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ОглавлениеVorwort
In den Arche-Gemeinschaften leben Menschen mit geistigen Behinderungen mit anderen zusammen, die sich berufen fühlen, ihr Leben mit ihnen zu teilen. Bei diesem engen Zusammenleben und gemeinsamen Unterwegssein lernen wir alle Leiden und Freuden des Gemeinschaftslebens kennen. Hier öffnen die schwächsten Mitglieder uns anderen das Herz für das Mitfühlen und helfen uns auf diese Weise zu einem tieferen Einswerden mit Jesus. Wir lernen es, mit ihnen Freundschaft zu schließen, und durch sie und mit ihnen auch mit Jesus.
Unsere Gemeinschaften beruhen – genau wie auch die Gemeinschaften »Glaube und Licht«1 – auf dem Glauben an den Wert, den jeder Mensch hat; ganz unabhängig von seiner Kultur oder Religion, seinen Fähigkeiten oder Behinderungen. Wir alle sind berufen, in der Liebe und Weisheit und der Fähigkeit zum Annehmen des Anderen zu wachsen. Manche unserer Gemeinschaften wurzeln im katholischen Glauben; andere wurden ökumenisch. So erleben wir die Freuden des Einsseins und die Schmerzen, die es bereitet, noch gespalten zu sein. Indem wir versuchen, die Botschaft Jesu zu leben, wachsen wir zusammen.
Der vorliegende Text wurde ursprünglich gesprochen. Es handelt sich dabei um Vorträge, die ich bei Einkehrtagen in der Dominikanischen Republik hielt. Die Teilnehmer waren Menschen aus dem Alltagsleben der Arche in Lateinamerika und der Karibik. Diese »Assistenten«, wie sie in der Arche genannt werden, brauchen immer wieder Anregungen, die sie auffrischen und neu motivieren. Da wir mit Menschen zusammenleben, die viele Ängste in sich tragen, kann unser Leben zeitweise voller Stress werden. Daher ist es für uns dringend notwendig, dass wir unsere Liebe zu Jesus vertiefen, der in den Menschen verborgen ist, die oft unerwünscht sind. Am Abschlusstag dieser Einkehrzeit gingen viele der Assistenten öffentlich ihre Verpflichtung oder ihren »Bund« mit Jesus und allen Mitgliedern ihrer Gemeinschaft ein, besonders mit den schwächsten und ärmsten. Das war ihre Antwort auf eine Berufung, die sie von Gott her verspürten.
Später wurden diese Vorträge in Buchform gebracht, wobei Struktur und Stil der Einkehrzeit beibehalten wurden: für jeden der sechs Tage ein Kapitel. Jeder Vortrag behandelt einen Schritt auf einem Weg des Glaubens und der Liebe. Daher sollte auch jeder so gelesen werden: still, in innerem Frieden, damit man beim Lesen tiefer ins Geheimnis der in Jesus offenbar gewordenen Liebe Gottes hineingezogen wird.
Zwar wurde diese Woche der Besinnung und des Gebets für in der Arche engagierte Menschen gehalten, aber sie kann auch für alle anderen hilfreich sein, die nach dem Evangelium zu leben versuchen. Ihre Themen können alle inspirieren, die der Überzeugung sind, dass die Kirche nur auf dem Weg erneuert werden kann, dass wir den Menschen dienen und mit ihnen Freundschaft schließen, und dass alle, die Jesus nachfolgen, nur auf diesem Weg zu einer Gemeinschaft vereint werden können. Das gilt in besonderem Maß für unser Verhältnis zu den Menschen, die uns als »fremd«, »fremdartig« und »anders« vorkommen, nämlich die in unserer Gesellschaft Ungewollten und Einsamen. Zudem müssen wir es lernen, auch mit unserer eigenen Armut, also dem »Fremdartigen« und Einsamen in uns selbst, Freundschaft zu schließen.
Ich möchte hier mit den Worten schließen, die Kardinal Etchegaray in Rom bei seiner Ansprache zum Beginn des neuen Jahrtausends vor Jugendlichen äußerte:
Die Kirche bittet euch, aufmerksam auf die Schwachen und Verletzlichen zu achten; auf diejenigen, über die Jesus sich freut, weil sie sehen, was den Klugen und Fähigen verborgen bleibt (vgl. Matthäus 11,25). Vergesst nie dieses Kriterium. Es ist das kostbarste, das sicherste, das konkreteste Kriterium, das euch erkennen helfen wird, was Christus von euch erwartet … Die Richtung ist klar: Arm leben, wie Christus es tat, mit dem Armen leben, um mit Christus zu leben. Die Erneuerung der Kirche gelingt immer dann, wenn wir es wagen, im Bund mit den Armen zu leben.
Jean Vanier
L’Arche, Trosly
Anmerkung
1 Eine 1971 von Jean Vanier gegründete internationale Bewegung für geistig Behinderte und ihre Familien und Freunde. Siehe auch: Kathryn Spink, Jean Vanier und die Arche – Die Geschichte einer außergewöhnlichen Berufung. Neufeld/Tyrolia, Schwarzenfeld/Innsbruck 2008.