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MEIN ZOMBIEAUGE

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Ja. Ich habe ein schwaches Auge. Ich schiele. Das bedeutet, dass mein eines Auge immer auf meine Nase zu gucken scheint, obwohl ich das nicht will. Als ich kleiner war, hatte ich eine Augenklappe. Die saß vor dem starken Auge, weil das schwache trainiert werden sollte. Sonst bestand die Gefahr, dass das starke Auge alle Arbeit übernehmen und das Gehirn das schwache Auge abkoppeln würde, und dann wäre ich einäugig. Oder ich hätte zwar immer noch zwei Augen, aber das eine Auge wäre wertlos und fast blind.

Ich hasste die Augenuntersuchungen und ich hasste die Augenklappe. Jedes Mal, wenn die ausgewechselt wurde, fühlte es sich an, als würde man mir die ganze Augenbraue abreißen.

Die Klappe war beige, hautfarben. Wie ein Pflaster. Echt beschissen. Erstens bin ich nicht beige. Und zweitens war sie kein bisschen unauffällig. Genauso gut hätte ich sagen können: Hallo! Ich hab hier kein Auge! Sieht man doch, oder?

Als Oma einmal vor vielen Jahren meine Babysitterin war, bat ich sie, ein Auge auf die Klappe zu malen. Ich hoffte, dann würde die Klappe weniger auffallen. Oma nahm die Aufgabe ernst und holte Opas winzig kleine Farbdöschen hervor. Damit hatte er die kleinen Häuser und Figürchen für seine geliebte Modelleisenbahn bemalt, die im Keller stand.

Oma erlaubte sich einige künstlerische Freiheiten, das muss man schon sagen. Sie malte nämlich ein Zombieauge auf die Klappe. Ein Auge, rund wie ein Tischtennisball, das aus der Augenhöhle herauszukullern schien, nur von einem kleinen roten Hautfetzen festgehalten. Die Iris hatte die gleiche Farbe wie meine eigenen Augen, dunkelgrün mit einem goldbraunen Ring. Aber rings um die Iris hatte Oma rote Striche gemalt, als wäre das Auge blutunterlaufen. Mir gefiel es, obwohl es nicht ganz so wurde, wie ich es mir vorgestellt hatte. Dass ich mich so deutlich daran erinnere, hat damit zu tun, dass am folgenden Montag in meiner Vorschule Schulfotos gemacht wurden. Mama war nicht begeistert. Aber Oma umso mehr. Sie bestellte eine Unmenge Abzüge und außerdem noch Klebebildchen und Kühlschrankmagnete mit meinem Porträt und verschenkte sie an die Verwandtschaft. Das Weihnachtsgeschenk des Jahres, wie sie es nannte. In unserer früheren Wohnung in Stockholm saß so ein Magnet am Kühlschrank. Oma hat hier in Skärblacka drei Stück am Kühlschrank kleben und im Wohnzimmer ein großes gerahmtes Foto hängen. Es ist ihr Lieblingsbild von mir.

Nur eine Sache hasse ich mehr als die Augenklappe, und zwar die Tatsache, dass ich immer noch schiele. Wenn ich meine Brille aufsetze, schiele ich nicht. Jedenfalls nur sehr wenig. Das Dumme mit der Brille ist nur – sie ist affenscheußlich. Das Gestell ist aus beigefarbenem Kunststoff, und die Gläser sind so dick wie Flaschenböden und vergrößern die Augen ganz gewaltig. Ich sehe wie ein Minion aus, wenn ich die Brille aufhabe. Sorry. Ich mache Witze, das mach ich meistens, wenn ich über mein Schielauge spreche, aber eigentlich möchte ich nur heulen. Denn soll ich euch ein Geheimnis verraten? Ich würde später am liebsten mal fürs Fernsehen arbeiten. Als Moderator für zum Beispiel Die Tierklinik. Oder noch lieber für irgendeine Sendung, die mit Erfindungen zu tun hat. Wo Kinder sich Ideen für lustige Maschinen oder Apps ausdenken und sie dann auch ausführen dürfen. Aber habt ihr jemals einen schielenden Fernseh-Moderator gesehen? Nein. Das habt ihr nicht. So jemand kriegt beim Fernsehen nämlich keinen Job. Der muss denn eben beim Rundfunk arbeiten oder in irgendeinem beschissenen Büro, wo ihn niemand sieht. Das ist der Grund, warum ich mir die Haare bis weit übers Auge hab wachsen lassen – weil ich mein Auge verbergen will. Lieber hacke ich mir mit einer Axt ins Bein, als dass ich mir die Haare schneiden lasse.

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