Читать книгу Schwerttänzer - Jennifer Roberson - Страница 7

DREI

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Ich holte sie bei den Pferden ein. Sie hatte bereits eines gesattelt und mit Wasserschläuchen bepackt, einen kleinen, graubraunen Wallach, der nicht weit von meinem kastanienbraunen Hengst entfernt angebunden war. Der weiße Burnus war irgendwo in einem von Moons Hyorts verschwunden, so daß sie bis auf ihre Veloursledertunika unbekleidet war. Auf diese Weise wurde eine Menge heller Haut der Sonne ausgesetzt, und ich wußte, sie würde sich röten und noch vor Einbruch der Nacht Unannehmlichkeiten bereiten.

Sie schenkte mir keine Beachtung, obwohl ich wußte, daß sie mich bemerkt hatte. Ich lehnte mich mit der Schulter gegen die rauhe Rinde einer Palme und beobachtete sie, als sie die mit Quasten geschmückten, bernsteinfarbenen Zügel über den Kopf des Graubraunen warf und ihn mit einem Arm umschlang, während sie den Sattel festzurrte. Das silberne Heft ihres Schwertes glänzte im Sonnenlicht, und ihr Haar brannte gelblichweiß über ihrem von der Tunika verhüllten Rücken.

Mein Mund wurde wieder trocken. »Ihr wollt nach Julah?«

Sie warf mir einen Seitenblick zu und befestigte die Schnallen des Sattelgurtes. »Ihr habt den Sklavenhändler gehört.«

Ich zuckte die Achseln. »Seid Ihr jemals dort gewesen?«

»Nein.« Der Sattelgurt saß perfekt, sie griff mit den Händen in die gestutzte borstige Mähne und schwang sich federleicht hinauf, wobei sie ein langes Bein über den flachen Sattel warf, der mit einer grobgewebten Decke bedeckt war. Scharlachrot, Ocker und Braun, die sich in der Sonne miteinander vermischten. Als sie ihre Füße in die lederumwickelten Messingsteigbügel stellte, schob sich die Tunika über ihren Oberschenkeln hoch.

Ich schluckte, aber es gelang mir, in normalem Ton zu sprechen. »Vielleicht braucht Ihr Hilfe, um nach Julah zu gelangen.«

Die blauen Augen zeigten keinen Argwohn. »Vielleicht.«

Ich wartete ab. Sie auch. Innerlich grinste ich, denn Konversation war nicht ihre Stärke. Aber andererseits ist Konversationskunst bei einer Frau nicht unbedingt eine Tugend.

Wir sahen uns an: Sie auf einem nervösen, graubraunen Wallach, der mit einer Schicht safrangelben Staubes bedeckt war, und ich (der ich mit dem gleichen Staub bedeckt war, da ich direkt von dem Wirtshaus hierher gekommen war) zu Fuß und lässig gegen eine Palme gelehnt. Trockene, ausgefranste Palmwedel boten wenig Schatten. Ich schielte hinauf zu der Frau auf dem Pferd. Noch immer abwartend.

Sie lächelte. Es war ein ausgesprochen persönliches Lächeln, aber nicht speziell für mich gedacht – als würde sie innerlich lachen. »Ist das ein Angebot, Sandtiger?«

Ich zuckte erneut die Achseln. »Ihr müßt die Punja durchqueren, um nach Julah zu gelangen. Seid Ihr dort jemals gewesen?«

Sie warf ihr Haar zurück. »Ich bin niemals vorher überhaupt im Süden gewesen ... aber ich bin ganz gut bis hierher gekommen.« Die darauffolgende Pause war bezeichnend. »Allein.«

Ich knurrte und kratzte träge an den Narben, die sich über meine rechte Wange ziehen. »Ihr seid gut bis zu dem abgelegenen Wirtshaus gekommen. Aber ich habe Euch hierher gebracht.«

Der kleine Graubraune tänzelte und wirbelte den Staub auf, der kurzzeitig in die warme Luft stieg und dann wieder heruntersank, um sich erneut mit dem Sand zu vermischen. Ihre Hände auf den aus Pferdehaar und Baumwolle geflochtenen Zügeln zeigten eindrucksvolle Sachkunde. Ihre Handgelenke wiesen Geschicklichkeit und Kraft auf, als sie das Pferd leicht unter Kontrolle brachte. Es war unruhig mit einem Reiter auf seinem Rücken. Aber sie schien sein schlechtes Benehmen kaum zu bemerken. »Ich habe es Euch schon einmal gesagt – es ist für mich nicht nötig, einen Schwerttänzer anzuheuern.«

»Die Punja ist meine Heimat«, erklärte ich ihr freundlich. »Ich habe den größten Teil meines Lebens hier verbracht. Und wenn Ihr die Brunnen oder die Oasen nicht kennt, werdet Ihr es niemals schaffen.« Ich streckte eine Hand aus, um gen Süden zu zeigen. Die Hitze flimmerte. »Seht Ihr das?«

Sie schaute hin. Die Meilen der Wüste erstreckten sich endlos. Und wir waren noch nicht einmal in der Punja.

Ich erwartete, daß sie mich erneut zurückweisen würde. Immerhin war sie eine Frau. Manchmal wird der Stolz der Frauen durch die Dummheit, beweisen zu wollen, daß sie allein zurechtkommen, völlig gebrochen.

Sie starrte in die Wüste hinaus. Selbst der Himmel war am Horizont ganz bleich und bot nur einen messingblauen Rand dar, der mit einem staubigen Graubeige verschmolz.

Sie zitterte. Sie zitterte, als ob sie frieren würde.

»Wer hat das so geschaffen?« fragte sie plötzlich. »Welch einfältiger Gott hat gutes Land in nutzlose Wüste verwandelt?«

Ich zuckte die Achseln. »Eine Legende besagt, daß der Süden einst kühl und grün und fruchtbar gewesen sei. Und dann bekämpften sich zwei Zauberer, um herauszufinden, wer Anspruch auf die ganze Welt hätte.« Sie wandte den Kopf, um auf mich herabzusehen, und ich spürte ihren klaren, direkten Blick auf mir. »Vermutlich töteten sie sich gegenseitig. Aber erst, nachdem sie die Welt genau geteilt hatten: in den Norden und den Süden, die beide so verschieden sind wie Mann und Frau.« Ich lächelte hinterhältig. »Findet Ihr nicht auch?«

Sie setzte sich bequemer im Sattel zurecht. »Ich brauche Euch nicht, Schwerttänzer. Ich brauche Euch nicht – ich brauche Euer Schwert nicht.«

Als ich sie ansah, wußte ich, daß sie sich damit nicht auf Einzelhieb bezog. Eine Frau allein in der Welt, wunderschön oder nicht, lernt schnell, was die meisten Männer wollen. Ich war da nicht anders. Aber ich hätte von ihr nicht solche Direktheit erwartet.

Ich zuckte erneut die Achseln. »Ich versuche nur zu helfen, Bascha.« Aber ich hätte ein Schwert – beide Schwerter – gegeben, wenn sie mir auch nur die kleinste Chance gewährt hätte.

Ich sah das Zucken in ihrem Mundwinkel. »Seid Ihr pleite? Ist das der Grund, warum ein Schwerttänzer Eures Rufes seine Dienste als Führer anbietet?«

Diese Vermutung traf meinen Stolz. Ich runzelte die Stirn. »Ich ziehe mindestens einmal im Jahr nach Julah. Jetzt ist es wieder soweit.«

»Wieviel verlangt Ihr?«

Meine Augen wanderten ein wohlgeformtes Bein entlang. So hell, zu hell. Ich öffnete den Mund, um zu antworten, aber sie kam mir zuvor, indem sie genau den Preis nannte, den ich gerade hatte nennen wollen. »In Gold.«

Ich lachte sie an, erheitert durch ihre Erkenntnis des Wertes, den sie für mich als Frau hatte. Das machte das Spiel etwas erfreulicher. »Warum entscheiden wir das nicht, wenn wir nach Julah kommen?« schlug ich vor. »Ich fordere immer einen fairen Preis, der sich nach dem Grad der Schwierigkeiten und der Gefahren richtet. Wenn ich Euer Leben mehr als einmal rette, erhöht sich der Preis entsprechend.«

Ich erwähnte nicht, daß ein Mann hinter ihr her war und ich davon wußte. Wenn sie ihn kannte und gefunden werden wollte, würde sie das sagen. Ihr Verhalten zeigte, daß sie es nicht wollte. Und wenn dies so war, konnte sich der Preis schneller erhöhen, als sie dachte.

Sie verzog den Mund, aber ich bemerkte das Glitzern in ihren Augen. »Verhandelt Ihr immer auf diese Art?«

»Das kommt darauf an.« Ich ging hinüber zu meinem eigenen Pferd und durchsuchte meinen Lederbeutel. Schließlich warf ich ihr einen Burnus in einem hellen Scharlachrot zu. »Hier. Zieht das an, sonst seid Ihr bis zum Mittag gebraten.«

Der Burnus war ein wenig protzig. Ich haßte es, ihn zu tragen, aber ab und zu war er ganz praktisch. So zum Beispiel, wenn einer der hiesigen Tanzeer meine Gesellschaft bei einem Essen wünschte, um Geschäfte zu besprechen. Ein paar goldene Quasten hingen hier und dort von den Ärmeln und der Kapuze herab. Ich hatte einen Schlitz in die linke Schulternaht geschnitten, so daß das Heft von Einzelhieb ungehindert hindurchstoßen konnte. Es ist wichtig, das Schwert leicht aus der Scheide ziehen zu können, wenn man in Geschäften wie den meinen unterwegs ist.

Sie hielt den Burnus hoch. »Ein wenig zu fein für Euch.«

Sie zog ihn über den Kopf, richtete die Falten so, daß ihr eigenes Schwert frei lag, und schob die Kapuze zurück. Er war ihr viel zu groß, fiel in undeutlichen Wellen und Falten herab, die ihre Umriße nur erahnen ließen, aber er stand ihr dennoch besser als mir. »Wie bald können wir Julah erreichen?«

Ich band den Hengst, tätschelte einmal warnend seine linke Schulter und sprang dann in meinen abgedeckten Sattel. »Das kommt darauf an. Wir könnten es in drei Wochen schaffen ... es kann auch drei Monate dauern.«

»Drei Monate!«

»Wir müssen die Punja durchqueren.« Ich schob die ausgebleichten Quasten meiner scharlachroten Zügel zurecht. Hier draußen behält nichts für lange Zeit seine Farbe. Letztendlich schluckt die Farbe Braun alles andere. In all ihren Schattierungen und Variationen.

Sie runzelte ein wenig die Stirn. »Dann sollten wir keine Zeit mehr verschwenden.«

Ich sah ihr zu, wie sie den kleinen graubraunen Wallach wendete und sich gen Süden richtete. Zumindest wußte sie, in welche Richtung sie reiten mußte.

Der Burnus schlug im Wind Wellen wie das karmesinrote Banner eines Wüstentanzeers. Das Heft ihres nordischen Schwertes leuchtete silbern und reflektierte in der Sonne. Und all dies Haar, so weich und seidig gelb ... nun, es würde leicht sein, ihr auf den Fersen zu bleiben. Ich schnalzte meinem Hengst zu und ritt hinter der Frau her.

Wir ritten eine Weile in vernünftiger Geschwindigkeit Seite an Seite. Mein kastanienbrauner Hengst war nicht allzu begeistert davon, sich dem kleinen graubraunen Wallach anpassen zu müssen, denn er bevorzugte eine schnellere, aufgeregtere Gangart (leidlich oft ist dies ein voller Galopp, durchsetzt von zwischenzeitlichen Versuchen, mich von seinem Rücken zu entfernen), aber nach einer kurzen ›Diskussion‹ entschlossen wir uns zu einem Kompromiß. Ich würde die Richtung bestimmen und er die Gangart.

Bis er eine andere Möglichkeit sah.

Die Frau beobachtete mich, wie ich der kurzzeitigen Auflehnung des Hengstes begegnete, aber ich konnte nicht erkennen, ob sie mein Können schätzte oder nicht. Der Hengst wird von niemandem sonst freiwillig geritten, denn er hat eine mürrische, überhebliche Art, und ich habe erfolgreich Wetten auf ihn abgeschlossen, wenn jemand dachte, er würde bei den üblichen morgendlichen Feindseligkeiten gewinnen. Aber wir beide haben einen Handel abgeschlossen, nach dem er das Feuerwerk liefert und ich dafür sorge, daß es gut aussieht. Wann immer ich dann mit ein paar in meiner Gürteltasche klimpernden Münzen davonkomme, bekommt er eine Extraration Hafer. Das funktioniert ziemlich gut.

Die Frau sagte kein Wort, als sich der Hengst schließlich beruhigt hatte und den Staub aus seinen Nüstern schnaubte, aber ich bemerkte, daß sie mich mit ihren blauen Augen unauffällig musterte.

»Das ist kein nordisches Pferd, das Ihr da reitet«, erklärte ich im Plauderton. »Er ist ein Südbewohner, wie ich. Welche Pferde gibt es bei Euch im Norden?«

»Größere.«

Ich wartete. Sie fügte nichts mehr hinzu. Ich versuchte es noch einmal. »Sind sie schnell?«

»Schnell genug.«

Ich runzelte die Stirn. »Seht, es wird eine lange Reise. Wir könnten sie genausogut mit einer gepflegten Unterhaltung verkürzen.« Ich machte eine Pause. »Auch mit einer schlechten Unterhaltung.«

Sie lächelte. Sie versuchte, es hinter dem Vorhang aus Haaren zu verbergen, aber ich sah es. »Ich dachte, Schwerttänzer wären im allgemeinen mürrisch«, sagte sie zögernd, »und lebten nur dafür, Blut zu verspritzen.«

Ich schlug eine ausgebreitete Hand gegen meine Brust. »Ich. Nein? Ich bin ein friedlicher Mann, im Herzen.«

»Aha.« Und alle Weisheit dieser Welt lag in dieser einen Silbe.

Ich seufzte. »Habt Ihr einen Namen? Oder reicht Blondie?«

Sie antwortete nicht. Ich wartete und entfernte Spitzkletten aus der gestutzten Mähne meines Hengstes.

»Delilah«, sagte sie schließlich mit leicht verzogenem Mund. »Nennt mich Del.«

»Del.« Irgendwie paßte das nicht zu ihr, es klang zu hart und kurz – und zu männlich – für eine junge Frau ihrer Anmut und Schönheit. »Seid Ihr wirklich hinter Eurem Bruder her?«

Sie warf mir einen Seitenblick zu. »Denkt Ihr, ich hätte diese Geschichte, die ich dem Sklavenhändler erzählt habe, erfunden?«

»Vielleicht.« Ich zuckte die Achseln. »Es ist nicht mein Job, ein moralisches Urteil über meine Arbeitgeberin zu fällen, sondern nur, sie nach Julah zu bringen.«

Sie lächelte andeutungsweise. »Ich suche meinen Bruder. Das hat nichts mit ›hinterher sein‹ zu tun.«

Das stimmte. »Habt Ihr denn tatsächlich eine Ahnung, wo er sein könnte oder was ihm passiert sein könnte?«

Ihre Finger kämmten die hochstehende Mähne des Graubraunen. »Wie ich dem Sklavenhändler schon gesagt habe, wurde er vor fünf Jahren entführt. Ich habe seine Spur bis hierher verfolgt ... jetzt bis Julah.« Sie sah mich direkt an. »Sonst noch Fragen?«

»Ja.« Ich lächelte sanft. »Warum, zu den Hoolies, verfolgt ein Mädchen wie Ihr ihren verlorengegangenen Bruder? Warum kümmert sich Ihr Vater nicht darum?«

»Er ist tot.«

»Ein Onkel?«

»Er ist tot.«

»Andere Brüder?«

»Sie sind alle tot, Schwerttänzer.«

Ich sah sie an. Ihr Ton klang aufrichtig, aber ich habe gelernt, mehr auf das zu hören, was die Leute nicht sagen, als auf das, was sie sagen. »Was ist passiert?«

Ihre Schultern bebten unter dem scharlachroten Burnus. »Räuber. Sie kamen ungefähr zur selben Zeit in den Norden, als wir nach Süden wollten, in das Grenzgebiet. Sie kamen herüber und griffen unsere Karawane an.«

»Und entführten Euren Bruder ...«, ich wartete nicht auf ihre Antwort »... und töteten alle anderen.«

»Alle außer mir.«

Ich setzte mich auf und griff in ihre mit Quasten versehenen Zügel. Ockerfarbene Quasten, und verblaßte orangefarbene. »Warum zu den Hoolies«, fragte ich, »haben die Angreifer Euch verschont?«

Einen Augenblick lang waren die blauen Augen hinter den gesenkten Lidern verborgen. Dann sah sie mich gerade an. »Ich habe nicht gesagt, daß sie es taten.«

Eine Minute lang sagte ich gar nichts. In meinem Kopf tauchte eine Vorstellung von Räubern aus dem Süden auf, die das bezaubernde nordische Mädchen anfaßten, und das gefiel mir ganz und gar nicht. Aber das bezaubernde nordische Mädchen sah gerade zu mir zurück, als ob sie genau wüßte, was ich dachte, und damit fertigwerden würde und sich durch mein Wissen weder gedemütigt noch überrascht fühlte. Es war einfach eine Tatsache des Lebens. Ich fragte mich kurz, ob Moon erwähnt hatte, daß derjenige, der hinter ihr her war, einer der Angreifer war. Aber – sie hatte von fünf Jahren gesprochen. Zu lang für einen Mann, der hinter einer Frau her war.

Aber nicht zu lang für eine Frau, die ihren Bruder suchte.

Ich ließ ihre Zügel los. »Und jetzt seid Ihr zu einer ermüdenden Jagd in den Süden gekommen und sucht nach einem Bruder, der genausogut tot sein könnte.«

»Vor fünf Jahren war er nicht tot«, sagte sie kühl. »Und er war nicht tot, als Osmoon ihn sah.«

»Wenn er ihn gesehen hat«, gab ich zu bedenken. »Glaubt Ihr, er würde Euch die Wahrheit sagen, während Ihr ihm ein Schwert an die Kehle haltet? Er hat Euch genau das erzählt, was Ihr hören wolltet.« Ich runzelte die Stirn. »Nach fünf Jahren ist es fast unmöglich, Bascha. Wenn Ihr so entschloßen seid, Euren Bruder zu finden, warum habt Ihr dann erst so spät mit der Suche begonnen?«

Sie lächelte nicht und zeigte auch auf keine andere Art, ob meine Verärgerung sie berührte. »Ich mußte erst dieses Gewerbe lernen«, erklärte sie mir ruhig. »Eine abgewandelte Tradition.«

Ich schaute auf das silberne Heft, das über ihre Schulter hinausragte. Eine Frau, die ein Schwert trug – ja, das widersprach der Tradition ganz entschieden. Im Norden und im Süden. Aber meine Vermutungen bezüglich des Gewerbes, auf das sie sich bezogen hatte, waren wahrscheinlich nicht richtig.

Ich grunzte. »Zeitverschwendung, Bascha. Nach so langer Zeit im Süden – ich bin sicher, daß er längst tot ist.«

»Vielleicht«, stimmte sie zu. »Aber ich werde es genau wissen, wenn ich nach Julah komme.«

»O Hoolies«, sagte ich voller Abscheu. »Ich habe nichts Besseres zu tun.« Ich starrte auf ihren karmesinroten Rücken, als sie mir voran weiterritt. Dann stieß ich dem Hengst die Fersen in die glatten Seiten und schloß wieder zu ihr auf.

Wir übernachteten draußen unter den Sternen und bereiteten uns eine Mahlzeit aus getrocknetem Cumfafleisch. Es ist nicht das, was man eine Delikatesse nennen würde, aber es macht satt. Das Beste daran ist, daß es nicht mit Salz haltbar gemacht wird. In der Punja ist gesalzenes Fleisch das letzte, was man brauchen kann, von einem Minimum Salz mal abgesehen, daß zum Überleben nötig ist. Cumfa ist ziemlich mild und geschmacklos, aber es wird mit einem Öl zubereitet, das es weich und schmackhaft macht, und das ist das Beste für eine Wüstendurchquerung. Ein wenig davon reicht für lange Zeit, und es ist leicht, so daß es die Pferde nicht belastet. Ich habe mich recht gut daran gewöhnt.

Del war sich aber nicht so sicher, ob sie viel davon hielt, obwohl sie zu höflich war, um ihre Abneigung zu äußern. Sie kaute darauf herum wie ein Hund auf einem etwas unangenehm schmeckenden Knochen. Sie mochte es nicht, aber sie wußte, daß genau das von ihr erwartet wurde. Ich lächelte vor mich hin, kaute auf meiner eigenen Ration herum und spülte das Fleisch mit ein paar Schluck Wasser hinunter.

»Gibt es im Norden kein Cumfa?« fragte ich, als sie schließlich das letzte Stück hinuntergewürgt hatte.

Sie legte eine Hand über den Mund. »Nein.«

»Es dauert etwas, bis man sich daran gewöhnt.«

»Hmmmm.«

Ich hielt ihr die Lederbota* hin. »Hier. Das wird helfen.«

Sie schluckte hörbar, schloß die Bota dann wieder und gab sie mir zurück. Sie sah ein wenig blaß um die Nase aus.

Ich beschäftigte mich damit, das Fleisch wieder einzuwickeln, das ich ausgepackt hatte. »Wißt Ihr, was Cumfa ist?«

Ihr Blick sprach Bände.

»Ein Reptil«, belehrte ich sie. »Aus der Punja. Bösartig. Die erwachsenen Tiere können bis zu zwanzig Fuß groß werden, und sie sind zäh wie altes Stiefelleder – ungefähr so groß im Umfang.« Ich hielt meine zu einem Kreis geschloßenen Hände hoch, wobei sich die Daumen und die Finger nicht ganz berührten. »Aber wenn man ein Jungtier fängt und ausschlachtet, hat man immer etwas zu essen. Ich habe zwei Beutel voll davon, und das sollte uns noch weiter bringen als nur durch die Wüste.«

»Ist das alles, was Ihr zu essen dabeihabt?«

Ich zuckte die Achseln. »Wir können mit Karawanen handeln. Und wir können an einer Reihe Siedlungen haltmachen. Aber dies wird unser hauptsächliches Nahrungsmittel sein.« Ich lächelte. »Es verdirbt nicht.«

»Hmmmm.«

»Ihr werdet Euch daran gewöhnen.« Ich räkelte mich genüßlich und lehnte mich zufrieden im Sattel zurück. Hier war ich, mit einer wunderschönen Frau in der Wüste allein. Ich hatte einen vollen Bauch, und der Sonnenuntergang kündigte eine kühle Nacht an. Die Sterne rundeten das Ganze ab. Wenn wir die Punja erst einmal erreicht hatten, würde sich alles ändern, aber im Moment war ich ziemlich glücklich. Ein wenig guter Aqivi hätte es noch verbessert, aber als ich das Wirtshaus verlassen hatte, um Del hinterherzugehen, hatte ich nicht mehr genug Geld gehabt, um auch nur eine Bota davon zu kaufen.

»Wie weit ist es bis in die Punja?« fragte sie.

Ich schaute sie an und sah, daß sie ihr Haar zu einem einzigen Zopf flocht. Es schien mir eine Schande zu sein, all das wundervolle Haar zusammenzubinden, aber ich konnte mir vorstellen, daß es bei all dem Sand ein wenig hinderlich war. »Wir werden sie morgen erreichen.« Ich bewegte mich im Sattel. »Nun, da wir jetzt vertrauter miteinander sind, könntet Ihr mir eigentlich sagen, wie es dazu kam, daß Ihr mich in dem Wirtshaus aufsuchtet?«

Sie band den Zopf mit einem Lederband zusammen. »In Harquhal hörte ich, daß Osmoon der Händler die beste Informationsquelle sei. Aber Osmoon zu finden erwies sich als so schwierig, daß ich mich nach der nächstbesten Möglichkeit erkundigte: nach jemandem der ihn kannte.« Sie zuckte die Achseln. »Drei verschiedene Leute sagten, daß ein bekannter Schwerttänzer, der sich Tiger nenne, ihn kennen würde, und ich sollte nach ihm suchen anstatt nach Osmoon.«

Harquhal ist eine Stadt nahe der Grenze. Es ist ein rauher Ort, und wenn sie solche Informationen aus den Leuten, von denen ich wußte, daß sie ohne die richtige Ermutigung sehr verschlossen waren, herausbekommen hatte, dann war sie besser, als ich gedacht hatte. Ich betrachtete sie abschätzend. Sie sah nicht sehr zäh aus, aber etwas in ihren Augen konnte einen Mann schon dazu veranlassen, mehr als nur ihren Körper wahrzunehmen.

»Darum kamt Ihr in das Wirtshaus, um nach mir zu suchen.« Ich tastete nach den Narben auf meinem Kinn. »Ich denke, ich bin mitunter leicht zu finden.«

Sie zuckte die Achseln. »Sie haben Euch beschrieben. Sie sagten, Ihr wärt zäh wie altes Cumfafleisch, aber da wußte ich noch nicht, was sie damit meinten.« Sie schnitt eine Grimasse. »Und sie erwähnten die Narben in Eurem Gesicht.«

Ich wußte, daß sie danach fragen wollte. Jeder tut das, besonders die Frauen. Die Narben sind ein Teil der Legende, und es macht mir nichts aus, darüber zu sprechen.

»Sandtiger«, belehrte ich sie und sah ihren verwirrten Blick. »Wie die Cumfa leben auch sie in der Punja. Gemeine, tödliche Bestien, die den Geschmack von Menschen nicht verschmähen, wenn diese so zuvorkommend sind, in das Lager eines Sandtigers zu spazieren.«

»Wie Ihr?«

Ich lachte. »Ich ging absichtlich in das Lager. Ich ging hinein, um ein großes männliches Tier zu töten, das unser Lager in Angst und Schrecken versetzte. Er riß ein paar Fetzen aus meiner Haut und zog mir einmal kräftig durchs Gesicht – wie Ihr seht –, aber ich habe ihn besiegt.« Ich berührte die Krallenkette, die an einer schwarzen Schnur um meinen Hals hing. Auch die Krallen sind schwarz und bösartig gekrümmt. Mein Gesicht ist ein deutlicher Beweis dafür. »Das ist alles, was von ihm übriggeblieben ist. Die Haut kam in meinen Hyort.« Wieder dieser verwirrte Blick. »Ein Zelt.«

»Daher nennt man Euch jetzt Tiger.«

»Sandtiger – kurz Tiger.« Ich zuckte die Achseln. »Ein Name ist so gut wie der andere.« Ich beobachtete sie einen Augenblick lang und beschloß, daß es meinem Ruf nicht schaden würde – oder meinen Chancen –, sie näher in die Geschichte einzuweihen. »Ich kann mich sehr genau an den Tag erinnern, an dem es passierte«, sagte ich mitteilsam und bereitete mich auf die Erzählung vor. »Der Sandtiger hatte Kinder geraubt, die sich zu weit von den Wagen entfernt hatten. Niemand hatte ihn aufspüren und außer Gefecht setzen können. Zwei der Männer waren draußen getötet worden. Der Shukar versuchte es mit magischen Zaubern, aber sie versagten – wie die Magie das oft tut. Also sagte er, wir hätten die Götter irgendwie verärgert, und dies sei unsere Strafe, daß aber derjenige, der die Bestie töten könne, durch die Dankbarkeit des Stammes belohnt werden würde.« Ich zuckte die Achseln. »Also nahm ich mein Messer und ging in das Lager, und als ich wieder herauskam, lebte ich, und der Sandtiger war tot.«

»Und seid Ihr durch die Dankbarkeit Eures Stammes belohnt worden?«

Ich grinste sie an. »Sie waren so dankbar, all die jungen, heiratsfähigen Frauen fielen vor mir nieder und baten mich, sie zur Frau zu nehmen – natürlich eine nach der anderen. Und die Männer feierten mich und gaben mir alle möglichen Dinge, um meine Großartigkeit zu würdigen. Für den Salset ist dies Belohnung genug.«

»Wie viele Frauen habt Ihr genommen?« fragte sie ernst.

Ich kratzte an den Narben in meinem Gesicht. »Tatsächlich blieb ich bei keiner von ihnen. Ich war nur hin und wieder für sie da.« Ich zuckte die Achseln. »Ich war damals noch nicht bereit für eine Frau, wenn mehrere da waren. Das bin ich noch immer nicht.«

»Warum habt Ihr den Stamm verlassen?«

Ich schloß ein Auge und schielte zu dem hellsten Stern hinauf. »Ich wurde einfach unruhig. Selbst ein Nomadenstamm wie die Salset kann beengend werden. Also ging ich allein fort und lernte den Beruf des Schwerttänzers, bis ich den siebten Grad erreichte und selbst einer wurde.«

»Zahlt sich das im Süden aus?«

»Ich bin ein sehr reicher Mann, Del.«

Sie lächelte. »Das sehe ich.«

»Und ich werde noch reicher sein, wenn wir diese Sache beendet haben.«

Sie befestigte den Lederriemen, der ihr Haar zu einem schimmernden Zopf zusammenband. »Aber Ihr glaubt nicht wirklich, daß wir ihn finden werden, nicht wahr?«

Ich seufzte. »Fünf Jahre sind eine lange Zeit, Del. Es könnte ihm alles mögliche zugestoßen sein. Besonders, wenn er mit Sklavenhändlern zu tun hatte.«

»Ich habe nicht die Absicht aufzugeben«, machte sie deutlich klar.

»Nein. Das habe ich auch nicht angenommen.«

Sie zog den Burnus über ihren Kopf, faltete ihn dann sorgfältig zusammen und legte ihn neben ihren Sattel. Sie war den ganzen Tag darunter verborgen gewesen. Als ich plötzlich all das helle, weiche Fleisch sah, wurde ich wieder – überdeutlich – daran erinnert, wie sehr ich sie begehrte. Und einen verzückten Augenblick lang stiegen Hoffnungen auf, als sie mich ansah.

Ihr Gesicht war vollkommen ausdruckslos. Ich wartete auf eine Ermutigung, aber sie sagte nichts. Sie zog nur ihr Schwert aus der Scheide und steckte es neben sich in den Sand. Mit einem ziemlich langen, geheimnisvollen Blick in meine Richtung legte sie sich hin und wandte mir den Rücken zu, wobei eine Hüfte gen Himmel drängte.

Die Klinge schimmerte lachs- und silberfarben im Sternenlicht, und die Runen schillerten.

Ich zitterte fröstelnd. Und das erste Mal seit vielen Nächten brauchte ich meinen Burnus nicht auszuziehen. Statt dessen streckte ich mich auf meiner Decke aus und starrte in die Sterne, während ich mich in den Schlaf zwang.

Hoolies, was für eine Art, eine Nacht zu verbringen ...

* lederne Feldflasche

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