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Kapitel 6

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Am nächsten Morgen fuhr Ewen gegen neun Uhr ins Büro. Paul Chevrier stand mit Dustin auf dem Gang, vor den Büroräumen auf der zweiten Etage des Kommissariats.

„Bonjour Paul, Bonjour Dustin, begrüßte er seine Kollegen. Gibt es etwas Neues?“

Dustin wandte sich an Ewen und nickte.

„Ja und nein, wir haben bei Robert Courtain nicht viel gefunden. Entweder hat der Mann alles sofort beseitigt, oder die Erpressung ist nicht von ihm ausgegangen.“

„Dustin, das geht mir jetzt zu schnell. Du willst sagen, dass ihr keinerlei Hinweise darauf gefunden habt, dass der Mann Erpresserbriefe geschrieben hat? Nur den einen, den Paul im Papierkorb gefunden hat? Wenn er so vorsichtig gewesen ist, warum wirft er dann ausgerechnet den letzten Brief in den Papierkorb? Das ist doch wie auf den Präsentierteller gelegt.“

„Darüber habe ich gerade mit Paul gesprochen. Wenn Courtain wirklich die Briefe verfasst hat, und stets darauf geachtet hat keinerlei Spuren in seinem Haus zu behalten, warum hat er dann diesen Brief in den Papierkorb geworfen? Ich neige dazu zu behaupten, dass der Brief dort deponiert worden ist.“

„Deponiert? Aber von wem? Habt ihr Spuren eines Einbruchs finden können?“

„Spuren einer gewaltsamen Öffnung der Haustür oder eines Fensters haben wir nicht gefunden. Wenn jemand den Erpresserbrief absichtlich in den Papierkorb von Courtain gelegt hat, dann musste er einen Hausschlüssel gehabt haben.“

„Wer käme da in Frage? Vielleicht sein Freund, Thierry Guillem? Der hat uns gesagt, dass Robert Courtain keinerlei Verwandte hat. Er hat auch nicht mit einer Frau zusammengelebt. Dann bleibt doch nur er übrig.“

„Guillem hat ihn aber als vermisst gemeldet.“ Paul sah Dustin und Ewen fragend an.

„Warum hat er ihm dann den Brief untergeschoben und seinen Freund damit belastet? Die Spur führt so doch unweigerlich in seine Richtung.“

„Stimmt schon, aber vielleicht hat er nicht daran gedacht weitere Spuren zu legen.“

„Wir werden es wohl überprüfen müssen. Es wäre natürlich auch möglich, dass Courtain nur nicht mehr dazu gekommen ist, die verräterischen Spuren zu vernichten.“

„Wir haben keinen Hausschlüssel bei ihm gefunden. Der Mörder könnte durchaus mit Hilfe des Schlüssels von Courtain in sein Haus gelangt sein und den Brief in den Papierkorb gesteckt haben. Wir müssen zuerst zu 100 Prozent ausschließen können, dass er nicht der Erpresser gewesen ist. Ich kümmere mich sofort um die Frage seines Aufenthaltes auf der Île-de-Bréhat.“

„Wir haben uns auch sein Büro angesehen“, fuhr Dustin mit seinem Bericht fort.

„Auf dem Schreibtisch haben wir einen Notizzettel mit einigen Buchstaben und Ziffern und dem Wort Samstag gefunden. Vielleicht werdet ihr ja schlau daraus.“

Dustin reichte Ewen einen kleinen Zettel auf dem Stand lediglich:

Samstag 22 n E P T

Sig 200.000

„Ich habe dir einige Aktenordner die wir gefunden haben in dein Büro gelegt. Vielleicht findest du ja etwas Bedeutungsvolles.“ Damit verabschiedete sich Dustin von Ewen.

Auch Paul verließ seinen Kollegen und ging in sein Büro. Das Fehlen von weiteren Hinweisen kam Ewen schon seltsam vor. Üblicherweise fand sich immer irgendeine Kleinigkeit. Ewen öffnete seine Bürotür und trat ein, legte sein Jackett über den Besucherstuhl vor seinem Schreibtisch und ging zum Telefon. Er wählte die Nummer von Robert Gallic, der sich mit dem Notebook von Courtain beschäftigen sollte.

„Bonjour Robert, hast du schon etwas finden können auf dem Notebook?“

„Bonjour Ewen, du hast es aber eilig. Normalerweise fragst du zuerst wie es mir geht. Spaß beiseite, ich habe mir das Notebook von Courtain angesehen. Er hat eine ganze Menge an Emails und erstaunlich viele Bilder auf dem Rechner. Ich vermute, dass er das Fotografieren als Hobby betrieben hat. Natürlich habe ich noch nicht alle Fotos ansehen können. Die Emails sind größtenteils geschäftlicher Natur gewesen. Ich habe noch nichts gefunden, dass in irgendeiner Weise mit einem Verbrechen zusammenhängen könnte. Allerdings, wie ich schon gesagt habe, bin ich noch nicht mit allem fertig.“

„Danke Robert, du informierst mich, falls du doch noch etwas finden solltest.“

Damit legte Ewen den Hörer auf und starrte auf seinen Schreibtisch, auf dem noch immer die Berichte des Pathologen und der Spurensicherung vom Tatort lagen, ebenso die Ordner von denen Dustin gerade gesprochen hatte. Ewen sah sich den Bericht des Pathologen an. Der Mann war mit einer Waffe vom Kaliber 9 mm erschossen worden. Das Projektil war bereits von Yannick an die Kriminaltechnik übergeben worden. Er schlug den Bericht der Spurensicherung auf.

Dustin hatte einen Zigarettenstummel aus Ägypten gefunden, der Marke Cleopatra, die es in Frankreich nicht zu kaufen gab. Sie mussten überprüfen, ob in den letzten Monaten eine Person, die auf irgendeine Weise mit dem Fall in Verbindung stehen konnte, in Ägypten gewesen war. Ewen stand auf und ging an seine Pinnwand. Wer war bis jetzt in diesem Fall als Zeuge oder Beteiligter verhört worden?

Da war zuerst einmal das Ehepaar, das den Toten gefunden hatte. Christophe und Pascale Kerdiles. Dann war da der Freund des Toten, Thierry Guillem. Der Bewohner des Hauses, das unmittelbar am Zaun zum Park von Trévarez lag. Der Mann hieß David Roudaut und der Verwalter des Parks hieß Yann Gloaguen. Die anderen Angestellten des Parks wurden noch überprüft. Vor allem wollten sie nach deren Alibis und den Schlüsseln zum Park fragen. Die Kollegen hatten die Überprüfung noch nicht abgeschlossen. Die Frau, Nicole Bihan, hatte er zwar ebenfalls notiert, aber Ewen war sicher, dass er die Frau ausschließen konnte. Sie hatte ihren Mann, Guy Bihan, als vermisst gemeldet. Der Mann hatte wohl nichts mit dem Fall zu tun. Wenigstens ging Ewen jetzt erst einmal davon aus.

Ewen war immer noch mit den Eintragungen auf seiner Pinnwand beschäftigt, als Paul erneut in sein Büro trat.

„Ein erstes Ergebnis zu unserer Frage nach dem Aufenthalt von Courtain auf der Insel Bréhat habe ich. Aber die Antwort wird uns nicht weiterbringen. Courtain ist vom 12. bis zum 15. April auf der Insel Bréhat gewesen, das hat uns sein Freund gesagt. Sein Aufenthalt ist also eine Woche nach dem Unfall, von dem ich gelesen habe, gewesen. Das Mädchen, das dort ums Leben gekommen ist, hieß übrigens Martine Le Sann. Die Unterlagen über den Unfall habe ich bereits angefordert.“

Ewen schrieb den Namen sofort an die Pinnwand. Allerdings schrieb er ihn nicht unmittelbar neben den Toten.

„Wir müssen uns dann um weitere Besucher kümmern, die zu der angegebenen Zeit auf der Insel gewesen sind. Vielleicht irren wir uns und vergeuden unsere Zeit damit, aber wir sollten nichts ungeprüft lassen.“

„Ewen, wir haben ein wenig Glück. Ich habe vorhin erfahren, dass die Erfassung der Hotelgäste inzwischen zum größten Teil elektronisch abläuft. Damit können wir die Übernachtungslisten recht schnell durchforsten. Ich mache mich wieder an die Arbeit.“

Während Paul sich um eine eventuelle Spur auf Bréhat kümmerte, machte Ewen sich daran Courtains Umfeld genauer zu betrachten. Dustin und seine Mitarbeiter hatten eine ganze Menge an Unterlagen mitgebracht, die es noch zu durchforsten galt. Ordner von ehemaligen Kunden und der dazugehörigen Korrespondenz, Kontoauszüge, diverse Schreiben an Behörden, Urkunden, Verträge und ein von Courtain als Persönliche Ablage bezeichneter Ordner. Ewen sah sich diesen Aktenordner zuerst an.

Versehen mit einem alphabetischen Register waren die Briefe und Rechnungen sortiert abgelegt. Auf den ersten Seiten war nichts Interessantes zu finden. Unter dem Buchstaben A lagen verschiedene Briefe von einem Alain, der vermutlich ein alter Freund von Courtain gewesen war. Die Briefe enthielten detaillierte Schilderungen von Reisen nach Südostasien und Australien und trugen ein Datum, das bereits einige Jahre zurücklag. Ewen blätterte weiter. Die Buchstaben B und C enthielten lediglich ältere Rechnungen von Möbelgeschäften. Als Ewen den Buchstaben D erreichte, fand er eine Reihe von Unterlagen, die sich von den übrigen unterschieden. Ein David hatte ihm einen Schuldschein unterschrieben über einen Betrag von 70.000 Euro. Ewen gelang es nicht die Unterschrift zu entziffern. So wusste er nur, dass ein gewisser David Geld von Courtain erhalten hatte. Als nächstes war ein Blatt abgeheftet, dass eine Skizze von einem Grundstück mit einem Haus enthielt und darüber stand Kermorbras. Mit roter Farbe war der Grundriss eines wohl geplanten Gebäudes aufgezeichnet, dessen Kanten aber das Grundstück bei weitem überschritten. Auf dem links oben eingezeichnetem Grundstück stand das Wort erworben. Auf der rechten Seite stand nur ein großes Fragezeichen. Für Ewen sah es so aus, als war hier der Bau eines größeren Gebäudes geplant und dazu wurden weitere Grundstück benötigt. Das Fragezeichen stand vielleicht für einen Besitzer, der seinen Grund nicht verkaufen wollte oder dessen Name unbekannt war. Immerhin gab es hier einen Anhaltspunkt für seine Ermittlungen. Gut möglich, dass Courtain den Besitzer zwingen wollte zu verkaufen und dieser ausgerastet war und ihn erschossen hatte. Aber warum im Park von Trévarez um 22 Uhr? Ewen hatte nun doch wieder Zweifel an seiner neuen Theorie. Er blätterte weiter und fand eine detaillierte Übersicht über Grundstückskäufe der letzten Wochen und die Lage der Grundstücke passte zu der Seite mit dem Grundriss des Gebäudes. Alle Verträge trugen auf dem rechten oberen Rand den Vermerk David. Die Grundstücke lagen alle in der Umgebung von Douarnenez, im Lieu dit Les Roches Blanches. Als Käufer für die Grundstücke war immer Robert Courtain eingetragen. Ewen vermutete, dass ein Mitarbeiter, Kollege oder Freund, die Käufe für ihn getätigt hatte.

Dieser David schien sein ganzes Vertrauen zu genießen. Immerhin ging es um größere Summen. Eine schnelle Addition der einzelnen Verträge ergab bereits 700.000 €. War dies vielleicht eine Gegenleistung für die geschuldeten 70.000 €? Seltsam war schon, dass die geschuldete Summe ungefähr 10% der Kaufsumme entsprach. Sollte David seine Schulden abgearbeitet haben? David? Der Name war doch schon aufgetaucht bei den Ermittlungen. Ewen trat an die Pinnwand und sah sich die Eintragungen an. Der Name David Roudaut stach im sofort ins Auge. Der Mann hatte doch sein Haus unmittelbar hinter dem Zaun von Trévarez. Wenn das ein Zufall war. Ewen wollte den Mann unbedingt nochmals aufsuchen. Bei dem ersten Gespräch am Sonntag, gleich nachdem er den Toten Courtain gesehen hatte, hatte er ein erstes Gespräch mit Roudaut geführt. Zu dem Zeitpunkt hatte er aber noch nicht gewusst, wer der Tote war.

Jetzt war Ewen sicher, dass diese Verträge etwas mit seinem Fall zu tun hatten. Er wollte sich diesen David und den Ort des Projektes Kermorbras genauer ansehen, um feststellen zu können, ob bereits Arbeiten begonnen hatten. Die weiteren Abheftungen schienen keine Relevanz zu haben. Unter T fand er dann aber wieder ein Papier, dass seine Aufmerksamkeit erregte. Darüber stand Thierry und es enthielt eine handschriftliche Abmachung über die Erstellung von Plänen für ein Projekt mit Namen Kermorbras. Ewen, als echter Bretone, sprach noch die alte bretonische Sprache. Für ihn war die Übersetzung des Namens damit einfach. Ker bedeutete Haus oder Ort, mor Meer und bras groß. Das Projekt hieß also Haus Ozean. Die auf das Papier gekritzelte Bausumme deute eine ungefähre Investition von zehn Millionen an. Ewen sah sich die einzelnen Papiere, die er unter den Buchstaben D und T gefunden hatte, nochmals an. Dann nahm er sie heraus und heftete sie an die Pinnwand. Bei dem Namen Thierry musste es sich um den Mann handeln, mit dem sie bereits gesprochen hatten.

Thierry Guillem war Architekt und mit Courtain befreundet gewesen. Es brauchte keinen großen kriminalistischen Instinkt, um zu dem Schluss zu kommen, dass die drei Personen zusammen den Bau eines großen Gebäudekomplexes geplant hatten. Thierry Guillem, Robert Courtain und ein gewisser David, Nachname noch unbekannt, hatten zusammengearbeitet. Die Finanzierung schien Courtain sicherzustellen. Hatte dieses Projekt etwas mit der Ermordung von Courtain zu tun? Ewen schien es nicht ausgeschlossen. Geld war häufig ein Motiv für Mord.

Als Paul zurück in sein Büro kam, stand Ewen immer noch an der Pinnwand, die jetzt um einige Papiere aus dem Ordner reicher war.

„Ich habe inzwischen alle Übernachtungen auf der Insel gefunden. Die Liste ist ein wenig länger. Zu der Zeit des Unfalls sind 85 Personen als Übernachtungsgäste auf der Insel gewesen. Davon sind 30 in den Hotels untergebracht gewesen. Das Hotel Belle-Vue ist mit 26 Personen besetzt gewesen. Somit sind gerade einmal vier in einem weiteren Hotel untergebracht worden. Die Übernachtungen in den Gîtes habe ich noch nicht im Einzelnen betrachtet. Natürlich haben wir nicht die Möglichkeit einen Tagesgast zu finden, der mit der Fähre auf die Insel gefahren ist und am Abend wieder zurück aufs Festland gefahren ist.“

„Paul, wir wissen doch gar nicht, ob unser Mord etwas mit dem Unfall zu tun hat. Du bist doch nur über den Namen Bréhat gestolpert, als Guillem den Namen erwähnt hat. Trotzdem gehen wir der Spur nach, so gut wir es können. Sieh dir doch einmal diese Papiere hier an, ich habe sie in dem Ordner gefunden, den Dustin uns mitgebracht hat aus dem Büro von Courtain. Drei Personen scheinen hier ein Projekt geplant zu haben, unter dem Namen Kermorbras. Zum einen ist der Architekt Guillem dabei, der Tote Courtain und ein dritter Mann, von dem ich nur den Vornamen David habe, könnte David Roudaut sein? Welch ein Zufall, der Mann wohnt direkt am Park von Trévarez.“

„Du meinst, dass David Roudaut den Toten gekannt und mit ihm zusammengearbeitet hat?“

„Es könnte doch sein. Jedenfalls sollten wir uns mit dem Mann unterhalten.“

„Gut, ich kümmere mich jetzt zuerst einmal um die Übernachtunsgäste von Bréhat. Dann sollten wir uns den David Roudaut vornehmen.“

Gerade als Paul das Büro von Ewen verlassen wollte, kam Dustin herein.

„Gut euch beide hier zu treffen, dann seid ihr gleich auf demselben Wissensstand. Wir haben uns das Projektil aus der Leiche von Courtain angesehen, das uns Yannick übergeben hat. Die 9 mm Kugel zeigt deutlich 6 Züge mit einem Rechtsdrall. Wir vermuten daher, dass es sich um eine Beretta M951 handeln könnte. Diese Aussage ist natürlich mit entsprechender Vorsicht zu genießen. Sollte es aber eine Beretta M951 sein, dann wäre es interessant. Es ist eine relativ alte Waffe. Sie wurde zwischen 1953 bis Anfang der 80er Jahre hergestellt, und jetzt wird es interessant, hauptsächlich in Italien, Israel, Irak, Niger und?...“

„Jetzt mach es nicht so spannend, Dustin.“

„…Ägypten eingesetzt. Das würde mit der Zigarettenmarke Cleopatra, die wir am Tatort gefunden haben, gut zusammenpassen.“

„Das ist eine wirklich interessante Information, Dustin. Du bist und bleibst der Größte.“

„Danke für die ständigen Lorbeeren. Wie wäre es zur Abwechslung mit einem Glas Wein zum Feierabend?“

Ewen musste herzhaft lachen und nickte zustimmend, hatte Dustin ihn nicht bereits bei der Durchsuchung des Hauses von Courtain auf ein Glas Wein hingewiesen, wegen seiner Belehrung?

„Das geht klar, Dustin, heute Abend bist du mein Gast.“

Paul machte sich auf den Weg in sein Büro, um die Nachforschungen zu den Übernachtungsgästen auf der Insel Bréhat voranzutreiben, während Ewen die neuesten Erkenntnisse an seiner Pinnwand notierte.

Jetzt gab es nicht nur ägyptische Zigaretten, sondern auch eine Waffe, die aus genau dem Land stammen könnte. Umso wichtiger war es jetzt zu klären, wer in den letzten Monaten in Ägypten gewesen war, derjenigen Personen, die auf seiner Liste der möglicherweise involvierten Leute stand.

Der Tote von Trévarez

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