Читать книгу Mehr vom Weniger - Jelena Weber - Страница 4

EINLEITUNG EINFACH LEICHTER LEBEN!

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Was bedeutet „Minimalismus“ eigentlich? Als ich das Wort googelte, fand ich diese Definition: Minimalismus ist die „bewusste Beschränkung auf ein Minimum, auf das Nötigste“. Ich finde, das klingt schwammig. Allein schon: „das Nötigste“. Es bedeutet sicher für alle etwas anderes. Manche finden es vielleicht nötig, besonders schönes Besteck zu besitzen. Anderen ist das nicht so wichtig. Ich kenne zum Beispiel Menschen, die sich sogar fragen: „Brauche ich einen Stuhl und einen Tisch – oder reicht mir vielleicht nur ein Bett?“ Tatsächlich kann Minimalismus bis ins absolute Extrem gehen, und ich bin überzeugt, dass manche Menschen sich damit wohlfühlen und es als sehr befreiend empfinden, so gut wie überhaupt nichts mehr zu besitzen. Auch ich finde diese Vorstellung vom Ansatz her spannend. Andererseits macht es mir Freude, in einem schönen Haus zu leben und es so kreativ auszugestalten, dass es zu einem Rückzugsort für meine Familie und mich wird, in dem wir uns alle geborgen fühlen. Dazu gehören für mich auch schöne Dinge und Möbel. Ein Bett, ein Tisch und ein Stuhl würden mir absolut nicht ausreichen. Vielleicht geht es dir in dieser Hinsicht ähnlich wie mir? Trotz alledem bin ich, wie du sicher auch, auf der Suche nach der richtigen Anzahl von Dingen, die mir – und uns allen! – guttun. Die genaue Anzahl ist natürlich individuell verschieden. Marie Kondo sieht das auch so – und diese Auffassung hat mich geprägt. Welche Dinge das sogenannte „Nötigste“ sind, findet man nicht sofort heraus, sondern nur mit der Zeit. Eine Annäherung in Schritten also – bis man schließlich an dem Punkt ankommt, an dem es zum persönlichen Typ passt.

DAS LEBEN LEICHTER MACHEN

Aber so einfach das klingt – leicht ist das nicht. Weil sich die Wahrnehmung aufs eigene Zuhause immer mal wieder verändert. Wenn ich zum Beispiel meine Mutter besuche, denke ich, dass sie ihr Zuhause richtig schön eingerichtet hat. Wenn ich bei ihr bin, empfinde ich ihre Wohnung nicht als zu voll. Wenn ich dann wieder heimkomme, kommt mir meine Wohnung jedes Mal irgendwie zu karg vor. Aber nach einer Weile pendelt sich diese Wahrnehmung wieder ein und ich empfinde meine Art, mich einzurichten, als genau passend für mich und meine Familie. Das ist der springende Punkt: Dein Lebensstil, deine Lebenseinstellung und deine Art, dich einzurichten, müssen übereinstimmen. Selbst wenn du es woanders schön findest, wo der Einrichtungsstil möglicherweise ganz gegensätzlich zu deinem ist, kann es sein, dass dies – wenn du dich selbst so einrichten würdest – überhaupt nicht mit deinen alltäglichen Bedürfnissen harmonieren würde.

Ich möchte das an einem Beispiel verdeutlichen: Vielleicht findest du ein großzügiges, offen gestaltetes Loft mit einer freien Treppe und einer Galerie ohne Geländer wunderschön. Du hast aber zwei kleine Kinder, lebst mit einem Partner oder einer Partnerin zusammen und ihr seid beide im Homeoffice. Für die Kinder brauchst du Sicherheit. Ihr beiden Erwachsenen braucht einen Raum, in dem ihr ungestört arbeiten könnt. Und ihr jede/r Einzelne braucht Rückzugsräume, um auch mal ganz für sich zu sein. So verschieden wie die Lebensentwürfe sind auch die Vorstellungen davon, was nötig ist und was nicht. Was man beim anderen toll findet, muss nicht zu einem selbst passen. Der Weg zum eigenen „Mehr vom Weniger“ führt in Versuchsschritten und über Kompromisse zum individuell stimmigen Ziel. Deshalb bin ich der Meinung, dass jede und jeder von uns für sich selbst herausfinden darf, welche Vorstellung von Minimalismus persönlich am geeignetsten ist. Ich zum Beispiel würde mich nicht als Minimalistin bezeichnen, obwohl ich in vielerlei Hinsicht wahrscheinlich wesentlich minimalistischer lebe als viele andere. Mein Wunsch für dich und uns alle ist daher, dass wir uns das Leben leichter machen und dabei unseren ganz persönlichen Weg finden dürfen.

Jeder sollte die Ideen des Minimalismus für sich so ausgestalten, wie es für sie oder ihn am überzeugendsten ist. Zumindest sehe ich das so. Es geht nicht um Etikettierungen. Minimalismus ist kein Wettbewerb und niemand muss dabei irgendwelchen Vorgaben entsprechen. Ziel ist es vielmehr, sich den Alltag zu erleichtern und dabei seinen individuellen Bedürfnissen zu folgen.

WENIGER IST MEHR

Ich habe viele inspirierende Menschen getroffen, bevor ich anfing, dieses Buch zu schreiben. Doch auch, wenn ich mich von diesen tollen, interessanten Frauen und Männern gedanklich anregen ließ, ist mein Lebensentwurf anders als ihrer. Und genau das finde ich unglaublich schön: sich gegenseitig zu respektieren und sich bei anderen genau das herauszupicken, was zum eigenen Leben passt. Schon in meinem ersten Buch „Der Aufräum-Kompass“ habe ich meine Auffassung zu diesem Thema angesprochen.

Meinem Gefühl nach gibt es derzeit vor allem zwei Strömungen, und beide können ziemlich extrem ausfallen. Zum einen ist da der absolute Fokus auf den Konsum. Und zum anderen der Trend zum perfekt nachhaltigen Leben. Ich bin in dieser Frage eindeutig für den Mittelweg, also dafür, dass wir anfangen, bewusster zu konsumieren. Ich glaube, nur wenige Menschen möchten als absolute Asketen leben. Doch es ist wichtig, sich bewusst zu machen, welche Konsequenzen ständiger Konsum hat. Jetzt, wo ich dieses Buch schreibe, bin ich schwanger mit meinem zweiten Kind. Natürlich stelle ich mir deshalb erneut die Frage, mit welchem Lebensstil meine Kinder aufwachsen sollen. Auch das wird ein Thema dieses Buches sein. Ich habe darüber mit vielen erfahrenen Mamas gesprochen – Müttern, die sich für ein Familienleben mit weniger materiellen Dingen entschieden haben. Ich selbst bin auch so aufgewachsen und erzogen worden. Geschenke, vor allem größere Wünsche, gab es bei uns nur zu Weihnachten und zum Geburtstag. Mittlerweile habe ich öfter den Eindruck, dass Kinder zu jedem Anlass, sei er noch so klein und unbedeutend, mit Geschenken überhäuft werden. Natürlich kann jede und jeder das so handhaben, wie er oder sie es für richtig hält, aber ich sehe diese Entwicklung aus verschiedenen Gründen kritisch.


MINIMALISMUS IM TREND

Minimalismus ist trendy und ich finde: Der Trend ist gut. Eine Gegenbewegung zum immer schneller werdenden Konsum. Dieser führt nämlich zu immer größeren Müllmengen. Auch die schwierigen Bedingungen der Massenproduktion möchte ich nicht aus dem Blick verlieren. Viele Menschen verbinden Minimalismus mit Verzicht, Entbehrung und Einschränkungen. Minimalistisch lebende Menschen hingegen empfinden ihren Lebensstil als Befreiung. In der Regel denkt man ja, Besitz schenkt Freiheit, weil man sich vieles leisten kann. Minimalismus zeigt eine andere Sichtweise auf: Man muss sich gar nicht mehr alles leisten können! Man darf aus dem Hamsterrad aussteigen. Aus dem Zwang des Besitzen-Wollens und Haben-Müssens auszubrechen, kann eine enorme Befreiung sein. Es nimmt eine Last von den Schultern. Viele Geschichten von Menschen, die sich für einen minimalistischen Lebensstil entschieden haben, beginnen als vermeintliche Erfolgsstory. Es sind oft Menschen, die steile Karrieren hingelegt haben, super erfolgreich und wohlhabend wurden. Dann kommt der Wendepunkt: eine Situation im Leben, die schlagartig deutlich macht, dass man eigentlich nur noch arbeitet, keine Zeit mehr für Familie und Freundeskreis hat und nicht mehr so richtig weiß, was man vom Leben eigentlich mal wollte. Und dann steigt man aus!

Ein gutes Beispiel hierfür sind Joshua Fields Millburn und Ryan Nicodemus. Sie wurden durch ihren Film „The Minimalists“ bekannt. Die beiden ihren Besitz minimiert und haben sich einer sinnstiftenden anstatt einer materiell oientierten Arbeit zugewandt. Ein stimmiger Weg für sie zu mehr Zufriedenheit. Auch dieses Beispiel zeigt: Im Vordergrund steht immer das, was uns persönlich guttut. Richtig ist, was für dich in Ordnung ist, nicht, was andere von dir erwarten! Fast alle Menschen, die diesen Weg einschlagen, bekommen nicht nur ein besseres Gespür für ihre wirklichen Bedürfnisse. Sondern auch dafür, wie sich ihr Verhalten auf die Umwelt auswirkt. Dieses Phänomen bleibt nicht aus, wenn man sich mit Minimalismus beschäftigt. Nachhaltigkeit ist in aller Munde, und in vielen Punkten sind wir dabei auf einem guten Weg. Sicher ist Minimalismus kein Trend, der in der Breite im Mainstream ankommen wird. Dafür ist meiner Ansicht nach der Kapitalismus viel zu sehr in unserer Gesellschaft verankert. Aber je mehr Aufmerksamkeit diese Bewegung bekommt, desto mehr Menschen können sich Aspekte davon heraussuchen und auf individuelle Weise umsetzen. Also: Du musst nicht perfekt sein! Wer bestimmt überhaupt, was perfekt ist? Wenn du für dich einen Weg findest, dein Leben so bewusst zu gestalten, dass du dich mit weniger besser fühlst, ist das ein wichtiger Schritt. Wenn du Lust hast, kannst du zum Beispiel fürs Erste damit beginnen, dich von unnötigem Ballast zu trennen.

„Aus dem Zwang

des Haben-Müssens auszubrechen,

ist eine enorme Befreiung.“

DAS BEISPIEL

VON JOSHUA UND RYAN

Joshua Fields Millburn und Ryan Nicodemus, die Macher der Dokumentation „The Minimalists“, kommen beide aus armen Verhältnissen. Am Anfang ihrer beruflichen Laufbahn haben sie deshalb nur ein Ziel: viel Geld verdienen! Sie machen Karriere und leben den typisch amerikanischen Traum. Doch dann führt der Tod seiner Mutter Joshua etwas Wichtiges vor Augen: Sich plötzlich mit all den Dingen, die seine Mutter hinterlassen hat, beschäftigen zu müssen, lässt Josh sein eigenes Konsumverhalten hinterfragen. Er entdeckt die Ideen der Minimalismus-Bewegung und wendet sich ihnen zu. Seinen langjährigen Freund Ryan steckt er mit dieser Lebensform an. Fortan widmen sich die beiden einer gemeinsamen Mission: möglichst vielen Menschen die Lebenseinstellung des Minimalismus näherzubringen. Ihre Dokumentation erzählt ihre ganz persönliche Geschichte, aber auch die Geschichte vieler anderer Minimalisten. Der Film nimmt uns mit auf eine gedankliche Reise und führt uns vor Augen, wie absurd sich der unstillbare Hunger nach Konsum in unserer Gesellschaft auswirken kann. Als ich diesen Film zum ersten Mal sah, hatte ich noch vor dem Abspann das dringende Bedürfnis, alle überflüssigen Dinge in meinem Leben endgültig loszuwerden.

Mehr vom Weniger

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