwies ich eine beträchtliche Summe an das Bestattungsunternehmen dieser Gemeinde.
Dann beantwortete ich die Beileidsbriefe. Erklärte Frau Riturn den Unterschied von Händlern zu
Privatpersonen, die ein Kaffee-Service los werden wollten, weil es ihnen jemand geschenkt hatte,
der ihren Geschmack nicht kannte oder dies Service an die Schwiegermutter erinnerte, die keiner
leiden konnte. Ich lud meine Mutter zu einem Konzert ein und wollte mit Georgia zum Abschied
von unserem Vater sein Lieblingsstück: „Die vier Jahreszeiten“ von Vivaldi noch einmal erleben.
Ich grub die Astern aus, düngte das Beet neu und bereitete die Erde für winterharte Pflanzen vor.
Es war harter Boden, den ich mit der Hacke auflockerte, bis ich den Spaten fest ansetzen konnte.
Ich brachte Frau Jane das Buch zurück, das sie mir vor sechs Monaten geliehen hatte und dankte
Sonntagsvormittag Anton für die Umsicht und Anteilnahme in dieser sehr langen, traurigen Zeit.
Außerdem dankte ich für den schönen Blumenkranz der Gemeinde auf dem Grab meines Vaters.
Es war ermüdend, ein Haufen Arbeit, der gleichzeitig die Nutzlosigkeit und Trivialität des Tuns,
das nach einem Verstorbenen folgt, widerspiegelte. Ein Fortgang im Gedächtnis, der Erinnerung
einer geliebten Person, der man noch einmal gerecht werden will und der bloßen Selbsterhaltung.
Wer jemals damit zu tun hatte, weiß, was ich damit sagen will. Falls solches Verhalten jene tiefst
empfundene Reaktion auf den Verlust des Vaters zu sein scheint, kann ich nur sagen, das war so.
Ich habe Schlimmeres gehört, die Ehefrau seines Stammkunden hätte nach dem Tod ihres Vaters
sein altes Auto, das sich 20 Jahre als solide Familien-Kutsche bewährt hatte, schrottreif gefahren.
In dem Roover seien ihre beiden Kinder groß geworden. Ein Vorfahrt-Fehler, und es krachte nur
so, dass einzig zerknautschtes Blech übriggeblieben wäre. Die Versicherung zahlte noch 1000,-€.
In einem anderen Fall hätte die Mutter eines Auktionärs gänzlich drei Schachteln Schlaftabletten
geschluckt mit einer Flasche Weißwein. Drei Tage später wachte sie auf, weil sie zwar schon im
Koma, doch am Leben war, die Pillen erbrochen hätte, bevor sie wirkten. Sie vertrug diese nicht.
Mein Vater war und bleibt der beste Mensch, den ich kennen gelernt habe. Wäre er zu einer Zeit
gestorben, nicht zu dieser, wäre es in etwa anders gekommen. Die Uhren wurden zurückgestellt,
bis zum nächsten Frühling konnten wir eine Stunde länger schlafen. Chrysanthemen verblühten.
Die zielbewusste Natur kann weit kommen und Hindernisse überwinden mit dem Heiligen Geist.
Langsam kehrte die Normalität wieder. So begriff ich, dass ich Nachfolger eines Geschäfts war,
das mir mein Vater anvertraut hatte. Es war solvent mit jenem großen Lager und reichen Kapital.
In Jahren hatte ich Zuversicht gewonnen, mit Investitionen, Gläubigern, Schuldnern umzugehen.
Neu war für mich das Gefühl, ein Steuerrad und das Kommando überreicht bekommen zu haben.
Mein Vater war ein vernünftiger und bewundernswerter Geschäftsführer gewesen. Ich zweifelte,
ob ich genauso gut sein würde. Doch was war gut, fragte meine innere Stimme. Keramik ist eine
Gabe des Menschen an Gott. Die Kunst, die wir ihm zurückgeben aus der uns anvertrauten Erde.
MUTTERS ANGEBOT
Ich war dafür verantwortlich, dass der Mensch das Beste bekam und lernte, was es überhaupt ist.
Es dauerte bis zum nächsten Frühling, dass ich mein neues Projekt wagte, die Hälfte des Ladens,
des Kapitals sowie Zeit in hochwertige Keramik und Antiquitäten zu investieren. Ich besprach es
mit meiner Mutter, weil das auch ihren Lebensunterhalt bestritt. Ihr Glaube an mein Gelingen im
Ganzen bestärkte mich. Sie erinnerte mich daran, den wichtigen Geschäftsteil nicht zu vergessen.
Wir wussten beide, dass unser neues Vorhaben in der Umsetzung schwierig sein würde, einfache
Steingut-Ware als Partien für den Einzelhandel und Antiquitäten, Rares auf Auktionen ersteigert.
Das wäre die Verbindung eines Außendienstlers mit einem Einzelhändler in seinem Geschäft, ob
das überhaupt ginge und nicht Überanstrengung sei mit der Azubi Maggi und der wirren Närrin?
Meine Mutter setzte sich auf die Sessellehne und strich mir über den Kopf wie als kleiner Junge.
„Ich wüsste da einen, der für den Laden geeignet wäre“, sagte sie. „Eine Witwe, die in Wahrheit
nicht den ganzen Tag allein herum sitzen will. Sie hat schon einige Erfahrungen auf dem Gebiet,
wenn das auch schon dreißig Jahre her ist. Ich glaube nicht, das man sie dafür bezahlen müsste.“
Als sie mich ansah, fügte sie hinzu: “David, sei nicht kindisch. Es gibt keinen Grund zu Tränen.“
INTERNATIONALES GESCHÄFT
Ich inserierte in allen Lokalzeitungen der Umgebung und in Fachzeitschriften für Antiquitäten, die
von internationalem Rang waren. Sie wurden in London sowie in den USA gelesen. Die Kontakte,
die damit geschlossen wurden, waren Gold wert. Meine Mutter und ich bekamen Einladungen und
Besuche von Amerikanern, die eine Leidenschaft für meine Sammlungen zeigten, die sich allerorts
sehen lassen konnten. Maggi erlebte bei den Amerikanern einen Aufstieg, weil ihre einfache, naive
Art in der Beratung sehr beliebt war. „Sen se mal, det nennt man hier Falter wie „Batterflei“ un det
Blumen wie „Flauer“. Sie waren fasziniert von ihr. Maggi steckte oft ihr großzügiges Trinkgeld ein
und bedankte sich mit einem kleinen Knicks und breitem, natürlichen Smiling. Man hätte sie gern
in ein schickes Kostüm gepackt, dass sie dem amerikanischen Kitsch genauer entsprochen hätten.
Wie glücklich scheinen mir heute jene Tage. Wie schnell waren alle Ängste und Zweifel vergessen,
dass ich es nicht schaffen würde in der Zeit. Wenn ein Unternehmen nach zwei Jahren Fuß gefasst
hat in seiner neuen Orientierung und man rückblickend unverhoffte Erfolge verbuchen konnte, sind
die Anstrengungen wie verflogen, kaum noch wahrnehmbar in dem Bewusstsein des wachen Eifers,
die Trefferquote zu erhöhen. Im tiefen Schlaf und in meinen Träumen spiegelte sich anderes wieder.
EIN ALBTRAUM
Es war Frau Robin, die ich seit meiner Internatszeit nicht mehr gesehen und vergessen hatte, die
im Traum splitternackt, wunderschön wie früher, mir entgegen getaucht kam in dem tiefen Wasser.
„Hallo, David“, rief sie. „Können Sie nicht noch mal tauchen,- nur für mich? Sie brauchen es nicht,
wenn Sie nicht wollen. Doch ich hoffe, Sie tun es.“ Gieriges glitzerte auf ihrem Körper und Gesicht
wie damals in ihrem Salon, mit einem Gefühl von gleichzeitiger Erregung und bösester Vorahnung,
die für mich nicht begreifbar war, tauchte ich nur ihr zuliebe noch einmal hinab. „Tiefer“, schrie sie
und „Ja, richtig! Oh, Sie sind wunderbar!“ Während sie es ausrief, befand ich mich auf dem Grund,
dem Meeresboden, der mit Trümmern von zerschmetterter Porzellanware übersät war, Schiffbruch
meines Geschäfts mit zerstreuten Rechnungen, offenen Schränken, zerbrochenen Fenstergläsern.
Ich fand das nicht toll und tauchte schleunigst wieder hinauf. Darauf erblickte ich eine zweite Figur
in dem wolkigen Dunst, die augenscheinlich in dem Unrat herumkroch und krabbelte wie ein Kind.
Es war nicht Frau Robin sondern ein dreijähriges, kleines Mädchen, das sich seinen Weg bahnte.
Als ich näher geschwommen kam, hörte ich ein bitteres Weinen. „Wer bist du?“ fragte ich. „Was?“
„Der Weg ist so weit durch das Meer. Ich suche meine Mutter“, klagte sie jämmerlich. Dann sah
ich Verwesung an ihrem kleinen Körper sowie blauschwarze Flecken seiner üblen Misshandlung.
Sie musste schon Wochen unter Wasser sein. Ich ergriff diese Hand, die nicht mehr fassbar war.
„Komm‘, ich führe dich zu deiner Mutter.“ Ich drehte mich um und sah nur noch ein Quallen-Bild.
Kreischend wachte ich auf. Auf der Bettkante saß meine Mutter und versuchte, mich zu beruhigen.
„David, du bist überarbeitet, du brauchst unbedingt Ruhe, wach‘ auf.“ „Du hörst es nicht“, rief ich.
Ich erzählte ihr den Traum, wobei ich wie ein Kind schluchzte. Sie beruhigte mich, wie sie konnte,
schüttelte mein Kopfkissen auf, brachte mir heiße Milch mit Rum und verharmloste diesen Traum.
„Du darfst dich von einem Traum nicht ängstigen lassen, David, Träume sind oftmals unwirklich.“
Sie hielt eine Tasse Tee in der einer Hand. Mit der zweiten drückte sie zuversichtlich meine Hand.
„Du solltest dich erholen von den letzten Anstrengungen. Vielleicht schläfst du einfach bei mir für
zwei Nächte. Da ist niemand, der uns auslachen könnte.“ Daraus wurden drei Nächte, die mit Puh,
dem Bären und dem zusammen Lesen in Fix & Foxi- Heften vor dem Licht ausknipsen tatsächlich
halfen, meine innere Ruhe wiederzufinden. Ich schlief viel tiefer und fester bei ihr, was mir gut tat.
Zwei Jahre stand ich ständig unter Entscheidungsdruck mit der Angst zu versagen oder das Kapital
falsch anzulegen. Wenn da nicht meine Mutter gewesen wäre. Sie wusste, welche Sorgen es waren,
die mich vereinnahmten, dass ich gereizt reagierte auf den Durchzug, nervös nicht schlafen konnte.
Abstoßend ekelig nagte der Traum an meinem Verstand. Ich sprang am Schreibtisch vom Stuhl auf
und rief aus: “Moment mal, so nicht!“ Als wollte ich das Traumbild wie einen Spiegel zerschlagen,
meine unerträglichen Gedanken mit aller Gewalt unterbrechen: „Moment, so doch wirklich nicht!“
Zeitweise dachte ich ernsthaft darüber nach, den Psychiater aufzusuchen, der Träume deuten kann.
GEORGIAS HOCHZEIT
Das schönste Ereignis in diesem Sommer war Georgias Hochzeit, die schon Monate vor dem Tod
meines Vaters stattgefunden hätte, da sie, in Maggis Worten gesprochen, „ in festen Händen war“.
Jeder mochte Henry York, den beliebten Lehrer, der das Zeugnis zum künftigen Schulrektor hatte,
und ein vortrefflicher Golfspieler war. Ich konnte mit ihm eine Unendlichkeit von Zeit vergeuden,
ohne dass mir langweilig wurde. Nachts brüteten wir vor einem Schachbrett, bis Schachmatt kam.
Wenn für Georgia natürlich keiner gut genug gewesen wäre, machte ich bei Henry die Ausnahme.
Meine Mutter bemerkte: „Ihn würde sogar ich heiraten!“ Henry war Vater in seiner Art ähnlicher,
als wir es vorher gemerkt hatten. Anton hielt große Stücke auf ihn und führte eine Predigt leichter
im Inhalt, als es sonst bei Hochzeiten üblich ist, dass einige Gäste anfingen, über beide zu lachen.
Kein Schwermut, kein Bann des Lebens, keine Verlegenheit, ohne wenn und aber, viel lustiger.
Vielleicht hätten ihre eigenen Schüler darüber gelacht. Doch lag ihre Hochzeit in den Schulferien.
Er meinte, dass sie in der unvollkommenen Welt gewiss nichts Besserem mehr begegnen würden,
als sich selbst zur Vervollkommnung wie geschaffen und zur Freude ihrer Kinder. Vierzig Kinder
der Gegenwart hätten sie bereits als Schüler glücklich gemacht. Das Zehntel käme vielleicht dazu.
Gott wollte von Abraham ein Zehntel. Er schützte seinen einzigen Sohn Isaak auf dem Opferaltar.
Manchmal war es für die Gläubigen schwierig, die Aussagen von Anton richtig nachzuvollziehen.
Georgia war von dem Tod unseres Vaters genauso betroffen gewesen. Nicht mal unsere Mutter in
ihrem ganzen Leben hätte ihn mehr geliebt haben können als sein kleines, zierliches Töchterchen.
Die Hochzeit war ihr persönlicher, neuer Auftakt in ihrem Leben mit einem Gloria an ihren Vater.
Als Georgia aus dem Hauptportal der St. Christophorus Kirche trat und der Glockenturm bebte in
dem stürmischen Dreiklang, dass mit nachhaltigem Echo bis zu dem Nachbar-Dorf an dem Hügel
seine Einwohner wussten, meine Schwester Georgia hatte geheiratet, war sie sehr glücklich dabei.
Der frische Wind hatte diese Nachricht herüber geweht und man hörte die Glocken noch im Dorf.
Nachdem sie still geworden waren, starteten Auto-Kolonnen, laut hupend, die jenem Paar folgten.
Das Auto, dessen Steuer ich hielt, rollte an einem Hügel gemeinsamer Kindheitserinnerungen für
Georgia vorbei, während ich meiner Mutter zuflüsterte: “Du hast heute Glück und darfst weinen!
Deine Georgia hat uns heute die Ehre bereitet wie an dem Tag, als ihr einfiel, zu uns zu kommen.“
Nachdem alle gegangen waren an diesem Abend und wir ein leichtes Nachtmahl zu uns nahmen,
sagte meine Mutter zu mir: „Ich hoffe, deine Hochzeit wird mal genauso schön wie diese, David.“
Dann hielt sie inne wie oftmals, wenn sie merkte, dass es sich nach Beeinflussung anhören sollte.
Sie fügte beiläufig in Nonchalance dazu: „Ich meine, wann immer das auch sein wird oder nicht.“
Sie hat sich verhaspelt, dachte ich. Sie wäre nicht drauf gekommen, dass ich vielleicht überhaupt
nicht heiraten werde, weder früher noch später, doch ich ließ das einfach mal so im Raum stehen.
MEINE VERWIRKLICHUNG
Ich war hinter etwas Wertvollerem und Wichtigerem her, wie es sich bald für mich heraus stellte.
Dies Glücksspiel hatte nichts mit Geld zu tun und nichts mit irgendeiner Art Standesbewusstsein.
Vier Jahre nach dem Tod meines Vaters war ich aus dem Gröbsten heraus und arbeitete gelassen,
nicht weniger sondern entspannter. Dieser Drang, das unbedingt zu erreichen, hatte sich beruhigt.
Mein wahres Ziel kam näher in neuem Bewusstsein,- in reiner Arbeit aufzugehen, nicht im Profit.
Unser Umsatz war beträchtlich zurückgegangen, weil wir ein kleines Lager führten von Keramik
als Haushaltsgeschirr,- Gläser und Nippes für den alltäglichen Gebrauch. Doch auch, weil es sich
herum gesprochen hatte in unserer Gegend, dass wir uns für soliden Bedarf kaum noch zuständig
fühlten. Ich war so abgesichert, wie es ein Antiquitätenhändler nur sein konnte ohne Eigenbedarf.
Ich trug alte Kleidung und kaufte mir kaum Neues. Aus unseren zwei Autos war eines geworden.
Kleine Extravakanz stellte ich ein, sowie diese meines Vaters, jedes Jahr neue Dahlien zu kaufen.
In den 14 tägigen Briefen von Georgia fragte sie mich: „Gesund geschrumpft?“, die wir bejahten.
Gewiss hatte ich Kapital, eine beträchtliche Summe sogar. Die hielt ich wie Munition zusammen,
und achtete darauf, dass jeder Schuss mein Treffer wurde. Mittlerweile wusste ich über Porzellan
aus früheren Jahrhunderten bestens Bescheid, mehr als manche Historiker und erfahrene Händler.
Ich lernte, mein neues Wissen gezielt einzusetzen, um es international „an den Mann zu bringen“.
In der Zeit kaufte ich eine bekannte Statue, die beschädigt war, das Milchmädchen von Reinecke
und verzichtete auf eine Restauration der abgebrochenen Einzelteilen wie Hände und Kuhhörner.
Meine Entwicklung verlief sehr individuell, womit ich in aller Welt die Kunden als Freunde gewann.
Der Welt die eigene, persönliche Freude zu verkaufen und davon zu leben, egal ob bescheidener,
erträglicher oder wohlhabend, gibt es ein größere Freude? Ich freute mich auf meine Besuche bei
Bekannten in Kopenhagen. Ich brauchte auch kein Hotel mehr, sondern wurde eingeladen, direkt
in ihrem Haus im Oberstübchen zu übernachten. Morgens beim gemeinsamen Frühstück redeten
wir über die selbst gemachte Rhabarber-Marmelade, die ich mir auf frischem Toast in den Mund
schob, über die seichte Brise, die in Meeresnähe oft weht, über die beste Auswahl an königlicher
Porzellan-Ware aus Kopenhagen und dass ich eine Sekretärin bräuchte, die deutsch, dänisch und
englisch spricht sowie in Kurzschrift schreibt, gleichermaßen das Maschine schreiben beherrscht.
Es war zum Vorteil, dass ich fließend dänisch sprach. Eine Korrespondenz in drei Sprachen wäre
sehr zeitaufwendig gewesen in Anbetracht des Stapels von Geschäftsbriefen, die prompt Antwort
erwarteten, weil sie direktes Kaufinteresse zeigten für eigene Sammlungen im Antiquitätengenre.
HERR LARSON
Jani und Lotta Dahl gehörten zu meinen besten Freunden in Kopenhagen, ein dänischer Verleger.
Ich wollte vor unserer Fahrt ins Blaue, zum Meer und den Dünen nach Fünen, aus der Stadt raus,
die Lotta für ein langes Wochenende arrangiert hatte, meine Korrespondenz noch erledigt haben.
Jani setzte sich mit einem Carl Larson in Verbindung, einem Exporteur für Landwirtschaftliches,
der ein alter Bekannte von ihm war. Er hatte mit dem Künstler Carl Larson nichts zu tun. Bei der
Bilder-Ausstellung seien sie sich begegnet in der Komik eines Namensvetters dieses Schwedens.
Es war ein Beispiel für die dänische Kontaktfreudigkeit, die im Prinzip Länder übergreifend war.
Jani meinte, dass er jemanden wüsste. Ein Mädchen für englische, dänische und deutsche Briefe,
wenn er nicht zu schnell diktierte. Ich dankte und machte mich auf den Weg zu Herrn C. Larson.
Er war in heiterer Stimmung, grauhaarig und von kräftiger Statur. Mit Neugierde blickte er mich an.
Jani sprach ansonsten salopp von Calle, der gern feiert und keine Partys oder Events auslässt.
Genauso erlebte ich ihn. Äußerlich in keinem Businessdress, sondern lässig elegant und herzlich
in seinem Willkommen, er wirkte, als wenn ihm die sture Arbeitsweise genauso verhasst sei wie
unpersönliche Treffen. Seine Geschäfte mochten aus very good connections bestehen, important.
Gesellschaftliche Verbindungen, die erst im Nachhinein gutes, wirtschaftliches Interesse zeigten.
Er sprach Englisch nur etwas schlechter als Dänisch: „Sie werden Frau Fröhlich hervorragend
finden. Sie spricht besser englisch als ich. „Aber nein!“ “Lange ist es her, da war ich in London.“
Wir schwatzten in beiden Sprachen und unterhielten uns bestens. Als ich an die Arbeit erinnerte,
„Haben Sie viele englische Briefe?“ “Vier oder fünf sind es.“ “Vielleicht sprechen Sie langsamer.“
„Übrigens, was die Bezahlung angeht und Ihre -“ „Es kommt nicht in Frage, ganz und gar nicht.“
„Aber ja doch! Wirklich, ich muss wenigstens Ihnen oder ihr etwas bezahlen -“„Kommt nicht in
Frage, auf keinen Fall, das ist das Wenigste, wenn wir einem Engländer und Jani helfen können.“
In meinem Gedächtnis machte ich mir die Notiz, dass ich ihm eine Flasche Bordeaux mitbrächte.
Was nur für Frau Fröhlich? Ein Parfum? Ein Seidentuch? Warum ließ er mich sie nicht bezahlen
im Stundenlohn oder in einem Pauschalpreis? Besser, ich fragte Jani nochmals, was man solcher
Dame schenken könnte. Wenn sie so gut in englisch war, ohne in England gewesen zu sein, eine
Antiquität für ihre Vitrine? Vielleicht war sie von alter Schule, vornehmer Zunft oder verwöhnt?
Carl Larson führte mich in ein Zimmer, das an sein Geschäft erinnerte mit Büchern über Rinder-
Zucht und Getreide-Anbau. Antike Möbel füllten den Saal, in dem ich sie gleich erwarten sollte.
Als es an der Tür klopfte, sagte ich: „Kom ind!“ Und dann, um kein Missverständnis -, „Herein!“