Читать книгу Versprich mir, mich nie zu heiraten - Jeanette Sanders - Страница 9
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ОглавлениеAm nächsten Morgen lag der Zettel mit dem fertigen Gedicht auf dem Wohnzimmertisch. «Die Spinne» stand darüber. Doro las ihr Werk zweimal durch und war beeindruckt. Es gefiel ihr! Konnte es sein, daß sie Talent hatte? Das Gedicht besaß geradezu philosophische Dimensionen. Besonders der Schluß.
Da hat ein vorwitziger Mensch mit einem Stöckchen das neu gesponnene Spinnennetz teilweise zerstört. Und ist dann gelangweilt und pfeifend seiner Wege gegangen. Sofort kommt die Spinne angesaust, um unermüdlich ihr Netz zu reparieren.
Doro beschloß, das Gedicht bei Gelegenheit Ivan zu zeigen. Von wegen der philosophischen Dimensionen! Denn ging es im Leben eines Menschen nicht ähnlich zu wie in dem der Spinne? Man rackerte sich ab, freute sich an kleinen Erfolgen – und plötzlich zerstörte irgend jemand einem brutal alle Illusionen. Etwa so, wie es gestern abend Sabine mit ihrem Anruf fertiggebracht hatte ...
Die überraschende Entdeckung ihrer dichterischen Ader rettete Doro einigermaßen über den tristen Tag im Büro. Draußen regnete es, und ihr Chef Ewald Hörhammer hatte schlechte Laune und raunzte Doro an. Weihnachten stand immer noch drohend vor der Tür, und in den Spiegel traute sich Doro gar nicht erst zu schauen. Die vielen Gläschen Cognac hatten ihr Augenringe und Kopfbrummen beschert und einen unvorteilhaften Teint. Und wenn eine Frau sich das mit 35 erlaubt, muß sie davon ausgehen, daß man es ihr auch ansieht!
Nach diesem unerfreulichen Arbeitstag war Doro abends nicht allzu überrascht, vor ihrer Wohnungstür einen reichlich zerknitterten und mit einem Schlafsack bewaffneten Ivan vorzufinden. Irgendwie hatte sie schon geahnt, daß dieser Tag noch so einiges bieten würde ...
«Du kommst spät», begrüßte Ivan Doro vorwurfsvoll, «ich warte seit einer Stunde auf dich.»
«Ich habe eine Überstunde abgeleistet, lieber Ivan. Was machst du überhaupt hier in diesem Aufzug? Mit einem Schlafsack. Willst du etwa bei mir einziehen?»
«Vorübergehend.»
«Kommt nicht in Frage, du hast selbst eine Wohnung!» Doro war heute wirklich nicht besonders gut drauf.
«Die ist im Moment leider nicht bewohnbar. Ich erzähle dir gleich alles. Übrigens zieht es in diesem Treppenhaus. »
Doros von Natur aus weiches Herz meldete sich.
«Na schön, komm rein. Ich koche uns einen Kaffee, in der Zeit kannst du dir eine gute Story ausdenken!»
«Es handelt sich um die reine Wahrheit», verkündete Ivan düster, «die Sache mag zwar unglaubwürdig klingen, aber ...»
«Schieß los!» Doro schleuderte die Pumps in eine Ecke.
«Die Polizei hat meine Wohnungstür aufgebrochen. Jetzt ist das Schloß hin, und ich kann deswegen ein paar Tage nicht in meiner Wohnung wohnen, bis die Sache repariert ist.»
Doro mußte jetzt doch lachen. «Wieso bricht die Polizei deine Wohnungstür auf? Vermutet man bei dir konspirative Treffs?»
«Es war wegen dem neuen Spruch auf meinem Anrufbeantworter. Der Typ vom Fahrradkurierdienst, dein Verflossener ...»
«Sebastian? Was hat der damit zu tun?»
«Er wollte mich anrufen, aber ich war nicht da. Ganz einfach! » erklärte Ivan geduldig. «Es lief nur der Anrufbeantworter mit dem lockeren Spruch. Daraufhin hat dein Sebastian die Polizei angerufen. Die Knaben kamen, haben geklingelt, und weil niemand öffnete, dann eben die Tür aufgebrochen. Der Hausmeister hatte nämlich auch keinen Zweitschlüssel ...»
«Himmel noch mal», schrie Doro, «er ist nicht mehr mein Sebastian! Und außerdem verstehe ich das alles nicht. Welchen Spruch gibt denn dein Anrufbeantworter von sich?»
«Das wollte ich dir gerade erklären, bevor du losgelegt hast», sagte Ivan beleidigt.
«Guten Tag, hier spricht Eduard Ivan Hummel. Ich habe mir die Pulsadern geöffnet und mich in meine mit heißem Wasser gefüllte Badewanne gesetzt. Sie werden verstehen, daß ich in diesem Zustand nicht ans Telefon kommen kann. Es ist ebenfalls zwecklos, eine Nachricht auf Band zu hinterlassen. Von Beileidsbezeugungen am Grab bitte ich abzusehen.»
Doro erinnerte sich, den Spruch auch schon mal abgehört zu haben. Allerdings hatte sie den Text höchstens zum Lachen gefunden. Er klang eben nach Eduard Ivan Hummel, wie er leibte und lebte!
«Sag bloß, Sebastian hat den Quatsch für bare Münze genommen und die Polizei gerufen, damit sie dich rettet!» Doro bog sich vor Lachen.
«Richtig. Die Bullen fanden die Sache übrigens nicht lustig. Jetzt droht mir auch noch eine Anzeige! Kann man eigentlich wegen groben Unfugs verurteilt werden?»
«Keine Ahnung», sagte Doro. «Und deine Tür steht jetzt einfach offen? Hör mal, da kann doch jeder in die Wohnung. »
Ivan schüttelte den Kopf und grinste schwach. «Ich habe den Schrank, der immer noch vor meiner Bude auf dem Flur steht, einfach vor die Tür geschoben.»
Das mit dem Schrank war auch so eine Sache! Seit Jahren stand das Ungetüm draußen vor Ivans Mansardenwohnung herum. Versehen mit einem Vorhängeschloß. Ivan fand, daß er so eine Menge Platz drinnen sparte. Während draußen auf dem Flur ohnehin zuviel ungenützte Wohnfläche verbraten wurde. Der Hauswirt sah die Sache selbstredend anders und hatte Ivan schon mehrfach mit Kündigung gedroht. Dies allerdings bisher nicht durchgeführt. Also war Ivan immer noch da, und der Schrank auch.
«War Sebastian wenigstens bei der Aktion zugegen?» fragte Doro. «Wollte er wissen, wie du mit aufgeschnittenen Pulsadern aussiehst?» Sie mußte schon wieder lachen.
«Nö», sagte Ivan gelangweilt. «Willst du nicht wissen, wie es weiterging? Also irgendwann bin ich heimgekommen. Da hatte die Polizei wohl eben entdeckt, daß ich nicht blutüberströmt in der Badewanne liege. Einer der Herren telefonierte gerade von meinem Telefon aus mit seiner Zentrale, was sie denn jetzt tun sollten. In dem Moment kam ich zur Tür rein. Die haben sofort einen Aufstand gemacht, von wegen, was mir einfiele, völlig umsonst einen Polizeieinsatz zu provozieren. Worauf ich die Jungs darauf aufmerksam machte, daß sie uneingeladen meine Wohnung betreten und dabei die Türe ruiniert hätten. Einer von den drei Polizisten hat mir dann mit der Anzeige gedroht. Ich habe dazu gar nichts gesagt, sondern immer nur meine demolierte Wohnungstür begutachtet. Der Brüller hat sich allmählich wieder beruhigt, ‹Sie werden von uns hören› gesagt, und die drei sind abgezogen.»
«Und dann hast du den Schrank von außen vor die Tür geschoben und bist zu mir gefahren», stellte Doro nüchtern fest, «na schön, du verrückter Hund, zwei, höchstens drei Nächte! Ich bin eine schwerarbeitende Frau und brauche abends meine Ruhe, verstanden?»
«Abends bin ich zur Zeit sowieso immer in der Redaktion. »
«Um so besser. Ich bin es nämlich nicht mehr gewohnt, einen Mann um mich zu haben. Es macht mich nervös und aggressiv.»
Ivan pfiff leise durch die Zähne. «Das kommt von der wochenlangen sexuellen Enthaltsamkeit.»
Zu Ivans Glück klingelte es in dem Moment an der Tür.
«Maria! Du kommst gerade richtig», begrüßte Doro die Freundin, «geh schon mal ins Wohnzimmer. Ich habe einen Gast, der wird dich mit einer unglaublichen Geschichte erheitern. Ich koche uns in der Zwischenzeit Kaffee.»
Bis Doro mit der Kaffeekanne zurück ins Wohnzimmer kam, lagen sich Maria und Ivan bereits in den Haaren.
«Der Knabe ist einfach bescheuert», verkündete Maria.
«Deine Freundin läuft dafür als lebende Duftmischung durch die Gegend. Davon kriege ich Asthma», schoß Ivan zurück.
«Duftmischung? Wie meinst du das?» – das war wieder Maria.
«Deo, Körperlotion, Gesichtscreme, alles parfümiert, Haarspray und obendrein noch dieses Stinkeparfüm, das zur Zeit in zu sein scheint!» zählte Ivan naserümpfend auf. «Wißt ihr Frauen eigentlich, wie sich ein solches Durcheinander auf den männlichen Geruchssinn auswirkt? Verheerend!»
Maria reichte es. «Ich gehe dann wieder, Doro. Sobald dieser Mensch fort ist, rufst du mich bitte an. Ich möchte was mit dir besprechen, unter vier Augen!» – und weg war sie.
«Dufte ich eigentlich auch wie ein ganzer Parfümladen?» erkundigte sich Doro später bei Ivan.
«Keine Ahnung. Ich rieche zur Zeit nichts, weil ich erkältet bin und meine Schleimhäute angeschwollen sind ...»