Читать книгу Sternenglanz - J.D. David - Страница 9
Kapitel 3
ОглавлениеEs war keine Festung. Es war ein Kloster. Außer den Mönchen lebte hier niemand. Soldaten, die diese schützten, waren im Tal in den Dörfern und einer Burg stationiert. Doch diese hatten sie erfolgreich umgangen. So gab es auch kaum Widerstand.
Als Arthur Luna das letzte Stück über die Mauer half, liefen die anderen Krieger der Schwarzen Pfeile schon dem Wehrgang entlang und schwangen sich nach unten in den Hof. Luna blickte auf die Mauer. Im Schnee lag ein toter Mönch in seiner braunen Kutte und einem dicken Mantel. Der Tod war offensichtlich schnell und unerwartet gekommen. Um die Kehle des Mannes färbte sich der Schnee langsam rot.
„Da lang!“, hörte sie Arthur sagen, der auf das Haupthaus zeigte. Die anderen Rethaner waren schon vorweg gelaufen. Dort sollten sie auch auf Rogard und seine Männer treffen.
„Die Feinde im Hof sind tot.“, sagte Yatane kalt, als sie nach unten blickte. Luna versuchte ebenfalls durch den Schnee zu blicken, doch konnte im dichten Schneefall nichts erkennen. Die Augen der Elfen waren viel schärfer, das wusste sie. Dennoch war es beeindruckend.
„Also weiter. Wir müssen die Schlafsäle finden.“, sagte Luna und lief neben Arthur auf der Mauer entlang. Sie achtete auf ihre Schritte, denn man konnte kaum sehen was vor einem lag, und Schnee und Eis bildeten eine rutschige Oberfläche. Es wäre doch sehr unköniglich, wenn sie nun von der Mauer fiel und sich den Hals brach. Als sie das Gebäude erreichten warteten die anderen Männer inklusive Rogard, der von der anderen Seite gekommen war, schon an der schweren Holztür. Luna blickte am Gebäude nach oben. Es war eine Halle, die vielleicht zwei, drei Stockwerke hoch war, an deren Hinterseite anscheinend Räume waren, so hatte sie zumindest beim Vorbeigehen vermutet. Rechts hinten war ein quadratischer Turm, der sich in die Höhe streckte.
Arthur gab einigen Männern zu verstehen, die Bögen bereit zu halten. Auch er selbst legte einen Pfeil auf den Langbogen und stellte sich vor die Tür. Mit einem Nicken befahl er dann zwei weiteren Männern, die Tür zu öffnen.
Blitzschnell zogen diese die beiden Flügel nach außen, achteten dabei aber darauf, dass diese nirgendwo anschlugen. Arthur bemerkte sofort die vier Mönche, die in der Halle waren. Zwei arbeiteten, einer saß am großen Kamin, und ein letzter schlief in der Ecke. Vielleicht gab es noch weitere in den toten Winkeln. Sofort lösten sich die Pfeile der Angreifer. Die Treffer waren tödlich. Außer eines leisen Stöhnens hörte man kein Geräusch der Sterbenden. Dann hielt Arthur kurz inne und atmete durch.
Doch bevor er selbst in die Halle gehen konnte, schob sich Yatane an dem Ritter vorbei. „Warte…“, wisperte Arthur noch leise und wollte sie aufhalten, doch die Elfe war schneller und wandte sich aus dem Griff, um dann lautlos in die Halle zu laufen. Sie blickte sich kurz um, und verschwand dann nach rechts aus ihrer Sicht. Es dauert ein, zwei Momente, dann tauchte sie wieder auf, den Dolch in der Hand. Blut tropfte von der Klinge. Sie winkte die Krieger hinein.
Luna schluckte kurz. Sie kannte Yatane nur als freundliche, lebensfrohe Elfe, die ihr in Alydan stets großartige Geschichten erzählt hatte. Doch die Königin wusste, dass Yatane eine Jägerin war. Eine Kriegerin. Brutal und effizient, wenn es notwendig war. Es gab wohl kaum Menschen, die einen Kampf mit einem Elf überleben konnten. Insofern war es sehr wertvoll, Yatane an ihrer Seite zu wissen.
Dann lief die Königin hinter Arthur in die Halle. Sie blickte sich um. Anscheinend war die große Halle zugleich Ort für Gebete, aber auch Speisesaal. Tische und Bänke standen gerade an der Wand. Das Feuer prasselte im großen Kamin und spendete Wärme und ein orangenes Licht. Sie brauchte kurz, um sich an die Helligkeit zu gewöhnen. Dann erkannte sie all die Gänge und Türen, die von der Halle abzweigten. Hier unten, im Erdgeschoss, schienen es hauptsächlich Lagerräume und Küchenräume zu sein, die von der Halle abführten. Nach rechts führte ein Weg zu dem Turm. Auf einigen Schritt Höhe war ein Gang aus Holz gebaut, auf den auch Treppen führten. Von dort führten Türen in den hinteren Bereich des Haupthauses. Sie vermutet dort oben die Schlafsäle und tippte Arthur auf die Schulter, um dorthin zu deuten. Der Ritter nickte und signalisierte allen Männern, ihm zu folgen. Dann schlichen sie eine der Treppen hinauf. Auf die Toten im Saal achtete Luna gar nicht.
Es gab einen großen Schlafsaal an der Ecke des Gebäudes. Obwohl rechts und links noch mehrere Türen abzweigten, mussten dies kleinere Zimmer sein, wenn man den Aufbau des Klosters beachtete. Also galt es erstmal, das blutige Handwerk im großen Saal zu vollenden, um danach Zimmer für Zimmer zu durchsuchen. Die größere Frage war, wo die Mitglieder des Wächterrates und insbesondere der Prior waren. Doch eines nach dem anderen.
Lautlos schlichen die Schwarzen Pfeile in den Saal und schwärmten aus, sodass jeder Mann an einem Bett stand. Die Mönche schliefen tief und fest, nur das Schnarchen und die Atemgeräusche einiger Männer und das Pfeifen des Windes draußen störte die nächtliche Stille. Auch Luna positionierte sich an einem Bett und hob ihre Klinge in die Höhe.
Arthur blicke sich kurz um. Als alle auf ihrem Posten waren, nickte er kurz, um das Signal zu geben. Die Schwerter fuhren nach unten und durchbohrten die Leiber der schlafenden Mönche. Ein, zwei, drei Mal stach Luna zu. Dann sah sie, wie das Stroh und die Federn um den Mann sich mit dessen Blut vollsaugten. Außer dem Eindringen der Klinge und einem scharfen Ausatmen gab der Mönch keinen Laut von sich. Aus den Augenwinkeln erkannte sie, wie sich einige der Schwarzen Pfeile schnell lösten, um die letzten Mönche zu töten, an deren Betten noch kein Mann gestanden war. Es ging alles so schnell, dass selbst Männer, die kurz aufwachten, nicht schreien konnten. Natürlich war das Massaker nicht vollkommen lautlos, aber es gab keine Laute, die mit Sicherheit durch das ganze Kloster zu hören gewesen wären.
Luna zog ihr Schwert aus dem Leichnam des Mönches und wischte die Klinge an der Wolldecke ab, bevor sie es wieder in die Scheide steckte. Dann ging sie auf Arthur zu, der neben dem letzten noch lebenden Mönch kniete und ihm seinen Dolch an den Hals hielt.
„Wo sind der Prior und der Wächterrat?“, fragte er flüsternd, während er dem Mann die Hand auf den Mund hielt. Vorsichtig lockerte er sie dann, damit der Mönch antworten konnte. Doch dieser machte vorerst keine Anstalten zu antworten, sondern blickte Arthur nur mit großen, verängstigten Augen an. Also erhöhte der Ritter den Druck der Klinge, sodass die Haut leicht eingeritzt wurde.
„Sprich schnell und die Wahrheit, dann verschone ich dein Leben vielleicht.“, fauchte er drohend.
Der Mönch versuchte sich leicht nach hinten zu drücken, um den Druck der Klinge zu verringern, war aber nur mäßig erfolgreich. Also nickte er leicht, vorsichtig, um sich nicht zu verletzen.
„Also?“, sagte Arthur auffordernd.
„Sie sind im Turm, im Norden des Gebäudes.“, keuchte der Mann leise. „Dort ist das Quartier des Priors und der Ratssaal. Sie meditieren gerade.“
„Danke.“, sagte Arthur und schnitt dem Mann dann die Kehle durch. Es durfte keine Überlebenden geben. Dann stand er auf und drehte sich zu Luna.
„Majestät, wir sollten gemeinsam mit Yatane und den meisten der Männer zu diesem Turm. Wir werden die Kraft Eures Schwertes brauchen. Rogard kann hier mit zwei Männern allein die restlichen Räume durchkämmen.“, schlug er flüsternd vor. Luna nickte nur. Yatane stand bereits neben ihnen und brachte keine Einwände vor.
„Also los!“, sagte Arthur so und winkte den Männern zu, ihm zu folgen. Diese waren gerade von Bett zu Bett gegangen, um zu überprüfen, dass die Arbeit vollständig verrichtet worden war. Als sie den Schlafsaal verließen spürte Luna die gespenstische Stille, als nur noch der Wind von draußen pfiff. Sie hatte sich kurz so stark und sicher gefühlt, als sie ihre Klinge gezogen hatte. Nun zog sich ihr Magen leicht zusammen, als sie an all die Toten dachte. Doch das Blutvergießen war noch nicht beendet.
So lautlos wie möglich liefen sie die Treppen hinauf und hielten dann kurz vor der Tür inne, an der die Treppe endete. Obwohl sie die Spitze wohl noch nicht erreicht hatten, musste dies der Saal des Wächterrates sein. Selbst durch die dicke Eichentür hörte man den dumpfen Gesang der Meditation und Gebete. Luna meinte sogar zu spüren, wie die Steine unter ihnen leicht vibrierten, und wie die Luft von der Macht erfüllt flimmerte. Vorsichtig und leise zog sie Zeitensturm. Als sie die schwarze Klinge sah, spürte sie sich sofort wieder stärker. Egal welche Macht diese Wächter hatten, sie hielt die Macht St. Gilberts in ihren Händen.
„Eine unglaubliche Macht…“, flüsterte Yatane leise. Die Elfe war noch empfindsamer für die Strömungen der Magie. Arthur schaute zu den zwei Männern, die sie vorne anführten.
„Bereit?“, fragte der Ritter leise. Alle Anwesenden nickten. Sie wussten, dass dies der wohl gefährlichste Moment war. Der Feind musste so schnell wie möglich ausgeschaltet werden. Denn wenn dieser erst seine volle Kraft entfesselte, ständen die Chancen zu Überleben schlecht. Gleichzeitig limitierten Tür und Treppen die Möglichkeit, zusammen anzugreifen.
Dann nickte Arthur entschlossen und die beiden ersten Männer stürmten den Raum, dicht gefolgt von Arthur, Yatane, und dann Luna. Die sieben Mitglieder des Wächterrates knieten auf dem Steinboden, alle auf eine der Wände ausgerichtet, an der Insignien, Relikte, und ein Banner standen. Sie waren von der Tür abgewandt, was den Angreifern einen kleinen Vorteil gab. Noch bevor sie reagieren konnten rammten die ersten beiden Krieger ihre Schwerter in den Rücken der hintersten beiden Wächter. Fast zeitgleich ließen Arthur und Yatane ihre Pfeile fliegen und trafen zwei weitere Wächter tödlich. Synchron, als würden sie viele Jahre zusammen kämpfen, ließen die Elfe und der Ritter ihre Bögen fallen, um ihre Klingen zu ziehen, während sie in den Raum liefen. Erst dann trat Luna in die Tür.
Vier waren erledigt, als die anderen drei den Angriff bemerkten. Sofort schwoll der Gesang an und der Jüngste der drei Männer sprang auf und deutete auf einen der vorderen beiden Krieger. Ein Stein löste sich aus der Mauer und durchschlug die Brust des Mannes, trat blutig wieder aus dem Rücken heraus, und zerschellte knapp neben Yatane an der Wand. Gleichzeitig ballte ein anderer Wächter seine Faust und ein Stein löste sich aus der Decke und zerschmetterte den Schädel des zweiten Kriegers.
Der vorderste der Wächter erhob sich und drehte sich um. Er streckte die Hände zur Seite, mit den Handflächen nach oben. Luna spürte, wie der Turm erzitterte, und sich viele kleine Steine aus den Wänden lösten und auf sie, Arthur, und Yatane zuflogen.
„Nein!“, schrie Luna laut und durchschnitt mit ihrer Klinge die Luft vor ihr. Sie schloss noch die Augen, hörte dann aber das Geräusch, wie die Steine zu Boden fielen. Sie lagen in einer sauberen Reihe vor ihnen, als hätten sie eine unsichtbare Wand getroffen. Nun hielten die drei Wächter kurz verwirrt inne. Ein Zögern, dass für sie verheerend sein sollte.
Yatane zog und warf blitzschnell einen ihrer Dolche, der sich in die Kehle eines der Wächter bohrte. Währenddessen überbrückte Arthur mit zwei großen Schritten den Abstand zum nächsten Wächter und rammte diesem Blutstein in die Brust.
Luna fokussierte den letzten Wächter und machte einen Schritt nach vorne. Getragen von der Kraft ihres Schwertes wollte sie auf den Feind zu rennen. Doch einen Augenschlag später stand sie schon vor dem Mann, hatte den Abstand von einigen Schritten in einem Moment überwunden. Sie blickte dem alten Mann in die Augen.
„Laëa…“, wollte dieser gerade noch zu einem weiteren Gebet ansetzen, als Luna ihm bereits ihre schwarze Klinge durch das Herz trieb. Während der Mann tot zu Boden sank, blickte sie sich um. Der Wächterrat war vernichtet. Es war ein gutes Gefühl. Ein wichtiger Sieg. Blut tropfte von Zeitensturm auf den Boden. Über den gesamten Steinboden des Turmes breiteten sich langsam die Blutlachen der Mönche aus. Sie hatten es so gewollt. Damals, als sie den Krieg über Kargat und Valorien gebracht hatten. Nun mussten sie den Preis dafür zahlen.
„Wir müssen den Prior finden.“, sagte Arthur und deutete auf die Tür, die sich am anderen Ende des Raumes befand. „Dort entlang. Es muss noch weiter nach oben gehen.“
Luna blickte zu Yatane, als suchte sie Bestätigung. „Ja. Ich spüre es. Dort ist ein Mann mit großer Macht.“, sagte die Elfe und blickte nach oben. Doch es war noch etwas anderes, das sie fühlte. Ein Gefühl aus einer alten Zeit, dass sie nicht zuordnen konnte. Ein Echo ihrer Erinnerung. Aber... das konnte doch nicht wahr sein. Oder?
Arthur deutete zwei Männern, zu der Tür zu gehen. Sie wusste nicht, ob die Treppe dahinter direkt in das Gemach des Priors führte, oder ob noch ein weiterer Gang dazwischen lag. Die anderen Schwarzen Pfeile sammelten sich im Raum der Wächter und legten Pfeile auf ihre Bögen. Arthur hielt entschlossen das Heft seines Ritterschwertes und blickte kurz zu Luna, bevor er den Befehl gab.
„Also. Los!“, sagte er leise und der Krieger an der Tür riss diese auf.
Luna blickte verwundert durch die Tür. Der Gang dahinter war nicht leer. Vollkommen ruhig stand dort ein alter Mann in einer Kutte und blickte auf, ihr direkt in die Augen. Es musste der Prior sein. Doch da war noch etwas. Ein Schatten kroch blitzschnell in ihren Raum, als hätte man eine Fackel vorbeigetragen. Dann ließen die Männer Arthurs ihre Pfeile fliegen.
Cleos spürte den Tod. Das Sterben. Das Leid. Den Schmerz. Es schmerzte in seiner Brust, als er aufwachte. Doch wusste er, dass es schon zu spät war. Laëa hatte sie verlassen. So hätte er wohl den Brüdern gesagt. Doch er kannte die Lüge dahinter. Er war der einzige, der den Grund ihrer Kraft kannte. Er und…
„Wenn sie sich nicht wehren konnten, waren sie es nicht wert.“ Die Stimme aus dem Schatten ließ Cleos vollends aufschrecken.
„Du.“, sagte er kalt und stand auf. „Ich habe jeden von ihnen gefunden und ausgebildet. Was wagst du es, ihr Leben herabzuwürdigen?“
„Ihr Leben ist nicht mehr. Es war so kurz und nutzlos, wie das der meisten Menschen.“
„Ich werde sie rächen.“, sagte Cleos kalt und ballte die Faust. „Wirst du mir beistehen oder nur hier sitzen und kluge Reden schwingen?“
Die Antwort war nur ein leises Lachen, als Cleos bereits die Stufen nach unten nahm. Er sammelte seine Kräfte, summte leise die Gebete an Laëa, die ihm doch halfen, die Magie zu fokussieren. Wer auch immer sie angriff: dies würde sein Tod sein. Dann würde er einen neuen Orden erbauen. Die Kraft des Kaisers und seine Kraft waren unendlich.
Als er die Tür erreichte, hörte er schon die Männer, die sich dahinter im Raum sammelten. Er spürte ihre lebenden Körper. Ihre Wärme. Ihre Energie. Doch dann spürte er noch etwas. Ein Schatten, der sich an seine Seite legte.
„Also doch.“, sagte er. Dann wurde die Tür aufgezogen.
Die Pfeile prallten an einer massiven Steinplatte ab. Luna konnte gerade noch ihr Schwert heben, als diese auf sie zuflog. Der Fels spaltete sich an der Klinge und flog rechts und links an ihr vorbei. Doch Luna nahm mehr als den Angriff von Cleos war. Sie spürte etwas, wie einen Windhauch, obwohl sich die Luft nicht rührte. Sie merkte, wie Schatten sich durch den Raum bewegten. Blitzschnell. Dann hörte sie die Schreie der Männer. Alles geschah so unglaublich schnell. Ein Schwarzer Pfeil nach dem anderen ging zu Boden. Der Klang von Stahl der Stahl traf erfüllte dann den Saal. Von Arthurs Klinge stoben Funken und der alte Ritter schrie auf, allerdings blieb er im Vergleich zu den anderen Männern stehen. Erst dann legte sich ein kurzer Moment der Ruhe über den Raum.
Luna orientierte sich. Die Männer um sie herum lagen tot auf dem Boden. Alle Krieger der Schwarzen Pfeile waren in Bruchteilen eines Momentes getötet worden. Sie erkannte sofort die vielen kleinen Schnitte, die sich über die Leiber der Männer ausbreiteten. Fein, sodass kaum Blut floss, aber an tödlichen Stellen. Sie blickte zu Arthur. Der Ritter stand noch, hatte aber mehrere Schnittwunden an Oberschenkel und Schulter. Nur seine guten Reflexe und Blutstein schienen ihn vor dem Tod bewahrt zu haben. Schnell schaute sie zu Yatane. Die Elfe stand dort mit gezogener Klinge, scheinbar unverletzt. Ihr Blick war in eine Ecke des Raumes gerichtet, ihre Augen weit aufgerissen. Luna folgte dem Blick.
Im Schatten, in einer Ecke, stand ein Mann. Er trug keine Rüstung, sondern dunkle Kleidung aus Stoff, die seinen Körper einhüllte. In den beiden Händen hielt er zwei silberne Klingen. Kurzschwerter ohne Parierstange. Leicht gebogen, die Griffe verziert. Es waren elfische Waffen. Auch die Figur und Körperhaltung erinnerte Luna an die eleganten Krieger der Elfen. In der Dunkelheit meinte sie nur die Augen zu erkennen, die sie musterten. Oder vielmehr ihr Schwert. Er hatte in kürzester Zeit ihren Trupp einfach so vernichtet. Wer war dieser Mann? Oder vielmehr, was?
Sie würde sterben. Es gab keinen Zweifel daran. Gegen solche Gegner konnten sie nun nur noch zu dritt nicht bestehen. Doch wenn dies ihr Schicksal war, wollte Luna zumindest ihre Aufgabe erfüllen. Sie rannte mit erhobener Klinge auf Cleos zu.
Wie schon vorher überbrückte sie die Entfernung in kleinster Zeit und ließ dann ihr Schwert niedersausen, um den Prior niederzustrecken. Doch so weit kam es nicht. Metall schlug auf Metall als Zeitensturm von den gekreuzten Klingen des mysteriösen Kriegers aufgehalten wurde. Luna blinzelte kurz, um zu verstehen, was passiert war. Gerade noch hatte der Feind in der anderen Ecke des Raumes gestanden, nun war er zwischen ihr und Cleos und hatte dem Prior das Leben gerettet. Doch zum Überlegen war keine Zeit.
Luna löste die Klinge und schlug weiter auf den Feind ein. Doch es fühlte sich nicht an, als würde sie das Schwert führen. Vielmehr suchte Zeitensturm Schwachstellen des Gegners, antizipierte Angriffe, und setzte gezielte Stiche. Der Klingenwechsel dauerte nur vier, fünf Schläge, dann streifte ihre Klinge über den Oberschenkel des Feindes und dieser wich zurück, drückte dabei Cleos zurück in den Gang.
Luna verharrte kurz und musterte den Mann. Noch nie hatte sie so schnell gefochten, und es schien ihr unwirklich, dass sie gegen einen solchen Fechter einen Treffer setzen konnte. Jetzt erst konnte sie sein Gesicht besser erkennen. Obwohl ein schwarzes Stirnband die Ohren abdeckte war sie sich nun fast sicher, dass ihr Gegenüber ein Elf sein musste.
„Gut gekämpft, Königin.“, sagte er mit kalter Stimme in der elfischen Sprache, womit doch eine gewisse Melodie mitschwang. Dann blickte er an Luna vorbei zu Yatane, die noch immer im Raum stand, ohne Gelegenheit, in den blitzschnellen Kampf einzusteigen. Kurz schien er ihr zuzuzwinkern, dann drehte er sich aber zu Cleos.
„Diesen Kampf führen wir später fort.“, sagte er und griff den verwirrten Prior an der Schulter.
„Nein!“, rief Luna noch und wollte ihm Nachsetzen, als beide Männer auf einmal erst tief dunkel wurden und dann im Schatten verschwanden. Erneut spürte sie eine Art Windhauch, obwohl sich die Luft kaum zu bewegen schien. Dann lag nur noch Stille im Raum.
Arthur ging langsam auf Luna zu. „Alles in Ordnung, Majestät?“, fragte er die Königin und musterte sie. Offensichtlich war sie nicht verletzt, während er nur mehr humpeln konnte.
Er bekam keine Antwort. Luna starrte noch immer mit einer Mischung aus Verwirrung und Wut auf die Stelle, wo gerade noch Cleos und der Elfenkrieger gewesen waren.
„Aaah!“ Sie schrie laut auf, schrie ihren Zorn von der Seele, und schlug ihr Schwert gegen die Wand. Während die Klinge unversehrt blieb, bröckelte Gestein aus der Kerbe. Dann blickte sie sich wieder im Raum um. Alle ihre Männer waren tot. Aber war da nicht was? Sie hörte das leise Stöhnen eines der Wächter, in dessen Brust ein Pfeil steckte. Mit zwei Schritten näherte sie sich dem älteren Mann, der dort im Sterben lag. Kurz musterte sie ihn abschätzig, dann rammte sie ihr Schwert mit Kraft in dessen Herz. Erst dann drehte sie sich zu Yatane, die Augen immer noch zu Schlitzen zusammengezogen.
„Weißt du wer das war?“
Die Elfe stand noch immer wie angewurzelt an der Stelle, an der sie verharrt war, seit sie die Tür aufgestoßen hatten. Ihre Gedanken kreisten. Wie konnte das nur möglich sein? Wie konnte er hier sein? Auf der Seite dieser Menschen? Hatte die Herrin von Alydan ihr nicht erzählt, welche finsteren Kräfte diese Menschen anriefen? Was sie mit Anuriel getan hatten? Wie konnte er nur? Gerade er?
„Yatane?“, fragte Luna nach. Ihre Stimme klang gereizt.
„Bei Elonas Gnade.“ Rogards Ausruf hallte durch den Raum, als er die Treppe oben erreichte. „Was ist hier passiert?“, fragte er ungläubig an Arthur gerichtet, als er die ganzen Toten erkannte. Statt Arthur, der immer noch Luna anschaute, drehte sich allerdings Yatane zu dem jüngeren Rethaner, als hätte er etwas Seltsames gesagt.
„Wieso Elona?“, fragte sie überrascht.
„Weil…“, wollte Rogard fast erklären, erkannte aber, dass das im Moment wohl recht egal war. „Arthur, was ist passiert.“
Erst jetzt antwortete der Ritter. „Dunkle Kräfte. Wir wurden geschlagen. Der Prior ist geflohen, mit einem seltsamen Krieger.“
„Wer war er?“, wiederholte Luna die Frage an Yatane.
„Ich bin mir nicht sicher.“, antwortete schließlich die Elfe. Es entsprach wohl auch der Wahrheit. Denn sie konnte nicht glauben, dass es der Mann gewesen war, den sie vermutete. „Seine Kräfte waren unglaublich. Aber, Luna, die Macht deines Schwertes ist größer. Wir haben Verluste erlitten, aber du hast ihn geschlagen.“
„Dennoch ist der Prior geflohen.“, sagte Luna verbittert und schaute dann zu Rogard.
„Was machst du hier?“
„Majestät, Arthur, ihr solltet mitkommen. Da ist etwas, dass ihr sehen solltet.“, sagte er. Dann schaute er noch einmal zu Arthur. „Was machen wir mit den Toten?“
Doch der Ritter schüttelte nur den Kopf. Selbst ohne die Flucht von Cleos würde der Angriff bald entdeckt werden, spätestens im Morgengrauen. Wenn die kaiserlichen Soldaten dann erstmal da waren, gab es kaum ein Entkommen. So sehr es ihn schmerzte: es war keine Zeit für einen würdevollen Abschied. Rogard nickte verständnisvoll und wandte sich dann zum Gehen.
„Yatane.“, sagte Luna, nun etwas leiser, weniger aufgebracht. Sie nickte Arthur zu, schon einmal vorzugehen.
„Was ist?“, fragte die Elfe und trat näher zur Königin, als diese gerade ihr Schwert wegsteckte. Sofort wirkte Luna weniger entschlossen und mächtig.
„Was sind das für Mächte?“, fragte sie die Elfe. Obwohl Elian und Siliva ihr über die Kraft des Weltenbaums erzählt hatten, konnte sie diese Magie noch immer nicht einordnen. Auch nicht jene Kraft, die in ihrem Schwert ruhte. Doch diese Macht war erschreckend. All die toten Schwarzen Pfeile waren Zeugnis dessen. Vielleicht erhoffte sie von Yatane eine bessere Antwort, hatte die Elfe ihr doch schon als Kind mit Geschichten Antworten auf große Fragen gegeben.
Yatane trat näher und legte der Königin ihre Hand auf den Schwertarm. „Es sind die Kräfte des Weltenbaums. Die Kräfte des Lebens. Der Natur selbst.“, sagte sie. Sie selbst hatte die Kräfte oft in ihrem langen Leben gesehen. Von Elian. Von Siliva. Von Issilia. Oder einem anderen der Elfenfürsten. Doch so wie die Natur immer wieder faszinierend sein konnte, konnte man sich auch an die Magie nicht gewöhnen. „Aber die Natur ist nicht immer gut. Sie kann zornig sein. Unbarmherzig. Kalt. Die Kräfte können viel Gutes schaffen, aber im Innersten sind sie chaotisch und zerstörerisch. Die Natur erneuert sich immer wieder. Doch Erneuerung erfordert auch Zerstörung. In deinem Schwert wohnen Teile dieser Kräfte. Am Ende kommt es darauf an, wie der Anwender seine Kräfte beherrscht und anwendet. Sie sind wie eine Klinge. Die Kaiserlichen nutzen ihre Macht, um andere Völker zu unterjochen. Doch du kannst deine Kraft dafür verwenden, dich ihnen in den Weg zu stellen.“
Luna nickte. Yatane lächelte aufmunternd. „Du musst den Verlust nun hinter dir lassen und wieder entschlossen sein. Egal was Rogard gefunden hat, es wird eine Entscheidung einer Königin bedürfen, sonst wäre er nicht gekommen.“
Luna schaute Yatane an. „Danke.“, sagte sie nur und blickte dann noch einmal auf all die Männer, die auch sie in den Tod geführt hatte. „Ich danke euch allen für eure treuen Dienste. Möget ihr im nächsten Leben Frieden finden.“, sagte sie an die Toten gerichtet. Dann lief sie zur Treppe, um Rogard und Arthur zu folgen.
Noch während sie auf dem Weg waren, hatte Luna erneut ihre Klinge gezogen. Ohne Zeitensturm wurde sie schwächer. Doch der Auftrag forderte Stärke. Yatane beobachtete die Königin fasziniert, während sie durch die Gänge des Klosters nach unten liefen, Rogard folgend. Sie hatte schon damals gewusst, dass aus Luna eine Königin der Menschen werden würde. Jene Menschen, die seit jeher nur den Krieg kannten. Es war unabdingbar gewesen, dass auch Luna diesen Weg einschlug. Doch dies in dieser Situation des brutalen Angriffs zu sehen, bildete einen Kontrapunkt zu ihren Erinnerungen an das fröhliche Mädchen. Natürlich, auch Yatane war Kriegerin, aber Luna, die sie als Kind kennen gelernt hatte, so zu sehen, löste etwas in ihr aus. Es erinnerte sie an den Krieg, den sie erlebt hatte, als sie klein gewesen war. Doch sie war glücklich, von nun an Lunas Seite sein zu können. Vielleicht konnte sie ihr ein bisschen einen Weg zeigen.
„Hier hinein.“, sagte Rogard und deutete auf eine Tür, die in einen weiteren Schlafsaal zu führen schien. Einer der beiden Schwarzen Pfeile wartete bereits davor. Arthur ging als erstes in den Raum, gefolgt von Yatane und dann Luna. Zur Überraschung der Elfe waren allerdings keine Mönche in dem nächsten Zimmer. Gedrängt in eine Ecke standen Kinder. Auf den ersten Blick erkannte sie acht Jungen, die in teilweise zu großen, braunen Kutten dort standen, und verängstigt schauten. Der zweite Krieger, der Rogard begleitet hatte, stand mit erhobener Klinge vor den Jungen und hielt diese im Schach. Yatane schätzte, dass die Kinder vielleicht acht, neun Jahre alt waren. Fast so alt wie Luna damals.
„Das sind Kinder.“, stellte die Elfe das Offensichtliche verwundert fest.
„Ja. Junge Novizen. Die anderen Räume haben wir alle gesäubert. Das hier sind die einzigen Überlebenden.“, sagte Rogard.
„Nicht ganz die Einzigen…“, sagte Luna grimmig und dachte an die Flucht des Priors.
„Was sollen wir machen? Wir können ja nicht…“, fragte Rogard an Arthur gerichtet, vollendete aber den Satz nicht.
„Luna, wir sollten…“, wollte Yatane gerade sprechen, wurde aber von der Königin mit einer Handbewegung unterbrochen. Diese ging auf die Jungen zu, musterte sie ernst, das Schwert noch immer in der Hand.
„Wer seid ihr?“, fragte sie den ältesten Jungen, der vielleicht schon elf, zwölf Jahre alt war. Dieser schwieg erstmal, schaute die Königin mit großen Augen verängstigt an.
„Was macht ihr hier?“, folgte die nächste Frage, diesmal nachdrücklicher. „Antworte mir!“, sagte sie bedrohlich.
„Wir sind Novizen der Laëa, Diener des Kaiserreiches, und lassen uns durch eure Mächte der Finsternis nicht einschüchtern. Das Licht der Sonne wird alle Dunkelheit durchbrechen.“, sagte er dann recht entschlossen, gegeben der Situation. Die Worte wirkten einstudiert, dennoch trotzig.
Luna nickte und drehte sich zu Arthur. „Sie werden Mönche wie jene, die Valorien fast zerstört haben. Tötet sie.“, befahl sie kalt.
„Aber Majestät…“, wollte Arthur protestieren. Vollkommen unvermittelt stieß Luna ihr Schwert nach vorne in die Brust des ältesten Jungen, der ihr geantwortet hatte. Dieser blickte sie erst verwundert an, dann entsetzt, als ihm Blut aus dem Mundwinkel lief. Als Luna ihr Schwert zurück zog sackte er tot zu Boden. Die anderen Jungen schrien teilweise auf, drückten sich nach hinten an die Wand.
„Ich habe einen Befehl gegeben, als eure Königin.“, sagte Luna kalt. „Also führt ihn aus.“, sagte sie und wandte sich dann ab, um aus dem Raum zu gehen. Yatane drehte sich sofort um, um ihr zu folgen. Von innen hörte sie noch die Todesschreie der Jungen, die schnell verstummten.
Luna rannte nach draußen in den Schnee. Der Sturm hatte sich etwas gelegt. Sie steckte ihre noch blutige Klinge in die Scheide. Sofort spürte sie, wie ihre Kraft wich. Sie musste sich an der Mauer des Klosters abstützen. Was hatte sie nur getan? Sie hatte nicht nur den Tod all dieser Männer befohlen, sondern auch von Kindern. Kinder, die von dem Prior auf einen dunklen Pfad geleitet worden war, die aber doch selbst unschuldig waren. Oder? Aber sie hatte Entscheidungen treffen müssen. Für die Sicherheit Valoriens. Geron hatte ihr schon früh beigebracht, dass die Stärke einer Königin darin lag, schwerste Entscheidungen zu treffen, die andere nicht treffen konnten. Letztendlich war ihr Vater auch deshalb gestorben, weil er nicht entschieden genug gegen seine Feinde vorgegangen war. Sie wollte, sie konnte nicht die gleichen Fehler machen. Dennoch… sie sah noch all das Blut vor ihrem inneren Auge. Es klebte an ihren Händen. Es würde immer an ihren Händen kleben.
Ihr Magen zog sich zusammen. Sie spürte noch, wie ihr der Magensaft hochstieg und dann beugte sie sich schon nach vorne, um sich zu übergeben. Geschwächt ging sie in die Hocke und atmete tief durch, sog die kalte Luft in ihre Lungen.
„Geht es dir gut?“ Sie spürte die Hand von Yatane auf ihrem Rücken, hörte ihre liebliche Stimme. Wortlos nickte sie.
„Komm, lass uns dort drüben kurz hinsetzen.“, sagte Yatane und deutete auf eine Bank im Hof. Sie half Luna auf die Beine und stützte sie, um sie zu der Bank zu geleiten. Dort zog sie sich schnell ihren Mantel von den Schultern, um Luna eine Unterlage zum Sitzen zu geben.
„Wird dir nicht kalt?“, fragte Luna als die Elfe ihr half, sich hinzusetzen.
„Es geht schon“, antwortete Yatane. Kälte war ähnlich wie Hunger oder Durst für Elfen weniger gravierend als für Menschen. Es war nicht angenehm, aber es störte sie weniger als der Gedanke, dass Luna womöglich krank werden konnte.
Yatane strich Luna über das Haar, als wäre sie wieder das kleine Mädchen. Sie erkannte den Ausdruck in Lunas Gesicht, als ihr Bauch anscheinend wieder verkrampfte. Dann drehte sich die Königin erneut weg und erbrach sich, während die Elfe ihre Haare zurückhielt. Erst dann drehte sich Luna wieder zurück und lehnte sich an die Elfe an. Erschöpft, aber irgendwie auch befreit.
„Hier, trink.“, sagte Yatane und bot Luna ihren Wasserschlauch an, den sie am Gürtel getragen hatte.
Luna nippte vorsichtig und trank einige kleine Schlucke. Nebeneinander saßen sie so schweigend in der Kälte. Außer dem Wind, der über Sonnfels strich, war es absolut still. Von drinnen hörte man nichts mehr. Keine Schreie. Keine Schritte. Keine Rufe. Als würde das Kloster noch immer schlafen. Doch Luna wusste, dass es nie wieder aufwachen würde.
„Ich musste so entscheiden.“, sagte Luna leise, entkräftet. „Aber gerade war ich mir noch viel sicherer. Nun fühle ich mich so… schwach. Als wäre ich den Aufgaben nicht gewachsen.“
Yatane strich ihr leicht die Haare aus dem Gesicht, die der Wind hineingeweht hatte. „Du bist die Königin Valoriens, und die Erbin des stärksten Menschen, den es je gab. Du führst auch die Klinge St. Gilberts. Sie gibt dir Stärke.“ Ja, Yatane wusste ob der Stärke des einstigen Königs. Sie lag in seinem Blut, das auch durch Lunas Adern floss. Luna nickte, antwortete aber nicht. So saßen sie einige Momente weiter still da.
„Es war nicht nur der Kampf, oder? Wieso dir schlecht geworden ist?“, fragte Yatane schließlich. Luna schüttelte den Kopf. Dann strich sie sich leicht über den Bauch.