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Lisa

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Nun gut, dann stelle ich mich eben auch vor.

Ich heiße Lisa Martens, bin zweiundvierzig Jahre alt, stamme ursprünglich aus Köln, habe aber fünfzehn Jahre lang in München gelebt, gearbeitet und studiert, ehe ich auswanderte. Auf die Insel.

Nein, als klassische Aussteigerin würde ich mich keinesfalls bezeichnen. Auch wenn »die Insel« darauf hinzuweisen scheint.

Ich bin ganz im Gegenteil vielmehr eine echte Einsteigerin, das behaupte ich allen Ernstes. Man treibt schließlich keine Scherze mit seinem eigenen Lebenslauf!

Außerdem schufte ich viel zu hart, als dass ich das Klischee des Aussteigers erfüllen könnte. Auch wenn die Arbeit, wie ich zugeben muss, im Sonnenschein besser schmeckt als im Nieselregen.

Woher die viele Arbeit rührt?

Nun, ich habe mir vor einiger Zeit im Süden von Teneriffa ein Häuschen gekauft, direkt am Meer. Genauer gesagt in El Medanó, dem bekannten Surferparadies.

Es gibt dort einen kilometerlangen, breiten Sandstrand nebst Strandpromenade, wie es sich gehört, und viele nette Cafés, Sport- und andere kleine Geschäfte, die meist Silberschmuck und Strandmode anbieten. Früher war der Ort einmal ein beschauliches Fischerdorf, der kleine Hafen und die blauen Boote sind noch da, einige der einheimischen Fischer wohl auch, aber vor allem junge und junggebliebene Touristen.

Die Jungen kommen meist zum Surfen, die Älteren zum Flanieren, Schwimmen und Sonnenbaden.

Als ich das erste Mal meinen Fuß in das Städtchen setzte, machte es sofort Klick – und ich wusste: Hier musste es sein, hier wollte ich meine Pläne verwirklichen. Also machte ich mich auf die Suche nach dem geeigneten Objekt.

Bei meinem »Häuschen« handelt es sich nämlich um ein Strandcafé, zumindest seit ich mit dem Umbau weitgehend fertig bin.

Vieles habe ich selbst gemacht, oh ja. Schon aus finanziellen Gründen: Meine Ersparnisse waren ja mit dem Kauf mehr oder weniger aufgezehrt.

Für die schwereren Arbeiten habe ich mir manchmal Hilfskräfte aus dem Dorf genommen, aber auch das ging allmählich ins Geld.

Zum Glück gab und gibt es aber noch meine beiden Nachbarn, zur Linken (grobe Richtung) den Engländer David, und zur Rechten (noch gröbere Richtungsangabe) den »Knurrhahn« Kris. Letzterer ist übrigens ein Landsmann und handwerklich leider nur eingeschränkt begabt. Dafür erzeugt er aber jede Menge gute Ideen, die David dann meistens schweigend, dafür aber beherzt in die Tat umsetzt. Er nämlich ist handwerklich geschickt, dafür macht er nicht gern viele Worte oder große Pläne, wie Kris.

Die beiden Nachbarn ergänzen einander also überraschend gut, und ich darf sagen, durch meine Hilfsbedürftigkeit beim Umbau sind Kris und David mittlerweile mir und einander richtig gute Freunde geworden.

Mein Strandcafé heißt übrigens »Nube«, das ist das spanische Wort für Wolke.

»Café Nube«, »Café Wolke« steht auch abwechselnd mit weißer Schrift auf den blau gestrichenen Fensterläden und den Türen. Von mir eigenhändig darauf gepinselt.

Auch die Tür- und Fensterrahmen habe ich selbst in einem schönen Mittelblau lackiert.

Die Hauswände wiederum wurden von David in tagelanger, selbstverständlich von mir bezahlter Arbeit zuerst weiß gekalkt und dann in kräftigem Hellblau übertüncht.

Auf dem Hellblau wiederum habe ich pinselschwingend wunderschöne schneeweiße Haufen- und Schäfchenwolken verewigt, wild ums ganze Haus herum verteilt.

Mein Wolkenparadies.

Es sieht verrückt aus und zugleich wunderhübsch, und ich liebe es!

Und ich habe weitere Pläne, die ich bald umsetzen will: den Anbau einer Wellnessoase nämlich.

Meine Idee ist es, hier Ayurveda-Massagen, Tanztherapie und eine spezielle Form des Rückenstretchings anzubieten.

In allen drei Bereichen bin ich ausgebildet, in diversen Seminaren und Workshops habe ich über Jahre hinweg die nötigen praktischen Kenntnisse erworben.

Es war immer schon mein Traum gewesen, eines Tages selbstständig zu arbeiten, am besten irgendwo in der Sonne, und dabei auch noch anderen Menschen zu helfen.

Schritt für Schritt habe ich mich diesem Ziel bis heute beharrlich genähert, auf vieles verzichtet, um genügend Kapital für die Verwirklichung des Traumes anzusparen, und jetzt ist alles in greifbare Nähe gerückt.

Ich denke, hiermit ist immerhin verständlich geworden, wieso ich mich als »Einsteigerin« bezeichne.

Natürlich haben viele meiner alten Freunde und Bekannten in München und auch in Köln mich für verrückt erklärt, damals, als ich meine beiden Koffer packte. Aber das gehört dazu, daraus mache ich mir nichts.

Aus den harten Zeiten meiner Tätigkeit als Krankenschwester weiß ich nur zu genau, wohin es führt, wenn Menschen auf Dauer ihre Träume und ureigensten Fähigkeiten verleugnen und dafür versuchen zu funktionieren.

Irgendwann klappen die einen zusammen, die anderen brennen aus. Was letzten Endes auf dasselbe hinausläuft.

Ich habe genügend solcher Fälle auf meiner Station gepflegt. Während sie auf der Nase liegen, geloben die meisten Leute eine Lebensumkehr. Allerdings werden neunzig Prozent davon gleich nach der Entlassung aus dem Krankenhaus wieder rückfällig.

Die Rückenschmerzen werden tapfer ignoriert, die Magenkrämpfe mit Medikamenten behandelt, irgendwie geht es ja immer weiter.

Ich kenne das alles, daher bin ich ja auf die Idee mit meinem Wolkencafé und der Wellnessoase gekommen.

Zumindest im Jahresurlaub gönnen sich die meisten Leute dann aber doch endlich einmal das große Loslassen. Womit übrigens nicht bloßes Herumhängen und Faulenzen gemeint ist, jedenfalls nicht in erster Linie.

Ich bezeichne das, was ich anzubieten gedenke, gerne als aktives Wellnessfaulenzen. Das erklärt im Prinzip alles.

Um sich wohl zu fühlen – »to feel well«, wie David sagen würde –, dazu gehört schließlich mehr, als ein bisschen faul am Strand abzuhängen.

Bewegung, Stretching, Tanzen, Massagen, um nur einige Punkte zu nennen. Nichts davon im Übermaß, alles sorgfältig auf die Bedürfnisse des Einzelnen abgestimmt.

Wellness – der Begriff ist ja mittlerweile in aller Munde, noch vor Jahren wussten hingegen die wenigsten Leute, was das Wort überhaupt bedeutet.

Heutzutage jedoch schießen die Wellnesshotels, Wellnesstempel, Wellness-Dies-und-Das überall wie die sprichwörtlichen Pilze aus dem Boden.

Ich brauche mich bloß hier im Süden dieser schönen Insel umzuschauen, dann wird mir klar: Ich bin keineswegs zu früh und hoffentlich nicht schon ein bisschen zu spät dabei, meinen Traum endlich zu verwirklichen.

Auch hierfür werde ich die Hilfe von Freunden in Anspruch nehmen müssen, meine finanzielle Lage ist leider derzeit nicht so rosig, um alles im Alleingang zu bewältigen.

Dafür werde ich allerdings im Gegenzug großzügig und gerne Hilfe leisten bei diversen Rücken- und anderen Stressproblemen.

Was die Wellnessoase betrifft, so hoffe ich ganz besonders auf Dianas Hilfe. Sie ist fabelhaft darin, die individuelle Note eines Raumes zu komponieren. Damit die späteren Kunden sich wirklich »well«, also wohl fühlen – etwa während einer Ayurveda-Massagesitzung. Dabei ist jedes noch so kleine Detail wichtig.

Etwa die farbliche Ausgestaltung der Umgebung. Nun, über Stil und Geschmack verfüge ich zwar ebenfalls, aber Diana ist einfach fabelhaft, sie besitzt Klasse.

Manchmal frage ich mich, ob das Mädchen überhaupt ahnt, wie großartig sie ist in ihrem Job.

Sie redet mit ihren Kunden, ehe sie loslegt. Weil sie herausfinden möchte, welchen Typ Mensch sie vor sich hat. Darauf stimmt sie dann ihre Einrichtungs- und Farbvorschläge ab.

Natürlich können wir es nicht jedem meiner künftigen Kunden recht machen, aber Diana hat mir mal erklärt, es gebe auch für die Einrichtung eine Art »goldenen Schnitt«.

Ohne ins Detail zu gehen: An Fengshui ist das Ganze unter anderem ebenfalls ausgerichtet.

So, das wären also meine Pläne für die nächste Zukunft, von meiner Vergangenheit bin ich weder abhängig noch besessen genug, um hier groß darüber zu berichten.

Ich orientiere mich seit Jahren nur noch an der Gegenwart, wobei ich die nächste Zukunft selbstverständlich nicht aus den Augen verliere. Schließlich braucht der Mensch Ziele, realistische, erreichbare Ziele. Auch diese Weisheit gehört übrigens zum großen Wellnesskomplex.

Für die Gegenwart, also für jeden neuen Tag, bediene ich mich seit einiger Zeit schon eines wahren Wundermittels. Ich benutze täglich ein Engel-Orakel.

Das ist ein Satz Engelkarten. Mit klugen Sprüchen darauf. An die man sich besser hält für den Tag, denn es hilft, ehrlich!

Diana nennt es liebevoll »Lisas Tick«, aber sie meint es nicht böse, und wir lachen sogar gemeinsam darüber.

Heute Morgen etwa habe ich die Engelkarte Humor gezogen als Karte für diesen neuen Tag.

»Findest du es denn nicht schrecklich anstrengend, jeden Tag aufs Neue eine gute Figur machen zu sollen? Ich, dein Engel des heutigen Tages, schicke dir die Gelegenheit, dich bewusst auch mal lächerlich zu machen.

Gib den Clown, und zwar ganz natürlich, ohne in dieser Rolle nach Perfektion streben oder diese erlangen zu wollen. Hab einfach Spaß dabei, und du wirst sehen, wie befreiend das ist.«

Also, den Humor kann ich jetzt gleich brauchen, so viel steht auch fest. Eben biegt Mercedes um die Ecke, seit Neuestem meine Aushilfsbedienung im Café Wolke.

Vierundzwanzig Jahre jung, etwas mollig, aber hübsch, mit schwarzen überlangen Traumlocken. Vater Spanier, Mutter Deutsche, aufgewachsen ist das Mädel auf der Insel. Zweisprachig.

Blöd ist Mercedes nicht, vielleicht ein bisschen bequem und vor allem in letzter Zeit notorisch nörgelig.

Den motzigen Gesichtsausdruck muss ich ihr dringend austreiben. Das vergrault uns ja die langsam wachsende Gästezahl aus dem Café. Wie soll man sich bei dem Anblick well feelen, was?

Die Kleine grämt sich doch tatsächlich die Seele aus dem Leib, weil sie sich unbedingt einen Ehemann und ein Baby einbildet. In ihrem jugendlichen Alter!

Sie ist tatsächlich der festen Überzeugung, allmählich in die Jahre zu kommen. Die meisten ihrer Freundinnen seien bereits unter der Haube und zumindest schwanger.

Meine Güte, auf so einer Insel geht es in vielerlei Hinsicht wirklich noch sehr rückständig zu. Jeder hat ein Handy, aber in den Köpfen herrscht noch tiefstes Mittelalter.

Ich habe Mercedes neulich klarzumachen versucht, dass sie für beides, also Mann und Kind, noch locker zehn bis zwanzig Jahre Zeit hätte. Habe dabei auch verschiedene Hollywooddiven als Beweis angeführt, die sogar erst mit Anfang vierzig die erste Schwangerschaft erlebten. Auf den Einfall war ich mächtig stolz.

Sie hat mich aber bloß angesehen mit einem Ausdruck in den rabenschwarzen Augen, als hätte ich den Verstand verloren, und nicht etwa sie.

Großer Gott, wie einem die Hormone in den verschiedenen Altersstufen doch zusetzen können!

Armes Ding, andererseits versteh ich dich ja irgendwie. Kannst halt nicht gegen deine innerste Natur ankämpfen. Aber vor den Gästen ist ein freundliches Lächeln trotzdem unverzichtbar. Immerhin sind die Leute im Urlaub und haben daheim auch ihre eigenen Sorgen!

Ich glaube, ich werde es jetzt bei Mercedes mal mit den Engelkarten versuchen. Immerhin geht sie jeden Sonntagmorgen brav in die Kirche im Ort. Vermutlich zwar nur, um Opferkerzen anzuzünden, damit ihr sehnlichster Wunsch endlich in Erfüllung gehen möge. Aber immerhin ...

Sex on the rocks

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