Читать книгу Berliner Mauerblume 2015 - Jean-George Charbonnier - Страница 8
4. Ohlauer Strasse
ОглавлениеVorn am Eck gab es einen türkischen Lebensmittelhändler mit allerlei Kleinigkeiten auch nach Feierabend. Des Weiteren gab es zwei Trödelläden, sowie das schon legendäre "Cafe Kreuzberg" vor seiner späteren Renovierung. Unübersehbar war der rege Autoverkehr auf der Ohlauer samt Feuerwehren über die nahegelegene Kanalbrücke Richtung Neukölln.
Dieter hat sich auf seinem angestammten Fensterplatz niedergelassen. Er ist Anfang bis Mitte dreißig, von mittelgroßer Erscheinung, südländischer Typ mit gewelltem Haar, der adrett, aber nicht übertrieben vornehm gekleidet ist. Seine Brille kennzeichnet ihn als Intellektuellen. Der Schalk sitzt ihm im Nacken und er scheint immer zu Späßen aufgelegt zu sein.
Von seinem Fensterplatz aus kann Dieter die Viererkreuzung mit der nahegelegenen Schule samt Bolzplatz erkennen, ebenso die dortige Apotheke, sowie den kleinen Tabakwaren-Laden schräg gegenüber. Dessen karge Geschäftseinrichtung mit ihren durchhängenden Regalen besitzt nur wenige Zigaretten- und Streichholz-Schachteln, eine Hand voll Cola-Dosen, die allesamt angestaubt sind. Zwei Bild-Zeitungen komplettieren das Angebot.
Der Ladenbetreiber ist ein betagter Rentner. Im abgetragenen Anzug hält er mühsam den Geschäftsbetrieb aufrecht, der längst unrentabel geworden ist. Er tut dies aus einer langjährigen Gewohnheit heraus. Dessen Ladenfläche misst kaum 20 Quadratmeter. Für gewöhnlich herrscht hier reger Publikumsverkehr. Man klönt und schnackt, trinkt sein Bier und vertreibt sich die Zeit, so gut es eben geht. Wer hier verkehrt, hat nur wenig oder gar kein Geld. Stattdessen hat man eines, Zeit im Überfluss.
Heute sind alle Stehplätze besetzt. Auch Gerda und Marlen haben sich dort häuslich niedergelassen. Sie prosten einander zu, während der Ladenbetreiber für Nachschub sorgt. Marlen ist ein mütterlicher Typ mit langem, dunkelbraunem Haar und gertenschlank. Gerda, der „kesse Vater“, hat kurz geschnittenes Haar und ist ein wenig untersetzt. Sie ist zwei Köpfe kleiner als Marlen. Mit ihren Stiefelabsätzen versucht sie dies zu kompensieren.
„Hat irjendwer wat von Hausmeister-Klaus jehört?“ fragt Gerda in die Runde.
„Ist jar nicht seine Art“, weiss Marlen.
„Soll einen Schwächeanfall erlitten haben“, ist dem Ladenbesitzer zu Ohren gekommen.
„Vermutlich die Pumpe! Liegt zur Beobachtung im Urban! Wees det von der Butze Moll, Oma Schulzens Zujehfrau.“