Читать книгу VIRDULA Endlosgeschichten Band 1 - Jay H. Twelve - Страница 9

6. DIE PLÄNE FÜR DELFIN UND ALBATROS CHARTER

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Der Taxifahrer fuhr die Gäste zur späten Stunde zum Brisbaner Flughafen. Er freute sich über das Trinkgeld das ihm die letzten Gäste so großzügig überließen. Zufrieden lenkte er sein Taxi nach Hause.

„Wie geht es weiter?“, fragte Alida, denn sie war die einzige, die die Anspielung mit dem schaukelnden Hotel nicht verstanden hatte.

„Ich hole die Tickets und ihr marschiert gleich zur Ankunftshalle. Dort wartet ihr auf mich, bis ich einen Mietwagen aufgetrieben habe.“

„Aber die Autovermietungen sind alle geschlossen, mein Freund.“

„Alida, hab doch ein bisschen Vertrauen und Geduld. Du kennst meinen Freund Istvan nicht. Der macht alles möglich.“

„Mach dich bitte nicht über unsere Partnerin lustig, Don“, ermahnte ihn Erol, selbst schmunzelnd, weil er wiederum nicht wusste, wer dieser Istvan ist.

„Der gute Istvan ist Concierge im Hilton in Sydney. Ihn habe ich gebeten mir einen Landrover beim Wachmann hier am Flughafen zu parken. Deshalb sollt ihr am Ausgang auf mich warten“, brachte er auch seine Partner auf den neuesten Stand und ging die Tickets abzuholen.

Fünfzehn Minuten später saßen alle bequem im Wagen und fuhren Richtung Stadtzentrum, bogen aber gleich hinter dem Flughafen ab in den Smith Drive. Am Fluss in Meeandah parkte Don den Wagen genau am Steg, wo eine 40’ Motoryacht vertäut war. Alle waren müde und ausgelaugt von dem anstrengenden Tag. Die Koffer wurden schnell von Hand zu Hand verladen und in die Kojen verteilt. Kapitän Don José startete den Dieselmotor, die Jungs lösten die Leinen und waren gespannt, wohin die Reise um drei Uhr morgens gehen sollte.

Der Brisbane River mündete direkt in die Morton Bay. Die Yacht tuckerte langsam dem Meer entgegen. Don José steuerte dicht an der Küste entlang, dabei reichte ihm die Flughafenbeleuchtung aus, um gute Sicht voraus zu haben. Nach einer halben Stunde passierten sie den Flughafen auf der Seeseite und steuerten direkt zur Houghton-Bridge, die wie ein umgefallener Christbaum beleuchtet war.

Eine gute Stunde später stellte Don José den Dieselmotor ab und ließ den Anker sanft im Hays Inlett ins Wasser.

„So, Freunde, das war’s für heute. Jetzt ab in die Kojen“. Mit einem kurzen „gute Nacht“ streckte er sich und gähnte zugleich, rieb die müden Augen und stieg hinab in den Niedergang.

Es war eine kurze Nacht, trotzdem fiel er in einen Traum der ihn nach einem unbekannten Hotel suchen ließ, in dem er verzweifelt eine Toilette suchte, weil seine Blase eine Erleichterung bitter nötig hatte. Von diesem Traum erwacht schlich er sich an Deck und ging zum Bug hinauf. Dann folgte die Erleichterung.

Die Sonne stand schon ziemlich hoch, sie brannte auf seiner nackten Haut als er sich an Deck streckte. Er blieb eine Weile auf dem Rücken an Deck liegen und ging noch einmal in Gedanken die Ereignisse der letzten Tage durch. Alida hatte sich schnell mit seinem Junggesellentrio angefreundet, meisterte brillant die kritischen Momente und fand ihren berechtigten Platz in den Herzen der jungen Männer. Er war sehr zufrieden mit dem Ausgang der Verfolgung der Spanier und vermochte nicht daran zu denken, welchen Preis die Knaben dafür bezahlen würden.

Nun kamen auch Erol und Edy an Deck gekrabbelt. Sie ließen gleich die Badeleiter ins Wasser. Es machte nur, platsch’ und beide verschwanden im Wasser. Man sah sie tauchen, kraulen und schwimmen wie Delfine. Beide waren gute Schwimmer und die Ausgelassenheit war ihnen anzumerken. Als sie dann erfrischt an Deck kamen war Alida schon dabei den Tisch zu decken und der Duft von frisch gekochtem Kaffee, Toastbrot und diversen Delikatessen machte die Männerrunde hungrig.

„Freunde, ihr dürft nicht lachen, wenn ich euch beichte, dass ich zum ersten Mal auf einem Schiff bin. Irgendwie hat sich das nie ergeben, obwohl ich schon als kleines Mädchen gern Piratengeschichten gelesen habe und das alles in Phantasie miterlebte.“

Sie lachten doch, denn die Sehnsucht selbst irgendwann die Meere zu besegeln und Abenteuer zu meistern, war bei ihnen ebenfalls durch Piratengeschichten geweckt worden. Das Achterdeck der Yacht sah aus wie eine sehr große, weiße Badewanne, mit zwei drehbaren Stühlen für die Hochseeangler. Es gab noch einen langen, relativ schmalen Tisch, der zugleich als Tiefkühltruhe für den Fisch gedacht war. Ein abgetrenntes Drittel dieser Box diente als Getränkekühlbox. Das war nicht unbedingt ein bequemer Frühstückstisch, weil es keinen Überhang gab, um die Knie unterzubringen, jedoch die Kante rundherum verhinderte, dass das Geschirr beim Schaukeln herunterrutschte.

Bevor Alida den Tisch deckte bemerkte sie, dass die zwei ungleichen Tischplatten eigentlich die Deckel der Kühltruhen waren. Bei der Suche nach den Erfrischungsgetränken wunderte sie sich über die vielen Eistüten, die in der großen Kühltruhe lagen. Sie wollte wissen wozu das viele Eis gut sein sollte.

„Don, wozu dient das viele Eis unten in der Kühltruhe?“

„Das ist nicht alles Eis was du siehst, Alida, sondern es wird das Startkapital für unsere Firma „Delfin und Albatros Yacht Charter sein.“

„Heiliger Seemannssack, machst du Witze? Hast du etwa den Zaster da unten vergraben ohne Schloss und Riegel“, protestierte Edy total entsetzt.

„Das ist auch kein Zaster, sondern purer Kohlenstoff in Kristallform, fein geschliffen natürlich“, belustigte sich Don.

„Meine Güte Don, du hast die Box voller Diamanten unbewacht sogar für jeden zugänglich tagelang liegen lassen?“

„Ach Edy reg dich nicht auf. In meiner alten Heimat haben die Militärs überall dort, wo sie etwas versteckten, gleich Schilder aufgestellt, ’Fotografieren Verboten’. Das ist ein echter Witz. Jeder Spion wusste gleich, was er fotografieren musste. In unserem Fall sind die oberen Tüten voll mit Eis, darunter die teuren Tüten, alles zusammen etwa 300 Millionen Australische Dollar.“

„Freunde, mir wird schwindelig, das ist nicht zu fassen“, sagte Alida und alle versuchten irgendwo eine Sitzgelegenheit zu ergattern. Sie schwiegen und schauten sich gegenseitig fragend an, wie es weitergehen sollte. Als nun alle Blicke auf Don gerichtet waren und er ein Lachen in seinem Gesicht zeigte, war der Knoten des Entsetzens gelöst und alle stimmten fröhlich mit ein.

„Auf unsere glorreiche Charterfirma“, prostete Erol und hob seine Kaffeetasse zum Anstoßen. Das Lachen und Kichern war ansteckend und Don José machte mit. In der Mitte dieser Ausgelassenheit hob Alida beide Arme hoch und klatschte in die Hände.

„Ich habe eine grundsätzliche Frage, Gentleman“, sagte sie mit ernster Miene. Edy und Erol wollten weiter spinnen und lachten, aber Don wusste, was jetzt kommen würde.

„Ruhe bitte, lasst die Dame sprechen“, sagte er laut.

Sie stand auf, ging zur Reling drehte sich um und schaute die drei Männer fragend an.

„Don, du sprichst die ganze Zeit von Partnerschaft, von gleichberechtigter Partnerschaft insbesondere. Kann mir bitte einer erklären, wann ich einen müden Dollar zu dieser Partnerschaft beigetragen habe? Ich komme mir echt schäbig vor so Nullkommanichts innerhalb von drei Tagen zur Multimillionärin aufgestiegen zu sein!“

Diese berechtigte Frage ließ auch Edy’s und Erol’s Lachen verstummen.

„Bei aller Freundschaft und Ehre, diese Frage möchte ich auch klären.“ Edy nickte zu und alle schwiegen. Don José lächelte nur.

„Kommt Freunde, setzen wir uns. Die Diamanten sind keine Barrakudas, sie beißen nicht, obwohl sie Glas schneiden können.“

„Versuch nicht vom Thema abzulenken. Wir wollen eine Antwort.“

„Na gut, hinsetzen und zuhören.“ Als nun alle wieder ihre Plätze eingenommen hatten, fuhr Don fort:

„Stellt euch vor, der Nachrichtensender verkündet die Meldung, dass hier irgendwo in unmittelbarer Umgebung von Brisbane eine Yacht voller Diamanten herumschippert. Der Nachrichtensprecher weiß nichts Genaueres. Er kann nicht sagen, ob die Yacht ein Motorboot oder ein Segelschiff ist, mit oder ohne Crew, vor Anker liegt oder verlassen treibt. Innerhalb von Stunden würden Tausende habgierige Menschen, überwiegend Männer, alle Moorings, Häfen, private Docks, Flüsse und Buchten bevölkern. Jeder verdächtigt die anderen Boote als das Diamantenboot, nur nicht sein eigenes. Eine erbarmungslose Schlacht würde ausbrechen, hunderte herrenlose Yachten zu Kleinholz zerschmettert, Menschen werden umgebracht usw. Was glaubt ihr, ist der gemeinsame Nenner dieser bedauernswerten Menschen, die sich von einer auf die andere Stunde in Barbaren verwandeln?“

„Du hast es eben erwähnt: Habgier natürlich. Jeder möchte eine leichte, fette Beute an sich reißen“, sagte Erol.

„Moment mal, Erol, nicht jeder. Don sagte: Viele Tausende habgierige Menschen“, korrigierte ihn Edy.

„Ach was, viele werden aus verschiedenen Gründen nicht mitmachen können aber gerne wollen, oder darauf verzichten, weil sie annehmen, dass es zu spät und die Beute längst vergriffen ist.“

„Langsam, ihr Gockel, Don will den gemeinsamen Nenner wissen.“

„Das haben wir gleich zu Anfang geklärt. Die Habgier ist der gemeinsame Nenner”, wiederholte sich Erol.

„Das haben wir nicht Erol, noch nicht. Wir streiten uns vorlaut über Trivialitäten, anstatt nachzudenken“, widersprach Alida.

Stille kehrte ein und jeder versuchte für sich eine Antwort zu finden.

„Sehr gut, Freunde, ich helfe euch auf die richtigen Gedanken zu kommen. Sprechen wir von nur drei Menschen, die genau wissen auf welchem Boot und wo die Diamanten versteckt sind. Aber diese drei Menschen zeigen keinerlei Anzeichen von Habgier. Im Gegenteil, die drei wollen nichts davon umsonst haben. Was ist der gemeinsame Nenner, der diese Reaktion hervorruft?“

„Vernunft natürlich und Anstand“, vermutete Erol.

„Das Gegenteil von Vernunft ist Unvernunft“, postulierte Alida.

„Alle diese Begriffe sind relativ und werden von Menschen so gebraucht, wie es jedem in den Kram passt. Ihr seid noch nicht einmal nahe dran, denkt weiter“, sagte Don und begann seine Pfeife zu stopfen.

Es herrschte eine Weile allgemeine Ratlosigkeit, aber niemand wagte wieder vorlaut zu werden. Don paffte seine Pfeife genüsslich weiter.

„Vielleicht solltet ihr die Frage etwas anders formulieren. Wie wäre es mit, charakteristisch’ anstatt, gemeinsamer Nenner’?“ fragte Edy.

„Das ist ein guter Gedanke, Edy”, ermunterte ihn Don. Dabei zeigte er mit dem Finger auf das Steuerrad der Yacht. Steuerrad kann es nicht sein, weil jeder irgendwo irgendwie durch das Leben steuert.“

„Schiffe haben ein Steuerrad welches das Ruder bewegt, aber wohin die Reise geht, ist ein anderes Thema. Wenn man weiß, wo man sich zur Zeit befindet und das Ziel, das man erreichen möchte, also die Orientierung hat, braucht man eine Navigationshilfe“, dozierte Erol hoch erfreut, endlich aus dem Labyrinth der relativen Begriffe entronnen und in die dem Seemann vertraute Denkweise zurückgekehrt zu sein.

Alida hatte damit Schwierigkeiten, sie schwieg weise.

„Zunächst braucht jeder Seemann eine verlässliche Karte, Kompass, Sextanten, Almanach, Messwerkzeug und natürlich die Erfahrung mit den Geräten richtig umzugehen, dazu kommt die Wetterkunde etc. Eine Menge Voraussetzungen, die nur bedingt vorhanden sind, weil die Mutter Natur unberechenbar ist“, beendete er erleichtert seine Erklärung.

„Können wir uns auf einen Oberbegriff einigen, der für die große Mehrheit der Menschheit charakteristisch ist?“ fragte Don, weil er das Gespräch zu Ende bringen wollte.

„Wie wäre es mit Orientierungslosigkeit, meine Herren Skipper?“ fragte Alida forsch, denn sie wollte endlich in die Gewässer der Begriffe eintauchen.

„Da sind wir wieder bei Relativitäten angelangt“, protestierte Erol. „Die Menschheit hat längst Standards zu allgemeinem Gut und Nutzen hervorgebracht, die uns helfen uns untereinander zu einigen. Zum Beispiel: Zeitmessung, Maßeinheiten, Himmelsrichtungen und Ähnliches, das die Mehrheit respektiert.“

„Ihr Techniker, ihr versteift euch gleich auf die rein physikalischen Raum- und Zeitstandards. Ihr seid stolz darauf, Gold von Messing zu unterscheiden. Ich denke an die geistige Orientierungslosigkeit, die immer für Chaos und die daraus resultierenden Konflikte verantwortlich ist.“

„Kommt, Freunde, das dauert mir zu lange. Wir haben noch Arbeit zu erledigen“, ermahnte Don.

„Was zeichnet uns vier charakteristisch aus? Im geistigen Sinne oder Betrachtungsweise, meine ich.“

„Unsere gemeinsame Gesinnung und die Mission, die wir zusammen beabsichtigen durchzuführen“, formuliert Edy stolz wie ein Hochspringer, der die Latte übersprungen zu haben schien.

„Die Gesinnung und die Mission - wir können nur über unsere Vorstellung davon reden. Andere Menschen glauben auch an eine Mission oder gehören zu irgendeiner Gesinnungsgruppe. In dieser Hinsicht gibt es viele Standards und Wertvorstellungen, die weit voneinander liegen, je nach ethnischer oder religiöser Orientierung, “ kommentierte Erol weiter.

„Nun, was ist unsere Gesinnung und Mission Freunde?“ fragte Don.

„Wir sind uns darüber einig, dass eine universelle Standardisierung als allgemeines Gut und absolute Priorität unsere Mission darstellt“, machte Alida einen Versuch. Als sie die Gesichter der Männer sah, hob sie die Hände hoch:

„Ich weiß, ich weiß, da bin ich wieder bei den Relativitäten, weil es so viele Vorstellungen der universellen Wahrheit gibt und jeder behauptet die Wahrheit gepachtet zu haben. Ich habe an die Gleichberechtigung des Individuums, an die allgemein gültigen Menschenrechte gedacht, eben solche Standards, die jedem das gleiche Daseinsrecht zugesteht und die gleichen Pflichten auferlegt.“

„Ihr kommt schon langsam auf den richtigen Pfad, Freunde. Lasst uns über die Diamanten reden, nach meinen rein persönlichen Standards. Diese Diamanten sind allgemeines Gut aller Lebewesen dieser Erde und des Universums. Wir sollten uns vorerst darüber einigen, dass wir eine gemeinsame Pflicht haben, dieses allgemeine Gut sinnvoll zu verwalten. Das wird für den Anfang reichen.

Daher sind diese Diamanten in keiner Weise mein Eigentum. Wenn ich euch darum bitte mit mir die Pflicht zu teilen, dieses allgemeine Gut zu verwalten, dann ist es keine Schenkung, sondern eine Bürde die ich euch auflaste. Deshalb Freunde, sind wir gleichberechtigte Partner oder will einer von euch doch kneifen?“ beendete Don die Diskussion.

„Aber deine Frage ist damit noch nicht beantwortet. Es regelt lediglich das Verhältnis unter uns“, konterte Alida.

„Damit wir wieder zur praktischen Arbeit finden, sage ich euch die richtige Antwort: Den Kuss auf die Stirn, den uns die Uroma schenkte, haben andere Menschen noch nicht bekommen. Unsere Mission wird sein, so viele Menschen wie möglich auf diese Bewusstseinsebene zu bringen, dass die Uroma bereit ist, auch sie auf die Stirn zu küssen. Habt ihr jetzt begriffen worum es geht?“

„Darauf kannst du wetten“, bestätigte Erol.

„Dann an die Arbeit Partner“, verkündete Don im ernsten Ton. „Die Diamanten, die ich mitgebracht habe, sind wahllos durcheinander gemischt. Zuerst müssen sie nach Größe sortiert werden.“

Sie räumten den Tisch ab, spülten das Geschirr und warteten gespannt auf die erste Tüte mit Diamanten, die auf dem Tisch landete. Don ging zum Vordeck und brachte einen Pappkarton voll mit viereckigen Plastikbehältern zurück in den Salon.

„Wir erledigen unsere Arbeit hier, hinter verschlossener Tür. Diese großen Behälter sind für die grobe Trennung. Danach sortieren wir die Steine nach Größe und separieren sie in vier Kategorien. Dafür sind diese kleinen Behälter gut.“

Er ging zum Achterdeck entnahm eine Tüte aus der Kühltruhe. Falls jemand in der Nähe schipperte und neugierig war, würde er nur einen jungen Mann zu sehen bekommen, der gelegentlich eine Eistüte aus der Box heraus nahm. Was im Boot vor sich ging, blieb hinter dunklen Fensterscheiben verborgen. Es dauerte gute drei Stunden, ehe die Steine im Groben nach Größe sortiert waren. Draußen begann es zu dämmern, deshalb hing Don José eine ziemlich große Gaslampe über den Tisch, weil die Salonbeleuchtung für diese konzentrierte Arbeit nicht ausreichte. Die Lampe produzierte jedoch soviel Hitze, dass auch die Klimaanlage keine Abkühlung mehr bringen konnte. Als sie die Lampe nach einer Weile löschten, waren die Partner verschwitzt und fast erblindet.

„Habt ihr Appetit auf Spagetti Milanese?“, fragte Don in die Runde.

„Don, lass uns zuerst baden gehen, das wird uns vor dem Essen eine Erfrischung verschaffen“, schlug Alida vor und alle stimmten ein.

Nach dem wohlverdienten Abendessen blieben noch einige Diamanten zu sortieren übrig. Die Waage, die Don auf seinem Schiff hatte, war eigentlich für die gefangenen Fische gedacht, so konnten nur grobe Messungen vorgenommen werden. Alles zusammen ergab 28,5 kg oder 142.500 Karat absolut reine, geschliffene Diamanten.

„Don, kannst du mir sagen wie hoch der Wert dieser glitzernden Steinchen ist?“ fragte Erol doch neugierig geworden.

Don gab ihm eine Formel nachdem er den zeitlichen Wert eines Diamanten berechnen konnte. Erol kramte einen nagelneuen Taschenrechner aus der Cockpitschublade und rechnete und rechnete. Nach einer Weile kam er wieder zurück in den Salon und gestand:

„Don, ich gib’s auf, der Taschenrechner will einfach nicht. Die Summe muss gigantisch sein. Ich komme einfach zu keinem Ergebnis.

„Erol, jetzt begreifst du, was ich vorhin damit meinte, als ich dich fragte: Bist du bereit, diese Bürde mit mir zu teilen?“, erklärte Don zum wiederholten Male. „Lasst uns deshalb die Menge ermitteln, die dem Wert von 30 Millionen Australischen Dollar entspricht, also ca. 0,86 kg. Wir teilen sie in 33 Päckchen, was insgesamt etwa einen Wert von 1Milliarde Australischer Dollar ausmacht.“

Die Partner waren nicht nur müde, sondern ihre Augen brannten. Sie sammelten alle Behälter wieder in die Pappbox und schoben sie einfach unter den Tisch. Schweigend und nachdenklich trank jeder noch ein Glas kalte Milch und fiel dann müde in seine Koje.

Irgendwann mitten in der Nacht erwachten alle durch klopfende Geräusche.

Don José zog eine Machete unter seinem Bett hervor, eilte barfuß und leise Richtung Achterdeck. Es stellte sich schnell heraus, dass ein herrenloses Surfbrett angedockt war und sich an der Ankerkette verfangen hatte. Erol und Edy die auch zum Achterdeck kamen, nahmen den Bootshaken und stießen das Surfbrett so weit es ging von der Yacht weg. Danach gingen sie zurück in die Kojen. Beim Frühstück machten sie Witze über die Surfbrettattacke gegen die Ankerleine. Sie amüsierten sich über Erol, der leichte Hautverbrennungen von der Gaslaterne erlitten hatte. Don wartete geduldig, dass sie sich von ihren Lachtiraden entspannten.

„Meine Freunde und Partner, es wird Zeit das wir jetzt geschäftliche Prioritäten setzen? Wir werden bald den Anker lichten und zu unserem Dock zurück segeln. Zwei dringende Aufgaben müssen wir vor Mittag erledigen. Zuerst werden Erol und Alida mit dem Landrover bis zu dieser Marina fahren.“

Don breitete die Seekarte von Brisbane und Umgebung aus und zeigte ihnen die Raby Bay mit der Marina.

„Eure Aufgabe wird es sein eine etwa 60’ Yacht auszusuchen, mit Topausstattung für Hochseeangeln geeignet. Sie muss nicht nur für acht Leute eine bequeme Unterkunft bieten, sondern auch sehr schnell sein. Ihr solltet gleich so nebenbei erwähnen, dass ihr eine Familienfeier mit vielen Gästen plant. Ich habe eine Proviantliste zusammengestellt, die ihr den Jungs übergebt. Vergesst auch nicht reichlich Diesel zu bunkern. Danach fahrt ihr mit einem Taxi in die Stadt. Erol, wir benötigen eine präzise Waage und aktuelle Börsennotierungen über unsere Diamanten. Darüber hinaus noch etwas Literatur, damit wir uns genau sachkundig machen können.“

„Warum kaufen wir uns nicht gleich eine Yacht auf der wir eine Charterfirma etablieren können?“, wollte Edy wissen.

„Alles zu seiner Zeit, Edy. Du wirst schon ins schwitzen kommen, wenn ich dir die Einkaufsliste der Firma zeige. Wir zwei tuckern langsam in den Kanal ein und suchen uns eine ruhige Stelle. Du bleibst an Bord und ich spaziere in die Marina, suche das Büro der Charterfirma auf und stelle mich dort als Skipper der Yacht vor, die zuvor Erol und Alida gechartert haben. Die Yacht wird für eine Woche gebucht. Ich schaue mir das Schiff erst einmal an. So wie ich die Jungs von den Charterfirmen kenne, werden sie mich bitten Proviant zu besorgen, gegen Bakschisch natürlich. Aus taktischen Gründen erkläre ich den Jungs, dass ich per Telefon engagiert worden bin und das Paar nicht kenne, das eine Feier auf der Yacht veranstalten will. Erol, den Zündschlüssel vom Landrover bitte unter dem vorderen Kotflügel verstecken. Wenn ihr noch Blumen, Lampions und Partydekoration mitbringt, wird das Ganze wie echt wirken“, beschloss Don seinen Plan für den Vormittag. Zwei Stunden später, als die Yacht am Steg andockte, Erol mit Alida Hand in Hand in Richtung Landrover gingen, flüsterte Edy:

„Ich vermute Don, die zwei werden morgen Abend ihre Verlobung feiern. Schon am ersten Abend sah ich, wie die Funken sprühten.“

„Sag bloß, du bist eifersüchtig, Edy?“

„Nicht die Spur davon, Don. So etwas ergibt sich eben von alleine.“

„Wenn das so ist Edy, freut es mich für uns alle, weil alles seinen geordneten Weg gehen soll.“

„Ich weiß, ich bin noch nicht so weit. Alida hatte einiges in ihrem Leben durchgemacht, sie braucht eine sensible Seele, um die Wunden zu heilen. Dafür ist Erol genau der richtige Engel.“

„Sollte ich vorsorglich einen echten Verlobungsring beschaffen?“

„Auf alle Fälle das solltest du unbedingt tun, Don.“

Kaum war der Landrover außer Sicht, legte auch die Yacht ab und Edy, der am Ruder stand, brachte sie auf Kurs zwischen Fisherman Island und der Whytel Halbinsel. Der Landrover musste zurück zum Flughafen, dann Arterial Road und die Brücke nehmen, um auf die Ostseite zu kommen. Da die zwei Verliebten zum ersten Mal diese Strecke fuhren, brauchten sie bestimmt eine Stunde um die Marina zu erreichen.

Die Yacht machte satte neun Knoten. An der Mündung des Brisbane River herrschte dichter Schiffsverkehr an Frachtern die rein und raus steuerten, oder vor Anker lagen. Ein zusätzliches Tohuwabohu von Segelyachten, Fischerbooten, Motorbooten, Jollen und Fähren. Ein pulsierendes Leben in Brisbane, zu Wasser, Land und in der Luft, eine Metropole die unglaubliche Dynamik entwickelt hatte. Als sie endlich die Fishermann Insel passierten und Kurs auf Wellington Point nahmen, schaltete Edy auf Autopiloten um.

„Hast du auch so eine trockene Kehle, Don? Die habe ich immer, wenn das Boot den Hafen verlässt.“

„Ein Glas Orangensaft wird uns erfrischen”, antwortete Don nachdenklich. Er arbeitete einen Törn für den nächsten Tag aus und zeichnete die Linien von einem Wendepunkt zum anderen. Dann nahm er den Zirkel in die Hand und ermittelte die Länge der einzelnen Strecken. Bei einer Geschwindigkeit von 12-15 Knoten würde die große Yacht etwa 10 Stunden bis zur Fraser Insel brauchen. Das hieß: Kurz vor Mitternacht einen ruhigen Ankerplatz aufzusuchen und ab in die Kojen.

Don machte sich auch Gedanken, ob Samuel und seine Söhne die See überhaupt vertragen würden. Daher überlegte er sich zusätzlich eine Alternative. In diesem Fall würde er Morton Island ansteuern, die nur eineinhalb Stunden entfernt war. Das gefiel ihm nicht sonderlich, weil dort meistens zu viele Skipper unterwegs waren. Es mussten viele Einzelheiten in Ruhe erörtert werden, ohne dass man dauernd vorbeisegelnden Leuten winken oder „Hallo“ sagen musste.

„Don, du brütest wieder etwas aus, kann ich dir irgendwie helfen?“, fragte Edy, der gerade seine Pfeife anzündete und die ersten blauen Wölkchen dem Fahrtwind anvertraute.

„Wie du weißt, werden wir morgen gegen 11 Uhr Samuel und seine Söhne abholen. Das erledige ich selbst. Wir haben zwei Tage zur Verfügung um drei Themen zu besprechen. Erstens: Die 30-Millionen Geschäfte. Die drei Söhne nehmen die Ware mit auf die Rückreise. Zweitens: Die Charter-Firma, die für den Transport und die Logistik der Ware in den nächsten fünf Jahren Verantwortung übernehmen soll. Drittens: Die Standorte der Charter-Tochtergesellschaften, Ausstattung und Auswahl des Managements. Alles muss sehr schnell und in vielen Touristikzentren der Welt fast gleichzeitig aufgebaut werden. Samuel und ich werden die Liefertermine und Warenmenge organisieren, finanzielles regeln und dafür sorgen, dass ihr immer die erforderliche Kapitaldeckung bekommt. Die 300 Millionen, die wir bis Ende des Jahres umsetzen, werden zu 75% in die Ausstattung der Firma fließen. Du, mein Freund, bist der neue Einkaufsdirektor.“

„Das sind eine Menge Schiffe. Wo sollen die herkommen?“

„Darüber darfst du dein schlaues Köpfchen anstrengen. Vielleicht kaufst du zuerst einige Werften und entwickelst eine neue Generation Charteryachten. Du und Erol seid Design-Ingenieure und Segler, nicht wahr?“

„O Mann, o Mann, ein Traumjob, traumhafte Yachten zu entwerfen und sie auch noch bezahlen zu können. Damit fange ich gleich an.“ Das tat er dann auch, suchte seinen Zeichenblock samt Stifte und verschwand in Richtung Vorderdeck.

Es dauerte dann doch etwas länger, ehe sie den Ross Crieen Kanal erreichten. Don steuerte die Yacht im Kriechtempo durch den Tasman Kanal und landete an der Südseite der Masthead Road. Von dort lief man nur über die Straße, um auf das Gelände der Marina zu gelangen. Edy blieb an Deck. Er zeichnete Entwürfe von Traumschiffen, die er bald bauen würde.

Auf dem Weg in die Marina erkundigte sich Don nach dem Büro des Schiffsbroker. Leger spazierte er in die gezeigte Richtung und warf zwischendurch einen fachmännischen Blick auf die vorhandene Anlage. Es gab zu dieser Zeit nicht viel zu sehen, aber überall in Australien, bis auf die traditionellen Yachtclubs, herrschte Aufbruchstimmung. Wassersport ist in Australien allgegenwärtig, daher die Lieblingsbeschäftigung der meisten Küstenbewohner.

Die Bürotür stand offen, nur die Moskitonetztür klapperte rhythmisch im Wind. Es war niemand da, weil vermutlich zur Mittagszeit irgendwo in der Nähe ein Imbiss oder eine Bar als Sammelpunkt der Skipper und des Personals der Marina Hochkonjunktur hatte. Don folgte seiner Nase und entdeckte gleich fünfzig Meter weiter eine Kneipe. Die von außen schmuddelig wirkende Bar, die zugleich als Garküche diente, war gut besucht und ziemlich laut. Es passierte alles zur gleichen Zeit, was die moderne Technik zu bieten hatte. Das TV, hoch an der Decke aufgehängt, übertrug irgendein sportliches Ereignis. Der Plattenspieler spielte Rock’n Roll Musik, die Fritteuse blubberte und die Kakophonie der Bier trinkenden Fisch- und Chips Vertilger kämpfte munter dagegen an. An solchen Plätzen wird Seemannsgarn erzählt und manch lukratives Geschäft eingefädelt.

Don ging zur Bar, lehnte sich an die Theke und wartete, dass der Barkeeper ihn zur Kenntnis nahm. Als es dann endlich so weit war und er ihm mit wedelndem Handtuch entgegen kam, fragte Don:

„Wo finde ich den Schiffsbroker?“

„Den hast du gefunden, womit kann ich dienen, Sportsfreund?“

Der Barkeeper und Broker in einer Person, ein kaum über zwanzig Jahre junger Mann, mit langen blonden Haaren und braun gebranntem muskulösen Körper. Nach seiner Kleidung zu urteilen schien er ein abgebrannter Surfer zu sein. Er gehörte zu einer besonderen Gattung der jungen australischen Nation, die das freie Leben an Stränden verbrachte und immer dort unterwegs war, wo man gigantische Surfwellen vermutete. Wenn sich ihre Kasse so langsam leerte, suchten sie sich irgendwo einen Job, denn die Jungs und Mädels waren hochintelligent und vielseitig erfahren. So kamen sie schnell an eine neue Überlebenstätigkeit, die mal wieder für einige Wochen ausreichen würde.

„Mein Name ist Don José. Ich bin der Skipper der Yacht, die die jungen Leute für die Party gechartert haben.“

„Na klar doch, Erol und Alida. Sind sie Freunde?“

„Nie gesehen, nur per Telefon gesprochen.“

„Ich kann dir nur Sandwich anbieten. Der Fisch ist alle, vielleicht ein Bier dazu.“

„Ein Bier bitte, ich hab schon gegessen“, antwortete Don.

„Wann soll die Party steigen? Ich habe da ein paar flotte Mädels an der Hand“, bot der Allroundsurfer an.

„Man hat mich für ein Uhr hierher bestellt. Alles andere musst du mit den Klienten besprechen“, erwiderte Don und fing an seine Pfeife zu stopfen.

„Na ja, die zwei sind ein bisschen zugeknöpft.“

„Vermutlich strikte Familienfeier im engeren Kreis. Mal sehen, was dabei heraus kommt.“

„Wenn du die Yacht besichtigen möchtest, die Schlüssel liegen auf dem Tisch in meinem Büro. Ich habe hier noch eine Weile zu tun.“

„Was ist das überhaupt für ein Schiff? Ich bin nicht ganz im Bilde.“

„Ein ganz neuer Schlitten, frisch von Taiwan reingerauscht. Siebzig Fuß von Glanz und Gloria. Kaum zu fassen, was die Chinesen so fertig bringen.“

„Eine Motoryacht, oder was?“

„Ein Trimaran Ketsch, Kutter getakelt, schneller als der Wind. Sowas von Luxus sage ich dir, da blieb mir sogar die Spucke weg, als ich das erste Mal an Deck ging.“

„Wo liegt sie denn? Ich sah sie nicht, als ich hierher kam?“, fragte Don José interessiert.

„Auf der anderen Seite am Ende des Pier, wo die Tankstelle ist. Meine Freunde bunkern gerade und laden Proviant.“

„Dann ist also für alles gesorgt.“

„Nicht ganz, meine Freunde bringen alles an Deck, weil ich denen die Schlüssel keine Sekunde anvertrauen kann. Die würden womöglich mit dem Ding glatt abhauen und ich hätte die Bescherung.“

„Wer ist der Eigner der Super Yacht?“, bohrte Don José weiter.

„Das ist eine echte Outback Tragödie, Sportsfreund. Der Mann buddelt sein Leben lang in einem Loch unter der Erde nach Opale, träumt von einer super Yacht, bastelt an einem Modell, wenn er nicht gerade buddelt und hortet Opale kiloweise. Moment mal ich bin gleich zurück“, sagte eilig der Barkeeper und verschwand. Er fischte gekonnt den verbrutzelten Fisch aus der Friteuse, verteilte alles geschwind auf drei Teller, legte drei Portionen Chips daneben, ein Häufchen klein gehacktes Grünzeug dazu. Der Salzstreuer wirbelte darüber wie eine undichte gläserne Wolke. Dann noch ein bisschen Blupp vom French Dressing über das Grünzeug und das war’s schon. Die Menüs hoch aufgetürmt zu einer Pyramide, wanderte kurze Zeit darauf wie Ufos durch den Raum. Eine knackige Gesinnungsgenossin im Bikini mit Schürze balancierte die Teller den hungrigen Skippern entgegen.

„Wo bin ich stehen geblieben? Ach ja, der Opal Buddler. Schleicht sich bei Nacht und klarem Sternenhimmel aus seinem Loch, klaut einen alten Laster und verduftet auf Nimmerwiedersehen. Ein Jahr später schickt er eine Karte aus Taiwan und die ganze Buddlerbande besäuft sich besinnungslos vor Neid. Der Lastwagenbesitzer schwört Rache und wartet geduldig, bis der Ex-Buddler, jetzt stolzer Yachteigner, im Hafen von Townsville einklariert. Moment mal, ich muss Bier einschenken.“

„Schenk mir auch ein Glas ein“, nutzte Don die Gunst der Stunde.

„Du denkst, gleich wird die tolle Yacht von Blut besudelt. Nicht die Spur von Blut, dafür aber eine Menge Whisky für die zwei Buddelbrüder, die beschlossen erst zu saufen und danach zu kämpfen. Die kämpften sich auch durch drei meiner alten Freundinnen rein und raus, segelten hierher und wurden gleich eingebuchtet.“

„Warum denn das? Ein bisschen Lebensfreude ist doch kein Verbrechen!“

„Das nicht, aber eine Yacht klauen schon. Die Chinesen behaupten, der Opalheini hätte nur dreißig Prozent angezahlt, Probefahrt gemacht und sei dann abgehauen.“

„Das kommt vor. Wieso ist die Yacht zum Charter freigegeben worden, während der Eigner im Knast sitzt?“

„Anwaltskosten, mein lieber Sportsfreund. Der Anwalt ist auch mein Boss, dem gehört der Laden hier.“

„Wie praktisch und köstlich amüsant. Was soll aus der Yacht werden?“

„Die Chinesen wollen sie zurück haben, weil sie ein geheimer Prototyp ist. Ganz neue Technik mit allem Schnickschnack. Aber mein Boss will sie versteigern lassen, damit der Buddler seine dreißig Prozent und das Designerhonorar einkassieren kann.“

Don horchte auf und dachte schnell nach.

„Vielleicht kenne ich einen Investor, der selber Designer ist, der dabei beide Parteien zufrieden stellen könnte.“

„Das wäre viel zu schön um wahr zu sein. Springt dabei für mich was raus?“

„Mein Sportsfreund, das Leben ist voller Überraschungen. Ich schaue mir die tolle Yacht erst einmal an.“

Don rutschte vom Hocker, zahlte seine Bierchen und schlenderte langsam dem verheißungsvollen Pier entgegen. Er zündete sich unterwegs ein Pfeifchen an und genoss die Vorfreude, wohl wissend, dass der Traumjob für Edy eine Schicksalsrichtung eingeschlagen hatte.

Als sich die Anzahl der vielen Schiffsmasten lichtete und der ellenlange Pier immer kürzer wurde, erblickte Don den schneeweißen Trimaran Albatros, mit zwei mächtigen Masten und einem stattlichen Deckhaus auf drei Kufen. Je weiter er sich näherte, umso mehr entdeckte er glitzernde Details auf der Yacht. Don hatte schon eine Menge toller schnittiger Yachten in den Magazinen gesehen und manche davon in der Bucht von Sydney bewundert. Aber ein Trimaran von solcher Größe war auch für ihn eine Neuheit. Daher verlangsamte er seinen Schritt und genoss jedes einzelne Detail, das durch die schrumpfende Entfernung, wie unter einem Mikroskop mit konstanter Vergrößerung, immer neu zu entdecken war.

Obwohl er ein notorischer Liebhaber von Holzyachten war, musste er eingestehen, dass diese Yacht etwas Majestätisches an sich hatte. Seine beiden Freunde schworen auf Glasfaser und Kunstharz, das vor kurzem in Amerika als Zukunftswerkstoff hoch bejubelt wurde. Er dagegen empfand solche Schiffe als irgendwie seelenlos, wie entrahmte Milch. Zwar weiß und nach Milch schmeckend, aber ohne Substanz.

Als er schließlich vor der Yacht stand und die mächtigen Kufen betrachtete, stellte er mit Bewunderung fest, dass jede einzelne dieser Kufen eine schnittige Regattayacht hätte abgeben können. Das Schiff war einundzwanzig Meter lang, mindestens zehn Meter breit, und erinnerte an einen mit Netz umzäunten Tennisplatz. Das zweckentfremdete Luxushaus in der Mitte hatte jeweils einen mächtigen Mast vor und hinter dem Haus. Unter diesem Prachthaus ragten drei messerscharfe Kufen hervor, die wie eine dreizackige Gabel mit strammen Netzen bespannt waren.

Das Achterdeck war gigantisch, dort standen wunderschöne Gartenmöbel aus edlen Hölzern kunstvoll geschnitzt. An zwei mächtigen Säulen aus spiegelglattem Edelstahl waren zwei Riesensteuerräder angebracht, als seien sie von einem alten Klipper entführt worden. An zwei Edelstahlbögen, die mit einer Holzbrücke verbunden waren, hing ein 22-Fuß-Angelboot, das sich wie ein Spielzeug im Schaufenster präsentierte. Drei junge Hippiesurfer und zwei Hippiemädels kramten in den Proviantboxen. Jeder mit einer Flasche in der Hand wollten sie sich gerade auf die Sessel setzten, als Don sie ansprach.

„Hey, Leute, seid ihr mit dem Proviantverladen fertig oder wollt ihr da Wurzeln schlagen?“ forderte Don die Jugend auf, sich ihm zu zuwenden. Er hielt demonstrativ die Schlüssel in einer Hand und die Mappe mit den Schiffspapieren in der anderen.

„Na so was, Don persönlich“, kicherte eines der Mädchen und kokettierte mit einem Küsschen auf dem Finger und einem Windstoß von ihren sinnlichen Lippen, als wollte sie Don gleich verführen. Dieser machte einen Satz über den breiten Spalt, den die birnenförmigen Fender zwischen Pier und Schiff als Abstand hielten. Eine kunstvoll verarbeitete Landebrücke war noch an der Reling angebunden, denn die langbeinigen, durchtrainierten jungen Leute brauchten sie nicht. Als Don auf dem Deck landete, hatte er das Gefühl von einem Boot aufs Festland gesprungen zu sein, weil der Pier wackeliger war als diese schwimmende Plattform.

„Hat jemand von euch schon Diesel gebunkert?“, fragte er und richtete seinen Blick auf den vermutlich Ältesten der Gruppe. Er sah Verlegenheit in seinen Augen.

„Dafür braucht man ein besonderes Werkzeug oder einen Schlüssel“, antwortete ein Mädchen.

Ohne ein Wort zu sagen ging Don zur Steuerkonsole. Er vermutete, wo ein Zweitschlüssel zu finden sei. Unter dem Steuerrad stand eine Box als Fußstütze. Er öffnete den Deckel der Box entnahm einen dicken Korken an dem ein Spezialschlüssel baumelte.

„Also los, junger Mann, bring die Zapfkanone hierher.“

Er entdeckte gleich den glänzenden Deckel mit eingeprägter Aufschrift, Fuel Diesel only’, ging in die Knie und schraubte den Deckel mit diesem Schlüssel auf. Auf jeder Außenkufe gab es zwei Deckel für die Dieseltanks. In der Mitte des Achterdecks war ein Deckel zum Bunkern von Wasser.

„Hey, du Verführerin! Willst du nicht den Wasserschlauch holen?“, rief Don dem Mädchen zu das ihm den Kuss per Lustpost geschickte hatte. Sie sprang sofort auf und eilte zum Pier. Es dauerte eine gute Viertelstunde, bis die Tanks voll waren. Dann zeigte er ihr wie man verspritzten Diesel vom Deck abwäscht. Schließlich schloss er die Schiebetüren zum Deckhaus auf. Die Klimaanlage lief auf vollen Touren und verwandelte das ganze Schiff in eine Kühltruhe. Er schloss die Türen hinter sich, worauf die jungen Leute verdutzt draußen stehen blieben. Gezielt suchte er den Schalter für die Klimaanlage und machte dem Winter ein Ende. Don verließ sofort das Deckhaus, denn ihm lief eiskalter Schweiß den Nacken hinunter. Eine Erkältung wollte er sich absolut nicht einfangen. Als er die Türen hinter sich zusammenzog, standen die jungen Leute zum Gruß und warteten auf die Freikarte eintreten zu dürfen.

„Bedaure, Leute, drinnen ist es eiskalt. Wir müssen abwarten, bis sich die Luft etwas erwärmt hat. Erst später werden wir hinein gehen. In der Zwischenzeit bringt ihr bitte das Schiff von außen auf Hochglanz. Jeder bekommt einen fünfundzwanziger Schein, vorausgesetzt, die Beauty ist wie geleckt.“

„Abgemacht und versprochen, sonst brechen wir dir alle Knochen“, riefen sie vereint im Chor und machten sich erfreut an die Arbeit.

Als Don erneut zurück zur Bar kehrte, waren noch immer viele Leute anwesend, die ihren Durst mit kaltem Bier löschten und übersalzten Fisch mit Chips aßen. Don entdeckte Erol und Alida in einer ruhigeren Ecke an einem Tisch sitzen, gab ihnen ein Zeichen zu warten und ging zum Barkeeper.

„Ist meine Kundschaft schon eingetroffen?“, fragte er.

„Die beiden sitzen schon eine Weile und warten auf dich.“

„Ich muss von deinem Büro aus mal telefonieren. Den Freund anrufen, wegen der Yachtversteigerung. Wenn ich zurückkomme zeigst du mir die Leute.“

„Glaubst du, er kann soviel Geld aufbringen?“

„Darauf kannst du deine Haare wetten.“

„Wenn du das fertig bringst, dann rasiere ich mir eine Glatze.“

„Abgemacht und versprochen, sonst breche ich dir alle Knochen“, imitierte Don den Surferspruch.

„Du lernst schnell, Sportsfreund. Mach schon, rufe den Kerl an!“

Don ging in das Büro, betrachtete die Fotos der zum Verkauf offerierten Yachten, kehrte aber nicht zur Bar zurück, sondern eilte zu Edy, um ihm die frohe Botschaft zu verkünden. Edy saß entspannt mit ausgestreckten Beinen auf einer Bank auf dem Achterdeck, paffte an seiner Pfeife und zeichnete noch immer.

„Sind Sie der Einkaufsdirektor der, Delfin & Albatros Charter’, Sportsfreund?“, belustigte sich Don als er am Steg ankam.

„Haben Sie etwas anzubieten, Sportsfreund?“, konterte Edy in gleicher Manier.

„Pack deine Papierchen Partner. In etwa einer halben Stunde kommst du rüber in die Bar. Mach dich piekfein, du bist jetzt der große Boss.“

Don José unterrichtete Edy in groben Zügen über das, was ihn am Pier erwarten wird. Edy staunte nicht schlecht, was sein Freund in dieser kurzen Zeit alles geschickt eingefädelt hatte. Kurz darauf überquerte Don die Straße und eilte mit zügigen Schritten zurück zur Bar.

„Sportsfreund, um dich herum tanzen heute eine Menge Glücksengel. Mein Freund ist schon unterwegs“, flüsterte er dem Barkeeper leise zu. Der wiederum pfiff durch die Zähne, rieb sich die Hände und fragte verschmitzt:

„Soll ich mich vielleicht ein bisschen kämmen und ein frisches Hemd anziehen?“

„Das kann nicht schaden, bring mir ein Bier und zeige mir die Leute.“

Der Barkeeper zapfte ein frisches Glas voll, kam hinter der Theke hervor und ging zu dem jungen Paar voraus.

„Darf ich Ihnen den Kapitän Ihrer Yacht vorstellen, Don José ist sein Name und mein bester Freund“, lieferte er die Empfehlung hinterher.

Die zwei standen auf, lächelten belustigt über dieses Begrüßungstheater.

„Es ist mir eine Ehre Eurer Lordschaft zu dienen“, begrüßte Kapitän Don José die Herrschaften mit einer tiefen Verbeugung.

„Lassen Sie das mit Eurer Lordschaft’, Kapitän Don José, wir sind in Australien und nicht in England.“

Erol ergriff die ausgestreckte Hand, die er kräftig schüttelte.

„Haben Sie das Schiff schon besichtigt, Kapitän Don José?“

Der wiederum drehte sich zunächst zu Alida, nahm ihre Hand, verbeugte sich galant, gab ihr einen Handkuss, einer Lady angemessen.

„Jawohl Eure..., Verzeihung“, wollte Don José antworten. „Proviant ist gebunkert, sie wird gerade frisch gereinigt“, fügte er noch hinzu.

Er drehte sich zum Barkeeper bedankte sich für seine Hilfe und gab ihm ein Zeichen wieder an seine Arbeit zu gehen. Don José trat hinter Alidas Stuhl, half ihr sich zu setzen, wie es von einem wahren Gentleman zu erwarten war. Erol verzog das Gesicht, er hoffte diese Aufmerksamkeit beim nächsten Mal nicht zu vergessen. Als alle saßen meinte er leise:

„Manches muss ich mir abschminken in Gegenwart einer Dame.“

„Das kommt schon mit der Zeit, Partner. Passt gut auf, was in der nächsten halben Stunde passieren wird.“

Er informierte sie über die Geschichte der Yacht und darüber, dass Edy bald als potentieller Käufer aufkreuzen würde.

„Als wir die Yacht besichtigten, kamen wir beide auf die gleiche Idee. Ein tolles Schiff, nicht wahr?“, schwärmte Erol.

„Ein absoluter Hammer, ein Prototyp, zukunftsweisend, samt Design-Team und Werft. Alles werden wir stufenweise aufkaufen.“

„Wenn Edy kommt, machen wir das gleiche Vorstellungstheater. Anschließend gehen wir zusammen zur Yacht. Du bleibst mit Alida auf dem Schiff. Edy und ich gehen ins Büro mit dem Anwalt telefonieren. Dann fahre ich mit dem Landrover und besorge die erste Warenlieferung. Habt ihr die Waage besorgt?“

„Alles liegt im Landrover“, antwortete Erol. „Schau einmal wer da kommt. Edy konnte es nicht länger abwarten.“

Don José eilte Edy entgegen. Nachdem sich alle förmlich in der Bar begrüßt hatten, marschierte die Truppe den Pier entlang in Richtung Megayacht. Die Putzkolonne war gerade mit dem Deck fertig, befreiten die Winschen vom Spritzwasser. Alles glänzte in der strahlenden Sonne.

„Jungs und Mädels, die Yacht sieht aus wie geleckt, ihr seid gefeuert.“

Don griff in die Hosentasche, verteilte wie versprochen die Dollarscheine an die fleißige Putzkolonne. Was innen noch zu reinigen wäre, damit würden er und seine Partner allein fertig werden. Die Surfer stiegen zögerlich vom Schiff und schlenderten jubelnd der Bar entgegen.

Das Deckhaus war noch immer spürbar kühl, als sie eintraten. Der große Salon ungefähr acht mal neun Meter, bot eine schlichte Eleganz. Die Auswahl der Möbelstücke im mediterranen Stil, war so geschmackvoll gestaltet und von solcher Noblesse, dass die Partner Mühe hatten, ihre Begeisterung im Zaum zu halten. Sie standen überwältigt da, stießen sich mit den Ellenbogen an oder rollten mit den Augen, wenn sich ihre Blicke trafen.

Die Kombüse lag Achtern Backbords. Die Hänge- und Unterschränke mit den Geräten verdeckten diskret diese Ecke. Die Bar befand sich auf der Steuerbordseite, genau gegenüber der Kombüse. Daneben standen ein Clubsofa, Tischchen und vier Ledersessel. Dahinter eine Trennwand, mit Büchern und kristallenem Schnickschnack. Hinter dem Bücherregal ging es hinunter in den Niedergang zur Steuerbordkufe. Vermutlich befanden sich dort die Schlafkabinen.

Auf der Backbordseite zur Mitte stand ein Esstisch für acht Personen quer zur Schiffsachse. Daneben eine Anrichte mit Trennwand, dekoriert mit Ölbildern. Hinter der Trennwand begann der Niedergang zu weiteren Schlafkabinen. Hinter einer zweiten Trennwand befand sich die Navigationsstation ausgestattet mit den modernsten Geräten, was der Markt zu bieten hatte.

Im Schiff befanden sich nur vier, etwas schmale Schlafkabinen, die jedoch durch die Länge und ihre praktischen Details überzeugten. Ein großes Queensize Bett, große Spiegel an den Wänden, die die Räumlichkeit größer erscheinen ließen. Auf einer Seite befand sich ein Umkleideraum, dahinter ein geräumiges Badezimmer mit allen Raffinessen eines Fünf-Sterne-Hotels.

Den Zugang zum Motorenraum kaschierte eine mannshohe Spiegeltür. Ein Sechszylinder Fiat-Diesel mit satten 135 PS in jeder Außenkufe, schallgedämmt, mit einem 25KW Dieselgenerator gekoppelt. Dieseltanks an jeder Seite, eine Werkbank, ein Ersatzteillager und eine Lichtluke. Der ganze Raum vollklimatisiert.

Die mittlere Kufe war wesentlich schmaler, beherbergte Wassertanks, zwei Tiefkühltruhen, einen Kühlraum für Obst, Gemüse und Weinlager hinter einer Trennwand für die noch nicht ausgebauten Kojen der Crew. Alles zusammen war das ein Schiff, mit dem acht bis zehn Leute rund um den Globus segeln konnten, ohne viel einkaufen zu müssen.

Als Don wieder im Deckhaus auftauchte, saßen seine Freunde an der Bar und feuchteten ihre trockenen Kehlen an, um die überraschende Entdeckung hinunter zu spülen.

„Don, ist mit der Yacht alles in Ordnung?“, fragte Alida und verzog ihr Gesicht zum Lachen. Es war nicht zu übersehen, dass sie von der Pracht, der Ausstattung und dem Raumangebot sehr beeindruckt war.

„Yes, my Lady, alles in bester Ordnung.“

Edy war in das Gespräch mit dem Broker vertieft und hörte ihm aufmerksam zu. Don ergriff die Initiative um dem Staunen ein Ende zu setzen. Es gab Arbeit zu erledigen.

„Edy, wenn du ernsthaft an dieser Yacht interessiert bist, möchte dich Lady Alida einladen, mit uns das Wochenende zu segeln“, spielte Don weiter das Theater und grinste wie ein Lausbub.

„Das ist eine gute Idee, nicht wahr, Erol?“, ergänzte Alida.

„Womit kann ich das wieder gut machen? Vielleicht mit einem Honeymoon Törn bis nach Sydney, wenn ich die Yacht ersteigere“, konterte Edy und kratzte sich an der Nase.

Die zwei Möchtegernverlobten wurden rot, schauten sich verlegen an, als wenn die ganze Welt schon wüsste, was die zwei sich insgeheim erhofften.

„Dann ist alles geregelt, Edy. Abgemacht und versprochen, sonst breche ich dir alle Knochen“, wiederholte Don den Schwur der Surfer, der ihm so gut gefiel. Es war Zeit zu gehen, denn so manches musste noch erledigt werden. Don verließ mit Edy und dem Broker die Yacht.

Inzwischen war es drei Uhr nachmittags geworden, als Don und Edy zurück kehrten. Um Zeit zu sparen widmete sich jeder einer Aufgabe zu. Erol und Alida bereiteten Sandwiches zu, dabei schwärmten sie ausgiebig über die große Yacht. Don sortierte einige Diamanten, wog sie auf der neuen Präzisionswaage und Edy errechnete ihren Wert aus dem aktuellen Börsenbericht.

Jeder Plastikbehälter sollte genau 1kg oder 5000 Karat wiegen, insgesamt 15000 Karat. Somit dürfte ein Wert von 30 Millionen Australischen Dollar herauskommen. Sie verstauten die Behälter in normale Einkaufstüten, verspeisten mit Appetit die Sandwiches und tranken bei angeregtem Geplauder in aller Ruhe noch eine Tasse Tee. Es war Zeit, die große Yacht für die Nacht vorzubereiten und die Strategie des kommenden Tages zu besprechen.

Die Sonne ging unter, als die Partner mit der Unterbringung von Proviant, Bettwäsche, Handtüchern, Saubermachen und Aufräumen fertig waren. Nach sorgfältiger Überprüfung der Anlagen und Geräte stellten sie mit Erleichterung fest, dass an dieser Yacht alles tadellos funktionierte.

Don saß im Deckhaus vor dem Steuerrad auf einem bequemen Stuhl. Er studierte die Steuerung der Winschen, die sowohl hydraulisch als auch manuell bedienbar waren. Er hatte schon viel darüber gelesen, aber noch nie eine solche Technik in der Praxis erlebt. Mehrrumpfschiffe haben in mancher Hinsicht ihre Vorteile aber auch Tücken. Diese Yacht war zwar ein Trimaran mit höherer Stabilität als ein leicht gebauter Katamaran, aber bei ungünstigem Wind und Wellenverhältnissen mehrfach gefordert. Entweder ist das Schiff zu steif und die Segel fliegen in Fetzen, oder die Segel halten was sie versprechen und die Masten brechen wie Streichhölzer, oder der Wind kommt von unten unterstützt von einer kräftigen Welle und das Schiff kentert so schnell, dass die Crew nicht einmal Zeit hat „Keks“ zu sagen. Für eine Drei-Mann-Crew, die noch nie ein Schiff von solcher Größe und Komplexität gesegelt hatte, empfahl es sich zunächst mit wenig Segel anzufangen. Die Navigation an sich stellte kein Problem dar, denn sie wollten nur in Küstennähe segeln. Sie war also in diesem Fall bei allen Schiffen gleich. Don machte sich keine Sorgen wegen des Törns, denn die zwei Sechszylinder-Dieselmotoren würden die Yacht auch ohne Segel auf satte elf Knoten bringen. Ihm fiel etwas ein, deshalb kratzte er sich nachdenklich am Kinn.

„Ist dir etwas Außergewöhnliches unten im Motorenraum aufgefallen?“, fragte er Edy.

„Es sind zwei, Don, welchen meinst du eigentlich?“

„Beide, Edy. Irgendetwas kam mir seltsam vor.“

„Es ist alles sauber, kein Rost, kein Öl. Moment mal, die angerosteten und staubigen Bohnenbüchsen schienen irgendwie fehl am Platze zu sein.“

„Genau, Edy. Wozu sind die dort, wo alles Werkzeug ordentlich sortiert in Schubläden aufbewahrt wird?“

„Bin gleich zurück, dann wissen wir mehr.“

Als Edy zurückkehrte, hielt er zwei ein Kilo Dosen in der Hand, ging in die Kombüse, holte eine Schüssel aus Edelstahl und stellte sie auf den Tisch. Die Dosen waren randvoll mit ziemlich verrosteten Schrauben gefüllt. Keine einzige Schraube auf diesem Schiff war aus normalem Stahl, sondern aus rostfreiem Material gefertigt. Edy kippte den Inhalt in die Schüssel und siehe da, ein kleines Wunder kam zum Vorschein.

„Nicht zu fassen, die Sparbüchse der Opalbuddler. Sie müssen sie irgendwo in der Werft in Taiwan versteckt haben. Kurz vor der „Probefahrt“ versteckten sie die Dosen im Motorraum, getarnt mit Stahlschrauben obendrauf. Vermutlich Opale als Altersversorgung. Die zwei Knaben mussten den Plan von Anfang an gemeinsam ausgeheckt haben. Wenn in allen sechs Büchsen der gleiche Inhalt steckt, dann kommt ein beachtliches Vermögen zusammen.“

„Gut zu wissen“, sagte Don. „Das wird uns helfen die Zwei zu überreden schnell mit uns ins Geschäft einzusteigen.“

„Das kann nicht schaden. Ich bringe die Büchsen wieder an ihren Platz.“

„Hört, hört, ich habe einen Riesenhunger und Appetit auf ein echtes ungarisches Gulasch mit Butterreis. Heute Abend bin ich der Koch.“

„Dann mach dich an die Arbeit, Partner, zeig deiner Verlobten, wozu du sonst noch gut bist“, stichelte Edy, wohl wissend, dass die zwei wie rote Tomaten aus der Wäsche schauten.

„Edy, du hast schon öfters solche Anspielung gemacht. Bist du vielleicht eifersüchtig?“, zischte Alida. Alle drei Männer platzten fast vor Lachen, aber sie wurde richtig zornig.

„Was gibt es da zu lachen möchte ich wissen?“

„Alida“, sprang Erol ihr zur Hilfe. „Die wollen uns nur ermuntern die Katze aus dem Sack zu lassen.“

„Ich denke nicht, dass sie es ernst gemeint hat, ihr Ganoven. Wir haben Wichtigeres zu tun, als solche Witze zu machen. Lassen wir es dabei, Jungs. Sie hat in der letzten Zeit zu viel erlebt und braucht Zeit erst einmal zu sich zu kommen“, schlichtete Don die Wogen. Alida meldete sich trotzdem.

„Don, du hast wie immer Recht. Es hört sich so an, als wenn wir uns schon lange kennen, obwohl uns unsere Freundschaft gerade erst eine Woche verbindet. Und doch habe ich das Gefühl, vielmehr die Gewissheit, als wäre ich mit euch Dreien aufgewachsen. Noch vor einer Woche war ich auf der Flucht vor meinen eigenen Landsleuten. Ich wusste nicht mal warum? Don, du hast meine Situation innerhalb weniger Minuten besser begriffen als ich selbst, und sofort deine Freunde mit erheblichen Unkosten in die Situation verwickelt, die euch in keiner Weise euer Leben leichter gemacht hat. Vielmehr, ihr habt euer Leben meinetwegen aufs Spiel gesetzt. Wenn ich euch gestehe, dass ich das alles so logisch und fast selbstverständlich angenommen habe, klingt das in meinen Ohren ziemlich anmaßend. Ich sollte unter normalen Umständen ein schlechtes Gewissen haben, aber ich habe es nicht. Vielmehr habe ich die Gewissheit, dass ich zu eurem Team gehöre, weil das Schicksal es so bestimmt hat.

Was meine innigsten intimen Gefühle für Erol anbelangt, so sind sie echt, vom ersten Augenblick an. Es ist immer gut zu wissen, woran man ist. Ich mag nicht um den heißen Brei herum reden. So, meine Freunde und Partner, jeder weiß jetzt genau, wo der Hammer hängt.“

„Applaus, Applaus”, jubelten die jungen Männer und umarmten sie vor lauter Ergriffenheit und Freude.

„Edy, mach ein bisschen Musik. Heute wird gefeiert, wie sich das so unter besten Freunden gehört“, machte Don einen Vorschlag, dabei reichte er Alida sein Taschentuch, denn sie begann plötzlich zu weinen.

Don dachte darüber nach, wie sie die geschäftlichen Angelegenheiten mit der neu entstandenen intimen Entwicklung optimal verbinden sollten. In den kommenden Monaten würde eine Menge Arbeit zu erledigen sein. Dass Alida Klarheit geschaffen hatte, war von immenser Bedeutung. Die plötzliche Neuordnung ihres Lebens, die seine zwei Freunde und Alida in der letzten Woche durchmachten, war gewaltig und unwiderruflich. Die Stimme des Sängers Nat King Cole weckte ihn aus seinen Gedanken. Woher Edy diese Schallplatte so schnell herzauberte, war ihm ein Rätsel. Als der Duft von brutzelnden Zwiebeln in Butter seine Nase erreichte, wusste er sofort, dass ein genüssliches Abendessen in Vorbereitung sei. Erol tischte ordentlich Ungarisch Gulasch auf und Edy schenkte allen einen gut gekühlten Champagner dazu ein.

Am nächsten Morgen, so gegen sieben Uhr, als die Freunde den Frühstückstisch abräumen wollten, watschelte eine kugelrunde Gestalt den Pier entlang, gefolgt von dem verschlafenen Broker-Barkeeper-Freund.

„Guten Morgen allerseits! Habt ihr noch eine Tasse Kaffee für uns?“

Die Freunde ahnten, wer das sein konnte, sie winkten ihnen zu an Bord zu kommen. Edy ergriff das Wort:

„Ich nehme an Sie sind der Anwalt der Yachteigner, stimmt das so?“

„Diese Annahme ist richtig, mein Herr. Ich bin informiert worden, dass Sie ernsthaftes Interesse haben, die Yacht zu ersteigern.“

„Allerdings“, erwiderte Edy selbstbewusst. „Doch zunächst würde ich gern mit dem Eigner persönlich sprechen, wenn Sie das für Montagnachmittag einfädeln könnten. Setzen Sie sich, meine Herren, und trinken Sie in Ruhe ihren Kaffee.“ Alida brachte zwei Tassen und goss ihnen schweigend ein. Es folgte zunächst ein belangloses jedoch bewunderndes Gespräch über die Yacht. Erol räusperte sich ungeduldig und ging in die Offensive, weil ihm die Konversation zu langweilig wurde.

„Don, wir wollten gleich auslaufen, kann dieses Gespräch verschoben werden?“

„Klar doch“, beschwichtigte Edy. „Geben Sie mir ihre Visitenkarte, ich rufe Sie Montag gegen Mittag an. Das Gespräch mit dem Eigner ist mir sehr wichtig“, beendete er kurz das Gespräch.

Der Anwalt trank die Tasse in einem Zug leer, stand auf, streckte seine Hand zum Abschied und bestätigte die Abmachung. Als die zwei außer Hörweite waren, lachte die Crew vor Freude.

„Dem Surfer-Broker-Barkeeper Sportsfreund hatte ich so viel Geschäftstüchtigkeit gar nicht zugetraut. Den Anwalt am Samstag so früh aus dem Bett zu holen war schon allein eine Leistung“, sagte Don belustigt.

„Wie sich die Puzzlesteine aneinander reihen. Man könnte fast denken die alte Dame hat da ein bisschen nachgeholfen.“

„Unsere gute Uroma. Sie macht manches möglich“, flüsterte Alida mehr für sich, als hätte sie nur laut gedacht.

„Bevor wir auf große Fahrt gehen, schlage ich folgenden Plan vor: „Erstens: wir segeln direkt zu dem Sandgate Yachtclub und suchen dort, oder bei Baxtlers Jetty ein Dock, an dem wir dieses Monsterschiff andocken können. Wir sollten vor 10 Uhr dort eintreffen. Zweitens: Edy nimmt sich ein Taxi und fährt zu Samuels Laden. Hier hast du die Adresse. Du steigst irgendwo in der Nähe aus und gehst über die Straße. Dort ist ein Kaffeehaus, von wo aus du sein Geschäft gut beobachten kannst. Sollten die Vorhänge zugezogen sein, aber das Schild noch auf „Offen“ hängt, dann geh nicht hinein. Nimm gleich ein Taxi und fahr zu dem kleinen Boot, leg ab und fahre Richtung Southport Yacht Marina. Dort wartest du auf uns.

Sollten die Vorhänge zugezogen sein und das Schild „Geschlossen“ hängt, bestellst du vom Kaffeehaus aus ein Taxi und fährst um den Block herum. Halte Ausschau nach Autos, die am Straßenrand stehen und besetzt sind. Möglicherweise dunkelblaue Limousinen mit Kastenwagen dahinter. Lass das Taxi so lange herumfahren bis kurz vor 11 Uhr. Wenn die Luft rein ist, gehst du wieder ins Kaffeehaus und bestellst ein neues Taxi. Dieses soll genau um 11 Uhr vor Samuels Laden anhalten. Du steigst in das Taxi und wartest, dass sie herauskommen. Lass ihnen maximal fünf Minuten Zeit. Danach fahrt ihr zu unserem Hotel, steigt am Haupteingang aus und geht durch die Tiefgarage auf die andere Straßenseite. Nehmt euch ein Taxi und fahrt zu dem kleinen Boot, dann ab nach Southport.“

„Basieren diese Vorsichtsmaßnahmen auf bestimmten Informationen, über die wir noch nichts erfahren haben?“, wollte Erol wissen.

„Das sind keine frischen Informationen, sondern Grundregeln die man immer anwenden soll, wenn man mit Geheimdiensten Geschäfte macht. Ihr müsst euch vorstellen, dass die Geheimdienste zugleich schizophren und paranoid sind. Menschen, die in dieser Welt leben und ihren Dienst tun, was auch immer man darunter verstehen mag, handeln nach Anweisung von oben, die nicht selten eigene Ziele verfolgen, die konträr zu den Interessen der eigenen Regierung stehen. Weil sie ihre Dienste im Geheimen tätigen, weiß die eine Hand nicht was die andere tut. Die Regierung erfährt nur das, was dem hohen Meister in den Kram passt. Die Gruppe oder Abteilung, die mit Samuel kooperieren soll, hat interne Spitzel, die für bestimmte Interessengruppen gegen Bares oder Beförderungen Informationen liefern. Was sich intern und innerhalb einer Sektion abspielt, spielt sich identisch zwischen nationalen Geheimdiensten auf dem internationalen Parkett ab. Jeder bespitzelt jeden, um jeden Preis. Die Logik der Bürger außerhalb dieser Kreise hat mit der Logik der Geheimdienste nichts gemeinsam. Das, was ein Kaufmann als dumm und geschäftsschädigend ansieht, kann bei den Schlapphutfritzen als genial bewertet werden.“

„Gehen wir nicht ein hohes Risiko ein mit diesen Leuten überhaupt zu handeln? Gibt es nicht andere Wege, die für uns sicherer wären?“, fragte Alida nachdenklich.

„Jungs, lasst uns ablegen. Unterwegs haben wir reichlich Zeit dieses Thema zu erörtern“, befahl Don. Er ging direkt zum Steuerpult und startete die Dieselmotoren. Nach einigen Minuten warteten die Jungs nur noch auf sein Kommando: Leinen los. Als es endlich soweit war, ließ Don einige Sekunden verstreichen, ehe sich das Schiff vom Pier entfernte. Dann schaltete er den Rückwärtsgang ein und wartete bis die Yacht mit Abstand das Pier Ende erreichte. Danach steuerte er die Yacht in den Wind, gab darauf das Kommando das Großsegel zu setzen. Der Wind machte kaum zehn Knoten, die Segelsetzer hatten keine Mühe damit, kamen jedoch durch die enorme Masthöhe doch ins Schwitzen. Don drehte auf Kurs und alle warteten gespannt wie schnell die Yacht bei dieser Windstärke sein würde.

Der schwere Trimaran brauchte einige Zeit, die Jungs trimmten das Segel immer strammer. Obwohl Don die Motoren laufen ließ, die Propeller ausgekuppelt waren, zeigte der Zeiger satte fünf Knoten. Er wusste auch, dass die Windverhältnisse in der Bucht und auf offener See zwei paar Schuhe sind. So drehte er wieder in den Wind, gab die Anweisung das Besansegel zu setzen, schaltete die Propeller wieder ein und drückte auf den Gashebel. Die Yacht machte jetzt neun Knoten, dabei fingen die Segel an zu flattern. Je weiter sie aus der Morton Bay heraus fuhren, desto mehr frischte der Wind auf. Um den Wellington Point trimmten sie die Segel erneut, weil der Wind von achtern her mit 24 Knoten wehte. Don schaltete die Motoren aus, richtete die Yacht auf die südöstliche Spitze von Fisherman Island und staunte. Die Partner standen hinter ihm, sie jubelten vor Begeisterung.

„Vierzehn, vierzehneinhalb, mach schon Baby.“ Sie hatten das Gefühl, die Yacht schwebte über den Wellen.

„Lass uns noch das Sturmsegel ausrauschen, dann segeln wir mit 18 Knoten“, riefen Erol und Edy begeistert, berauscht zugleich von der Geschwindigkeit der Yacht , wie sie es noch nie auf einem Segelschiff erlebt hatten.

Dons Bedürfnisse waren die gleichen, wie bei allen jungen Männern, wenn es ums Auskosten der Geschwindigkeit jeglicher Fahrzeuge geht, ob zu Wasser zu Lande oder in der Luft. Er schaltete auf Autopilot, ging von einer zur anderen Seite der Yacht, um zu prüfen, wie sie die Geschwindigkeit meisterte. Er war befriedigt und berauscht von der Gleitfähigkeit dieser Yacht, die wie ein Brett übers Eis glitt. Es gab aber wichtigeres zu tun, als sich nur dem Vergnügen hinzugeben.

„Freunde, lasst uns die Vorgehensweise zu Ende diskutieren. Wir segeln schnell genug“, rief er den drei Freunden vorne am Bug zu, die die Netze als Trampolin entdeckt hatten.

„Spaß bei Seite Partner, heute und morgen müssen wir eine Menge Nägel mit ziemlich großen Köpfen machen. Daher ist es wichtig, dass jeder genau weiß, was Sache ist“, führte Don seine Erklärung fort.

„Alida, du wolltest wissen wie risikoreich die Alternative ist, die wir heute ausprobieren werden. Wenn es sich um Diamanten und solche Summen handelt, dann können wir davon ausgehen, dass die Quelle, das sind wir, nur solange in Sicherheit sind, so lange die Abnehmer nicht wissen, wo die Ware aufbewahrt wird, oder woher sie kommt. Ich bin der einzige, der das weiß und so wird es auch bleiben. Ihr wisst von den Diamanten, die auf dieser Yacht und in dem Motorboot sind. Es handelt sich nur um eine kleine Kostprobe. Die Käufer werden zuerst abwarten wie liefertreu wir sind. Wie gut wir die Verteilung in den nächsten fünf Jahren gestalten, hängt ausschließlich von uns ab. Samuels Söhne treffen heute ein. Von ihnen erfahren wir, wie gut sie sich vorbereitet haben und wie lukrativ der Kundenkreis ist. Erst dann entscheiden wir, ob unser Geschäft eine Chance hat. Das ist die einzige Alternative die Diamanten in großen Mengen an einen einzigen Abnehmer zu verkaufen. Alles andere wäre ein klein gehacktes Geschäft mit Risiken, wobei jedes kleine Unternehmen genauso gefährlich sein kann wie dieses. Jedes Geschäft ist ein Wagnis, unabhängig davon ob wir mit Kartoffeln oder Diamanten handeln.“

Die Partner schwiegen eine ganze Weile. Jeder dachte für sich an höhere Ziele und die damit verbundene Lebensweise. Hier ging es nicht um persönliche Bereicherung bei einem einmaligen Geschäft, sondern um viele Jahre ihres Lebens, die einen anderen Charakter annehmen würden, als ein Nest zu bauen und Küken groß zu ziehen. Sie waren unterwegs zu dieser einschneidenden Kreuzung. Ihnen blieb noch eine Stunde Zeit zu entscheiden, wohl wissend, dass es keine Entscheidung war, die sie selbst bestimmen konnten. Ihre Schicksalswege schienen vorbestimmt zu sein, auch wenn sie es in diesem Moment nicht wahrhaben wollten. Und doch waren sich diese vier jungen Menschen ihres gemeinsamen Weges gewiss. Don fiel etwas ein, er entschied diesen Gedanken an seine Partner weiter zu geben.

„Es gibt da einen Aspekt, den ich im Zusammenhang mit diesem Geschäft noch nicht angesprochen habe. Ist euch aufgefallen, nachdem ich Samuel zum ersten Mal in seinem Geschäft aufsuchte, durch die Fülle von Ereignissen, sich ein kleiner Tropfen zunächst in ein Bächlein und jetzt in einen Fluss verwandelt hat? Sollten sich unsere Geschäfte tatsächlich so weiter entwickeln, werden wir eine Situation haben, die mit der Strömungskraft des Amazonas vergleichbar wäre. Hätte ich Samuel stattdessen eine wertvolle Brosche mit Diamanten angeboten, wäre das Ergebnis ein einmaliges Geschäft gewesen. Hätte ich ihm danach weitere wertvolle Broschen oder Schmuckstücke zum Verkauf angeboten, hätte ich in Null-Komma-Nichts Interpol am Hals.“

Seine Partner schwiegen und warteten geduldig auf weitere Überraschungen.

„Ohne Zweifel hätte Samuel die wertvollen Schmuckstücke in kürzester Zeit mit einem satten Gewinn verkauft. Der graduelle Unterschied liegt in der Natur der Ware selbst. Er hätte die Diamanten auch aus den Schmuckstücken lösen und sie seinen Landsleuten anbieten können. Solch ein Geschäft käme nicht in Frage. Warum?“

Weiteres Schweigen, niemand sagte ein Wort.

„Weil der Ursprung der Schmuckstücke nachvollziehbar ist und die Händler sich untereinander kennen. Aber was unsere Diamanten - als Ware ohne Herkunft - so charakteristisch attraktiv macht, ist ihre absolute Reinheit und ein unnachahmlicher Schliff. Jedes Stück bleibt ein Unikat, das keine vergleichbare Ähnlichkeit findet. Diese Diamanten sind sozusagen „verdichtete Gedankenenergie“, oder Traumware für die Händler, die mit uns eine dauerhafte Beziehung eingehen wollen. Im primären Bereich ihrer Bewusstseinsebene herrscht bei den normalen Händlern nur ein Verlangen, Diamanten in der Regel im ungeschliffenen Zustand, massenweise zu besorgen. Im sekundären Bereich, den man fälschlicherweise als Unterbewusstsein bezeichnet, herrscht dagegen eine andere Art von Verlangen. In englischer Sprache nennt man das, Request for Proposal’ oder, Anfrage für ein Angebot’.

Die Mutter Natur praktiziert eine Fülle von Methoden, die sich gegenseitig ergänzen und uns täglich zu dem ,Perpetuum mobile im Werden’ vor Augen führt. Ich nenne euch ein leuchtendes Beispiel:

Die Regenfälle sind dort unvergleichbar häufiger und intensiver, wo üppige Vegetation herrscht. Die Wüsten melden nur selten ihren Wasserbedarf an. Sie bekommen was sie verlangen. Genauso verhält es sich in unserem Fall. Die jüdischen Diamantenhändler sind der Regenwald, der vorübergehend durch die Konkurrenz in anderen Regionen, diesmal an Wasserknappheit leidet. Der Himmel, oder der globale Anfragenkoordinator, verarbeitet die Gedankenwolke in die gewünschte Menge, in unserem Fall Diamantenunikate. Er sucht einen geeigneten Spediteur, das sind wir, verknüpft diese Lieferung mit einer Mission, deren Sinn nur der Himmel kennt und bestimmt die Liefertermine und Konditionen. Die uns so lieb gewonnene alte Dame, die wir Uroma nennen, ist zugleich unsere Unterhändlerin und oberste Überwacherin. Sowohl wir als die wahren Lieferanten, die Händler als Wiederverkäufer, sind nur in vorübergehender Weise benutzte Werkzeuge, um das ,Perpetuum Mobile im Werden’ am Laufen zu halten.“

Die drei Zuhörer schwiegen, weil sie das Ausmaß dieser Gedanken noch nicht ganz nachvollziehen konnten, wiederum nach einer passenden Formulierung einer Frage suchten.

„Don, ich kann sehr wohl nachvollziehen, dass die Gedanken Energiefelder bilden, die dann durch irgendwelche Transformatoren materialisiert werden, ich meine irgendwo und irgendwann. Was ich nicht verstehe, ist das Verhältnis des Gedankenemittenten, sprich Händler, zu der gewaltigen Mehrheit der Menschen. Ich meine damit, dass ein kleiner Prozentsatz an Händlern ein gewaltiges Energiefeld entwickeln kann“, versuchte Alida ihre Gedanken in Worte zu fassen.

„Alida, Händler üben eine wichtige Funktion aus, die mit Wahlzetteln zu vergleichen sind. Damit meine ich unterschiedliche Händler, nicht nur die der Diamanten. Das Universum wimmelt von vielen möglichen Überlegungen, Ideen und Traumvorstellungen aller Lebewesen, nicht nur der Menschen.

Die Traumvorstellungen gruppieren sich nach dem Grad der Zugehörigkeit zum jeweiligen gemeinsamen Nenner. Es ist eine permanente Kristallisierung der Traumvorstellungen im Gange und dadurch eine permanente Entwicklung und Veränderung der Kräfte. Die Händler sind die Wahlzettel und zugleich die Ermittler des Wahlsiegers. All diese Traumwahlzettel landen in einer Wahlurne. Anschließend kanalisiert man sie entsprechend der Potenz dieser Wunschvorstellungen entweder zu einem Erfinder, wenn es sich um eine noch nicht existierende Ware handelt, oder zu dem Hersteller der gewünschten Ware.

Die Darwinisten bezeichnen diesen Prozess als ,Evolution’. Sie gehen davon aus, dass ein Veredelungsprozess zum Positiven, was auch immer darunter verstanden wird, unausweichlich ist. Jeder, der ein Schema anwendet um die Zukunftsentwicklung vorhersagen zu können, wird eines Besseren belehrt.

In unserem konkreten Fall signalisieren die Händler ein wachsendes Potential des Marktes und dadurch eine härtere Gangart zwischen den Konkurrenten. Für die Händler mit denen wir zusammenarbeiten wollen, ist es von großer Wichtigkeit, die eigenen Reihen dicht zu halten. Die Konkurrenz wird früh genug erfahren, dass ein neues Produkt am Markt ist, das alles andere in den Schatten stellt.

Daher liegt es an euch Dreien, zusammen mit Samuels Söhnen, ein langfristiges tadelloses operierendes Transport- und Verteilungsnetz aufzubauen. Das ist eure primäre Aufgabe. Sobald wir diese Aufgabe mit Samuels Söhnen heute und morgen erläutert haben, sind die 30 Millionen Startkapital gesichert. Danach seid ihr sechs auf eure eigene Initiative angewiesen.

Ich gehe meinen Weg und nehme nur Kontakt zu euch auf, wenn weitere Liefertermine angekündigt werden. Wir kommunizieren danach nur über Anzeigen in Yachtmagazinen. Wie das im Detail funktioniert, darüber reden wir später. Es ist durchaus denkbar, dass ich euch unerwartet aufsuche, wenn es erforderlich sein sollte. Dass ich euch sehr vermissen werde, brauche ich nicht noch extra zu erwähnen.“

„Auf welchem Wege wird uns Kapital zugewiesen?“ fragte Edy, der dabei war eine lange Einkaufsliste zu entwerfen.

„Eine Stiftung aus der Schweiz“, antwortete Don knapp.

„Über welche Gesamtsumme reden wir für dieses Jahr?“ wollte Erol wissen.

„Etwa 300-400 Millionen Australische Dollar. Die Summe hängt davon ab wie schnell ihr geeignete Marinas, Werften und für den Anfang geeignete Schiffe am Markt findet. Deswegen solltet ihr euch zuerst unter-einander einigen, wer welchen Aufgabenbereich übernimmt. Darüber können wir erst reden, wenn wir die Söhne von Samuel befragt haben.“

Don unterbrach das Gespräch und ging zur Brücke. Auf der Steuerbordseite passierte die Yacht mit 17 Knoten und prallen Segeln Green Island. Die Moreton Bay eignete sich bestens um ein Schiff solcher Bauart auf Geschwindigkeit zu trimmen. Die vorgelagerten Inseln, North Stradbroke und Moreton, wirkten wie die Flügel einer brütenden Henne, die schützend die Bucht gegen die Wellen des Pazifiks verteidigte. Nur eine schmale, etwa drei Meilen breite Öffnung, ließ die Strömung für Ebbe und Flut spürbar werden. Aber auch die Winde, die in diesem Abschnitt mit Böen überraschten, sollte man nicht außer Acht lassen. Die Inseln Green, St. Helena und Mud waren nur Sandbänke. Sie boten kaum Schutz vor Böen.

Don errechnete schnell, dass sie etwa um zehn Uhr ihren Zielhafen erreichen würden. Der Wind drehte etwas, deshalb gab er die Anweisung, die Segel für den optimalen Raumwind zu trimmen. Danach bekam die Yacht eine kaum spürbare Kränkung nach Backbord und rauschte mit 18 Knoten dahin. Für ihn und seine Freunde war dieses Gleiten über die Wellenkämme eine völlig neue Erfahrung. Sie hätten sich gerne länger diesem berauschenden Vergnügen gewidmet, aber die verbliebene Stunde bis zum Hafen wollten sie für wichtigere Dinge nutzten.

Alida meldete sich nachdenklich zu Wort.

„Don, bis jetzt warst du derjenige, der alles geplant und in die Wege geleitet hat. Vermutlich hast du damit viel Zeit verbracht, um diese komplexe Vorgehensweise auszutüfteln. Wir drei sind erst seit einer Woche in diese für uns neue Welt eingetreten. Woher bist du dir sicher, dass wir diese Aufgaben ohne deine Hilfe schaffen?“

„Ihr seid doch auch, genau wie ich, von unserer Uroma auf die Stirn geküsst worden. Ich werde meine Wege träumen und ihr die euren. Nehmt eure Träume ernst, dann werdet ihr alles zum gegebenen Zeitpunkt fertig bringen. Die Uroma wird euch diese Gewissheit vermitteln.“

„Diese Zuversicht überkam mich schon, obwohl sie mir nur einmal im Traum erschienen war“, bestätigte Alida mit einem tiefen Seufzer.

Don wechselte das Thema, wandte sich Edy zu und erläuterte ihm, wie er vorgehen sollte:

„Bevor du an Land gehst, wechselst du deine Kleidung. Such dir etwas aus das typisch für Brisbane ist. Ich weiß, dass du die kniehohen Strümpfe nicht magst und die dreiviertel langen Shorts, die deine knochigen Knie zum Vorschein bringen. Sei beruhigt, die Maskerade ist nur von kurzer Dauer. Du sollst einfach in der Menge nicht auffallen.“

„Don, du bist vielleicht der einzige, der mir glauben wird, dass ich das in der letzten Nacht geträumt habe, bevor Erol und ich zum einkaufen gingen“, bestätigte Alida mit einem lauten Lachen.

„Und du hast dich im Traum über Erol köstlich amüsiert, weil er mit seinen dicken Waden und kniehohen Wollstrümpfen wie ein Ringkämpfer durch die Straßen marschierte“, konterte Edy und alle lachten.

„Edy vergiss nicht deine Clubkrawatte umzubinden. Sie ist auch in der Tüte dabei“, ergänzte Alida, deren Lachen im Wind verhallte.

Edy eilte in seine Kabine um sich neu zu kleiden. Die Yacht steuerte Bexter Jetty an. Don signalisierte Erol, die Vorsegel zu reffen, indem er mit den Händen einige Bewegungen machte. Dann rief er laut:

„Erol, komm mal bitte und lass uns die hydraulischen Muskeln ausprobieren. Du wirst die Yacht demnächst steuern müssen. Versuch mal die Segel mit den Hydraulikwinschen zu reffen. Ich steh bei der Winsch und greife ein, wenn es nicht richtig klappen sollte.“

„Ich schalte die Motoren und den Generator an, damit wir genug Strom haben. Dann drehe ich in den Wind, um die Segel zu entlasten. Das wird dann ungefähr der Kurs, den wir beim Anlegen brauchen. Ehe die Motoren warm sind, sind wir schon am Wendepunkt.“

„Aye, Aye, Kapitän, so soll es sein.“

Don schaute auf seine Armbanduhr und stellte fest, dass es inzwischen Viertel vor zehn geworden war.

„Sieh zu, dass wir keine zu große Schleife machen, die Zeit ist knapp. Die Vorsegel kannst du gleich nacheinander fliegen lassen, aber den Groß und Besan musst du im Wind reffen.“

Als Edy an Deck in seiner neuen Kleidung auftauchte, erfasste er die Situation sofort und half Erol an den Jib Winschen. Für die drei Segler war es faszinierend zuzuschauen, wie die Vorsegel wie von Geisterhand sauber abrollten. Als das Großsegel zu flattern anfing, sprang Erol zur Großmastwinsch und ließ es frei fallen. Er schaute hoch und wunderte sich, wie sich das Segel ordentlich auf dem Baum zusammen faltete. Erst dann nahm er die dünnen Führungsleinen wahr, die wie ein dreieckiges Spinnennetz am Baum befestigt waren. So etwas hatten die Jungs noch nicht gesehen, deshalb waren sie froh, das große Segel nicht an Deck aufsammeln zu müssen.

Unweit vom Jetty legte gerade eine große Motoryacht ab. Die Leute die am Pier standen und winkten, sahen den stattlichen Trimaran auf sich zu kommen, der den gleichen Pier ansteuerte. Don und Edy warfen gerade noch rechtzeitig die Fender über die Reling, bevor die Yacht sanft am Pier anlegte. Don warf den Leuten am Pier die Achterleine zu und sah Edy zum Bug rennen. Innerhalb von wenigen Minuten war die Yacht vertäut und die Motoren abgeschaltet. Edy war schon mit der Gangway beschäftigt, vertäute sie an der Reling und ging an Land.

„Edy, denk dran, wir warten hier bis Punkt zwölf Uhr. Ansonsten gilt alles wie vereinbart“, rief Don ihm noch nach, als er bereits die Böschung zur Straße hinauf kletterte.

„Ich denke es wird Zeit, etwas Leckeres zum Mittagessen vorzubereiten. Die Seeluft macht mich immer hungrig“, schlug Erol vor und fasste Alida bei der Hand.

„Denk daran, die Gäste essen nur Koscheres. Vielleicht vier gebratene Hähnchen, Bratkartoffeln oder Reis mit Salat würde allen gut schmecken“, suggerierte Don, denn er aß selbst gern knusprige Hähnchen.

Don suchte mit dem Fernglas den Pier und Umgebung nach einem Telefonhäuschen ab. Die dunkelrot-sattgrünen, mit Royal Post’ Wappen geschmückten Häuschen waren - so wie in England - nicht zu übersehen. Er entdeckte jedoch keines. Zurück im Deckhaus informierte er Erol und Alida, dass er jetzt Samuel anrufen werde. Er verabschiedete sich von den beiden und ging die Sinbad Street entlang, in Richtung Sandgate Yachtclub. An der Ecke zur Railway Street entdeckte er ein Telefonhäuschen. Er wählte Samuels Telefonnummer, die er sich gut eingeprägt hatte. Nachdem das Telefon mehrfach klingelte, meldete sich eine männliche Stimme:

„Hier bei Samuel und Söhne.“ Die Stimme klang ruhig, als ob der Anruf schon erwartet wurde.

„Möchten Sie meinen Vater sprechen?“

Don schwieg und horchte auf die Nebengeräusche, die er deutlich wahrnehmen konnte. Er hörte eine Stimme rufen:

„Papa, da ist jemand für dich am Telefon.“

Die Spannung bei Don löste sich, als er Samuels Stimme vernahm.

„Don, mein lieber Freund, bist du es?“

„Guten Morgen, Samuel, ich hoffe ihr seid alle gut gelaunt, um heute eine Angeltour zu machen?“, begann Don das Gespräch und lauschte erneut auf die Nebengeräusche in Samuels Laden. Er hörte eine Unterhaltung, kurze Sätze in deutscher Sprache, was ihn sehr verwunderte.

„Wir haben auf deinen Anruf gewartet, es ist alles fertig gepackt. Wir warten nur noch auf unseren jüngsten Sohn, der aber bald kommen wird“, erwiderte Samuel. Seine Stimme klang gelassen und freundlich, was Don sichtlich beruhigte.

„Samuel, mein Freund, ein Taxi wird Punkt elf Uhr vor deinem Laden anhalten. Der Fahrer weiß Bescheid und wird euch zum Anlegeplatz bringen. Bis bald, Samuel.“

Er unterbrach die Verbindung ohne eine Antwort abzuwarten. Als Don zum Schiff zurückkehrte, erwartete ihn Alida schon ungeduldig. Don sah sie von weitem und winkte ihr zu.

„Samuel wartet schon darauf abgeholt zu werden. Es scheint alles in Ordnung zu sein. Nur der jüngste Sohn ist noch auf dem Weg zum Laden.“

Als Edy die Sandgate Railway Station erreichte, stiegen gerade einige Fahrgäste aus, aber kein Taxi war zu sehen. Er eilte zum Schalter überlegte als Alternative mit der Bahn zur Stadtmitte zu fahren. In Sydney kannte er sich einigermaßen mit der U-Bahn aus, deshalb wusste er, dass man so schneller vorankam, als mit dem Auto. Aber Sydney hatte eine andere Infrastruktur als Brisbane, das sah er schon aus dem Stadtplan. Der Bahnbeamte am Schalter gab ihm den Tipp bis Bowen Hills mit der U-Bahn zu fahren, was etwa zwanzig Minuten dauern würde, von dort ein Taxi zur Innenstadt zu nehmen. Den Rat befolgte Edy. Kurze Zeit später setzte sich der Zug mit beachtlicher Beschleunigung in Bewegung.

Sein Abteil war gähnend leer, darum ging er noch einmal in Gedanken alle Instruktionen durch, die er von Don erhalten hatte. An den folgenden Haltestellen füllte sich das Abteil allmählich, meistens mit jungen Menschen. Die Miniröcke waren gerade in Mode gekommen. Die prallen Schenkel der jungen Damen machten es ihm schwer sich zu konzentrieren. Schließlich gab er auf und ließ die Natur walten, reduzierte seine Aufmerksamkeit lediglich auf die Ansage der Bahnstationen. Seiner Phantasie hatte er zu viel Zügel gelassen. Die Endstation kam immer näher. Er stand auf, eilte zum Ausgang, wartete an der Tür als er spürte, dass die Erregung langsam nachgab.

Mehrere Taxis warteten auf Kundschaft. Edy schrieb sich zuerst die Telefonnummer der Taxifirma auf, ehe er das erste Taxi bestieg. Dem Fahrer gab er die grobe Richtung an wohin er fahren wollte, wusste aber nicht wie das Kaffeehaus hieß. Der Fahrer meldete sich nach einer Weile, erklärte ihm, dass sie sich nun auf der gewünschten Straße befänden. Er wollte wissen, wo er anhalten sollte. Edy bat ihn nach einem Kaffeehaus zu suchen, worauf der Fahrer gleich Bescheid wusste. Sie fuhren noch über die nächste Kreuzung, bis das Taxi vor einem Kaffeehaus stehen blieb. Er bezahlte den Fahrer, stieg aus und suchte nach Samuels Laden. So wie es Don beschrieben hatte, entdeckte er das Geschäft gleich auf der anderen Straßenseite. Er bat den Taxifahrer Punkt elf Uhr genau vor dem gegenüberliegenden Juwelierladen auf vier Gäste zu warten. Edy gab ihm einen Zettel mit der Bitte, die Gäste bis zum Sandgate Yachtclub zu fahren. Eine Zehndollarnote als Anzahlung unterstrich seine ehrliche Absicht.

Das Taxi fuhr ab und Edy ging in das Kaffeehaus. Das Lokal war fast leer, abgesehen von zwei Männern, die an der Bar gelangweilt ihren Mokka tranken. Ein Kühlschrank mit Glastür stand neben der Bar. Im Kühlschrank sah er verschiedene Torten und einige süße orientalische Spezialitäten liebevoll arrangiert. Nachdem Edy ausgiebig die Süßigkeiten angeschaut hatte, beobachte er in der Spiegelung der Glastür die zwei Männer an der Bar. Er ging zur Theke, bestellte eine Käsesahnetorte, dazu einen Cappuccino, zahlte gleich und ging zu einem Fenstertisch.

Die Straße war recht belebt, meistens von Touristen die dem Sunshine Coast Trubel entronnen waren, um etwas Entspannung im Einkaufszentrum zu finden. Der Mann hinter der Bar rief jemandem in der Küche etwas zu, als die zwei Männer gerade von ihren Barhockern herunter rutschten. Sie schlenderten gelassen dem Ausgang entgegen. Edy fielen zum ersten Mal die Kleidung und insbesondere die Schuhe auf. Die Hosen entsprachen der Mode der fünfziger Jahre, eng, schwarz und kurz, wobei die spitzen Halbstiefel mit Schnürsenkeln stramm um die Fußgelenke geschnürt waren.

„Eigenartig“, dachte er. „So etwas habe ich das letzte Mal in Wien gesehen.“ Eine leise Alarmglocke bimmelte in seinem Kopf. Die Art und Weise, wie die Männer die Straße überquerten und in eine Seitenstraße verschwanden, kam ihm wohl bekannt vor. Unterdessen brachte die Bedienung seine Bestellung und unterbrach so für einen Moment seine Gedanken.

„Ach, verzeihen Sie bitte, Sie haben auch orientalische Süßigkeiten im Schrank, wohnen hier viele Orientale?“ fragte er die schwarzhaarige Bedienung.

„Sie meinen Juden, nicht wahr, mein Herr?“ antwortete die Frau. Ohne eine Antwort abzuwarten fragte sie:

„Sie sind nicht aus Brisbane, nicht wahr?“

„Ich bin neu hier, erst vor einer Woche aus Sydney angekommen“, antwortete Edy.

„Aber aus Sydney sind Sie auch nicht gebürtig, das erkenne ich an Ihrem europäischen Akzent“, konterte sie klugerweise.

„Da haben Sie ins Schwarze getroffen, ich bin aus Dalmatien, wenn Sie wissen, wo das ist.“

„Und ob ich das weiß, mein Herr, ich bin aus Graz, wenn Sie wissen, wo das ist.“

„Klar doch“, sagte er im Wiener Dialekt. „Das ist doch erfreulich hier einer waschechten Österreicherin zu begegnen.“

„Dann lassen Sie sich ihre Torte gut schmecken.“

Er schaute ihr nach, mit etwas Nostalgie kam ihm die Studienzeit in Österreich in den Sinn. Aus den träumenden Erinnerungen erwacht, besann er sich seiner Mission und beobachtete durch das Fenster Samuels Laden auf der gegenüber liegenden Straßenseite. Die Vorhänge waren zugezogen, ein Schild hing an der Tür, aber aus dieser Entfernung konnte er nicht erkennen, was darauf geschrieben stand. Die Passanten blieben vor diesem oder jenem Schaufenster stehen, aber niemand hielt vor dem Juwelierladen.

Plötzlich bremste eine schwarze Limousine direkt vor dem Geschäft. Ein junger Mann in weißen Tennisshorts und Polohemd stieg aus, eine braune Aktentasche unter dem Arm geklemmt, winkte dem Fahrer kurz zu und ging in Samuels Laden. Edy schaute auf seine Armbanduhr, trank den Cappuccino aus, vertilgte die Torte in einigen großen Stücken, stand auf und ging zur Bar.

„Könnten Sie mir bitte ein Taxi bestellen und ein großes Glas Wasser bringen?“

„Das haben wir gleich mein Herr“, erwiderte der Barkeeper.

Edy nahm sich die Zeit das kalte Wasser langsam zu trinken, während er ungeduldig auf das Taxi wartete. Er war in keiner Weise unerfahren, was das Observieren und Hinterfragen anbelangte. Wer in einem kommunistischen Land aufgewachsen war und mit dem System nicht zurechtkam, musste zwangsläufig lernen sich zu tarnen, oder scharf zu denken. Er gehörte zu keiner Untergrundbewegung, obwohl es an solchen Leuten im Lande und im Ausland nicht mangelte. Und genau da lag sein Problem. Weil ihn niemand einordnen konnte, wurde er von beiden Parteien bespitzelt.

Das bestellte Taxi hielt an, er bedankte sich bei der Bedienung, legte einen Dollar auf die Theke und ging. Dem Taxifahrer erklärte er genau, was er vorhatte, gab ihm die Anweisung zuerst in die Seitenstraße einzubiegen, in der die zwei Männer verschwanden. Diese Straße war zu eng für parkende Autos. Aber die Parallelstraße war auf beiden Seiten voll mit parkenden Autos.

Das Taxi fuhr langsam die Straße entlang, bog einmal um die Ecke wieder in die Hauptstraße. In einer weiteren Querstraße fuhr er noch einmal die gleiche Runde um den Block. Edy konnte nichts Verdächtiges erkennen. Mittlerweile war es schon einige Minuten vor elf Uhr. Edy bat den Taxifahrer vor einem Glaswarengeschäft unweit Samuels Laden zu halten. Er sah Samuel mit drei jungen Männern aus dem Laden kommen, wie er die Tür abschloss und sie am Straßenrand geduldig auf das Taxi warteten. Es muss kurz nach elf gewesen sein, als das bestellte Taxi ankam. Samuel stieg vorne ein, seine Söhne quetschten sich auf den Rücksitz dann fuhr das Taxi fort. Edy wartete bis das Taxi um die Ecke bog, dann gab er seinem Taxifahrer die Anweisung im Abstand zu folgen.

Edy beobachtete den Verkehr und unterhielt sich mit dem Taxifahrer über die Eigenarten der Stadtbewohner und ihre disziplinierte Fahrweise. Er entdeckte keinerlei Anzeichen, dass jemand Samuels Taxi verfolgte. Edy war froh, dass er mit der Bahn in die Stadt gekommen war, denn am Wochenende fuhren viele Stadtbewohner zu den zahlreichen Stränden. Zu diesem Zeitpunkt wirkte die Sandgate Road bereits wie eine Blechlawine, die sich nur auf der linken Hälfte der Straße bewegte.

Je dichter man zur Küste kam, umso enger wurde es auf der Straße. Edy entschied nach kurzer Überlegung an der Eagle Kreuzung auszusteigen und mit der Bahn nach Sandgate zu fahren. Dadurch konnte er etwa eine Viertelstunde vor Samuel ankommen und seinen Freunden, im Falle einer Verspätung Bescheid geben. Als er den Bahnsteig erreichte fuhr die U-Bahn gerade in den Bahnhof ein. In der Tat, er erreichte die Endstation zehn Minuten vor zwölf, rannte die Straße entlang zum Steg und schaffte es gerade noch, als Erol die Motoren anließ.

„Erol, Samuel ist mit dem Taxi unterwegs, sie stecken im dichten Verkehr und werden etwas länger brauchen.“ Atemlos erklärte Edy die Situation. Don kam an Deck und hatte gerade noch den letzten Satz mitbekommen. Daher fragte er:

„Edy, gab es etwas worüber wir schnell entscheiden müssen? Ob wir die Gäste empfangen oder besser ablegen sollten?“

„Mir ist nichts Außergewöhnliches aufgefallen. Nur der Jüngste kam mit einer dunklen Limousine und einer Aktentasche unterm Arm, ungefähr Viertel vor elf.“

„Das werden die Unterlagen sein, die wir von der Ermittlungsgruppe angefordert haben.“

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VIRDULA Endlosgeschichten Band 1

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