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Kapitel 2

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Anaïk Bruel hatte ein herrliches Wochenende verbracht. An das Kommissariat in Quimper und seinen sparsamen Polizeichef hatte sie sich inzwischen gewöhnt. Die Arbeit mit ihrer jungen Kollegin, Monique Dupont, machte Spaß. Auch ihr Kampfsporttraining war nicht zu kurz gekommen. Seitdem Monique ihr eröffnet hatte, dass auch sie diese Sportart betrieb, hatte sie eine Partnerin gefunden, mit der sie regelmäßig trainieren konnte. Im Kommissariat hatten die beiden Frauen inzwischen den Spitznamen les intouchables, die Unberührbaren oder ziemlich beste Freunde, wie der Film in der deutschen Übersetzung hieß.

Anaïk hatte vor einigen Wochen einen Mann kennengelernt, der als Schiffsbauingenieur auf einer Werft in Concarneau arbeitete. Er war ein profunder Kenner der Inseln rund um die Bretagne. Mit seiner kleinen Segelyacht unternahm er regelmäßige Ausflüge dorthin. Er versuchte die Geheimnisse der Inseln zu erkunden. Anaïk war am letzten Wochenende zum ersten Mal seiner Einladung gefolgt und hatte zwei Tage mit ihm auf dem Boot verbracht. Sie waren zur Île de Sein, oder Enez Sun wie die Bretonen sagen, gesegelt. Die Insel, südsüdwestlich von der Pointe du Raz gelegen, gehört zu den am meist gefährdeten Inseln rund um die Bretagne. Ihre knapp 200 Einwohner müssen bei jedem Wintersturm um ihre Insel fürchten. Regelmäßig zerstören die Orkane einen Teil der Insel und verkleinern so den Lebensraum der Insulaner, der Suniz. Im Gegensatz zur Insel Ouessant, die bis zu sechzig Meter aus dem Meer emporragt, erreicht der höchste Punkt der Île de Sein gerade einmal 9 Meter. Es ist daher kein Wunder, dass die exponiertesten Stellen der Insel immer wieder überschwemmt werden.

Brieg Pellen führte Anaïk über die Insel mit ihren 1,8 Kilometern Länge und 800 Metern Breite an der weitesten Stelle. Sie hatten den Grand Phare, den großen Leuchtturm der Insel, bestiegen und den Blick über die zahlreichen kleinen Felsenriffe bis zur Pointe du Raz genossen. Sie waren durch die kleinen Gassen spaziert, über die Hafenmole geschlendert und hatten in einem Restaurant am Hafen ausgezeichneten Fisch gegessen. Die Insulaner, größtenteils Fischer, große Landwirtschaft gab auf der kleinen Insel nicht, landeten kleine Teile ihres Fanges auf der Insel an, der größere Teil wurde in Douarnenez abgeliefert, so dass die wenigen Restaurants immer mit frischem Fisch versorgt waren. Haupteinnahmequelle der Bewohner war der Tourismus. Jetzt im Herbst kamen die Touristen nicht mehr so zahlreich, so dass die Bewohner immer öfter unter sich blieben. Brieg war auf der Insel bestens bekannt. Der Briefträger, inzwischen ein guter Freund, grüßte von Weitem, der Inhaber des Souvenirladens auf der Hafenmole lud sie heute zu einem Kaffee ein, und der etwas schrullige Künstler, der sein Atelier auf der dem Westen zugewandten Seite der Insel hatte, führte sie durch seinen Kunstgarten und sein Atelier. Auf Anaïk machte der Garten eher einen verwahrlosten Eindruck.

Brieg informierte sie über die Druiden, die einst hier auf der Île de Sein eine Zufluchtsstätte gefunden hatten, er erzählte von den Fischern, die sich während des zweiten Weltkriegs von hier aus mit ihren Schiffen auf den Weg nach England gemacht und sich den Streitkräften des freien Frankreichs angeschlossen hatten. Anfangs machten sie fast ein Viertel der sogenannten freien französischen Marine aus, was General de Gaulle zu dem Ausspruch verleitet hatte „Die Île de Sein ist ein Viertel von Frankreich.“ Anaïk lauschte Briegs Erzählungen mit Interesse.

Jetzt saß sie wieder in ihrem Büro und ließ das Wochenende Revue passieren. Sie musste zugeben, dass es sich sehr gut angefühlt hatte einmal wieder eine Nacht gemeinsam mit einem Mann verbracht zu haben.

Monique Dupont klopfte, dann betrat sie Anaïks Büro.

„Hallo Anaïk, hast du dich am Wochenende gut erholt?“

„Es war ein tolles Wochenende, Monique, das schönste seit Monaten.“

„Das hört sich spannend an, ein bisschen nach neuer Errungenschaft und ein bisschen nach Befriedigung?“

„Du liegst genau richtig. Bei Gelegenheit erzähle ich dir davon. Gibt es etwas Neues?“

„Aus meiner Sicht nicht, ich habe wenigstens nichts vernommen. Es gibt nur kurze Zeiten, in denen Quimper ein totes Nest zu sein scheint, eine Stadt in der nichts passiert.“

„Ich bin froh, wenn die Menschen ihre Probleme nicht mit der Pistole oder einer Eisenstange lösen.“

„Da bin ich bei dir! Aber wenn nichts passiert sitzen wir hier und drehen Däumchen.“

„Ich ziehe Daumendrehen vor, besser als Tote sezieren zu lassen und nach Mördern zu fahnden.“

Das Grab in der Ville-Close

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