Читать книгу Das Grab in der Ville-Close - Jean-Pierre Kermanchec - Страница 9

Kapitel 6

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Dustin lag auf dem Bauch in dem ausgehobenen Graben und bemühte sich die Erde unter dem Skelett, das vor wenigen Minuten sorgfältig herausgenommen worden war, zu untersuchen. Vorsichtig trug er Zentimeter für Zentimeter des Bodens mit einer kleinen Blumenschaufel ab, sah den Inhalt auf der Schaufel an, um nur nichts zu übersehen und warf das Erdreich danach weg. Seine Ausbeute war gering. Immerhin hatte er ein kleines Schnapsfläschchen und zahlreiche Knöpfe, die vermutlich von den Kleidern des Toten stammten, gefunden. Reste der Kleidung waren von einem Kollegen sichergestellt worden. Seine weitere Suche förderte noch einige Münzen und ein Portemonnaie zu Tage. Jetzt galt es kleinere oder kleinste Spuren zu sichern. Langsam arbeitete er sich vor. Dustin stach mit seiner kleinen Schaufel erneut ins Erdreich und hob einen weiteren Zentimeter Erde aus als er auf der Schaufel eine kleine dunkle dünne Scheibe entdeckte, deutlich vom langen Liegen angegriffen. Er nahm sie in die Hand und betrachtete sie sorgfältig. Vorsichtig rieb er die Erde ab. Er war überrascht, eine alte Münze in der Hand zu halten. Er tippte auf eine Kupfermünze, die aber bestimmt schon sehr lange hier lag. Auch wenn die Münze wahrscheinlich nichts mit dem Mord zu tun hatte, legte er den Fund in eine Plastiktüte. Nach zwei weiteren Stunden des Grabens hatte er einen Zigarettenstummel, ein kleines Stück Eisen, ein Stück Ölpapier und Reste einer Plastiktüte gefunden.

Dustin stieg zufrieden aus dem Graben. Erst jetzt merkte er, dass ihn sein Brustraum schmerzte. Das lange Liegen auf dem Bauch war nicht spurlos an ihm vorbeigegangen. Nach einigen Minuten beruhigte sich der Druckschmerz wieder und Dustin widmete sich seiner Ausbeute. Die Reste der Kleidung des Toten würde er sich genauer ansehen müssen. Vielleicht wären sie zur Identifizierung des Mannes hilfreich. Vorsichtig öffnete er das Portemonnaie, dessen Leder zwar angegriffen aber nicht zerstört war. In der Münztasche lagen drei Euro in kleinen Einheiten von 50, 20 und 10 Cent Münzen. Die Scheinfächer waren leer. Dustin legte das Portemonnaie wieder in die Plastiktüte und betrachtete die anderen Fundstücke. Sein Interesse galt vor allem dem kleinen Stück Ölpapier. Was war in diesem Papier eingewickelt gewesen? Er betrachtete das Stück genauer. Es war etwas Herausgerissenes, wie ein Fetzen eines aufgerissenen Pakets. Er legte es wieder zurück in die Tüte. Dann machte er sich mit seinen Kollegen an die Arbeit, den Grasboden rund um den Graben abzusuchen. Die Arbeit erschien ihm eigentlich sinnlos, denn im Laufe der letzten Monate hatten sich bestimmt hunderte von Menschen hier aufgehalten.

Der kleine Bagger, mit dem der Graben ausgehoben worden war, hatte tiefe Spuren in dem Grasboden hinterlassen, so dass es nicht viel Sinn machte hier weiter zu suchen. Dustin ordnete an, die weitere Suche einzustellen. Die Männer packten ihre Utensilien zusammen und machten sich zurück auf den Weg ins Kommissariat. Die Ausbeute ihrer akribischen Arbeit war zufriedenstellend. Seine wichtigste Arbeit begann, sobald er die einzelnen Fundstücke einer genauen Prüfung in seinem Labor unterzog. Manchmal genügte schon ein Blick durchs Binokular auf den Gegenstand um wichtige Hinweise zu finden.

Dustin begann mit seiner Arbeit, die er am liebsten alleine und in völlig ungestörter Umgebung absolvierte. Jedes Geräusch störte ihn, er konnte weder Musik noch das Klingeln eines Telefons gebrauchen. Aber genau in diesem Moment klingelte das Telefon und störte ihn in seiner minutiösen Arbeit.

„Goarant“, meldete er sich mürrisch, ohne auf die Nummer von Anaïk zu achten, die das Display signalisierte.

„Dustin, Anaïk hier, ich möchte wissen, ob du etwas Brauchbares gefunden hast?“

„Hallo Anaïk, ich habe gerade erst mit der Untersuchung der Fundstücke begonnen. Wir haben eine ganze Reihe von Gegenständen gefunden. Wenn ich von den Kleiderresten absehe haben wir noch ein Portemonnaie, ein kleines Schnapsfläschchen, zahlreiche Knöpfe, einen Zigarettenstummel, eine recht alte Kupfermünze, ein kleines Stück Metall, vermutlich Eisen, ein Stück Ölpapier und Reste einer Plastiktüte gefunden. Aber ich muss mir alles genauer ansehen, bevor ich eine Aussage machen kann.“

„Dustin, ich will dich nicht drängen, aber wir haben bisher so wenige Anhaltspunkte, dass wir uns an jedem Strohhalm festhalten.“

„Anaïk, gib mir noch einige Stunden Zeit, dann kann ich dir vielleicht etwas mehr sagen. Hast du schon mit Yannick gesprochen? Ich könnte mir vorstellen, dass er mit seinen Untersuchungen etwas schneller ist.“

„Nein, habe ich noch nicht. Dustin, ich gehe davon aus, dass der Mediziner länger braucht als du.“

„Alte Schmeichlerin, aber danke, tut gut.“

„Dustin, ich warte geduldig ab und versuche in der Zwischenzeit bei Yannick mein Glück.“

Anaïk legte auf. Dustin fuhr in seiner Arbeit fort. Das Ölpapier hatte es ihm angetan. Was war in diesem Papier einmal eingewickelt gewesen? Warum hatte das Papier in einem Grab gelegen? War es Zufall oder gehörte es zu dem Toten? Auch unter dem Binokular gab das Papier keine Antwort auf seine Fragen. Er konnte an einer Seite erkennen, dass es dem Erdreich ausgesetzt gewesen war. Der kleine Fetzen stammte jedenfalls nicht aus dem Innern eines Pakets, soviel konnte er sagen. Was wickelt man in Ölpapier wenn man es vergraben will? Ein wertvolles Bild? Heroin, wie bei einem der letzten Fälle auf Ouessant? Eine Waffe? Geldscheine? Es gab bestimmt hunderte von Gegenständen, die man so verpackt um sie vor Feuchtigkeit zu schützen. Was war in dem Ölpapier eingewickelt gewesen? Sollte dieser Fetzen durch Zufall ins Grab gelangt sein als der Tote eingebuddelt worden war?

Als nächstes nahm er sich das Portemonnaie vor. Einen schnellen Blick hatte er bereits an der Fundstelle auf die wenigen Münzen geworfen. Er ließ den Inhalt der Börse jetzt auf seinen Arbeitstisch fallen und sah sich die Münzen genauer an. Es waren exakt 3 Euro und sieben Cent. Die Scheinfächer waren leer. Dustin untersuchte das Portemonnaie. Hinter der Münztasche befand sich noch ein Fach, das er am Tatort übersehen hatte. Darin steckte ein Papier. Dustin nahm seine Pinzette und zog das Stück Papier vorsichtig aus dem Fach. Er gab acht, es nicht zu beschädigen. Die Feuchtigkeit des Erdreichs hatte auch dem zusammengefalteten Papier zugesetzt. Dustin faltete es auseinander und versuchte zu entziffern was auf dem kleinen Blättchen geschrieben stand.

Ca. 160 Meter von dem Quai der Fähre. Markierung an Mauer, Kreuz im Stein, 60 – 80 cm tief, in Ölpapier eingepackt

Die Schrift war noch gut zu lesen, trotz der Bodenfeuchtigkeit. Die Notiz schien auf etwas hinzuweisen, das in Ölpapier eingepackt worden und wohl an der Stelle vergraben gewesen war. Der kleine Fetzen Ölpapier gehörte also offensichtlich zu einem Paket. War das die Antwort auf die Frage, ob das gefundene Stück Ölpapier mit der Leiche zusammenhängt und eventuell mit ihr vergraben worden war?

Dustin arbeitete sich weiter durch das Portemonnaie durch. Außer den Münzen und der Notiz war nichts mehr darin enthalten. Er hatte keinen Hinweis auf den Besitzer gefunden. Die Notiz könnte Anaïk bei der Suche nach einem Motiv helfen. Es wäre durchaus denkbar, dass die Person wegen eines an der Stelle vergrabenen Pakets ermordet worden war. Was auch immer in dem Paket gesteckt hatte, Heroin, Ecstasy, Gold, Falschgeld oder echte Scheine? Dustin legte den kleinen Notizzettel in eine eigene Plastiktüte, er würde ihn noch auf Fingerabdrücke oder andere Spuren untersuchen müssen, dann nahm er sich die gefundene Münze vor. Er reinigte sie. Es war eine 1/2 Sol Münze, eine Umlaufmünze aus Kupfer. Auf der einen Seite zeigte sie eine Jahreszahl, darunter ein gekröntes Wappenschild und ein Symbol. Auf der anderen Seite war das Abbild von König Ludwig XVI. Die Münze hatte vielleicht einen Wert von ein oder zwei Euro. Dafür würde niemand einen Menschen ermorden. Als nächstes nahm er sich das kleine Stück Eisen vor, das direkt unter dem Kopf des Toten gelegen hatte. Er untersuchte es unter dem Binokular und kam zu dem Schluss, dass es sich um ein Stück Metall von einem Arbeitsgerät handelte, von einem Spaten, einer Schaufel oder einer Hacke. Es schien keine weiteren Geheimnisse zu bergen.

Die Überbleibsel der Plastiktüte verrieten ihm, dass es sich um eine Tüte der bekannten Chocolaterie Larnicol handelte. Das Unternehmen hatte Geschäftslokale in ganz Frankreich. In Paris, Toulon, Rennes, Nantes, Quimper und natürlich in der Ville Close von Concarneau. Seine Fabrikationsanlagen lagen nicht weit von der Altstadt von Concarneau entfernt. In dem etwa sieben Kilometer entfernten kleinen Ort Melgven, oder Melgwenn, wie die Bretonen die Kleinstadt nennen. Das Stück Plastik trug noch den Aufdruck eines Datums. Das könnte eventuell noch wertvolle Hinweise beinhalten. Die Tüte war 2014 bedruckt oder hergestellt worden. Was auch immer in der Tüte gewesen war, Dustin konnte es nicht mehr ermitteln.

Es blieben jetzt noch das Fläschchen und die Reste der Kleidungsstücke zu untersuchen, ein rot blau kariertes Hemd, eine blaue Jeans und ein schwarzer Wollpullover.

Das Grab in der Ville-Close

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