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Unseren Ruf erkennen
ОглавлениеGott ruft zu allen Zeiten Männer und Frauen … auch in unserer Zeit. Wir sollten nicht meinen, dass wir zu unbedeutend, zu unwichtig oder unwürdig seien, als dass Gott uns berufen könnte. Gott wählt nicht die Starken, die Einflussreichsten und die Gebildetsten aus, sondern eher die Schwachen, die Niedrigen, die Bedürftigsten … Die gesamte Heilige Schrift hindurch bleibt Gottes Wahl immer die gleiche.
Sehen Sie sich die Geschichte Davids an und die Art und Weise, wie er zum König auserwählt wurde (vgl. 1. Samuel 16,1–13). Der Herr schickte Samuel los, um aus den Söhnen Jesses den von Gott Auserwählten herauszufinden und zum König zu salben. Jesse stellte Samuel seine sieben Söhne vor, lauter große, starke, strahlende junge Männer. Der Herr aber hatte keinen von ihnen auserwählt, sondern er gab Samuel ein, Jesse zu fragen, ob er nicht noch weitere Söhne habe. Jesse gab zur Antwort:
»Der Jüngste fehlt noch, aber der hütet gerade die Schafe.« … Samuel nahm das Horn mit dem Öl und salbte diesen mitten unter seinen Brüdern.
Der Prophet Jeremia konnte nicht recht reden. Mose stotterte. Wenn man nicht reden oder nur stottern kann, tut man sich als Anführer oder Prophet schwer! Seht euch Maria von Magdala an, die in Prostitution verstrickt war. Jesus liebte sie, berief sie und gab ihr im Evangelium einen wichtigen und einmaligen Platz.
Dann gibt es da die Geschichte von der samaritischen Frau (vgl. Johannes 4), dem einzigen Menschen in allen Evangelien, dem Jesus persönlich offenbarte, dass er der Messias sei. Vor den Augen anderer hatte er Wunder vollbracht und das Wort Gottes verkündet, aber nie hatte er jemand anderem offen gesagt, dass er der Messias sei. Den Herzen des Petrus und der Jünger hatte es der Vater offenbart, dass Jesus der Christus sei, der Gesalbte. Und diese samaritische Frau, die diese Offenbarung von Jesus selbst empfing, war nicht einmal Jüdin. Sie gehörte einer Gruppe an, die vom jüdischen Volk als Sekte betrachtet wurde, weil ihre Mitglieder sich von der jüdischen Tradition abgesetzt hatten. Zudem wurde diese Frau nicht nur von den Juden abgelehnt, sondern auch von ihrem eigenen Volk, und sie galt wegen ihrer Lebensweise als Außenseiterin: Sie hatte schon mit fünf verschiedenen Männern zusammengelebt, und der Mann, mit dem sie jetzt zusammen war, war nicht ihr Mann. Diese Frau aus Samaria war eine sehr verwundete, gebrochene Frau voller Schuldgefühle. Sie brachte es nicht fertig, sich auf eine feste Liebesbeziehung einzulassen, weil sie im Tiefsten nicht wusste, dass sie selbst geliebt wurde. Sie hatte vermutlich das Gefühl, dass Gott sie genauso verworfen habe, wie die anderen sie verworfen hatten.
An einer Stelle sagt diese verwundete, gebrochene Frau zu Jesus:
»Ich weiß, dass der Messias kommt, das ist der Gesalbte (Christus). Wenn er kommt, wird er uns alles verkünden.«
Jesus sagte zu ihr:
»Ich bin es, ich, der mit dir spricht.«
(Johannes 4,25–26)
Gottes Wege sind nicht unsere Wege; Gott wählt anders, als die Gesellschaft wählt: Gott wählt »die Armen, die Schwachen, die Bedürftigen«, diejenigen, die sich ihrer Armut bewusst sind – nicht nur einer materiellen Armut, sondern einer Unfähigkeit, mit dem Leben fertig zu werden, eines Gefühls der Ohnmacht und des Nichtwissens, was sie tun sollen. Eine Mutter, die gerade ein Kind verloren hat, ist »arm«. Eine Frau, deren Mann sie verlassen hat, ist »arm«. Ein Mann, der seine Arbeitsstelle verloren hat, ist »arm«. Das Mädchen, das erfährt, dass es Krebs hat, ist »arm«. Der Mensch, der spürt, dass sein Körper älter und schwächer wird, ist »arm«. Menschen, die vor schwierigen Familienproblemen stehen, sind »arm«.
Das Problem ist, dass wir uns weigern, unsere Schwächen, unsere Bedürfnisse, unsere Armut zuzugeben, weil wir Angst davor haben, abgelehnt zu werden. Uns ist beigebracht worden, wir müssten stark sein, »die Besten« sein, die Gewinner; nur dann könnten wir »jemand« sein. Da die Gesellschaft dazu neigt, die Schwachen an den Rand zu drängen, glauben wir, Schwachsein bedeute, abgelehnt zu werden. So versuchen wir unsere Armut zu verbergen, solange wir das können, und so zu tun, als seien wir stark; wir tun alles, um den Anschein aufrecht zu erhalten, dass wir alles im Griff hätten.
Wir müssen diese leise innere Stimme Gottes hören, die zu uns sagt: »Du hast es nicht nötig, dir und anderen etwas vorzumachen. Du brauchst deine Schwäche nicht zu verbergen. Du darfst du selbst sein. Ich habe dich nicht dazu in die Arche oder in eine andere Form der Gemeinschaft berufen, damit vor allem du den anderen hilfst oder damit du beweist, dass du großherzig oder tüchtig bist. Ich habe dich berufen, weil du arm bist, genau wie diejenigen, denen zu dienen du gekommen bist, und weil das Reich Gottes den Armen versprochen ist.«
Gott beruft jeden von uns. Es gibt viele Gründe dafür, weshalb wir zu einer Kirche oder einer Gruppe gehen, aber wir bleiben darin nur engagiert, falls uns aufgeht, dass wir dort sind, weil Gott uns dazu berufen hat. Wir werden ständig enttäuscht oder entmutigt sein, wenn wir in der Gemeinschaft der Schwachheit der Menschen und unserer eigenen Schwachheit begegnen, es sei denn, wir entdecken, dass wir aus dem Grund Mitglieder einer Gemeinschaft geworden sind, weil Gott uns dazu berufen hat, auf diese Weise zu dienen. Unser Dazugehören, unser Engagement ist eine Antwort auf einen Ruf seitens Gottes.
Das ist die Berufung der Claudias und Luisitos unserer Gemeinschaften, die im Herzen unseres Gemeinschaftslebens weilen; das ist die Berufung der Assistenten, die ganz in den Häusern mitleben; das ist die Berufung der Familien, Seelsorger und Mitglieder des Verwaltungsrats, die uns ihren Beistand leisten. Wie immer unsere Rolle in der Gemeinschaft aussehen mag, wir werden unseren Platz erst dann wirklich verstehen und Wurzeln fassen, wenn uns aufgeht, dass wir damit auf einen Ruf Jesu antworten, der uns auf einen geheimnisvollen Weg des Reifens in der Liebe und im Mitleiden einlädt.
Lasst uns Jesus bitten, er möge uns helfen, unsere Armut zu entdecken, vor ihr keine Angst zu haben und uns ihrer nicht zu schämen und uns unserer Berufung, unserer Sendung immer bewusster zu werden.